Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

28 Freitag, 1. März 2002 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSUIATT in Flammen Elf Palästinenser getötet und 100 verletzt - Arafat-Berater übt scharfe Kritik an Israel NABLUS: Israelische Truppen häben bei massiven Angriffen auf zwei palästinensische Flüchtlingslager gestern elf Palästinenser getötet.Und fast 100 verletzt. Bis zum Abend ge­ lang es der israelischen Armee eigenen Angaben zufolge, das Flüchtlingslager Balata bei Nab­ lus unter 
ihre Kontrolle zu brin^ gen. Im israelischen Rundfunk hiess es, Zi­ vilisten dürften das Lager Balata ver­ lassen. Nur wenige Frauen und Kinder machten von diesem Angebot Ge­ brauch. Mitglieder der Al-Aksa-Bri- gaden kündigten dagegen an, das La­ ger bis zum Letzten zu verteidigen. In den andauernden Feuergefechten ka­ men vier Palästinenser und ein israeli­ scher Soldat ums Leben. Beim israeli­ schen Panzeryorstoss auf ein Lager bei Dschenin wurden sieben Palästinenser getötet. Zuvor waren am Mittwocha­ bend drei israelische Soldaten bei ei­ nem Selbstmordanschlag verletzt wor­ den. Ein Berater des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat beschuldigte Israel, mit diesem Vorgehen Jegliche Hoffnung auf Frieden zu zerstören. Ah­ med Abdel Rahman sagte: «Wir können die Palästinenser nicht davon abhalten, sich selbst und ihr Land zu verteidigen, so lange die (israelische) Besatzung an­ dauert» Dagegen begründete die israe­ lische Führung ihr Vorgehen damit, dass zahlreiche. Selbstmordattentäter aus den Lagern kamen. «Wir haben nicht vor, dort zu bleiben», sagte Vertei­ digungsminister Binjamin Ben Elieser dem israelischen Fernsehen. 
Ein Palästinenser sieht zu, wie das Lager Balata abbrennt. Israelische Truppen haben « angegriffen. (Bilder: Keystone) Friedensplan im Weltsicher­ heitsrat vorgestellt Vor dem israelischen.Angriff hatte S^udi-Arabien seinen von den USA und der EU begrüssten Friedensvor­ schlag im UN-Sicherheitsrat vorge­ stellt. Dabei übte der saudiarabische UN-Botschafter Fausl Schobokschi auch scharfe Kritik an Israel. Abdul­ lahs Plan, der den israelischen Rück­ zug aus allen im Seclistagekrieg 1967 eroberten Gebieten und einen paläs­ tinensischen Staat als Gegenleistung 
für Frieden mit allen arabischen Nachbarn vorsieht, nannte Schobok­ schi einen Vorschlag für gutnachbar­ liche Beziehungen. Israel warf er vor, nicht wirklich den Frieden zu wollen. Der aussenpolitische EU-Beauf­ tragte Javier Solana sagte am Don­ nerstag bei einem Besuch in Kairo, er hoffe, dass alle arabischen Staaten den Vorschlag von Kronprinz Abdul­ lah unterstützen. Dagegen äusserte sich der Generalsekretär der Arabi­ schen Liga, Amr Mussa, skeptisch. Is­ rael untergrabe mit seinem Vorgehen 
gegen die Palästinenser «jede Hoff- . nung auf einen Fortschritt». Der Aus- senminister von Oman,. Jussef bin Alawi, bezeichnete den Vorschlag Ab­ dullahs am Donnerstag als möglichen Wendepunkt für den Nahen Osten. Is­ rael müsse nun die Reisebeschränkun­ gen Arafats aufheben, damit dieser am 27. und 28. März am Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Beirut teilneh­ men könne. Sollte Israel am Reisever­ bot festhalten, werde- man dies als Ab­ sage an einen Frieden mit der arabi­ schen Welt werten, sagte Alawi. NATO-Razzia in Ostbosnien SARAJEVO: Der als Kriegsverbrecher gesuchte Radovan Karadzic ist seiner Verhaftung gestern «och einmal ent­ gangen. NATO- und SFOR-Truppen hatten einen Hinwels auf den Auf­ enthaltsort des ehemaligen Präsiden­ ten der bosnischen Serben bekom­ men, konnten bei einer Razzia In Ostbosnien aber nur ein Waffenlager ausheben. Der Einsatz zeige die Entschlossenheit von NATO und der Friedenstruppe SFÖR, flüchtige; mutmassliche Kriegs­ verbrecher festzunehmen, hiess es in einer Erklärung. Alle zur Verfügung stehenden Mittel würden für dieses Ziel eingesetzt. In einem Berjcht des bosnisch-Serbischen Rundfunks .hiess^ es zuvor, Karadzic sei Ziel des NATO- Einsatzes und dessen Verhaftung lau- • fe. Weder die Quelle noch Details dafür wurden genannt. • Das bosnisch-serbische Fernsehen berichtete von Explosionen und Schüssen nahe dem Dorf Celebici, 
rund 70 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Zwei NATO-Hubschrauber seien zuvor dort gelandet. Die Solda­ ten durchsuchten Häuser und Schulen, hiess es. Die Strassen um Celebici wa­ ren in einem Umkreis von rund 40 Ki­ lometern abgesperrt. Die Bewohner der Region wurden aufgefordert, ihre Häu­ ser nicht zu verlassen. Nach Berichten von Journalisten waren die Telefon­ verbindungen abgeschaltet. Die staatliche jugoslawische Nach­ richtenagentur Tai\Jug berichtete In Belgrad von einer grossen Aktion und verwies darauf, dass Karadzic in der Gegend vermutet werde. Der Führer der bosnischen Serben im Bosnien­ krieg und sein ebenfalls flüchtiger Mi- litärchef Ratko Mladic sind vor dem UN-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen ge­ gen die Menschlichkeit angeklagt. Un­ ter anderem sollen sie an der Ermor­ dung von mindestens 6000 Moslems nach der Eroberung von Srebrenica beteiligt gewesen sein. Radovan 
Karadzic Ist im letzten Momentaner Verhaftung entgangen. 
Gegen Truppeneinsatz Frankreich lehnt eine Ausweitung über Kabul ab KABUL/PARIS: In der internationalen Gemeinschaft ist erneut Streit über die Friedenstruppe in Afghanistan aufgeflammt. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac sagte gestern nach einem Gespräch mit dem afghanischen Ministerpräsiden­ ten Hamid Karsai" in Paris, seine Re­ gierung lehne eine Ausweitung des Operationsgebietes über die Haupt­ stadt Kabul hinaus ab. Karsais Bitte nach einer Verlängerung .des Man­ dats unterstütze er jedoch. Der afghanische Reglerungschef warb in Paris erneut dafür, den Operations­ bereich der Soldaten von Kabul auf weitere Provinzen auszudehnen. Das sei der Wunsch der Bevölkerung. Kar­ sais Wirtschaftsberater Aschraf Ghani erklärte, 98- Prozent aller Afghanen wünschten darüber hinaus mehr Frie­ denstruppen, besonders ausserhalb von Kabul. Nach Angaben von UN- Vertretern in Kabul gibt es Überlegun­ gen, die Truppe auf 14 000 Mann zu erhöhen. Für eine Verlängerung des UN-Mandats UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte indessen vor dem deutschen Bundestag, er setze auf/eine. Verlän­ gerung des 
: UN-Mandats für Afghanistan. Auch der stellvertreten­ de UN-Generalsekretär Kieran Pren- dergast erklärte in einem Bericht an den Sicherheitsrat, die Internationale Schutztruppe müsse über Kabul hi­ naus eingesetzt werden. Britische Soldaten der UN-Schutz- truppe sind in der Nähe von Kabul erneut unter Feuer geraten. Wie. ein Sprecher der Truppe am Donnerstag erklärte, schoss ein einzelner Bewaff­ neter auf einen Beöbachtungsposten . 
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am südwestlichen Stadtrand. Es wur­ de niemand verletzt. Es war das drit­ te Mal in einem' Monat, dass auf bri­ tische Soldaten in Kabul geschossen wurde. In Nordafghanistan verschärften sich die Spannungen zwischen zwei rivalisierenden Kommandeuren der Interimsregierung. Der tadschikische Kommandeur Atta Mohammed warf in. Nordafghanistan seinem usbeki­ schen Rivalen Raschid Dostum vor, dieser habe sechs Panzer und Dut­ zende Soldaten nach Schulgara ge­ schickt, 75 Kilometer südwestlich von Masar-i-Scharif. Dostums Solda­ ten hätten Tadschiken in der. Region schikaniert. . Spenden für den Wiederaufbau. des Landes , Die Vereinten 
Nationen baten un­ terdessen um 1,18 Milliarden Dollar an Spenderi für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes. Eine UN-Sprecherin in Kabul bezeichnete die Lage in der afghanischen Haupt­ stadt als verzweifelt. Der mit 336 Millionen Dollar grösste Teil der von den Vereinten Nationen erbetenen Spenden soll für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, ein­ gesetzt werden. Mit weiteren 82 Mil-, Honen sollen Bildungseinrichturigen wieder aufgebaut werden, während 129 Millionen in die Gesundheitsfür­ sorge fllessen sollen. Der Rest ist für die Wiedereingliederung der Flücht­ linge bestimmt. - Bei einem Granatenanschlag auf eine Schule in Afghanistan ist am Donnerstag ein Schüler getötet wor­ den. Wie die Regierung in Kabul mit­ teilte, wurden rund 30 Kinder im Al­ ter zwischen elf und 13 Jahren ver­ letzt. 
Erwög Einsatz der Atombombe COLLEGE PARK: Bei der Ausweitung des Vietnam-Krieges hat der damalige US-Präsident Richard Nixon vor 30 Jahren auch den Einsatz der Atom­ bombe erwögen. Wie. aus den gestern' veröffentlichten, Tonbändern hervor­ geht, schlug Nixon dies im April 1972 bei einem Gespräch mit seinem Natio­ nalen Sicherheitsberater Henry Kissin­ ger yor. Das Nationalarchiv gab ges? tem insgesamt 500 Stunden Tonband­ mitschnitte von Gesprächen Nixons frei. In dem Gespräch diskutierten die beiden Politiker verschiedene Kriegs­ strategien wie Angriffe auf Kraftwerke und Häfen. «Ich würde eher die Atom­ bombe einsetzen», sagte Nixon. «Ich denke, das wäre zu viel», antwortete Kissinger laut . Gesprächsmitschnitt. Nixon hatte schon einmal 1985 in ei­ nem Interview erklärt, dass er die «ato­ mare Option» in Betracht gezogen ha­ be. Weil es zivile Ziele gewesen seien, habe er sich gegen den Einsatz von Atomwaffen entschieden, sagte er da­ mals. Während des Vietnamkriegs in den 60er- und 70er-Jahren wurden im Süden und Norden des Landes eine Million Soldaten und zwei Millionen Zivilisten getötet. Dazu kamen noch mal zwei Millionen Kriegsversehrte und zwei Millionen Menschen, die durch den Einsatz giftiger Chemikalien bleibende Schäden 
davon trugen. Auf amerikanischer Seite verloren 58 000 Soldaten ihr Leben. Passagierflugzeug von Kampfflug­ zeugen begleitet NEW YORK: Ein verdächtiger Passa­ gier an Bord eines indischen Passa­ gierflugzeugs auf dem Weg in die USA hat gestern die Internationalen Luft- verkehrsbehörden alarmiert. Nach ei­ ner entsprechenden Mitteilung aus dem Cockpit begleiteten kanadische Kampfflugzeuge die Maschine der Air India über dem Atlantik. Trotz der nicht näher erläuterten Sicherheitsbe­ denken soll das Flugzeug nach Infor­ mationen aus US-Regierungskreisen eine Landeerlaubnis auf dem New Yor­ ker John-F.-Kerinedy-Flughafen erhal­ ten. Die Landung wird gegen 23.00 Uhr (MEZ) erwartet. Vermutlich wer­ den US-Kampfflugzeuge die Überwa­ chung der Maschine übernehmen, so­ bald sie in den Luftraum der USA ge­ langt ist. Ein Sprecher der Bundespoli­ zei FBI sagte in Washington, an Bord befinde sich eine Person, «mit der wir sprechen wollen». Unter Protest verabschiedet ROM: Unter lebhaftem Protest der Op­ position hat das italienische Parlament gestern ein neues Gesetz verabschiedet, das Interessenkonflikte zwischen ge­ schäftlicher Tätigkeit und Regiemngs- amt regeln soll. Das Gesetz wird von Kritikern als «Lex Berlusconi» bezeich­ net, weil es den Medienunternehmer und italienischen Ministerpräsideriten vor Vorwürfen schützt, einem Interes- serikohflikt zu unterliegen.. Das Gesetz wurde von 308 Abgeordneten der re­ gierenden Rechtskoalition in der römi­ schen Deputiertenkammer verabschie­ det; zwei Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Die Opposition ver­ Hess den Plenarsaal während der Ab­ stimmung unter Protest und lauten Ru- ifen wie «Schande» und «Betrug». Vor dem Gebäude versammelten sich Op- positionsabgeprdnete zu einer Protest­ kundgebung. Das Gesetz trennt Besitz und Verwaltung von Unternehmen, die Regierungsmitglledern gehören. Dabei reicht es, einen Geschäftsführer einzu­ setzen. Ein Verkauf der Kapitalanteile Ist nicht erforderlich. Das Gesetz löse nicht den Interessenkonfllkt, sondern genehmige ihn, sagte der Chef der Linksdemokraten, Pierö Fasslno. Des­ halb sei die Vorlage, die jetzt noch den Senat passieren muss, ein grotesker Etikettenschwindel. S
	        

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