Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR Dienstag, 
5. März 2002 
1 1 Nikolaus Büchels Inszenierung von Lessings «Die Juden» im TaK Bei «Die Juden», so Lessing über sein 1749 als 20-Jähriger ver- fasstes Stück, gehe es um «eine ernsthafte Betrachtung über die schimpfliche Unterdrückung, in welcher ein Volk seufzen muss.» Versuchen wollte er mit diesem Stück, «was es für eine Wirkung auf der Bühne. haben werde, wenn man dem Volke die. Tu­ gend da zeigte, wo es sie ganz und gar nicht vermutet.» Gerolf Häuser  . Die Wirkung auf der Bühne des TaK war, da die Inszenierung von Nikolaus Büchel 
wie auch die schauspielerische Leistung- des «Ensemble A» ausge­ zeichnet waren, beeindruckend. Denn Lessings «Die Juden», sozusagen eine Vorarbeit zum «Nathan», ist ein sehr komödiantisches Stück, ein Lustspiel, die «Petitesse eines Meisters», wie Ni­ kolaus Büchel sagt. Ranipenüberschreitung Nikolaus Büchel verband in dieser Petitesse den klugen Humor Lessings mit einer ganz auf das Witzig-Theatra­ lische abgezicltcn Regie, wies, über anteilnehmendes Lachen, Wege, die Gesellschaftskritik des Aufklärers Les­ sing, übertragen auf das Heute, bis zur Selbsterkenntnis anzunehmen. Zur Re­ gie gehörte nicht nur das Theatralische der Gestik und Mimik 
und das grossar­ tige Herausarbeiten der Sprache, son­ dern auch der Einbau der Rampen­ überschreitung, einmal als Spiel mit 
n, Sibylle Gogg (links) spielte die naive Baroustocliter, Lisa Wildmann schlüpfte perfekt in die typische Lisette-Figur bei Lessings «Die Juden». dem Publikum, entsprechend der Com- media dell'Arte, dann, wieder z.B. durch Stichworte der im Saal sich auf­ haltenden Schauspieler. Dieses «Her­ ausfallen aus dem Stück» bewirkte ei­ nen um so intensiveren Wiederein­ stieg, liess die Figuren um so wir- kungs- und inhaltsvoller erscheinen. Spiel- und Sprachfreude Die Geschichte: Ein fremder Reisen­ der rettet den Baron und dessen Toch­ ter vor Wegelagerern. Zum Dank wird er auf das Schloss eingeladen. Man ist der festen Meinung, dass die Räuber 
Juden sein müssen. Der Baron lässt nichts unversucht, dem Fremden seine Freundschaft anzutragen und will ihm seine Tochter zur Frau geben samt all seinen Reichtümern. Doch derJehnt ab - denn er ist Jude. Als es diesem Juden gelingt, die wahren Täter zu ent­ decken. jene, die im nächsten Umkreis des Barons zu finden sind, erkentit der Baron beschämt seinen Jrrtum. Ein Lehrstück voller Witz, das dem Publi­ kum einen Spiegel vorhält, vor Vorur­ teilen warnt und für die Toleranz plä­ diert. Nikolaus Büchel fand für seine Inszenierung ein namhaftes, vor Spiel-und 
Sprachfreiide sprühendes En­ semble: Andreas Puehringer zeigte den Reisenden als distinguierten Philoso- phen.(«Ich sollte glauben, dass es.unter allen Nationen gute und .böse Seelen geben könne»), Rainer Spechtl gab ei­ nen mehr als komisch-gutmütigen Ba­ ron, Sibylle Gogg spielte die naive Ba­ ronstochter, Lisa Wildmann schlüpfte perfekt in die typische "Lisette-Figur und Regisseur Nikolaus Büchel zeige sich als Michael Stich. Überragend, bot Gregor Seberg mit Christoph, dem Die­ ner des Reisenden, eine herrliche Arlecchino-Figur und Nikolaus Kinsky bot mit unglaublichem Spielwitz die Unterwürfig-hinterlistige Rolle des Martin Krumm, Vogt des Baron. Ein Ensemble, dem es (in den Kostümen von Gertrude Rindler-Schantl) in ei­ nem unterhaltsamen Stück 
grossartig gelang, die «Sündenbockfunktion» des Fremden, des . Anderen zu entlarven. Verständlich, dass Nikolaus Büchel dieses selten gespielte Stück, in dem er das Thema Toleranz comediahaft auf­ bereitet hat, von Theaterleuten aus den Händen gerissen wird. . Fürstliches Lob Fürstin Marie sagte nach der gestri­ gen Montagsvorstellung:' «Mir hat nicht nur das Stück sehr gut gefallen, sondern auch die grosse schauspieleri-. sehe Leistung und die sehr ideenreiche Inszenierung. 
Die.Sprache Lessings, die es heute kaum noch gibt, diese feine und intensive Sprache zu hören, war eine Wohltat für das Ohr. Ich habe gerne Humor, lache gerne, und das konnte ich heute Abend. Problem­ stücke liebe ich nicht so sehr.». • 
Feidenkrais- Methode für Musizierende VADUZ: Unter der 
1 Kursleitung von Heinz Grühling, einem diplo­ mierten Tanzpädagogen und Fel- denkraistrainer, veranstaltet die Liechtensteinische. Musikschule am Samstag, den 9. MäFZ von 9 bis 17 Uhr im Vortragssaal des Rheinbergerhauses in Vaduz ei­ nen Feldenkraiskurs speziell für Sänger und lnstrumentalisten. Das Kursprogramm beinhaltet ei­ ne harmonische, effektive Verbin­ dung. des «Köiperinstrumentes» mit dem Musikinstrument, erwei­ terte Geschwindigkeit, innere und äussere Balance, keine Schmerzen beim Üben; Häufig sind es unsere gewohnten, einseitig eingefahre­ nen Bewegungsmuster, die mit­ verantwortlich sind für chroni­ sche Verspannüngen und wieder­ kehrende Überlastung beim Üben eines Instrumentes oder beim Sin­ gen. In diesem Seminar werden wir mit der Eeldenkrais-Methode . und der Dynamischen Intergratk on individuelle Wege suchen, um in einfacher und effektiver Weise unsere Bewegungs- und Verhal­ tensweisen zu erweitern. Mitzubringen sind bequeme Kleidung, warme Socken, Unterla­ ge (Decke oder Yogamatte), Kopf­ kissen. Die Kursgebühr beträgt für Erwachsene GHF 120.-, für Ju­ gendliche und Studenten CHF 80.-. Anmeldungen bis spätestens 1. März an die Liechtensteinische Musikschule, Telefon 00423 / 235 03 30 I Fax 235 03"31 (E- Mail: lms@ lms.llv.li). 
(Eing.) TAKINO «Kandahar» - Plädoyer gegen die Unterdrückung der Frauen Vor Jahren flüchtctc sie aus Afgha­ nistan nach Kanada. Nun reist die Journalistin Nafas zurück in ihre Hei­ mat, nicht aus beruflichen Gründen, sondern weil ihr die in Kandahar zurückgebliebene Schwester einen Hil­ feruf geschickt hat: Am Tag der letzten Sonnenfinsternis im 20. Jahrhundert will sie sich das Leben nehmen - eine Existenz in Afghanistan sei unerträg­ lich geworden. Mit dem Helikopter trifft Nafas in einem UNO-Lagcr an der iranisch-afghanischen Grenze ein, von wo aus sie auf dem Landweg illegal nach Kandahar fahren will. Es eilt, denn bis zur Sonnenfinsternis bleiben 
nur noch drei Tage. Nicht von ungefähr heisst der neue Film des Iraners Mohscn Machmalbaf im Original «Die Reise nach Kandahar» («Safar-e Qandahar»). Er erzählt seine Geschichte in Form eines' Reisebe­ richts, den Nafas mittels eines Ton­ bandgeräts festhält: «Ich bin gereist, um dir tausend Gründe zum Leben zu schenken», notiert sie in ihr akusti­ sches Tagebuch. Die Reise in die Wüste Afghanistans ist beschwerlich .. ! . Während Jahren, ja Jahrzehnten hat die Weltöffentlichkeit tunlichst die Au­ gen vor dem Hunger und der geisiigen wie körperlichen Unterdrückung der afghanischen Bevölkerung verschlos­ sen. «Kandahar» bereitet das Elend af- ' ghanischer Frauen, Kinder und Männer in einer irritierenden Mischung von re­ konstruierter dokumentarischer Nähe 
und beeindruckenden Bildern auf. Stark sind die dokumentarisch'anmu­ tenden Szenen von afghanischen Kin r dem im Flüchtlingslager, jene von den. bein- und armamputierten Männern oder von den Frauen, die sich total un­ ter den «gesichtsloscn» Burkas ver­ stecken müssen. Surreal ist jene Szene, in der Kriegskrüppel den vermeintli­ chen Beinprothesen hinterherhumpeln, die die Hilfsorganisationen aus dem Helikopter abwerfen. Doch was da an Fallschirmen herabsinkt, sind keine- Prothesen, sondern schön geformte Beinpäare von weiblichen Schaufens­ terpuppen. «Hätte man in den vergan­ genen Jahren Bücher statt Raketen nach' Afghanistan geschickt, herrsch­ ten dort heute nicht Unwissenheit, Völ­ kerkrieg und Terrorismus. Und hätte man anstatt Minen zu legen Weizen 
gesät, wären heute nicht Millionen von Afghanen auf der Flucht , vor Hunger und Tod.» Mohsen Machmalbaf anläss­ lich der UNESCO-Preisverleihung vom 3. Oktober 2001 in Paris, wo er für «Kandahar» und insbesondere für. sein Engagement für die • afghanischen . Frauen mit der Fellini-Medaille in Gold ausgezeichnet wurde. «Kandahar» ist noch heute Dienstag um 20 Uhr im Ta- Kino zu sehen. «Los amantes del circölo polar» Der Film erzählt die Geschichte der heimlichen und leidenschaftlichen Lie­ be zwischen Ana und Otto. Das Schick­ sal fuhrt sie als achtjährige Kinder zu­ sammen. Sie geben sich Halt in schwe­ ren Zeiten, als Anas Vater stirbt und Ot­ tos Vater seine Frau verlässt. Als Ottos Mutter stirbt, plagen Otto, der von ihr 
weggezogen ist, Schuldgefühle. 
Er flüchtet, wird Pilot eines Lufittaxlunter- nehmens. Doch seine oberflächlichen Frauenbekanntschaften können ihn nicht über den Verlust Anas, die inzwi­ schen Lehrerin geworden ist, hinweg­ trösten. Die verschlungenen Lebenswe­ ge der beiden Liebenden sind nur Um­ wege zum grossen Finale. Als 25-Jähri- ge treffen sie sich wieder, am nördli­ chen Polarkreis.. .«Medem ist ein gros­ ser Film über die Liebe, den Tod jind das Kino gelungen ... und wenn man das Kino verlässt nach dem schmerzlich leichten Film, bleibt etwas haften, ein Stich im Herzen, ein Rätsel, eine mood for love.» (epd Film) «Los amantes del cireolo polar» ist am Donnerstag um 20 Uhr und am kommenden Sonntag um 18 Uhr im TaKino zu sehen. , Filmchfb Frohsinn Englisch, palästinensisch, israelisch Jazzkonzert mit «Gilad Atzmon £t the Orient House Ensemble» in der Tangente Vergangenen Samstag gastierten «Gilad Atzmon Et the Orient House Ensemble» in der Tangente in Eschen. In dem kleinen Raum mit gemütli­ cher Atmosphäre fand ein gelunge­ ner Jazzabend statt. Liebhaber dieser Musikrichtung fanden sich in der Tangente ein, um sich musikalisch verwöhnen zu lassen. Vier Musiker aus unterschiedlichen Kulturen Hes­ sen dann auch die Jazzlierzen höher schlagen. • Sascha Gerste r «. , . und Sie würden noch heute ap­ plaudieren, hätte man sie damals nicht gestoppt».-So, oder so ungefähr kön­ nen, die Zuschauer an diesem Abend .• beschrieben werden. Bei jeder sich ih­ nen gebotenen Möglichkeit legten sie los mit dem Beifall. Sie fingen nicht nur an zu klatschen, sondern sie woll­ ten auch nicht mehr damit aufhören. Palästinenser und Israeli In der Band des israelischen Saxo­ phonisten Gilad Atzmon spielt neben 
Gilad Atzmon während einer seiner Saxophon-Einlagen. 
den Briten Frank Harrison am Piano und Oli Hayhurst am Bass mit Asaf Sirkis ein palästinensischer Drummer. Ein wahrhaft multikulturelles En­ semble, was auch in ihrer Musik wie­ derzuerkennen ist. Die Band • spielte Musik mit feinen Anklängen an die orientalische Musikkultur, mit viel •Sehnsucht durchsetzt. In den Liedern spiegelten sich Erinnerungen an das östliche Mittelmeer wieder, als der Sa­ xophonist an italienische Melodien und afroamerikanische Sounds dachte, während hinter seinem Rücken Israelis gegen Palästinenser kämpften. In Atz- mons Musik blitzen osmanische Volks- Hedmotive auf, Tanzweisen vom Bal­ kan oder frische Klangfarben der tür­ kischen Klarinette. In der Mitte des Konzertes stellte Gilad seine Bandmit; . glieder vor. Während sie nach eigener Aussage einen für Jazzmusik langwei­ ligen Rhythmus spielten, erklärte er kürz das.Genie jedes einzelnen Genos­ sen. An dieses für sie notwendige Übel legten sie eine' Pause ein, um an- ' schliessend mit neuem Schwung ihren Jazz zu zelebrieren. 
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