Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOl.KSBLATT 
KULTUR Dienstag, 16. April 2002 
9 Ein akustisches Landschaftsbild «Huun-Huur-Tu» - Exotischer Kehlkopf- und Obertongesang im TaK Am SOimtiu/iihfiul wurde im hiK in Schaan traditionelle und neue Musik der Tuwa aus Zentralasien geboten. (Bild: P.T.j 
«Huun-Huur-Tu» kommen aus Tuva, einer autonomen Repu­ blik im Südosten der russischen Föderation, im Norden liegt Si­ birien, im Süden die Mongolei, eine Steppenlandschaft, die von Bergen, Wüsten und den Wäl­ dern der Taiga umrahmt wird. Gerolf Häuse r Seil 199) muri (Ins Ensemble «Huun- lluur-Tu» mit S;iyan 
Bap;i, Kaigal-ool Khovalvg, Anatoli Kuulnt und Alexei Sarvglar durch die Welt und gibt der Natur seiner Heimat auf musikalische Weise Ausdruck. Mehrstimmig singen Besonders faszinierend ist die Tech­ nik des Ohcrion-Singcns. die in Tuva und den umliegenden Gebieten ge­ pflegt wird. Da ist /um einen der ar­ chaische Kehlkopf-Gesang, bei dem die menschliche Stimme fast wie das tiefe fauchen eines Raubtiers klingt; /um anderen gelingt es den tuvini- schen Sängern die natürlich mit­ schwingenden Oherinne so 
n\ verstar­ ken. dass sie als eigene, wie flötento­ ne klingende Melodien erscheinen. 1 in ein/einer .Sanger kann so zwei oder gar drei Ionc gleichzeitig erzeu­ gen - ein faszinierend-beeindrucken­ des frlehnis, auch wenn der Oherton-Ciesang in der europäischen I soierik-Szene boomt und dort oft zum l thno-Kitsch hei «Schamani- scher Heil- und I nergiearlteit» ver­ kommt. «Huun-Iluur-1u» erzielte in Amerika mit dem «thront singing» überwältigende Erfolge und erreichte schnell eine Art «kultstntus», spielte zusammen u.a. mit dem Kronos (Juar- tet. ( rank Zappa, den Chieftains und I. Shankar. Rhythmische Ausrichtung Unabhängig vom unbestreitbar grossen Können der vier Musiker, bleibt ihr Programm problematisch. Sieben israelische und palästinensi­ sche Kinder, die in und um Jerusalem leben, erzählen im Film «Promises» («Hass und Hoffnung. Kinder im Nahostkonflikl») von ihren Anstren­ gungen, mit den religiösen und na­ tionalen Konflikten fertig zu werden. Ger»//" 
Häuser für seinen mehrfach ausgezeichneten Dokumentarnim «Promises», er wird am kommenden Donnerstag, 18. April vom Verein für interkulturelle Bildung um 20 Uhr im TaKino (19 Uhr: Apero) gezeigt, .hegleitete der amerikanisch­ israelische Regisseur Goldberg über mehrere Jahre das Lehen von sieben Kindern, Palästinensern und Israeli, die alle in und um Jerusalem zu Hau­ se sind. Das facettenreiche Porträt ver­ mittelt eine Ahnung davon, wie kom­ plex sich der Nahostkonflikt auch jen­ seits der News verhält. Was trennt, was verbindet? Wie leben palästinensische und jü­ dische Kinder Jerusalems mit den ex­ plosiven Spannungen zwischen ihren Völkern? Was halten sie von «den an­ deren»? Was 
trennt, was verbindet sie? Von 1997 bis Mitte 2000 hat Goldberg sieben Kinder im Alter von neun bis 13 Jahren porträtiert, die alle in einem Umkreis von 20 Minuten in und um Jerusalem wohnen, aber dennoch Welten auseinander leben. Yarko und Daniel, die israelischen Zwillinge, le­ ben im jüdischen Westen der Stadt. Sie machen sich Gedanken, welche Busli-I 
inerseits treten sie auf in traditionel­ len goldbestickten Eestgewändern. vermitteln damit den I indruck. Bot­ schafter ihrer Kultur zu sein. Anderer­ seits bietet ihr Programm einen pol- pourriartigcn (Juerschniit durch die tuvmische Iradition, indem verschie­ dene Oliertontechniken und Musikstile geboten werden, die in ihrer Heimat nicht unbedingt zusammengehören. Ausserdem wurde tuvinische Musik traditionell meist von Solisten vorge­ tragen und die Musiker spezialisierten sich aufeinen bestimmten Stil. Jedoch kann das auch positiv bewertet werden, denn wenn eine musikalische Iradition aufhön sich weiter zu entwickeln, ist sie zum Ster­ ben verurieilt. So vermischt «Huun- nie sie zurzeit am sichersten ins Zen­ trum bringt; die Angst jeden Moment in die Luft zu fliegen, fahrt mit. Schlo- mo, Sohn eines ultraorthodoxen Rab­ biners, lebt im jüdischen Teil der Alt­ stadt und widmet sich 12 Stunden tiig- 1 ich dem religiösen Studium. Nur einen Katzensprung davon ent­ fernt, im muslimischen Teil der Altstadt, ist Mahmoud, ein Anhänger der Hamas, zu Hause. In einer Sied­ lung auf israelisch besetztem Gebiet ausserhalb der Stadt, wohnt das rechtsnationale Siedlerkind Moische. Faraj und das Mädchen Sanabel wach­ sen in einem Flüchtlingslager auf, das nach 1967 unter israelische Besatzung kam. Gemeinsamkeiten Jedes der sieben Kind eröffnet dra­ matische, emotionale und manchmal witzige Perspektiven auf Probleme, die dem Konflikt im Nahen Osten zugrun­ de liegen. Goldherg lässt die Kinder ihre Lebenswelten zeigen t 
lässt ihnen das Wort, wenn sie aus ihrem Alltag und ihren Erfahrungen mit dem Kon­ flikt berichten. Ohne zu kommentieren, kontrastiert er die Aussagen miteinander und zeigt dadurch Grenzen auf, die zwischen den Kindern verlaufen: Reelle, aber auch ideologische Grenzen, die zwi­ schen Israeli und Palästinenser, Juden und Arabern oder weltlicher und reli- giös-fundamentalistiiicher Weltan­ schauung verlaufen. So finden die Zwillinge, sie hätten mehr Verständnis für die Palästinenser als für ihre ultra­ orthodoxen Mitbürger. Ebenso wie das 
Huur-'lu» traditionelle und last schon vergessene lieder der zentrnlasiati- srhen Steppen mit Neuerem, ver­ mischt auch den rituell-meditativen Charakter mit einer stark rhythmi­ schen Ausrichtung. Innenleben der Töne Die Kultur der Tuvinen spiegelt den Respekt vor der Natur wieder. Früher war die Bevölkerung überwiegend nomadisch, zog mit ihren Herden über das weite Steppenhochland. Das wird hörbar, wenn die Musik das rhythmi­ sche Getrappel der Pferdehufe imitiert, das Toshpulur, ein altertümliches Steppen-Banjo, percussionsartige Rhythmen liefert,' das Obertonsingen Vogelstimmen nachahmt oder die Trennende, werden auch Gemeinsam­ keiten gezeigt, welche die Kinder un­ abhängig ihrer Herkunft haben. So vergiesst der vielversprechende Spritw ter Faraj über seinen zweiten Platz ebenso Tränen, wie die Zwillinge über ihre Niederlage beim Volleyball. Schliesslich erwacht das Interesse und die Neugier einiger der Kinder fürein­ ander und es kommt mit Einwilligung der Eltern zu einem Treffen, bei dem 
Pferdegeige Igil, ein senkrecht gehal­ tenes zweisaitiges Streichinstrument, wehmütige Balladen anstimmt. Obertongesang, der das Innenleben der Töne hörbar macht - das Stepptn­ volk der Tuviner entwickelte diese Vo­ kaltechnik bereits vor ca. 1000 Jahren - und die landestypischen Instrumen­ te, von allen vier Musikern meisterhaft beherrscht, schaffen ein akustisches Landschaftsbild, erzählen Geschichten über die Liebe und das Leben und stel­ len alte Mythen vor. Der Name «Huun-Hüur-Tu». so er­ läutern die Musiker, bezeichne die ver­ tikale Trennung von Lichtstrahlen, die man oft über Gras- oder Weideland kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang sehen kann. Yarko und Daniel Faraj und Sanabel im Flüchtlingslager besuchen. «In aus- scrgewöhnlicher Weise wird während der Dreharbeiten ein Lern- und Ver- ständigungsprozess in Gang gesetzt, als sich die Kinder trotz anfänglicher Vorbehalte treffen.» Es ist ein intensi­ ver und provozierender Film, der vor allem eines klar macht: Kinder sind nicht dazu geboren, zu hassen und zu töten. 
«ZwischenHalt» - Werkkatalog von Evelyne Bermann Nach 25 Jahren künstlerischer Tätig­ keit legt Evelyne Bermann ihren ersten, umfassenden Werkkatalog vor. Die Buchpräsentation findet am Dienstag, den 23. April um 18.30 in der Tangente in Eschen statt. •Will man die Fundamente von Evely­ ne Bermanns künstlerischer Arbeit freilegen, wird man immer zuerst auf das Dekorative stossen, auf die klare, einfache Form und die farbliche Durchbildung . . . Niehl immer er- schliesst sich dagegen der für Evelyne Bermanns Arbeiten so charakteristi­ sche Humor auf den ersten Blick», schreibt die Kunsthistorikerin Dagmar Streckel in ihrem Beitrag «Waffe und Blumenstrauss». Mehr als zwanzig Jahre lang widme­ te sich Evelyne Bermann der freien Kunst und ihrem Beruf als Grafikerin gleichzeitig, bevor sie sich 1992 ganz der künstlerischen Tätigkeit zuwandte. Seit 1989 arbeitet Evelyne Bermann vorwiegend mit Feueremail und hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese 3000 Jahre alte Handwerkskunst mit einer modernen Formensprache und aktuel­ len Themeo in Einklang zu bringen. Skulpturen und Wandobjekte in Feuer­ email, die seither an verschiedenen Ausstellungen in Liechtenstein gezeigt wurden, stehen daher im Mittelpunkt dieses durchgehend farbige Bildban­ des. «Zwischen-Halt» - mit einem Vor­ wort von Rcgierungschef.Otmar Hasler - ist in erster Linie ein Werkkatalog. Er ist aber auch ein Blick zurück auf ei­ nen künstlerischen und" menschlich engagierten Weg, der vom Kulturjour- nalisten Gerolf Hauser beleuchtet wird. Für Konzept und Layout zeichnet die Buchgestalterin Silvia Ruppen, Vaduz, verantwortlich. Das Buch erscheint im Deutschen Kunstverlag München und ist im Buchhandel erhältlich. Evelyne Bermann, «ZwischenHalt» Objekte in Feueremail, Kunst für den öffentlichen Raum. Mit Texten in Deutsch und Englisch von Dagmar Streckel, Kunsthistorikerin, • Gerolf Hauser, Kulturjoumalist und Evelyne Bermann. Bildband, Format 23 x 27 cm, 152 Seiten, 115 farbige, teils gross- formatige Abbildungen sowie Skizzen in sw. Einband: Laminierter Doppel­ kanon. Preis 59 Franken, 33.90 Euro. Deutscher Kunstverlag München Ber­ lin, ISBN 3-422-06368-4 Peter Schärli: «double vision» Am Freitag, den 19. April, um 20.15 Uhr, gastiert in der Tangente in Eschen die Jazzformation Peter Schärli «double vision» in folgender Beset­ zung: Peter Schärli tp, Lars Lindvall tp. Vince Benedetti p, Hämi Hämmerli b und Peter Schmidlin dm. Peter Schärli war schon mehrere Male zu Gast in der Tangente, immer wieder verzauberte er mit verschiede­ nen Formationen das Publikum. Peter Schärli «double vision», ist seine neueste Formation. Sie spielt vor allem Standards und versucht diese auf eige­ ne An, aber nicht krampfhaft neu zu interpretieren, «double vision» will die Kompositionen (auch solche von Vin­ ce Benedetti und Peter Schärli) auf eine möglichst subtile An vortragen. «Selbstverständlich sind da die Überväter des Jazz (Louis Armstrong, Chet Baker, bis hin zu Don Cherry) mit dabei, wenn Peter Schärli «double Visi­ on) ihre ausgesuchten Standards spielt. Die Erinnerung lässt sich nicht ver­ drängen. Andererseits erweist sich ge­ rade auch in dieser-Konfrontation die "Qualität der Neuinterpretation: sie fällt nicht ab, sie hält stand.» (Meinhard Buholzcr) Tauchen Sie ein in die Welt der ; Standards und freuen sie sich, auf ei­ nen "wunderschönen Jazzabend in der Tangente. 
Kinder, Nachbarn, Feinde Der hochaktuelle Film «Promises» von B. Z. Goldberg im TaKino Der Film {18. 4., 20 Uhr TaKino) >Hass und Hoffnung. Kinder im Nahoitkon- Jliki' zeigt, wie palästinensische und jüdische Kinder Jerusalems leben. \
	        

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