Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

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Dienstag, 9. April 2002 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSBLATT Milosevic-Prozess fortgesetzt DEN HAAG: Nach dreiwöchiger Unter­ brechung ist gestern in Den Haag der Kriegsverbrecherprozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic fortgesetzt wor­ den. Ein Sprecher des UN-Tribunals erklärte, der Angeklagte habe sich vollständig von seiner Grippe erholt. Die Richter verfügten, dass das Verfah­ ren zunächst in nichtöffentlicher Sit­ zung weiterverhandelt werden soll. Dies geschieht üblicherweise zum Schutz von Zeugen. Milosevic muss sich wegen Kriegsverbrechen und Ver­ brechen gegen die Menschlichkeit ver­ antworten. Sein Verfahren begann am 12. Februar. Bislang sagten 19 der 350 Zeugen der Staatsanwaltschaft vor Ge­ richt aus. Regierungswechsel zeichnet sich ab BUDAPEST: In Ungarn zeichnet sich ein Regierungswechsel ab. Nach dem vorläufigen Ergebnis von gestern la­ gen die oppositionellen Sozialisten in der ersten Runde der Parlamentswahl mit 42.09 Prozent der Stimmen vorn. Die konservative Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Viktor .Orbnn kam auf 41.11 Prozent. Der libe­ rale Bund Freier Demokraten schaffte bei der Wahl am Sonntag mit 5,6 Pro­ zent den Einzug ins neue Parlament. Die Wahlbeteiligung erreichte die Re­ kordmarke von 71 Prozent. Die liberalen freien Demokraten gel­ ten als möglicher Koalitionspanner der Sozialisten. Schon gestern Abend wollten sich die Paneichefs der beiden Parteien zu ersten Koalitionsge- spcächen treffen. Weil die rechtsextreme Ungarische Wahrheits- und Lebenspartei mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, hat die Fidesz keinen Koali­ tionspartner zur 
Verfügung. Experten geben den Sozialisten des­ halb gute Chancen für den Wahlsieg beim zweiten Wahlgang am 21. April. «Die Wahrscheinlichkeit des Sieges ei­ ner Koalition aus Sozialisten und Libe­ raldemokraten ist sehr gross», sagte der Politologe Attila Agh. 19 UN-Polizisten verletzt KOSOVSKA MITROV1CA: Bei Zusam- menstössen mit mehreren hundert protestierenden Serben sind im Koso­ vo 19 Polizisten der internationalen UN-Truppe verletzt worden, einer von ihnen lebensgefährlich. Das teilte der Leiter der Polizeitruppe, Stefan Feller, in der geteilten Stadt Kosovska Mitro- vica mit. Über die Nationalität der Ver­ letzten machte er keine Angaben. Die Ausschreitungen gestern waren die schwersten in der Stadt seit Monaten. ̂ Nach Angaben von UN-Sprecher Barry Fletcher protestierten hunderte Bewohner gegen die Festnahme eines örtlichen Serbenführers. Die Demon­ stranten hätten die UN-Polizei mit Steinen und zwei Handgranaten be­ worfen. Zwei bewaffneten Männer schössen auf die Polizisten, die das Feuer erwiderten. Laut einer Meldung der privaten Nachrichtenagentur Beta waren während der Zusammenstösse im serbischen Teil von Kosovska Mit- rovica zwei Explosionen sowie Schüs­ se aus Maschinengewehren zu hören. 
Scharon lässt weiter schiessen Zinni beim israelischen Regierungschef - Powell fordert sofortigen Rückzug JERUSALEM: Trotz der Frie­ densbemühungen der amerika­ nischen Unterhändler Colin Po­ well und Anthony Zinni weigert sich der israelische Regierungs­ chef Ariel Scharon weiter, die Kämpfe zu beenden und seine Truppen aus den palästinensi­ schen Gebieten abzuziehen. Die Palästinenser forderte Scharon un­ verhüllt zum Sturz von Präsident Jas­ sir Arafat auf, während er «gemässig­ ten» arabischen Politikern gestern eine Gipfelkonferenz vorschlug, was von arabischer Seite umgehend abgelehnt wurde. US-Aussenminlster Powell machte deutlich, dass er eine Abzugs­ geste der Israelis erwarte. Unterdessen wuchs der internatio­ nale Druck auf Israel. Während Zinni in Jerusalem mit Scharon konferierte, bestellte der UN-Sicherheitsrat in New York gestern den israelischen Gesand­ ten ein. Die Vertreter der 15 Ratsmit­ glieder wollten wissen, warum Israel die Resolution mit der Forderung nach einem 
sofortigen Truppenrückzug nicht beachtet habe. Sanktionen nicht ausgeschlossen • Die EU wollte Sanktionen gegen Is­ rael nicht mehr ausschliessen, wie ihr aussenpolitischer Vertreter Javier So­ lana am Montag in Brüssel mitteilte. Kommissionspräsi.dent Romano Prodi deutete an, dass auch über das Assozi­ ierungsabkommen der Druck auf Israel erhöht werden könnte. Er wolle darauf hinwirken, dass die nächste, für De­ zember geplante Sitzung des Assozia- tionsrates 
vorgezogen und so schnell wie möglich einberufen werde, sagte Prodi. Scharon schlug gestern vor der Knes­ set einen israelisch-arabischen Gip­ fel vor. Er sei bereit, mit gemässigten arabischen Regierungschefs ohne Vor­ bedingungen über ein Friedensabkom­ men zu sprechen. Der libanesische Präsident bezeichnete Scharons Vor- stoss als durchsichtiges Manöver, um die Aufmerksamkeit von Powells Nah- ost-Missi'on abzulenken. Der palästi­ nensische Minister Nabil Schaath wies Scharons Worte ebenso zurück wie def Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, der dem Plan jede Glaub­ würdigkeit absprach. Scharons Worte 
dienten nur den Extremisten in Israel. Die schwersten Kämpfe tobten auch gestern in Nablus und Dschenin, wo nach israelischen Schätzungen 100 Palästinenser und zwei israelische Sol­ daten getötet wurden. Es habe viele Fälle gegeben, in denen sich Selbst­ mordattentäter in die Luft gesprengt hätten, berichtete ein israelischer Kommandeur. Israel erzürnt katholische Kirche Zu immer grösserer Verstimmung zwischen der katholischen Kirche und Israel führten die Kämpfe um die Ge­ burtskirche in Bethlehem. Durch israe­ lische 
Granaten brach ein Feuer aus. Die israelischen Belagerer Hessen paläs­ tinensische 
Feuerwehrleute erst nach einer Leibesvisitation zum Brand in ei­ ner zur katholischen Katharinenkirche gehörenden Empfangshalle vor. Ein palästinensischer Polizist, der Flam­ men löschen wollte, wurde nach paläs­ tinensischen Angaben erschossen. Papst Johannes Paul II. bezeichnete die Lage in Bethlehem als «unvorstell­ bar und unannehmbar.» Der Franzis­ kanerorden widersprach israelischen Darstellungen, wonach die Mönche von militanten Palästinensern als Gei­ seln genommen wurden. Der höchste Repräsentant der Franziskaner im Hei­ ligen Land, Giovanni Batistelli, wies die israelische Darstellung zurück, aus der Geburtskirche sei geschossen wor­ den. «Niemand hat aus dem Kirchen- Tcomplex heraus geschossen. Es war ein Angriff israelischer Streitkräfte.» Scharon halte abgelehnt. 
einen Stopp der MiUtäroffensive gegen 
die Palästinenser erneut lBilder: Keystone) 
Olwaffe Sllltlpil 
Sil! isfi BAGDAD: Auf die Eskalation der Gewalt im israelisch-palästinensi­ schen Konflikt hat Irak gestern mit dem begrenzten Einsatz der Ölwaffe reagiert. Der irakische Präsident Saddam Hussein kündigte an, ab so­ fort die Ölexporte zu kürzen. Die Massnahme gelte für 30 Tage oder bis Israel sich aus den palästinensi­ schen Autonomiegebieten zurück­ ziehe. Die irakische Führung habe beschlossen, «den Ölexport durch die Pipelines, die in die türkischen Häfen am Mittelmeer und den Sü­ den führen, völlig zu stoppen». Bombenanschlag auf Regierungsmitglieder Afghanistan: Verteidigungsminister Mohammed Fahim blieb unverletzt KABUL: Die afghanische Regierung vyird mit immer neuen Destabilisie- rungsversuchen konfrontiert: Einen Tag nach dem Angriff auf ein Lager der UN-Schutztruppe (ISAF) deto­ nierte gestern in Dschalalabad eine Bombe vor dem Konvoi des Verteidi­ gungsministers Mohammed Fahim. Fahim blieb unverletzt, vier Passan­ ten wurden jedoch getötet und 16 verletzt. An der Stelle, von der aus am Sonntag zwei Raketen auf das lSAF-Quarticr in Kabul.abgefeuert worden waren, ent­ deckte die Polizei unterdessen weitere Geschosse desselben Typs. Drei der vier Raketen seien abschussbereit ge­ wesen, sagte ISAF-Sprecher Can Oz 
Tuaf gestern. Die Abschussvorrichtung lag gut vier Kilometer vom Quartier der inter­ nationalen Friedenstruppe entfernt. In dem Lager sind auch deutsche Solda­ ten untergebracht. Nach Angaben von ISAF-Sprecher Tony Marshall waren alle Raketen mit einem primitiven Zeitzünder versehen. Zunächst hatte es geheissen, eines der in China hergestellten Geschosse sei am frühen Sonntagmorgen nur we­ nige Meter vom Stützpunkt der Frie­ denstruppe entfernt explodiert. Erste Ermittlungen ergaben laut Marshall jedoch, dass der Sprengkopf der Rdke- tt nicht detonierte. Verletzt wurde bei dem Angriff niemand. Die ISAF brachte den Vorfall mit Be­strebungen 
zur Destabilisierung von Karsais Interimsregierung in Zusam­ menhang. In der vergangenen Woche waren im Zusammenhang mit einem missglückten Putsch 160 Menschen festgenommen werden. Hinter diesem Umsturzversuch wurde der ehemalige Ministerpräsident und Mudschahedin- Führer Gulbuddin Hekmatjar vermu­ tet. Programm zur Vernichtung der Mohnernte in Kraft Unklar war zunächst, ob der mut­ massliche Anschlag auf Fahim mit dem Grund für den Aufenthalt des Mi­ nisters in Dschalalabad zusammen­ hing: Fahim war in die ostafghanische Stadt gekommen, um dort mit Lokal­politikern 
und Stammesführern über die Vernichtung der für die Opium- Produktion gezogenen Mohnpflanzen zu sprechen. Ein entsprechendes Re- gierungsprogramm trat am Montag in Kraft. In den 90er-Jahren kamen mehr als 70 Prozent des weltweit erzeugten . Opiums aus Afghanistan. Das Taliban- Regime verbot den Opium-Anbau, doch nach Beginn der US-Angriffe im Oktober bestellten die Bauern ihre Fel­ der wieder neu. Die seit Dezember anr- tierendd Interimsregierung von Hamid Karsai verhängte schliesslich im Janu­ ar ein Verbot des Mohnanbaus und bot Bauern eine finanzielle Entschädigung für die freiwillige Zerstörung der Ernte an. ' . ,, V ERSCHEINUNGSDATUM: f 2VMai 2C®2  v, INSERATESCHIUSS: mrl 
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