Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

36 Samstag, 16. Februar 2002 
AUSLAND Liechtensteiner VOLKSBLATT Europäer kritisieren amerikanisches Alternativprogramm zum Klimaprotokoll FRANKFURT: Das US-Alternativ- programm zum Klimaprotokoll von Kyoto ist in Europa auf Ab-„ lehnung gestossen. EU-Umwelt- kommissarin Margot Wallström sagte am Freitag in Brüssel, das Programm sei unzureichend und keine Alternative zu Kyoto. Der deutscht Bundesumweltminister Jürgen Trittin zeigte sich enttäuscht über die« Unverbindlichkeit dfcr Pläne, die eine Steigerung der Emissionen er­ laubten. Die Umweltorganlsation Greenpeace sprach vtfn einem Ent­ wurf, der die Handschrift der Ölin­ dustrie trage. Das einzige Instrument Bushs Plan werde wahrscheinlich zu einem beträchtlichen Anstieg der Treibhausgas :Emissionen 
führen; er­ klärte Wallström. «Das Kyoto-Proto- koli ist das einzig effektive; Instrutnent im Kampf gegen die Erderwärmung, und wir fordern die USA auf, wieder zum Kyoto-Prozess zurückzukehren», sagte die EU-Kommissorin. «Das -Programm der USA beweist, dass eine weltweite Senkung der Treibhausgasr-Emlssionen nur in einem völkerrechtlich- verbindlichen System mö'glich ist*,-.sagte Trittin in Berlin. Es müsse. Ziel bleiben, das Kyoto-Proto­ koll so sch'neJl wie möglich unizuset­ zen, fortzuschreiben und den weltweit grössten Emittenten USA wieder in 
Das:Von Präsident George W. Bush vorgestellte US-Alternativprogramm zum Klimaprotokoll von Kyoto Ist in Europa auf Ablehnung gestossen. (Bild: Key) dieses System zu integrieren. Dem SWR sagte Trittin, Amerika werde mit dem neuen Plan noch Jahre brauchen; um auf die Höhe der heutigen Zeit zu gelangen: «Bush ist mit seinen Inhal­ten 
da, wo die SPD in der Umweltpoli- tfk In den 60er-Jahren war.» Die japanische Regierung begrüsste die Vorschläge Bushs, äusserte aber "zugleich die Hoffnung, dass sich die. 
USA letztlich doch wieder dem Kyoto- Protokoll anschliessen Würden. Bush mache mit seinem Plan deutlich, dass er gewillt sei, die Treibhausgase zu verringern, sagte Aussenmiriisterin Yoriko Kawaguchf, die bis vor kurzem noch an der Spitze des Umweltminis- tcriums stand. Kritik voh Ümweltschiitzern Bush hatte am Donnerstag ein Al­ ternativprogramm zum Klimaschutz­ abkommen von Kyoto vorgestellt, das auf die freiwillige Reduzierung von Treibhausgasen setzt. Umweltgerech­ tes Verhalten soll demnach mit Steu­ ervorteilen belohnt werden. Im ver­ gangenen Jahr hatte Bush den Aus­ stieg aus dem 'Kyoto-Protokoll mit Nachteilen für die US-Wirtschaft be­ gründet. «Das Konzept schützt die Absatz­ märkte der Ölkonzerne, nicht aber das Klima», kritisierte Greenpeace-Klima­ experte Karsten Smid die US-Pläne. Ausserdem bemängelte er den «massi­ ven Widerstand» der deutschen Ener- gleindustrie und von Wirtschaftsminis­ ter Werner Müller gegen die Klimaver­ einbarungen. Dies 
sei einseitige Inter- essenpölitik nach • dem Muster der USA. Als «völlig unzureichend» kriti­ sierte "die Umweltstiftung WWF die Ufue US-Politik. «Das ist ein Geschenk für Umweltverschmutzer und ein Af­ front gegen den Rest der Wdt», sagte Regine Günther vom Referat Klima­ schutz beim WWF Deutschland. Weltpressefoto des Jahres AMSTERDAM: Der Däne Erik Refner ist ani Freitag mit dem.renommierten Preis «Weltpressefoto des Jahres» aus­ gezeichnet worden. Seine Schwarz- welss-Aufnahme zeigt ein totes Kind in einem afghanischen Flüchtlingsjäger in Pakistan, über das. sechs Hände ein Leichentuch ziehen. Die Auszeichnun­ gen in den 18 verschiedenen Kategori-, en Würden insgesamt von den Themen 11. September und Afghanistan domir niert. Die aus 13 Fotografen und Bildre­ dakteuren bestehende Jury musste ihre 
Entscheidung unter 49 000 Einsen­ dungen treffen.' Die Wahl des «Welt­ pressefotos des Jahres» fiel einstimmig. Entstanden ist die Aufnahme bereits im vergangeneh Frül\|ahr, also bereits drei Monate, bevor sich das Augen­ merk der Weltöffentlichkeit in Fblge der Terroranschläge auf Afghanistan und Pakistan richtete. In ihrer Begrün­ dung sagte die Jury, sie wollte mit ih­ rer Entscheidung bewusst ein Zeichen setzen, Unruhegebiete «ein wenig erns­ ter zu nehmen», bevor sie zu echten Krisenregionen werden. 
Politiker als Zeugen? Milosevic will Kohl, Blair und Co. vorladen lassen DEN HAAG: Der jugoslawische Ex- präsident Slobodan Milosevic will etliche westliche Spitzenpolitiker als Zeugen vor das UN-Kriegsverbre- chertribunal vorladen lassen. Wie er am zweiten Tag seiner Verteidi­ gungsrede ankündigte, sollen unter anderem der frühere US-Präsident Bill Clinton, dessen Aussenministerin Ma­ deleine Albright, UN-Generalsekretär Kofi Annan sowie Exkanzler Helmut Kohl, Bundeskanzler Gerhard Schrö­ der, der britische Premierminister Tony Blair, 
der französische Präsident Jac­ ques Chirac und Italiens früherer Aus- .senmi'nister Lamberto Dini vor Gericht erscheinen. . Milosevic erklärte, er wolle die «di­ rekten Beteiligten» an dem Balkankon­ flikt 
und dem Friedensabkommen von Dayton 1995 vorladen lassen, darunter die komplette amerikanische Verhand­ lungsdelegation. 
Mit dem Prozess ge­ gen ihn würden genau die Kräfte unterstützt, die Jugoslawien zerstört 
hätten, erklärte Milosevic. Der Westen ermutige damit den Terrorismus, der auch jetzt nodi weitergehe. Das Ge­ richt habe sich zum Mittäter gegen ein Volk gemacht, das sich auf seinem eigenen Territorium verteidigt habe. Er wies noch einmal den Vorwurf zurück, dass serbische Streitkräfte massenhaft Menschen deportiert oder gar ermor­ det hätten. «Das ist eine Lüge», erklär­ te Milosevic. Er warf seinerseits dem Westen vor, bei Bombenangriffen im Kosovo Flüchtlinge getötet zu haben. Milose­ vic erklärte, seine Truppen hätten während des NATO-Kriegs gegen Ju­ goslawien einen Funkverkehr zwi­ schen einem Piloten, der einen Konvoi gesichtet hatte, und einem Komman­ deur abgefangen. • Als der Pilot erklärt habe, es hande­ le sich um Flüchtlinge, habe ihn der Kommandeur nur aufgefordert, seinen Befehl 
auszuführen. Bei dem Angriff seien Dutzende Menschen getötet wor­ den, sagte Milosevic. Vergeltungsschlag Israelis fliegen Angriff nach'Attacke auf Panzer GAZA: Knapp 24 Stunden nach der Zerstörung eines Israelischen Panzers durch palästinensische Extremistea hat die israelische Luftwaffe am Frei­ tagabend einen Vergeltungsangriff auf palästinensische Einrichtungen im Gazastreifen geflogen. Der Sicherheitskomplex in Dschebalja sei vpn mehreren Explosionen er­ schüttert worden, berichteten palästi­ nensische Augenzeugen. Zur Zeit des Angriffs sollen^sich zahlreiche Sicher­ heitskräfte in dem Gebäude aufgehal­ ten haben. Am Abend zuvor waren drei israelische Soldaten im Gazastrei­ fen getötet worden, als es palästinensi­ schen Extremisten erstmals gelang, einen israelischen Panzer zu zerstören. Am Freitag kam der Anführer einer israelischen Eliteeinheit Während einer Razzia in Saida. im Westjordanland ums Leben. Bislang hatte die israeli­sche 
Armee in dem seit 16 Monaten andauernden Aufstand der Palästinen­ ser 
relativ wenige Opfer zu beklagen gehabt. Die Zerstörung des Panzers vom Typ «Merkawa-3», der als Symbol der isra­ elischen Militärmacht gilt, setzte die israelische Öffentlichkeit unter Schock. «Es ist, als hätten die Terroris­ ten mit ihren Kalaschnikows und selbst gebastelten Raketen es- ge­ schafft, ein F-16-Kriegsflugzeug abzu- schiessen», schrieb der Kolumnist Rafl Mann in der Zeitung «Maariv». 
2u dem Angriff auf den Panzer bekannte sich das Volkswiderstandskomitee, dem mi­ litante Mitglieder der Hamas und der Fatah-Organisation des palästinensi­ schen Präsidenten Jassir Arafat an­ gehören sollen. Auf einem Flugblatt hiess es, der Angriff sei eine Vergel­ tung für den Tod von fünf Palästinen­ sern in Gaza gewesen. 
Papst-Dokumente bald zugänglich ROM: Der Vatikan will nach eigenen Angaben In Kürze Dokumente aus sei­ nen Archiven zugänglich machen, die über das Verhalten des damaligen Papstes Pius XH. vor und während des Zweiten Weltkriegs Auskunft geben. Dabei werde sich erweisen, dass alle gegen den Pacelll-Papst gerichteten Vorwürfe hinsichtlich seines Schwei­ gens über den Holocaust ungerecht seien, hiess es in einer, am Freitag he­ rausgegebenen Erklärung. Deutsche und ausländische*Kritiker, allen voran jüdische Organisatoren, haben Pius Xll. vorgeworfen, mit .seinem Schwei­ gen über die Gräueltaten der Nazis den Holocaust nicht verhindert oder gar erst ermöglicht zu haben. Die seitdem von Theologen, Politologen und Histo­ rikern eifrig diskutierte Frage ist, ob Pius mit einer öffentlichen Verdam­ mung der Judenverfolgung den Völ­ kermord teilweise oder ganz hätte ver­ hindern können. Pius 
selbst und seine Verteidiger haben demgegenüber deh Standpunkt vertreten, der Papst habe gehofft, mit seinem Schweigen Schlimmeres zu verhindern. In seiner Erklärung wies der Vatikan darauf hin, dass Pius während des Krieges vielen Opfern aus Vielen Völkern und Reli­ gionen geholfen habe. Deshalb hande­ le es sich bei den Vorwürfen um .«un­ gerechte und undankbare Spekulatio­ nen». Einen genauen Termin für die Veröffentlichung nannte der Vatikan nicht. Es hiess lediglich, ab Anfang 2002 würden Wissenschaftlern Doku­ mente aus den Jahren 1922 bis 1939, dem Pontifikat von Pius XII., zugäng­ lich gemacht. Zudem sollen Dokumen­ te aus der Zeit von 1939 bis 1945 ver- öffentlicht^werden. Italien verlängert «Amnestie» für Steuerhinterzieher ROM: Italien hat das «Amnestie-Ange­ bot» für Italienische Steuerhinterzieher verlängert. Danach dürfen Privatper­ sonen ihr. im Ausland liegendes Schwarzgeld bis Mitte Mai straffrei in die Heimat zurückholen. Der italieni­ sche Ministerrat hat am Donnerstag­ abend beschlossen, dass die Frist von Ende Februar auf 15. Mai verlängert wird. Bis dahin rechnet die Regierung Berlusconi, dass bis zu 50 Mrd. Euro (über 70 Mrd.-Franken), die auf Bank­ konten im Ausland angelegt waren, nach Italien zurückkehren werden. Ein Grossteil der Summe, die seit Anfang November bereits nach Italien zurück­ geführt wurde, stammt von Schweizer Bankkonten (zirka 70 Prozent),-schät­ zen Experten. 12 Prozent flössen aus Deutschland und drei Prozent von österreichischen Bankkonten nach Ita­ lien zurück. Die Verlängerung der Frist wurde auf Grund des unerwartet star­ ken 
Erfolgs der «Amnestie» beschlos­ sen. Die Steuersünder müssen sich an eine Bank oder Post, ein Wertpapier­ handelshaus oder an eine Treuhandge­ sellschaft wenden. Für die Legalisie­ rung ihrer Position müssen sie ihr Geld mindestens zehn Jahre zum jeweils gültigen Zinssatz hinterlegen oder eine Steuer von 2,5 Prozent jener Gesamt­ summe zahlen, die sie nach Italien zurückführen oder im Ausland legali­ sieren wollen. Medienpreis an Rudolph Giuliani BADEN-BADEN: Der frühere Bürger­ meister von New York, Rudolph Giu­ liani, wird heute Samstag in Baden- Baden mit dem Deutschen Medienpreis 2001 ausgezeichnet. Nach Angaben von Media Control bekommt er den undotierten Preis für seine Zivilcou­ rage, menschliche Grösse und kämpfe­ rischen Patriotismus nach den Terror­ anschlägen auf das World Trade Cen­ ter. Bei einer Befragung bezeichnete die überwiegende Mehrheit aller Chef­ redakteure Giuliani als herausragende Persönlichkeit des Jahres 2001.
	        

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