Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

1 2 Montag, 25. März. 2002 
EXTRA Liechtensteiner VOLKSBLATT Interview mit Giselher Guttmann Forschung in der Neuropsychologie Symposium Buch-Tipp: Die Fett-Sensation «Wir können einen Blick ins Erleben werfen» Professor Giselher Guttmann berichtet über die Forschung der Neuropsychologie Die Neuropsychologie hat in den letzten Jahrzehn­ ten grosse Fortschritte in Diagnostik und effizienter Behandlung gemacht. «Wir können unterschied­ liche Verfahren einsetzen, um ausgefallene Funktio­ nen des Gehirns wieder auf das ursprüngliche Ni­ veau zu bringen», erklärt der Rektor der Universität für Humanwissenschaft in Liechtenstein, Professor Giselher Guttmann, im Interview. Mit Giselher Guttmann sprach Manuela Schädle r VOLKSBLATT: Wie wurden die Techniken der Neuropsy­ chologie entdeckt? Giselher Guttmann: Die Psy­ chologie hat sich von Anfang an bemüht, die biologischen Grundlagen des Erlebens zu er­ forschen. Unser Erleben und Verhalten ist an die Funktion unseres Nervensystems gebun­ den. Wenn eine Region ausfällt, etwa durch einen Schlaganfall oder eine Verletzung, dann ist die betreffende Funktion erlo­ schen - der Betreffende kann nicht mehr hören oder spre­ chen. An dieser Verbindung, die seit Jahrtausenden bekannt ist, besteht kein Zweifel. Die Psychologie hat sich daher schon immer bemüht, zum Er­ leben des Menschen, zu dem man ja keinen Zugang hat, gleichsam durch einen Hinter­ eingang, über das Gehirn eine objektive Beobachtungsmög­ lichkeit zu schaffen. Das ist im zwanzigsten Jahrhundert ge­ lungen, als man das 
Elektroen- Die Fett-Sensation Bisher galt völlig zu Recht der Ausspruch «Fett macht fettl» Neueste wissenschaft­ liche Untersuchungen ka­ men jedoch zu dem Ergeb­ nis, dass spezielle natürliche Fette, so genannte MCT-Fet- te oder mittelkettige Trigly­ zeride, keine lästigen Fett- pölsterchen bilden und da­ mit nicht zu einer Gewicht­ serhöhung führen. Um Über­ gewicht abzubauen, verzich­ ten viele Menschen teilweise oder völlig auf Fett. Diese Ernährungsform kann Man­ gelerscheinungen verursa­ chen. Einen Ausweg bieten MCT-Fette: Sie sind leicht verdaulich und wenden nicht als Fettgewebe gespeichert. Midena Verlag: «MCT, das Fett/das nicht dick macht - 50 leckere Rezepte» von Sven-David Müller und Cor­ nelia Bäumker, 9.90 Euro. 
Giselher Guttmann von der Universität fiir Humanwissenschafi berichtet im Interview über die Fort­ schritte der Forschung im Bereich Neuropsychologie. (Bild: manu) cephalogramm, das EEG, ent­ deckte: Die Nervenzellen des Gehirns erzeugen Spannungs­ schwankungen aus deren Auf­ zeichnung man Rückschlüsse auf die Funktion des betreffen­ den Hirnrindengebietes ziehen kann. Das war für meinen Leh­ rer und Vorgänger in Wien, Prof. Hubert Rohracher, An­ fang der dreissiger Jahre ein ganz wichtiges Forschungsge­ biet. Er war ein Pionier der EEG-Forschung und konnte schon damals zeigen, dass sich das Hirnstrombild mit unserer Bewusstseinslage verändert. Es sieht nämlich ganz anders aus, wenn jemand aufmerksam ist, sich entspannt oder einschläft. Diese Tradition haben wir in Wien jahrzehntelang weiter be­trieben. 
Eine Beschäftigung mit neuropsychologischen Fragen war damals allerdings nicht selbstverständlich. Denn die Psychologie hat vor allem Erle­ bens- und Verhaltensbeobach­ tungen durchgeführt und der Zugang über eine biologische Ebene war zunächst unge­ wöhnlich. Wir haben aber durch unsere Forschungen ge­ sehen, dass man wirklich gleichsam einen Blick ins Erle­ ben werfen kann. So ist es zum Beispiel möglich, Potentiale zu registrieren, die genau dann auftreten, wenn ein Mensch et­ was hört. Ist der Betreffende schwerhörig, dann treten diese elektrischen Potentiale nicht auf, so dass man eine Hörfähig- keitsprüfung durchführen 
kann, ohne dass der Untersuch­ te antworten muss. Eine solche objektive Sinnestüchtigkeits­ prüfung ist beispielsweise für die Untersuchung von Neuge­ borenen überaus wichtig. Wie hat sich die Neuro 
Psy­ chologie weiterentwickelt? In den folgenden Jahrzehn­ ten sind die Möglichkeiten, herauszufinden, welche Akti­ vitätsmuster bei bestimmten psychischen Aktivitäten auftre­ ten, immer perfekter geworden. Die einfache Registrierung des EEG ist durch die Möglichkeit abgelöst worden, ganze «Land­ karten» der Hirnaktivität zu er­ stellen, die in einer farbigen Darstellung anzeigen, ob eine Region mehr oder weniger ak­tiv 
ist. Die Erregungsmuster sind dabei ganz verschieden, wenn der Untersuchte etwa sprachliche Aufgaben löst, ein Raumvorstellungsproblem be­ arbeitet oder sich eine kompli­ zierte Bewegung vorstellt. Wir erhalten also ein Bild der neu­ ronalen Funktionen und in ge­ wissem Sinn den erhofften ob­ jektiven Blick ins Erleben. Spä­ ter hat man ausser der Regis­ trierung der elektrischen Sig­ nale auch die magnetischen Begleiterscheinungen der ner­ vösen Erregung aufzuzeichnen begonnen. Dies ist ein überaus kompliziertes Verfahren, aber mit seiner Hilfe kann man auch in die Tiefe des Gehirns schau­ en. Mit dieser Magnetoence- phalographie hat sich insbe­ sondere Professor Deecke, der Leiter unseres Studienzweiges «Neurowissenschaften», ausein­ andergesetzt. Durch die Verbin­ dung von Psychologie und Neurowissenschaft erhalten wir also Informationen über den Aktivitätszustand des Gehirns und können sehen, welche Ak­ tivitätsmuster bei einer be­ stimmten psychischen Tätigkeit auftreten. Wo findet die Neuropsycholo­ gie Anwendungen? Besondere Bedeutung besit­ zen die klinisch-psychologi­ schen Anwendungen. Wenn zum Beispiel durch eine Blu­ tung im Gehirn eine Region be­ einträchtigt wird, kann der Ort dieser Störung aufgrund der ausgefallenen Funktionen he­ rausgefunden werden. Dafür haben die Neuropsychologen eine Fülle von Testverfahren entwickelt - Modellsituationen, aus denen man genaue Rück­ schlüsse auf den Ort der Störung ziehen kann. Diese 
Verfahren sind aber auch als Trainingsprozedur einsetzbar, wenn man sie als Übungsauf­ gabe vorgibt. Man kann bei­ spielsweise jemanden schulcn, über längere Zeit hohe Konzent­ ration durchzuhalten, indem man ihm Konzentrationsaufga­ ben vorgibt, denn jede 
Funktion lässt sich dadurch verbessern, indem man sie übt. Dabei befin­ det sich die Neuropsychologie in einer schwierigen Situation. Wenn wir zum Beispiel ein Aufmerksamkeitstraining durch­ führen, müssen wir dem Betref­ fenden Aufgaben 
vorgeben, die für ihn weder zu schwer noch zu leicht sind, sondern ihn auf dem genau richtigen Anforde­ rungsniveau trainieren. Und solche Techniken, mit denen man beeinträchtigte Funktio­ nen wieder auf das ursprüngli­ che Niveau heben kann, hat die Neuropsychologie in grosser Zahl entwickelt. Was haben Sie bei Ihren For­ schungen sonst noch festge­ stellt? Wir haben gelernt, dass nach dem Ausfall einer Region an­ dere Zentren einspringen kön­ nen, die vorher ganz andere Aufgaben hatten und nun die Funktion des ausgefallenen Gebietes übernehmen. Und auch das kann man durch ge­ eignete Trainingsverfahren be­ schleunigen und dadurch ver­ loren gegangene Funktionen, sei es Sprachverständnis, Mo­ torik, Gedächtnis oder Konzent­ ration wieder herstellen. Damit spielt in der Neurorehabilitati- on neben dem Neurologen, dem Ergo- und dem Physiothe­ rapeuten 
der Neuropsychologe durch seine besondere Fach­ kenntnis eine ganz entschei­ dende Rolle. Ein internationales Symposium der Neuropsychologie Durchgeführt von der Universität für Humanwissenschaften Die Universität für Human­ wissenschaften als Plattform für neurologische Rehabilitati­ ons-Probleme in Deutschland, Schweiz und Österreich. Die Universität für Humanwis­ senschaften im Fürstentum Liechtenstein führte am 15./16. März ein Symposium durch, das dem Thema «Neuere Ent­ wicklungen der neuropsycholo­ gischen Diagnostik und Reha­ bilitation» gewidmet war. Um ein wichtiges Ergebnis des Symposiums vorwegzunehmen: Bei der abschliessenden Podi­ umsdiskussion brachten die teilnehmenden Neuröpsycholo- gen/-innen die dringende Bitte vor, die Universität für Human­ wissenschaften möge ein Posi­ tionspapier für die Entschei­ dungsträger im deutschsprachi­ gen Raum ausarbeiten. Quasi auf neutralem Boden sollen wissenschaftlich fundierte, ein­heitliche 
Grundlagen für diffi­ zile Fragen und Probleme der neurologischen Rehabilitation erarbeitet werden. Getreu dem Leitsatz der Uni­ versität «Forsehen - Wissen - Handeln» trafen sich 90 Neu- ropsychologen/-innen aus der Schweiz, Österreich, Deutsch­ land und Grossbritannien zu ei­ ner Fachkonferenz und tausch­ ten ihre Erfahrungen und ihr berufliches Know-how aus. Das Symposion war nicht nur Schnittstelle zwischen Wissen­ schaftlern aus dem Fachbereich der Medizin und der Neuropsy­ chologie, sondern auch zwi­ schen den Kostenträgern (Versi­ cherungen) und den unmittel­ bar Betroffenen. Durch die Zu­ nahme chronischer Erkrankun­ gen und 
aufgrund einer verän­ derten Altersstruktur der Bevöl­ kerung steigt der Handlungsbe­ darf. Immer mehr Patienten lei­ den an organisch bedingten 
Störungen im Hirnbereic'h. In der Schweiz sind es derzeit 100 000 Patienten. Pro Jahr kom­ men ca. 19' 000 Personen dazu, 5000 Unfallopfer und 14 000 Patienten aufgrund von Hirn­blutungen 
oder Schlaganfällen. Das Ziel einer neuropsychologi­ schen Therapie liegt nicht nur in der Wiederherstellung der ausgefallenen Gehirnfunktio­ nen, sondern auch in der 
Integ- Professor Giselher Guttmann, Rektor der Universität für Human­ wissenschaften im Fürstentum Liechtenstein, Peter Ritter, S. D. Prinz Philipp bei einer angeregten Unterhaltung. (Bild: VCom) 
ration des Patienten in seine Berufs- und Alltagswelt. Nach den Grussworten S. D. Prinz Philipp von Liechtenstein führten Dr. Martin Keller (Reha- Klinik Valens) und Dr. Hendrik Niemann (Neurologisches Re­ habilitationszentrum Leipzig- Bennewitz) mit Grundsatzrefe­ raten in die Tagung ein. Dieser Einführung folgten die Vorträ­ ge «Sinn und Unsinn neuropsy- chologischer Diagnostik» von Dr. Gaudenz Caprez (Reha-Kli- nik SUVA Bellikon) und «Die Fundamente der Neuro-Reha» von Prof. Dr. Siegfried Gauggel (Technische Universität Chem­ nitz). Prof. Dr. Klaus Willmes rüttelte kräftig an der Methodik des eigenen Faches, indem er in seinem Referat «Effizienz neu- ropsychologischer Therapie» sowohl die Aussagekraft einiger Tests als auch die Sinnhaftig- keit von statistischen Kleinstu­ dien in Frage stellte.
	        

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