Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Montag, 22. April 2002 21 Frankreich: Politisches Erdbeben Le Pen und Chirac gehen in Stichwahl um Präsidentschaft rAKli>: Frankreich wird von ei­ nem politischen Erdbeben er­ schüttert: In der Stichwahl vom 5. Mai stehen sich der Chef der rechtsextremen Nationalen Front (FN), Jean-Marie Le Pen, und Amtsinhaber Jacques Chi­ rac gegenüber. Premier Lionel Jospin hat das Nachsehen. Nach vorläufigen Ergebnissen für die erste Runde der Präsidentschaftswah- len erhält der konservative Präsident Chirac 20,47 Prozent der Stimmen. Darauf folgt Le Pen mit 16,8 Prozent und erst auf dem dritten Platz der so­ zialistische Premier Jospin mit 14,7S Prozent. Damit kommt es am S. Mai zu einem Duell zwischen dem konservativen Amtsinhaher Jacques Chirac und le Pen. Es ist das erste Mal, dass in Frankreich ein rechtsradikaler Kandi­ dat in die Stichwahl um die Präsident­ schaft kommt. Der nächste Präsident wird erstmals nur noch Jur lunf statt bisher sieben Jahre gewählt. Insgesamt waren 1(> Kandidaten in der ersten Kunde vom Sonntag angetreten, in die Stichwahl gehen jedoch nur die beiden Frstplat- zierten. Le Pen sprach in einer ersten Stel­ lungnahme von «einer grossen Nieder­ lage für die beiden Führer des Ist ah - hshments». Lr rief die Bevölkerung 
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 J-,r i - *\* t 'AX- A'T Wahrem! lacqucs Chirac jlinks) weiterhin optimistisch sein dar f. ist Lionel Jospin das Lächeln inzwischen vergangen. auf. das I arid aus der «Dekadenz» zu hetrnen. Fünf Jahre hätten Präsident Chirac und Premierminister Jospin Frankreich «ineffizient geführt», sagte I e Pen. le Pen erlebte damit am Sonntag ein nicht erwartetes Comeback. Nach der Spaltung der von ihm gegrunde len, auslaiulerfeindlichen Partei I ront National (IN) vor drei Jahren 
war der Rechtsradikale von vielen abgeschrieben worden. Wahlforscher hatten ihm aber zuletzt ein gutes Ab­ schneiden vorhergesagt, weil die In­ nere Sicherheit zentrales Wahl- kampfthema war. le Pen nannte im­ mer wieder die Fanwanderung als Hauptgrund für die wachsende Kri­ minalität im l ande. Für Ministerpräsident Jospin könnte 
diese Niederlage nach Ansicht von Be­ obachtern das Ende seiner politischen Karriere bedeuten. F.r hatte sich mit Chirac einen eher farblosen Wahl­ kampf ohne grosse inhaltliche Ausein­ andersetzungen geliefert. Die Zahl der NichtWähler war noch nie so hoch. Et­ wa 28,5 Prozent der 40 Millionen Wahlberechtigten sind den Urnen ferngeblieben. Union sieht sich auch im Bund auf der Siegerstrasse Stoiber: CDU-Erfolg in Sachsen-Anhalt läutet Machtwechsel in Berlin ein MAGDEBURG: Nach ihrem klaren Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt sehen sich die Unionsparteien auch im Bund auf der Siegerstrasse. «Ich bin tief überzeugt, dass wir es bei der Bundestagswahl schaffen werden», sagte Unions-Kanzlerkandidat Ed­ mund Stoiber am Sonntag in Mün­ chen. Die Schlappe der SPD sei ein riesiges Debakel für Bundeskanzler Gerhard Schröder. SPD und Grüne, die bei der l.andtags- wahl verheerende Verluste einfuhren, wollten dagegen nicht von einem Sig­ nal für Berlin sprechen. Die FDP leier­ te begeistert den grossten FDP-Wahl­ erfolg seit mehr als zehn Jahren. Stoiber sagte, der Sieg der CDU ubertreffe seine kühnsten Erwartun­ gen und sei auch ein persönlicher Er­ folg für ihn. Die Wahl markiere «einen Tag des Aufbruchs nicht nur für 
Sach- NABEUS: Nach dreiwöchiger Besat­ zung hat sich die israelische Armee am Sonntag aus Nablus und Ramal­ lah weitgehend zurückgezogen. Sol­ daten waren aber weiter in den Randbezirken dieser Städte postiert. Der Sitz des palästinensischen Präsi­ denten Jassir Arafat blieb umstellt, und auch die Belagerung der Ge­ burtskirche in Bethlehem dauerte an. Im stark zerstörten Flüchtlingslager von Dschenin gingen die Aufräumar­ beiten weiter. Unterdessen fielen min­ destens drei Menschen neuen Gewalt­ taten zum Opfer. Ministerpräsident Ariel Scharon er­ klärte im israelischen Rundfunk, die jüngste Militäroffensive im Westjor­ danland habe ihren Zweck erfüllt. Der Kampf gegen den Terrorismus gehe weiter, werde aber künftig andere For­ men 
annehmen. Einzelheiten nannte er nicht. Die Armee teilte mit, sie habe in Kalandija bei Ramallah einen An­ führer der Tansim-Miliz, des militäri­ schen Flügels der Fatah-Bewegung Arafats, sowie zwölf seiner Mitstreiter festgenommen. Nasser Abu Elmeid soll 
sen Anhalt, sondern für die CDU/CSU insgesamt» und sei ein grosses Signal für die Bundestagswahl im September. C 1)11-Parteichcfin Angela Merkel sagte mit Blick auf die Bundestags­ wahl: »Wie in Sachsen-Anhalt wird ein Wechsel möglich sein.» Der derzei­ tige Vorsprung in den Umfragen müs­ se noch verfestigt und ausgebaut wer­ den. Die Menschen wollten eine ande­ re Politik als von Kot -Grün. «Nach dem )).. September wird Edmund Stoiber Kanzler sein.» CDU-tieneralsekreiar Me\er sagte: «Heute isi der Anlang vom Ende von Kot-Grun in Berlin.» SPD-Generalsekretar Franz Münte­ fering sprach von einem «dramatisch schlechten Ergebnis» für die SPD. das in diesem Ausmass nicht vorhersehbar gewesen sei. Als Ursachen nannte er unter anderem die schlechte Wahlbe­ teiligung von rund '> 
r Prozent und die geringe Parteienbindung in Sachsen- die rechte Hand des unlängst gefassten Marwan Barghuti gewesen sein. Der UN-Sicherheitsrat beschloss ein­ stimmig, zur Klärung palästinensi-Anhalt. 
was zu extremen Schwankun­ gen geführt habe. Auch die Tolerie­ rung der PDS durch seine Partei habe sich für die SPD nicht ausgezahlt. Die landtagswahl sei aber keine lest wähl für den Bund gewesen, sagte Muntelering mit Blick auf die Union: «Glaubt mal schon, dass das heute die Festwahl war, das wird zur Bundes­ tagswahl anders laufen.» Die SPD wer­ de auf Bundesebene jetzt «den Helm fester binden». Die Deutschen wollten Gerhard Schröder als Kanzler behal­ ten. PI)S-Bundesgcschaftsfuhrer Dietmar Bartsch sagte: «Die PDS hat ihr Wahl- ziel erreicht.» Die Partei habe insbe­ sondere mit dem fhema soziale Ge­ rechtigkeit gepunktet. Bartsch verwies in Berlin darauf, dass Sachsen-Anhalt das dritte ostdeutsche Bundesland sei, wo die SPD überrundet worden sei. Für die Wahlniederlage der SPD machte er scher Vorwürfe über Massaker eine Untersuchungskommission nach Dschenin zu entsenden. Israel stimmte dem zu. Aussenminister Schimon Pe-auch 
die Bundesregierung verantwort­ lich. Die Chefsache Ost sei zur Neben­ sache geworden, sagte Bartsch. Aus­ serdem seien die Grünen im Osten of­ fensichtlich tot und würden sich auch bis zur Bundestagswahl nicht davon erholen. Grünen-Parleichefin Claudia Roth zeigte sich trotz der schweren Nieder­ lage optimistisch für die Bundestags­ wahl. In Umfragen lägen die Grünen sehr gut. Die jetzige Niederlage in Sachsen-Anhalt sei «kein Schlag ge­ gen Rot-Grün in Berlin», sondern eine Herausforderung für die Bundestags­ wahl. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sprach von der FDP als der «demnächstigen 18-Prozent-Par- tei». «Wir sind eine echte Alternative zu den beiden grossen Parteien.» Es gebe eine regionale Partei Ost, nämlich die PDS, und eine regionale Partei West, nämlich die Grünen. res erklärte, sein Land habe nichts zu verheimlichen. Der US-Nahostgesand- te William Bums zeigte sich bei einem Besuch in Dschenin entsetzt über das Ausmass der Zerstörungen. Er sprach von «enormem Leid für unschuldige palästinensische Zivilisten» und rief zu schneller humanitärer Hilfe auf. Hilfsorganisationen suchten in den Trümmern des Flüchtlingslagers nach weiteren Opfern. Bis Sonntag wurden 45 Leichen geborgen. Die Hoffnungen, weitere Überlebende zu Finden, schwanden derweil, wurden aber noch nicht ganz aufgegeben. Ferner suchten die Hilfsorganisationen nach etwaigen scharfen Sprengkörpern. Mitarbeiter des Dscheniner Krankenhauses teilten mit, in den vergangenen Tagen seien elf Menschen von Blindgängern ver­ letzt worden. Im Gazastreifen erschoss ein junger Palästinenser am Kontroll­ punkt Eres einen israelischen Grenz­ polizisten, bevor er von israelischen Soldaten tödlich getroffen wurde. Im Westjordariland sprengte sich auf dem Weg zwischen Kalkilja und der israeli­ schen Stadt Kfar Saba ein Selbstmord­ attentäter in die Luft. 
Regierungs­ wechsel in Ungarn BUDAPEST: Ungarn steht nach der zweiten Runde der Parlamentswahl vor einem Machtwechsel. Die Sozialis­ ten und die mit ihnen verbündeten Liberalen können mit 198 der 38fi Sit­ ze im Budapester Parlament rechnen. Der bisher regierende Bund junger De­ mokraten (FIDESZ) von Ministerpräsi­ dent Viktor Urban erhält demnach 188 Mandate. Die Wahlbeteiligung war mit 71,19 Prozent die höchste seit dem Ende des kommunistischen Systems 1990. Im neuen Parlament werden nur diese drei Parteien vertreten sein, da alle anderen an der Fünfproz.enthürde scheiterten. Unterschiede in den Pro­ grammen der grossen Parteien gab es kaum: Beide Parteien versprachen Steuersenkungen und eine Stärkung des Wirtschaftswachstums. Allerdings sagte Orban voraus, bei einem Wahl­ sieg seines sozialistischen Rivalen Pe­ ter Medgyessy werde die Herrschaft des «Grosskapitals» nach Ungarn kom­ men. Peter Medgyessy irird Ungarn künftig regieren. Bildungsinitiative für Dritte Welt WASHINGTON: Zur Bekämpfung der weltweiten Armut plant die Weltbank eine umfangreiche Bildungsinitiative. «Bildung ist die beste Strategie gegen Armut», betonte der britische Schatz­ kanzler Gordon Brown am Sonntag auf einer Pressekonferenz mit Welt­ bank-Präsident James Wolfensohn in Washington. Bei der dortigen Früh­ jahrstagung von IWF und Weltbank wurde Argentinien zu gezielteren Massnahmen gegen seine Wirtschafts­ krise aufgerufen. Die G-7-Finanzminis- tcr beschlossen eine engere Koopera­ tion bei Finanzkrisen und der Terror­ bekämpfung. Laut Wolfensohn will die Weltbank 
im Juni zehn Dritte-Welt- Länder für Pilotprojekte auswählen, um die Anzahl der Schulbesucher aus­ zuweiten. EU-Mittelmeer- Konferenz VALENCIA: Die Krise im Nahen Osten steht im Mittelpunkt von zweitägigen Beratungen der EU-Ausscnministcr mit ihren Kollegen aus zehn Staaten des Mittelmeerraumes, die heute Mon­ tag in Valencia beginnen. Syrien und Libanon wollen die Konferenz wegen der Teilnahme Israels boykottieren. Geplant sind bilaterale Treffen der EU- Minister mit dem israelischen Aussen­ minister Schimon Peres am Dienstag und dem engen Berater des palästi­ nensischen Präsidenten Jassir Arafat, Sajcb Erakat. Nach der gescheiterten Mission von US-Aussenminister Colin Powell will sich nun die EU bemühen, beide Seiten zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Eigentlicher Grund des Euromed-Treffens ist aber die regel­ mässige Bestandsaufnahme über Fort­ schritte im so genannten Barcelona- Prozess. 1995 hatte die EU in der ka­ talanischen Metropole beschlossen, die Beziehungen zu den Staaten des Mit­ telmeerraums zu intensivieren. 
Die israelische Armee-hat sieh am Sonntag aus Nablus und Ramallah weitgehend zurückgezogen. (Bilder: Keystone) 
Israelische Truppen verlassen Nablus und Ramallah Sitz Arafats sowie Geburtskirche bleiben umstellt - UN-Untersuchung der Militäraktionen in Dschenin
	        

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