Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR Montag, 8. Apri! 2002 
9 Engel zwischen Licht und Schatten Zürcher Premiere von Heinz Spoerli's neuem Ballett «...der Sonne Leuchten ist ihr Kleid» Haben Engel Flügel? Nicht bei Heinz Spoerli's neuem Ballett «...der Sonne Leuchten ist ihr Kleid», das am Samstag in der Zürcher Oper Premiere hatte. Leuchten Engel? Sehr wohl bei der Geschichte vom Engel und seiner Liebe zu den Menschen, die Spoerli in Bewegungen zwi­ schen Licht und Schatten ein- fängt. Gerolf Hause r Gibt es Engel? Sind sie die willfährige Slreiira.'icht eines Gottes? Viele Men­ schen, auch die nicht an institutionali­ siertes Glauben gebundenen, bejahen dies. Spoerli weist mit tiefem Einfüh­ lungsvermögen auf die Auseinander­ setzung des eigenständigen Engels mit jener Kraft, die durch Erhaltung einer Hierarchie die Liebe zum Menschen verhindern will, zeigt damit «das Him­ melreich auf Erden», den Kampf zwi­ schen Licht und Dunkel. Glühendes Mysterium Sprrerli gliedert den Abend musika­ lisch in 15 Abschnitte, verwendet dazu die Passacaglia für Solo-Violine von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644- 1704). gespielt von Gunar l.etzbor. Werke von John Adams (geboren 1947), James McMillan (geb. 19S9). David lang (geb. I')S7| und Erkki- Sven Tüür (geb. 1957). Dazwischen legt er verschiedene Pas de deux' zu Liedern von Alban Berg (1085-19 35). 
Ana Quaresilui. Michael Rissmann und Altos Scbestyen in Spoerli's neuem Balleft «... der Sonne Leuchten ist ilir KIeid>. (Bild: Gerolf Hauserj gesungen von der Sopranistin Liuba Chuchrova. Es ist vor allem die.Musik des aus Estland stammenden Erkki- Sven fuur. die Bereiche dieser Zwi­ schenwelt. zwischen oben und unten, Gut und Böse, zwischen Licht und Schatten öffnet. Das beginnt mit dem grossartigen Werk «Crystallisato», von 
dem Tüür sagt, es beschreibe das glühende Mysterium, wenn l.icht einen Kristall durchdringt. Spoerli zeigt dazu, in grosser Höhe über der Buhne, Hände und Anne, die. aus ei­ nem schwarzen Vorhang ragend, sym­ bolhafte /.eichen geben, deren Wir­ kung als Schatten am Bühnenboden 
sichtbar werden. «Cheating» nennt David Lang ein Werk, bei dem ein an­ scheinend gleichbleibender Ostinato- Rhythmus, der sich jedoch permanent minimal verändert, die unheimliche Wirkung des Subliminalen aufweist, das die Unterwerfung des Guten unter die Kraft des Dunklen bewirkt. 
Sehnsüchtiger Engel Spoerli's Ideenreichtum scheint un­ erschöpflich. Da zeigt die fast nackte Bühne (gestaltet von Florian Etti- und ausgeleuchtet mit blauem Licht' in al­ len Schattierungen von Martin Gebhardt) an der Rückwand eine Halfpipe, an der die Tänzerinnen zwar, keine Kickturns zeigen, die jedoch die Möglichkeit bie­ tet, das Auf- und Absteigen, aber auch das Abstürzen darzustellen; da gibt es eine Öffnung, die fledermausartige Ge­ stalten in langen dunklen Mänteln, das Böse symbolisierend, ausspuckt; im­ mer wieder hängt der sehnsüchtige Engel, grossartig getanzt von Iker Mu- rillo, wie gekreuzigt an der Oberkante der Halfpipe; da schweben nicht nur weisse und farblose Ballons herein, die Schwerelosigkeit veranschaulichend, auch grosse Luftkissen schweben über der Bühne, auf die der Pas de deux der lichten Engel (Karine Seneca und Dirk Segers) zur Musik «Passion» von Tüür projiziert wird. Etwas fragwürdig er­ scheint die Showeinlage zu John Adams' «Lollapalooza» oder der Lich- tengei, gekleidet in weisse neonartige Lichtstäbe. Fantastisch im wahrsten Sinn des Wortes dagegen die in Blau und Grün leuchtenden Engel auf abge­ dunkelter Bühne zu Biber's Violinsolo. Es sind keine grossen Gesten, keine aussergewöhnlichen Tanzbewegun­ gen, keine noch nie gesehenen Hebefi­ guren oder Sprünge, mit denen Spoer­ li das Thema darstellt. Um so stärker berührt das Gefühl, das Mitleiden mit jenen Kräften, deren Bemühen um das Gute, deren Sehnsucht nach Liebe un­ endliche Hürden zu überwinden hat. Stille Helden der Sinnlosigkeit Kabarettist Joachim Rittmeyer und sein Programm «Lauter Knistern» im «fabriggli» Ideen, so der 1951 in St. Gallen geborene Wortakrobat Joachim Rirtmeyer, seien nicht so wichtig. «Die Form zählt. Diese setzt sich an wie Fruchtfleisch am Kern oder nach dem Zuckerwatten­ prinzip, beim Drehen des Holz­ stangels in der Zuckermasse.» Gerolf Hause r Hätte Sten Nadolny nicht schon die Langsamkeit «erfunden», könnte man sagen, dass Rittmeyer bei seinem Pro­ gramm «Lauter Knistern», das er am Freitagabend im Buchscr «fabriggli» zeigte, die Langsamkeit erfindet, wenn er die ach so süssen Lebensweisheiten des «alltäglichen Schweizers» in herrlich witzigen Wortspielen mit unendlich lang­ atmiger Ausschweifigkeit der Gedan­ kenassoziationen aneinander klebt. Widersinnigkeit der Welt Joachim Rittmeyer bietet weder Meinungs- noch politisches Kabarett. Es ist Unterhaltung im allerbesten Sinn, Geschichten, in denen er mit lie­ bevoll erhobenem Zeigefinger den Schweizer Alltag zur Zielscheibe nimmt. «Ich verweigere mich bewusst den grossen Themen», sagt er. «Aber in den kleinen Ritzen, in den Nebensätzen, REKLAME PanAlpina Sicav Alplna V Preise vom 5. April 2002 Kategorie A (thesaurierend) Ausgabepreis: € 51.20 Rücknahmepreis: € 50.10 Kategorie B (ausschüttend) Ausgabepreis: € 50.30 Rücknahmepreis: € 49.26 Zahlstelle In Liechtenstein: Swlssllrst Bank (Liechtenstein) AG Austrasse 61, Postfach, FL-9490 Vaduz 
finde ich das Verbindende zwischen den Menschen, die sozialen Geschich­ ten. Das ist meine Haltung gegenüber dieser chaotischen Widersinnigkeit der Welt.» «Lauter Knistern» ist ein Experi­ mentierabend, bei dem es um prakti­ sche Untersuchungen von Fragen geht, die sowohl einmalig wie sinnlos sind. Heisst es Messband oder Mas­ sband; oder ist es ein Rollband, wenn die Meter nach dem Herausziehen wie­ der eingerollt werden. Und wie lange hält die Arretierung, wie lange bleiben diese «Helden der Sinnlosigkeit» aus­ gerollt? Heisst es Sitzkissen oder Setz­ kissen, und warum gibts eigentlich keine Stehkissen? «Wie lange knistert 
ein Korbsessel noch nach, in dem vorher ein Mensch sass?» Wenn die rechte Hand mit der linken Gehirn­ hälfte zu tun hat, wie ist es dann mit dem rechten Fuss? Und wie, wenn am rechten Fuss ein linker Schuh sitzt? Warum werden Politiker mit Torten beworfen und gibt es ein Backrezept für diese Torten? Vermutlich deshalb, so Rittmeyer, werden in der Schweiz Politiker nicht mit Torten beworfen, da man sie vorher erst noch selbst backen muss. Schauspielkunst hoch 10 Wortgewalt, Wortkaskaden, Wort­ akrobatik - Wörter, die Tempo vermu-meyer 
hat sich mit seinen Kunst­ figuren Hanspeter Brauchli und Theo ' Metzler einen Sitz im Olymp der Schweizer Komikerelite gesichert.» Blitzschnell verwandelt sich Rittmeyer, perfekt in Sprache, Gestik und Gang, vom zweifelhaften Wissenschaftler Metzler in den typischen Schweizer Brauchli - Schauspielkunst hoch 10. «Helden der Sinnlosigkeit» sind beide, denn nicht die Experimente sind wichtig, sondern die nachdenklich und bedenklich heraustropfenden Ausflüge in die Widrigkeiten des Lebens, die in schwindelerregende und labyrinth­ artige Gedanken-Verwirrungen führen - «wenn der Klumpfuss eben im Kopf hockt». Die dem Leben abgelauschte Urkomik bietet die Chance, über sieh selbst zu lächeln. REKLAME Der Kabarettist Joachim Rittmeyer gastierte mit seinem Programm «Lauter Knistern» im 'fabriggli*. (Bild: Paul Trümmer) ten lassen. Rittmeyers Witze kommen nicht Schlag auf Sehlag, sehneile Pointen fehlen. Es sind bewusst lang­ atmig gehaltene wortspielreiche Ge­ schichten, ineinander verflochten und verschlungen, die Pointen kommen spät, ergeben sich auch wortlos, wer­ den vor allem immer wieder hervorge­ zaubert und wiedergekäut -auch eine schweizerische Eigenart? Rittmeyer spiegelt, als scharfer Beobachter menschlicher Unzulänglichkeiten, schweizerisches Verhalten, das alltäg­ liche, wie wir es im Bus oder im Büro antreffen können. «Die Form zählt» - ünd die ist umwerfend gut- Nicht umsonst schreibt die Presse: «Ritt-%e%t,621 
'Schaan? ÜeciitcmU'in ' fr,12.4., 20.09 h,TaK, Schaan Otto Schenk liest ...aus seinen UebllngsbUchem So, 14,4., 20.09 h, faK, Schaan Huun-Huur-Tu Reisen Sie mit der Musik der fuwa In die weite Steppe Zentralasiens! DI, 16.4., 20 h, Vaduzer-Saal, Vaduz Andras Schiff h Chamber Oixhestra of Europe Konzerteinführung: 19.30 H • www.tak.il ...Immer aktuell! Vorverkauf Mo-Fr, 10-18 Uhr. Telefon (00423) 237 59 69 Fax (00423) 237 $9 61
	        

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