Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT WIRTSCHAFT Dienstag, 9. April 2002 9 Nach Insolvenzantrag: Sparprogramm angekündigt MÜNCHEN: Nach der Pleite von KirchMedia setzen Gläubiger­ banken und neue Geschäfts­ führung auf die Überlebenskraft des hochverschuldeten Medien­ unternehmens. Mit drastischen Kostensenkungen, Nachver­ handlungen mit den Hol­ lywood-Filmstudios und Kon­ zentration aufs Kerngeschäft solle KirchMedia umstrukturiert werden, sagte der Anwalt Wolf­ gang 
van Betteray. Auf der KirchMedia lasten Verbind­ lichkeiten von insgesamt 1,9 
Milliar­ den Euro gegenüber Banken und US- Studios. wie die neuen Geschäftsführer sagten. Van Betteray und der Unter- nehnicnsbcrater Hans-Joachim Ziems wollen die zahlungsunfähige KirchMe­ dia in den kommenden zwei bis drei Monaten neu strukturieren. Oberstes /iel sei es. wesentliche Teile des Unter­ nehmens mitsamt dem Grossteil der Arbeitsplätze zu erhallen, so van Bct- leray. Der vorläufige Insolvenzverwal- ler. der Münchner Anwalt Michael Jaf- fe, soll die Aktivitäten kontrollieren. Die neuen Chefs wollen durch 
Kos-Wol/yang 
ivn Betterav lliiiksj und der llnteriicliiiienslierater Hans-Joachim Ziems wallen die KirchMedia neu strukturieren. IBilder: Keystonc} tensenkungen bei KirchMedia und Zudem sollten die Programminvesti- ihren Tochtergesellschaften Beträge in tionen durch Nachverhandlungen mit dreistelliger Millionenhöhe sparen, den US-Filmstudios reduziert werden, 
sagte van Bettcray. Dabei sei man be­ reits weit fortgeschritten, Ergebnisse würden schon bald erwartet. Nach sei­ nen Angaben schuldet KirchMedia den Hollywood-Studios rund 500 Millio­ nen Euro. «Keine Vorbehalte» gegen Berlusconi als Investor Wie van Betteray weiter erläuterte, soll sich die KirchMedia von Teilen trennen, die nicht zum Kcmgeschäft zählen. Als Beispiele nannte er die Be­ teiligung am Axel-Springer-Verlag so­ wie nn dem spanischen TV-Sender Telecineo. Zudem sollten Kirchs Pay- TV und Free-TV künftig getrennt Pro­ gramme einkaufen. Beim Filmeinkauf für den Abo-Sender Premiere seien im vergangenen Jahr rund 800 
Millionen Euro Verlust angefallen. Wie Wolfgang Hartmann, Vor­ standsmitglied der Commerzbank, sagte, suchen die Gläubigerbanken jetzt nach neuen Investoren für die neue KirchMcdia. Man rechne mit ei­ ner Vielzahl von Interessenten. Auch gegen ein Engagement des italieni­ schen Ministerpräsidenten und Mc- dienuntcrnchmers Silvio Berlusconi gebe es von Seiten der Banken «keine Vorbehalte». Berlusconi habe starkes 
Interesse, an der neuen Gesellschaft mitzuwirken. Wichtig ist laut Hart­ mann der richtige Mix der Investoren. Künftige Rolle Kirchs unklar Wie Hartmann weiter sagte, sind die Banken bereit, KirchMedia notwendige Massekredite bereitzustellen und durch schnelle Geldzufuhr Schäden für das Unternehmen zu vermeiden. Ein vier­ stelliger Miliionenbetrag ist laut Hart­ mann nötig, um KirchMedia vernünftig zu ^kapitalisieren. Die Banken seien zudem bereit, als Eigenkapitalgeber aufzutreten. Deutschland als zweitgrös- ster Medienmarkt der Welt bietet laut Hartmann gute Geschäftsmöglichkeiten für eine restrukturierte KirchMedia. Die Marktposition sei bereits vorhanden. «Die Bänken glauben sehr wohl an die ÜberlebenSkraft von Kirch.» Ob Firmenpatriarch Leo Kirch und sein Vize Dieter Hahn in dem neuen Unternehmen noch etwas zu sagen ha­ ben werden, ist derzeit noch unklar. Der neue Geschäftsführer van Betteray sagte, er könne sich ein Engagement durchaus vorstellen. Der 75-jährige Kirch hatte zur Rettung seines Medien­ konzerns seinen Rückzug angeboten und die alleinige Schuld für die Pleite übernommen. «Es wird sicher irgendwie weitergehen» Kirch-Mitarbeiter hoffen nach monatelanger Zitterpartie auf Klarheit MÜNCHEN: In Unterföhring belagern seit dem frühen Morgen Fernseh­ teams der Konkurrenz den Gebäude­ komplex der ProSiebenSat. 1 AG und die Bürohäuser der anderem Kirch- Unternehmen. Oliver llnu und hufnla Meu/Al' Die Mitarbeiter des Medienkonzern sind auf einmal selbst Objekt der Be­ richterstattung: Wieder wird das Bild in den Eernsehnachrichien zu sehen sein, wie die roten S-Bahn-Zuge im 20-Minuten-Iakt die lausenden Ange­ stellten in den Vorort, zehn Kilometer MÜNCHEN: Über fünf Jahrzehnte baute Leo Kirch sein riesiges Medien­ reich auf. das unter Milliardenschul­ den nun zusammenbrach. Die Chro­ nologie von Aufstieg und Fall des Leo Kirch: 1955: Mit der neu gegründeten Siri­ us GmbH kauft der promovierte Kauf­ mann seine ersten Filmrechte. Der ers­ te Coup ist im Jahr darauf «La Strada» von Federico Fellini. 1958: Kirch verkauft mit «Freunde fürs Leben« den ersten Film ans Fern­ sehen. In den folgenden Jahrzehnten wird er zu einem der wichtigsten Lie­ feranten der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und - seit dessen Grün­ dung 1963 - des ZDF. 1969: Der erste grosse Filmkauf in den USA: Kirch erwirbt die deutschen Rechte der Howard Hughes/RKO Libra­ ry mit annähernd tausend Titeln, dar­ unter Klassiker wie «Citizen Kane» und «King Kong». Über die Jahre kauft Kirch die Rechte an 19 000 Spielfilmen zusammen. 1984: Griff nach der Presse: Gegen heftigen Widerstand beteiligt sich Kirch am Axel Springer Verlag zunächst mit zehn Prozent. Später wird bis auf 40 Prozent aufgestockt. Auf dem Weg ins Privatfernsehen: Start der PKS, der Vorläuferin von Sat. 1, im Kabelprojekt Ludwigshafen. Kirch sichert sich Einfluss und eine spätere Beteiligung, indem er zwei Jahre lang das gesamte Unterhal­ tungsprogramm ohne Entgelt zur Ver­ fügung stellt. 1989: Die Fernsehfämilie wächst: 
nordöstlich von München, bringen. «Willkommen in Hollywood», grüssen die Firmcnplakatc. Klarheit erwünscht «Wir wissen nicht mehr als in der Zeitung steht», sagt ein Angestellter am Morgen in der Medicnallee auf •dem Weg zu seinem Arbeitsplatz, beim Abosender Premiere. Wie er wünschen sich die meisten Kirch-Mitarbeiter vor allem Klarheil nach der inzwischen Monate langen Zitterpartie. «Es wird sicher irgendwie weitergehen», meint ein junger Mann, der in das sechs­ slockige Haus der Filmhandelsgesell- schafl laurus Media aus dem Osterur- ProSieben geht mit täglich neun Stun­ den Programm an den Start. 1991: Sendestart des mit Bertels­ mann und Canal Plus gegründeten PayTV-Senders Premiere. 1993: Mit DSF geht Deutschlands erster werbefinanzierter Sport-Sender an den Start. 1997: Kirch übernimmt die Mehr­ heit an Sat. 1 1999: Kirch zahlt Bertelsmann bei Premiere World aus und hält künftig 95 Prozent an dem hohe Verluste pro­ duzierenden Bezahlfernsehen. Lim die 
laub zurückkehrt. «Im Moment mache ich mir überhaupt keine Sorgen.» Auf der anderen Strassenseite der Medienallee ruhen schon seit einiger Zeit die Arbeiten an der nur mit Kies gefüllten Baugrube für den einst ge­ planten neuen Firmcnzentralen-Palast des Kirch-Konzerns. Bisher residiert die Unternehmensleitung im Nachbar­ dorf Ismaning. Während bei Premiere bereits die ers­ ten Leute ihre Entlassung bekommen haben sollen, scheinen die Mitarbeiter der ProSiebenSat. 1 AG weniger um ih­ re Arbeitsplätze zu bangen. Ein Ange­ stellter des Gewinn abwerfenden Un­ ternehmens sagt: «Die Stimmung geht 
hier noch.» Durch die per Firmen-In- tranci per Computer verbreiteten Hausmitteilungen des Vorstands fühlt er sich auch gut informiert. «Es wird ziemlich sicher einen Stcllenabbau ge­ ben, 
allerdings nicht mit Entlassun­ gen.« «Kirch war immer ein sozialer Ar­ beitgeber mit vernünftigen Gehältern», betont die Geschäftsführerin des Bayerischen Journalisten-Verbands, Frauke Ancker. Die Medienrechtlerin will am kommenden Mittwoch auf ei­ ner Betriebsversammlung des Deut­ schen Sport fernsehen (DSF) Mitarbei­ tern und Betriebsrat zur Seite stehen. Umsonst wartete am Montagvormit­tag 
ein Dutzend Journalisten samt Ka­ merateams auf den Überbringer des Insolvenzantrags von Leo Kirch vor dem Münchner Amtsgericht. Bei strah­ lendem Sonnenschein und kühlen Temperaturen hatten sich die Presse­ vertreter vor den Briefkästen 
des Amtsgericht postiert, um einen Blick auf das wichtige Stück Papier werfen" zu können. Doch wie das entscheidende Schrift­ stück am Vormittag in das Gebäude gekommen war, blieb den Journalisten verborgen, als um kurz nach elf Uhr Pressesprecher Michael Haussner die erwartete Botschaft per Fax verkünde­ te. die Formel-Eins. Dezember: Wegen einer drohender) Überschuldung werden erste Gläubiger Kirchs unruhig: Mehrere Institute dro­ hen, 
den Geldhahn zuzudrehen. Gerüchte einer Übernahme d.urch Mur- doch tauchen auf. 2002 Januar: Springer will aus Pro­ SiebenSat. 1 aussteigen und verlangt dafür 770 Mio. Euro. Februar: Murdoch erhöht den Druck und lässt BSkyB ankündigen, sich ent­ sprechend den Vertragsrechten im Ok­ tober aus Premiere World zurückzuzie­ hen. Damit würden gut 1,6 Mrd. Euro fällig. März: Gemeinsam mit Berlusconi und weiteren Investoren meldet Mur­ doch Interesse an einer Übernahme von KirchMedia an.- 8. April: Kirch stellt für die KirchMedia beim Münchner Amtsge­ richt den Insolvenzantrag. PanAlpina Sicav Alpina V Preise vom 8. April 2002 Kategorie A (thesaurierend) Ausgabepreis: € 51.50 Rücknahmepreis: € 50.47 Kategorie B (ausschüttend) Ausgabepreis: € 50.70 Rücknahmepreis: € 49.62 Zahlstelle in Liechtenstein: Swisslirst Bank (Liechtenstein) AG Austrasse 61. Postfach, FL-9490 Väduz 
Aufstieg und Fall des Leo Kirch J&äi. KirchMcdia ist pleite, das Lebenswerk ron Leo Kirch zusammengebrochen. immer höheren Ausgaben seines Fern- sehreichs bewältigen zu können, holt sich Kirch mehrere Partner für sein Kernunternehmen KirchMedia ins Boot, darunter auch Fininvest von Sil­ vio Berlusconi. Der von Rupert Mur­ doch massgeblich kontrollierte briti­ sche PayTV-Sender BSkyB übernimmt gut ein Fünftel der. Premiere-Anteile." Kirch muss ihm aber vertraglich zusi­ chern, dass Murdoch bei Nichterrei- chen der Abonnenten-Ziele diese An­ teile zurückgeben kann. 2000 Januar: Mit N24 will Kirch 
dem Nachrichtensender n-tv Konkur­ renz machen. Mai: Der Deutsche Fussballbund vergibt die Übertragungsrechte an der Fussball-Bundesliga für den Rekord­ preis von 1,5 Mrd. Eüro für weitere vier Jahre an Kirch. . 2001 Januar: Rupert Murdochs Ne­ ws Corp. wird mit knapp 2,5 Prozent auch Gesellschafter bei KirchMedia. Oktober: Im Zuge der Krise des Me­ dienunternehmens EM.TV sichert sich Kirch durch einen Forderungsverzicht in Milliardenhöhe die Kontrolle über
	        

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