Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
LAND UND LEUTE Montag, 15. April 2002 ^ Unterricht zu Hause nicht erlaubt Weil das Kind nicht in die Schule wollte, unterrichtete die Mutter das Kind selber und stiess auf harte Grenzen «Das Kind wollte partout nicht in die Schule», betonte eine Mutter aus Liechtenstein. An­ statt jeden Morgen ein riesen Geschrei ertragen zu müssen, unterrichtete sie den 7-jährigen Jungen kurzerhand selbst und stiess damit in Liechtenstein auf gesetzliche Grenzen. In der Schweiz hingegen ist das Unter­ richten zu Hause in verschiede­ nen Kantonen erlaubt. Doris Meie r Der Junge ginn schon nicht gerne in den Kindergarten, deswegen w;ir er nur ein p;i;ir wenige Wochen d;i, be­ richtet die Mutter. Auch in der Schule \sar der Junge nur etvv;i drei Monate, danach wollte er einlach nicht mehr Inn. I i h;il>e gesagt, er sei dort uiiler- Inrdert. MI 
du- Mutter. Die Iran hat daraufhin angefangen, den Rüben seiher /u unterrichten. Das IJnler- nchtsmatenal luvieht sie von einer Deutschen lernschule. «Das ist opti­ mal. denn da bekomme ich ahe Un­ terlagen. so kann ich den Stand mei­ nes Kindes überprüfen und auch Tests 
zur Korrektur zurücksenden», erklärt die Mutter. In der Schweiz erlaubt Während in Liechtenstein das Unter­ richten der eigenen Kinder verboten ist, wenn man kein Lehrerpatent be­ sitzt, ist es in einigen Schweizer Kan­ tonen bereits zulässig. Der Verein «Bil­ dung zu Hause, die Schulaltcrnntive» zeigt den Weg. Auf der Homepage www.bildungzuhause.ch heisst es. dass das schweizerische Staatsschulsystem, zwar für die Pflege seiner hohen schu­ lischen, geistigen und moralischen Massstäbe bekannt sei. Seit Jahren je­ doch würden die öffentlichen Schulen an verwässerte Lehrpläfie und an welt­ anschaulich einseitige Ideen angepasst. wie 
es in jenen Ländern bereits ge­ schehen sei. in denen staatliche Schu­ len zusehends zu Verstumpfungsnn- stalten verkommen seien. Mit öffentli­ chen Veranstaltungen informiert der Verein in der Schweiz über Möglich­ keiten. das vorstaatliche Lrziehungs- recht der Litern wahrzunehmen. Gute Erfahrungen Rund 40 Familien sind Mitglieder des Vereins. Der Sekretär von «Bildung zu 
Verschiedene filtern sind der Meinung, dass ihre Kinder im Klassenverband zu kurz, kommen oder schlecht beeinßusst werden. In der Schweiz gibt es mittler­ weile über -W / rimilicn, bei denen die Kinder in den eigenen vier Wänden unter­ richtet werden. (Bilder: Paul Trümmer) Hause». Sigmund Fachmann, hat mit dem Unterrichten seiner Kinder sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Arbeit dürfe man jedoch nicht unterschätzen, 
seine Frau müsse sich schon recht ins Zeug hängen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu gewährleisten. Kein Wunder, denn sie hat vier Kinder im Al­ter 
von 8-15 Jahren in ihrem hausge­ machten Klassenzimmer und da muss' man schon was bieten. Wie gut die Aus­ bildung im eigenen Wohnzimmer ist, werde sich dann zeigen, wenn dfe ältes­ te Tochter eine Lehre anfangen oder ans Gymnasium wolle. Um aber das Ni­ veau etwa einschätzen zu können, über­ prüfen Schulbehörden den Unterricht von Zeit zu Zeit. Laut Sigmund Bach­ mann fehlen den Kindern die sozialen Kontakte nicht, da sie in zahlreichen Sportvereinen aktiv seien und auch Mu­ sikunterricht besuchten.. Als Nachteil sieht Bachmann, dass das Konkurrenz­ denken, das in der Schule herrscht, ein wenig auf der Strecke bleibt. Eigenes Lerntempo Als grosser Pluspunkt des so ge­ nannten «.home teachings» wird gese­ hen, dass sich die Kinder in ihrem in­ dividuellen Lerntempo bilden können. Ausserdem können Alltagssituationen wie das Abrechnen von Haushaltsgeld oder das Abwägen von Mehl und Reis in der Küche in den Unterricht ein- fliessen. Auch die Belastungszeit der Kinder ist geringer, denn der Unter­ richt zu Hause ist meistens kürzer aber dafür intensiver. «Höchst fahrlässig und verantwortungslos» Der Stellvertretende Leiter des Schulamtes, Jürg Dinkelmann, zum Unterricht zu Hause In Liechtenstein gilt die Schulpflicht. Kinder dürfen also nur in Ausnah­ mefällen zu Hause unterrichtet wer­ den utul dann nur von einer Lehrper­ son. Im VOLKSBLATT-Interview nimmt Jiirg Dinkelmann, Stellvertre­ tender Leiter des Schulamtes Stel­ lung zum Unterricht in den eigenen vier Wänden. Mit Jürg Dinkelmann sprach Doris Meie r VOLKSBLATT: Aus welchem Grund dürfen Eltern In Liechtenstein Ihre Kinder nicht selbst unterrichten? Gibt es Fälle, in denen es erlaubt ist? Jiirg Dinkelmann: In Liechtenstein sind die Utern verpflichtet, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Ls besieht all­ gemeine Schulpflicht all dem vollen­ deten (). Altersjahr für insgesamt 9 Schuljahre. Die Schulpflicht wird al- Icrrncistens durch den Besuch einer öf­ fentlichen Schule erfüLlt. «Einzelunterricht ist nicht grundsätzlich unzulässig» Last alle schulpflichtigen Kinder be­ suchen die öffentlichen Schglen, wel­ che für die Litern unentgeltlich sind. Ls ist aber auch möglich, die Schul­ pflicht nicht an öffentlichen Schulen zu erfüllen. Möglich sind drei Varian­ ten: - Besuch einer von der Regierung bewilligten Privatschule in Liechten­ stein. Es gibt zurzeit zwei solche Schu­ len: die liechtensteinische Waldorf­ schule in Schaan sowie die Tagesschu­ le formatio in Tricscn; - Besuch einer anerkannten auslän­ dischen Schule mit Bewilligung des Landesschulrates; - Einzelunterricht mit Bewilligung des Landesschulrates. Einzelunterricht ist also nicht grundsätzlich unzulässig. Allerdings darf er nur von einem dafür qualifi­ zierten Lehrer erteilt werden. Dies wird vom 
Schulrat überprüft. Ist ein Eltern­ teil selber Lehrerin oder Lehrer, kann sie oder er sein Kind selber unterrich­ ten. Allerdings steht Einzelunterricht im Rahmen der Schulpflicht unter Aufsicht des Schulamtes. 
In gewissen Kantonen in der Schweiz ist es erlaubt, Kinder mit­ tels Fernschule zu unterrichten. Wie wird das In Liechtenstein geregelt? Einzelunterricht durch eine lern- schule ist in Liechtenstein bislang nicht bewilligt worden. Bei solchem Unterricht fehlt es an der Präsenz einer qualifizierten Lehrkraft heim Kind. Al­ lein mit Fernunterricht können die Bil- dungszieJc, wie sie im liechtensteini­ schen Schulgesetz und in den liech­ tensteinischen Lchrplänen umschrie­ ben sind, nicht erreicht werden. Lern­ schulen im Pflichtschulbereich sind grundsätzlich nicht dazu da. Angebote in Gebieten mit vollständiger Schul­ versorgung zu erbringen. Sie dienen vor allem dazu, Familien in abgelege­ nen Weltgegenden ohne deutschspra­ chige Schulen bei der Schulung ihrer Kinder behilflich zu sein. Was für Alternativen zur öffentlichen Schule gibt es in Liechtenstein? Wie teuer kommt eine alternative Schul­ bildung die Eltern zu stehen? Die Alternative ist der Besuch einer der beiden Privatschulen in Liechten­ stein oder der Besuch einer ausländi­ schen Schule, letzteres mit Bewilli­ gung des Schulrates. Beide Alternati­ ven sind entgeltlich. Die Eltern müssen ein Schulgeld entrichten, in unter­schiedlicher 
Höhe je nach Schule. Es empfiehlt sich in jedem Fall, sich Vor der Wahl einer privaten inländischen oder einer ausländischen Schule über die Höhe des Sch-ulgeldes genau zu er­ kundigen. Was die Tagesschule forma- . tio und die Waldorfschule angeht, er­ halten beide Privatschulen einen jähr­ lichen Subventionsbeitrag vom Land, was sich auf die Tarifgestaltung si­ cherlich positiv auswirkt. Das funktioniert ja ein Stück weit nach dem Motto, die Reichen kön­ nen sich teure Privatschulen leisten und die weniger gut Betuchten blei­ ben in den öffentlichen Schulen zurück. Besteht nicht die Gefahr, dass eine Zweiklassen-Gesöllschaft entsteht und das Niveau der öffentli­ chen Schulen so sukzessive ab­ nimmt? Es ist klar, dass öffentliche und pri­ vate Schulen ungleich lange Spiesse haben. Die öffentliche Schule ist gra­ tis, die private entgeltlich. Anders aus­ gedrückt kann sich wohl nicht jeder­ mann eine Privatschule leisten. Wollte man zwischen privaten und öffentli­ chen Schulen gleich lange Spiesse ha­ ben, müssie man wohl beide zu glei­ chen Anteilen staatlich finanzieren. Dadurch ergebe sich eine echte Kon­ kurrenz zwischen verschiedenen Jürg Dinkelmann: 'Ein Wcchsel in die private Schule wird häufig dann erwogen, wenn ein Kind den Anforderungen an der öffentlichen Schule nicht mehr ge­ wachsen ist.» 
Schulen, öffentlichen und privaten. Wenn wir die Realität betrachten, sehen wir, dass immer noch fast alle wohlhabenden Familien ihre Kinder zur öffentlichen Schule schicken, ob­ gleich sie diese ohne weiteres auch in einer private Schule unterrichten las­ sen könnten. Daraus schliesse ich, dass viele, auch wohlhabende Eltern, nach wie vor von der Qualität der öffentli­ chen Schule überzeugt sind. Meines Erachtens kann denn auch zur Zeit überhaupt nicht davon gesprochen werden, dass es im liechtensteinschen Bildungswesen eine Zweiklassenge­ sellschaft gibt. Auch kann nicht gesagt werden, das Niveau der öffentlichen Schulen sinke sukzessive, weil die Bes­ ten in die privaten Schulen wechsel­ ten. «Es ist klar, dass öf­ fentliche und private Schulen ungleich lange Spiesse haben» Im Gegenteil beobachten wir im Schulamt, dass ein Wechsel in die pri­ vate. Schule häufig dann erwogen wird, wenn ein Kind den Anforderun­ gen an der öffentlichen Schule nicht mehr gewachsen ist. Natürlich gibt es auch Eltern, welche eine ausländische Schule wegen eines besonderen Ange­ botes wählen, wie zum Beispiel Musik oder Sport. All dies spricht dafilr, dass die öf­ fentliche Schule nach wie vor das Ver­ trauen der Eltern und der Öffentlich­ keit geniesst. Damit wilT ich aber nicht sagen, dass es trotzdem immer wieder Bedarf gibt, Mängel zu beseitigen und Dinge zu verbessern 1 Man redet Ja Immer wieder von der Integration sonderschulbedürftiger Kinder In Regelklassen. Wie steht es eigentlich mit hochbegabten Kin­ dern, werden diese auch speziell ge­ fördert? Grundsätzlich ist das liechtensteini­ sche Schulwesen auf das gesamte Spektrum der Schülerschaft ausgelegt. Es muss den Bedürfnissen aller^Schüler Rechnung tragen. Für gut und hochbe­ gabte Kinder ist sicherlich das Liech­ tensteinische Gymnasium das geeig­ nete «Schulgefäss». Dort wird eine breite Palette von Bildungsmöglichkel­ ten angeboten: altsprachliche, neu­ sprachliche, . naturwissenschaftlich­mathematische, 
wirtschaftswissen­ schaftliche und pädagogisch-musische Angebote. 
Ausserdem können «Das Schulwesen muss den Bedürfnissen aller Rechnung tragen» begabte Kinder, sei es im künstleri­ schen oder musikalischen Bereich, auch noch in der Musikschule oder in der Kunstschule besonders gefordert werden. Es ist jedoch aus meiner per­ sönlichen Sicht zu überlegen, ob' für sehr gut begabte Kinder nicht noch mehr gemacht werden müsste, vor al­ lem bei der rechtzeitigen Erkennung und der individuellen Förderung. Al­ lerdings sollte man nicht allzu rasch von Hochbegabung sprechen. Nach meinem Kenntnisstand sind aus wis­ senschaftlicher Sicht wirkliche Hoch­ begabungen eine äusserst rare Spezies. Was raten Sie Eltern mit Kindern, die sich weigern in die Schute zu ge­ hen? Da gibt es gar nichts zu raten. El­ tern, die die Schulpflicht verletzen, handeln meines Erachtens höchst fahrlässig und verantwortungslos, ins­ besondere 
ihren eigenen Kindern ge­ genüber. Ausserdem 
Verstössen sie ge­ gen das Gesetz, was Sanktionen nach sich zieht. Zum Glück gibt es nur ganz vereinzelt solch verantwortungslose Personen. Für nahezu 100 % der Eltern ist es heutzutage eine Selbstverständ­ lichkeit, ihre Kinder zur Schule, sei es eine öffentliche oder eine anerkannte private, zu schicken. SILICON 
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