Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT SALT LAKE CITY 2002 Q$?P 
Mittwoch, 13. Februar 2002 
1 5 Liechtensteiner fühlen sich wohl Olympisches Dorf bietet alles - von Disko bis zu Klopapier Wo wird ein grosses Dorf über Nacht zur kleinen Stadt? Bei Olympia! Natürlich auch im Wilden Westen der USA, in Salt Lake City, Utah: Dort stehen den Wintersportlern aus aller Welt die Türen ihres Olympischen Dorfes weit offen. Neben einem Teil der Liechtensteiner Funk­ tionäre weilten bereits, wenn auch nur für kurze Zeit, einige FL-Athleten im Dorf des Sports. Das Volksblatt hat sich bei un­ seren Athleten umgehört. Hciiiz Zöchbaucr aus Salt Lake City Während der Winterspiele und der anschliessenden Parnlympics wird es bis Mitte März in den) weitläufigen Gebäudekomplex auf dem Univer­ sitäts-Gelände heiss hergehen. Die Dorf-Devise: Alles für alle! Aber keine Angst: Geschlafen wird auch noch. Das hofft jedenfalls der grosse Chef. Denn unter den mehr als 3500 im Dorf erwarteten Athleten. Trainern, Medizi­ nern und Offiziellen aus über 80 Landern wird sich erstmals in der Olympia-Ge­ schichte der Präsident des Internatio­ nalen Olympischen Komitees (IOC) persönlich mischen. Aber nicht einmi­ schen. Jacques Rogge will einfach nur mittendrin sein und das Flair gemes­ sen. «Das ist der beste Platz in der Stadt. Es ist ein Ort, wo Athleten aus allen Ländern, aller Religionen, aller ethnischen Gruppen, Sprachen und Kulturen in einer fantastischen At­ mosphäre zusammentreffen», sagte Rogge. Nirgendwo anders könne man besser die Nöte und Freuden der Ath­ leten verspüren. Neben dem Liechtensteiner Chef de Mission, Alex Hermann, Georges Lüchingcr (LOSV-Kommunikationsbe- auftragter) und LSV-Trainer Günter Pühringer sind mit Birgit Heeb-Batli- ner, Jürgen Hasler, Marco Büchel so­ wie Michael Riegler auch Liechtenstei­ ner Athleten in eines der zwanzig Dorfhäuser, die auf einem historischen Militärgelände errichtet wurden, wenn auch nur für kurze Zeit, eingezogen. Seit elf Jahren gehört das einstige «Fort Douglas» der Utah Universität. Umzug nach Huntsville Michael Riegler ist mit seinem.Trai­ ner Günter Pühringer nach seiner An­ kunft letzten Donnerstag ins Olympi­ sche Dorf eingezogen und am Sonntag 
wegen der besseren Trainings- möglichkciten nach Huntsville über­ siedelt. Ebenfalls nach ihrem Eintreffen (Samstag) hat Birgit Heeb-Batlincr im Village der Sportler Quartier bezogen. Liechtensteins Skilady Nummer I zeigt sich von den Gegebenheiten angetan und sieht trotz der einfach eingerich­ teten Zimmer keinen Grund zur Klage. «Es 
wird viel geboten und die Atmo­ sphäre ist schon etwas Besonderes. Auch das Essen, es gibt zwei Verpfle­ gungsstellen mit Büffet, ist in Ord­ nung.» Selbst hat sie allerdings vom reichhaltigen Angebot, das im Dorf ge­ boten wird, lediglich den Fitnessraum und das Internctcafe genützt. «Unter Tags sind wir am Trainieren und am Abend ist man dann froh, wenn man etwas Ruhe hat.» Aber auch sie ist am Dienstag mit dem Swiss-Team nach Huntsville weitergereist, um naher an den Trainigsstätten zu wohnen. Jürgen Hasler (vorne) und Mareo Büchel informieren sieh im Internet über den neuesteh Stand der Dinge. (Bild: HeZ) Birgit Heeb-Batliner fiihlt sich im Olympischen Dorf wohl. Für zwei Tage eingezogen Marco Büchel und Jürgen Hasler ha­ ben es umgekehrt gemacht". Nach dem Abfahrtsrennen sind sie aus Huntsvil­ le, wo sie seit vorletzten Montag un­ tergebracht sind, ins Olympische Dorf gezogen. «Wir haben es uns zwar lan­ ge überlegt, aber uns tut die Abwechs­ lung gut und so konnten wir uns bis zum Dienstag etwas erholen.» Dann ging es für die beiden wieder retour, um sich optimal auf den Super-G vor­ zubereiten. «Wir mussten schon in Huntsville um 5.15 Uhr aufstehen und 
hier in Salt Lake City, das 1,5 Auto­ stunden weit weg ist, wäre ein gutes Training gar nicht möglich», erklärt Hasler die Entscheidung der beiden wieder in ihr Stammquartier zurück­ zukehren. Gefallen hat es ihnen aber recht gut. «Die Zimmer sind zwar ein­ fach und "zweckmässig eingerichtet, aber es ist schon toll, wenn man auch Kontakt zu Sportlern aus anderen Län­ dern hat.» Genutzt haben die LSV-Läu- fer im Dorf vor allem das Internet. «Da können wir schauen, wie über uns be­ richtet wird», lachte Hasler, fügte je­ doch sogleich hinzu, «natürlich auch über unsere anderen Athleten.» 19,2 Quadratmeter Spartanisch sind in der olympischen Athleten-Hauptstadt auf dem 30 Hek­ tar grossen Campus allerdings nur die Unterkünfte. Die 2100 Zimmern in den für 120 Millionen Dollar neuerbauten Häusern im Appartement-Stil sind mo­ dern und zweckmässig eingerichtet. 19,2 Quadratmeter im Durchschnitt für ein Zwcibett-Zimmer müssen den Olympioniken reichen. Wer Platzangst bekommt wie vielleicht die bulligen Bobfahrer oder Eishockey-Cracks, der 
kann ja das Weite suchen: Auf der «Main Street» des Dorfes, der auch für die Öffentlichkeit zugänglichen Inter­ national Zone, gibt es Bank, Waschsa­ lon, Blumenladen, Friseur, Post, Foto­ geschäft, Ticketservice und vieles mehr. Zutritt verboten In der Residential Zone haben «Fremde» nichts zu suchen. Zutritt ver­ boten! Die Ziigangskontrollen sind strenger denn je; Besucher finden nur mit einer besonderen Einladung Ein- lass. Journalisten müssen sich eine spezielle Tägesakkreditierung besor­ gen um mit den Sportlern in Kontakt zu kommen. Bewaffnetes Sicherheits­ personal und der Secret Service bewa­ chen die drei Sperrgürtel und den 2,50 m hohen Maschendrahtzaun. Dennoch fand ein Mann ein Loch, schlüpfte durch - Sekunden später klickten die Handschellen. Der 48-Jährige wurde vorläufig festgenommen. Vorwurf: Unrechtmässiges Eindringen auf ein Gelände nationaler Sicherheit. In ihrer «private Community» wollen die Dörfler unter sich sein, Beine und Seele baumeln lassen. Dort stehen ih­ nen zwei grosse Restaurants, Fitness-Center, 
medizinische Betreuung, ein Verwaltungsbüro, Transpoftmöglieh- keiten und religiöse Treffpunkte zur Verfügung, Auch Fastfood-Fans kom­ men auf ihre Kosten. Und wie (fast) al­ les kosten Hamburger, Fritten und Co- ke die Dorfbewohner keinen Cent. Etwa 1300 Sitzplätze gibt es in den verschie­ denen Restaurants. Im Village Club kann jeden Abend der Bär toben: Disko ist angesagt. Spätestens um ein Uhr fällt allerdings der Hammer. Wer nicht tanzen will oder schlafen kann, der geht eben in die «Spielhölle», ins Kino oder zur Massage, ins Internet-Cafe oder Einkaufen im Supermarkt. Geisti­ ge Nahrung gibts im IOC-Museum. So­ gar ein Schönheitssalon fehlt nicht. Nichts geht in Amerika ohne Statis­ tiken - schon gar nicht bei Olympia: So erfährt man, dass im Dorf während der beiden Events insgesamt 1 761 138 Meter Toilettenpapier abgewickelt werden sollen. Dies entspricht immer­ hin dreimal der Längsausdehnung des US-Bundesstaates Utah. Über die Be­ rechnungsgrundlage haben die Statis­ tik-Weltmeister 
zwar nichts verraten. Aber eins dürfte klar sein: Im Dorf ist Papier nicht geduldig. Breakfast bei Claudia Interessantes Arbeitsfrühstück mit Liechtensteins US-Botschafterin Claudia Fritsche 
Q5ÜP Am Tag ihrer arbeitsbedingten Ab­ reise aus Salt Lake City bat Liechten­ steins US-Botschafterin Claudia Frit­ sche die Medienvertreter aus dem Fürstentum zu einem Arbeitsfrüh­ stück. Dabei betonte die Diplomatin die wichtige Funktion des Sports für unser Land und berichtete über ihre Eindrücke von den Winterspielen. Heinz Zöchbaucr aus Salt Lake City In gemütlicher Atmosphäre des IOC- Hotels «Little Amerika» bekannte Clau­ dia 
Fritsche, dass sie zum ersten Mal eine Olympiade von innen heraus be­ trachten konnte und vom Ganzen mächtig beeindruckt ist. «Bis jetzt ha­ be ich den Sport und die Resultate so konsumiert wie fast alle anderen Leute auch. Nun konnte ich aber viel lernen und bin von den gesammelten Erfah­ rungen sehr beeindruckt.» Eine Kombination von all dem, was eine Olympiade ausmacht, nehme sie aus Salt Lake City mit und am meisten imponiere ihr natürlich das Auftreten der Liechtensteiner. «Ich vergleiche dies mit unserer UNÖ-Mitgliedschaft, auch dort gehören wir zu den kleins­ ten Ländern, haben jedoch einen gleichberechtigten Sitz und Stimme. 
Liechtensteins US-Botschafterin Claudia Fritsche (Mitte) im Gespräch mit Heinz Zöchbauer (links) und Ernst Hasler. (Bild: Georges Lüchinger) Also können wir auch bei Olympia gleichberechtigt mitmachen und wie die Vergangenheit gezeigt hat, haben wir dies schon mit Bravour bewältigt. So sind wir, wie auch durch die UNO- Angehörigkeit, bei vielen Nationen in­ tensiver ins Bewusstsein gerückt.» Athleten sind Botschafter Deshalb betonte Fritsche ausdrück­ lich die Wichtigkeit, dass Liechtenstein bei internationalen Sportanlässen und «besonders bei Olympiaden» mitma­che. 
«Unsere Athleten sind Botschafter des Landes, ich habe dies live miterle­ ben können und bin beeindruckt», sagte sich mit sichtbarem Stolz, Dabei sprach sie auch an, dass in einem Land wie Liechtenstein, dass im Ausland aus den verschiedensten Gündeh ein Be­ dürfnis hat, sein Image zu verbessern, zu korrigieren und vermehrt Public Relations machen will, dem Sport eine elementare Rolle zukommt. «Ich hoffe, dass bei zukünftigen Konzepten der Öffentlichkeitsarbeit 
entsprechend Rechnung getragen wird. Wenn ich mir die Teams unserer Nachbarländer betrachte und sehe, wie dort die Präsenz aus Kreisen der Politik und der Wirtschaft ist, ist dies schon beachtenswert. Die Athleten brauchen dfe Anerkennung und die Unterstüt­ zung der eigenen Leute vor Ort.» Begegnungsstätte für Liechtenstein Schon öfters wurde diskutiert, ob Liechtenstein wie auch die Schweiz, Österreich und viele andere Länder ei­ ne eigene Begegnungsstätte bei einem solchen Grossanlass haben soll. «Hier müsste. man abklären, ob wir mit ei­ nem Nachbarland zusammenarbeiten können, denn ein eigenes Liechtenstei- ner-Haus wäre eher -nicht möglich. Aber es ist sehr wichtig, dass ein Land die Sportpräsens nutzt, um sich selber darzustellen. Für Liechtenstein hoffe ich, dass dies künftig möglich sein wird», erklärte die Botsehafterin, die auch die Bedeutsamkeit von Prinzessin Nora unterstrich. «Sie hat durch ihre langjährige Stellung innerhalb des IOC und ihre guten Kontakte eine Wirkung, für Liechtenstein, die durch nichts gleichzusetzen ist. Das gibt uns ein Standing, dass nur noch durch die Leistungen unserer Athleten erreicht 
werden kann.» LOSV-Präsident Leo Kranz ergänzte informierend^ dass mit der Schweiz schon Kontakt aufgenom­ men wurde und es möglich ist, dass sich Liechtenstein bei kommenden Veranstaltungen in einer noch nicht ausdiskutierten Form dem Schweizer Haus anschliessen könne. Anerkennende Worte Über die Arbeit unserer Delegation fand Fritsche nur anerkennende Worte. Niemals hätte sie sich gedacht, dass es vor Ort so viel zu erledigen gibt iind da­ her betrachte sie es als Privileg; selbst einmal dabei sein zu dürfen. «Ich hätte mir diesen grossen Aufwand niemals erträumt, alle Beteiligten verdienen sich den grössteri Respekt.» Den Rest der Spiele will Claudia Fritsche «höchst, in^ tensiv» am Femseher mitverfolgen und dabei hofft sie noch auf eine Liechten­ steiner Medaille. «Am ehesten traue ich dies unseren Alpinen zu.» Zum Schluss fand sie auch noch lobende Worte für die beiden Liechtensteiner. Zeitungen: «Die Berichterstattung vor Ort ist wich­ tig fiir unser Land, denn es ist besser, wenn sie von den eigenen Zeitungen erarbeitet wird, als wenn alles nur von den Agenturen kommt! DaheHst es gut, dass die Zeitungen persönlich hier sind, dies verdient auch Anerkennung.» wnMS
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.