Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND Dienstag, 12. Februar 2002 
25 Chirac tritt wieder an Erklärt seine Präsidentschaftskandidatur - Rennen um das höchste Amt in Frankreich eröffnet AVIGNON: In Frankreich ist der Startschuss zum Wahlkampf ge­ fallen. Gut zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl hat Amts- inliaber Jacques Chirac offiziell seine erneute Kandidatur be­ kannt gegeben. «Ja, ich hin Kandidat», sagte der 69- jährige Neogaullist vor zahlreichen Anhängern im südfranzösischen Avia­ tion. «Ich glaube an Frankreich, ich kenne und liebe die Franzosen.» Chiracs voraussichtlicher Herausfor­ derer ist der sozialistische Premiermi­ nister Lionel Jospin, der seine Kandi­ datur bisher jedoch nicht offiziell er­ klärt hat. Die erste Runde der Präsi­ dentschaftswahl findet am 21. April statt, die Stichwahl am 5. Mai. Sicherheit und Wirtschaftspolitik Bei seinem Wahlkampfauftakt in Avignon machte Chirac klar, dass er seine Kampagne für die Wiederwahl auf die Themen innere Sicherheit und Wirtschaftspolitik konzentrieren wird, l.r werde sich für die Stärkung der Si­ cherheit. der Justiz und «des gegensei­ tigen Respekts» in Frankreich einset­ zen. Der Staat müsse die Franzosen «mehr hören, mehr verstehen und mehr respektieren», sagte der konser­ vative Regierungschef. Frankreich müsse eine neue Dynamik erhalten, die Autorität des Staates wiederherge­ stellt werden. Angriff gegen Jospin Zugleich richtete Chirac scharfe An­ griffe gegen die Wirtschaftspolitik sei­ nes Rivalen Jospin. Eine Krise lasse sich nicht durch eine Politik «des Ab- wartens» meistern, bei der lediglich auf einen Aufschwung in den USA ge­ hofft werde. «Wir müssen bei uns selbst die Mit­ tel finden, um unser Wachstum und 
Skandale hin. AJJarcn her: <Ja, ich bin Kandidat• gern im siidfraniösischen Arignon. 
sagte der 69-jährige Neogaullist Jaques Chirac vor zahlreichen Anhän- (Bilder: Keystone) die Schaffung von Arbeitsplätzen zu stärken.» Beides lasse sich nicht per Dekret verordnen. In Zeiten wachsender Arbeitslosig­ keit sei es «wichtiger denn je», die Frei­ heit der Unternehmer zu fordern. Der Sozialist Jospin setzt dagegen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf die 35- Stunden-Woche und staatliche Förderprogramme. Ankündigung vorgezogen Die Ankündigung von Chiracs Kan­ didatur war erst für Anfang März er­ wartet worden. In den letzten Wochen war der Druck der Öffentlichkeit aller­dings 
gewachsen, den Wahlkampf endlich offiziell zu eröffnen. Auch Be­ rater des Staatschcfs drangen darauf, um zu verhindern, dass Chirac weiter an Boden verlieren könnte. Jüngste Umfragen hatten für Jospin einen leichten Vorsprung ergeben. Vor allem aber die wachsenden Sympa­ thiewerte des Republikaners Jean- Pierre Chevi:ncment, dem Wählerin­ nen und Wähler der Rechten zuzulau­ fen scheinen, hatten im Chirac-Lager für Unruhe gesorgt. Volksgunst fraglich Chirac ist seit 
1995 im Amt. Es ist 
sein vierter Präsidentschaftswahl- kampf, nachdem er 1981. und 1988 scheiterte. Meist war dem Charmeur die Volksgunst gewiss. Diesmal jedoch ist es fraglich, ob sie noch ausreicht. Seit fast zwei Jahren kommen im­ mer neue Enthüllungen zur Schmier­ geldaffare um Chiracs RPR-Partei zu Tage und setzen den Staatschef gewal­ tig unter Druck. Für den Präsidenten geht es um al­ les: Wird er wiedergewählt, schützt ihn weiter seine Immunität. Scheitert er, muss er sich vermutlich wie ein ge­ wöhnlicher Bürger vor der Justiz ver­ antworten. 
DEN HAAG Der frühere jugoslawi­ sche Präsident Slobodan Milosevic hat sich einen. Tag vor dem Beginn seines Kriegsverbrecherprozesses zuversichtlich gezeigt. Er sei in guter Stimmung, berichtete Milo­ sevics Anwalt Zdenko Tomanovic am Montag. «Er hofft nur, dass er in seiner Rede, die er an das Ge­ richt richten'will, nicht unterbro­ chen wird.» Die Anklage gegen Milosevic lautet auf Völkermord und Kriegsverbre­ chen in Bosnien sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kroati­ en und im Kosovo. Die Hauptver­ handlung beginnt am Dienstag. Tomanovic sagte, Milosevic werde deutlich machen, dass er den ganzen Prozcss für unfair halte. Er werde das Gericht fragen, warum verschiedenste Staatsmänner erst seine Politik unterstützt hätten und warum diese nun kriminell gewesen sein soll. Milosevic habe die letzte Zeit intensiv genutzt, um sich auf den Prozess, der vermutlich zwei Jahre dauern wird, vorzubereiten. Da er das Gericht nicht anerkenne, werde er sich selbst verteidigen und keinen Anwalt vor Gericht akzeptie­ ren. Chefanklägerin Carla del Ponte äusserte sich optimistisch, dass es zu einer Verurteilung Milosevics kom­ men wird. Insgesamt 66 Einzelkla- gen zu allen drei Anklagepunkten liegen vor. Sie werde rund 300 Zeu­ gen aufrufen, sagte Del Ponte in ei­ nem Interview. Sie sei sich ganz si­ cher, dass "Milosevic wegen der ihm zur Last gelegten Verbrechen verur­ teilt werde. «Er entgeht keinem der drei Anklagepunktc.» Rund tausend bosnische Muslime erinnerten am Montag noch einmal an das Massaker von Srebrenica im Juli 1995, bei dem serbische Streit­ kräfte vermutlich mehr als 8000 Menschen ermordeten. Die Demon­ stranten forderten, Milosevic.-und andere Täter wegen dieses Verbre­ chens zur Rechenschaft zu ziehen. Massive Luftangriffe Auf Arafat-Einrichtungen - UNO-Kritik RAMALLAH/JERUSALEM: Mit einer beschädigt. Welle schwerer Luftangriffe auf Ge- Zuvor hatten palästinensische An- bäude der palästinensischen Sicher- greifer im südisraclischcn Beerscheba heitskräfte in Gaza hat Israel auf ei- zwei Soldatinnen erschossen. Erstmals nen palästinensischen Terroran- hatten Palästinenser zudem eine Kas- schlag vom Vortag reagiert. sam-2-Rakete auf israelisches Gebiet abgefeuert. Bei dem Luftangriff am Montag nah­ men Kampfflugzeuge und Apache- 
Israel verteidigt Attacke Helikopter im Zentrum der Stadt Gaza Israels Verteidigungsminister Benja- einen Gebäudekomplex unter Be- min Ben-Elieser verteidigte die Luft- schuss. Dieser beherbergte mehrere angriffe. Durch den Beschuss israeli- Büros des palästinensischen Sicher- sehen Gebietes mit palästinensischen heits- und Geheimdienstes sowie das Kassam-Raketen sei eine neue Lage in palästinensische Zentralgefängnis. der Region entstanden, sagte Ben- Nach den Angriffen versuchten Elieser vor dem aussenpolitischen Hunderte jugendlicher Palästinenser, AusschusS der- Knesset. Häftlinge zu befreien. Die Autonomie- «Dieser Angriff har dem Konflikt behörde liess in der chaotischen Situa- zwischen Israel und den Palästinen- tion 80 bis 100 meist kriminelle Häft- sern eine neue Dimension gegeben», linge frei. Politische Häftlinge seien sagte der Politiker. Die Regierung kün- dagegen an einen «sicheren Ort» ge- digte weitere Strafmassnahmen gegen bracht worden, hiess es. die Autonomiebehörde an, Schon-die erste Angriffswelle hatte Der-deutsche Aussenminister Josch- Panik unter der Zivilbevölkerung aus- ka Fischer reist an diesem Donnerstag gelöst. Viele Menschen hielten sich ohne einen konkreten europäischen noch 
im Freien auf, als Kampfflugzeu- oder deutschen Friedensplan in die ge im Tiefflug über die Stadt flogen Krisenregion Nahost. .Anfang dieser und ihre Raketen abfeuerten. Woche unternimmt noch vor Fischer Aus Furcht vor weiteren Attacken auch der britische Aussenminister ordnete die Autonomiebehörde die Jack Straw eine Reise in den Nahen Evakuierung der meisten öffentlichen • Osten. Gebäude an. Bei den Luftangriffen am Fischer wolle mit seiner Nahost- Moritag wurden mindestens 37 Men- Mission wieder Kontakt zu beiden Sei- schen. verwundet. Bei einer ersten An- ten'-. Israelis und Palästinensern - auf- griffswelie 
am 
Sonntagabend waren nehmen, erklärte ein Sprecher des rund 40 
Menschen verletzt worden, deutschen Aussenministeriüms. Ziel darunter zwei UNO-Mitarbeiter. sei es, «dämpfend und deeskalierend»" Der Nahostgesandte der UNO, Terje auf die «ausserordentlich festgefahre- Rö'ed-Larssen, 
nannte die Angriffe, bei ne Lage» einzuwirken. denen auch, das UNÖ-Büro beschädigt Die internationale Gemeinschaft wurde, 
«völlig inakzeptabel». Auch dürfe die beiden Konfliktparteien in . Büros 
des Internationalen Währungs- dieser schwierigen Situation nicht al- fonts IWF 
und der Weltbank wurden lein lassen. 
Anti-amerikanische Proteste in Iran Hunderttausende zum-Jahrestag der Revolution auf der Strasse TEHERAN: 
Hunderttausende von lra- — nern haben am Montag zum 23. Jah- "S* restag der Islamischen Revolution gegen die USA demonstriert. Damit — lehnten sie sich gegen die amerikani- j . sehe Einordnung ihres Landes als Teil einer «Achse des Bösen» auf. Zu der Demonstration hatten führende Politiker des reformorientierten Lagers um den iranischen Präsidenten Mo­ hammed Chatami ebenso aufgerufen wie der ultrakonservative Klerus um den geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei. Der als gemässigt geltende Chatami forderte die US-Regierung zu einer Änderung in der. Haltung gegenüber seinem Land auf. Zudem forderte er auch eine Auf­ klärung der «niederträchtigen» An­ schläge vom ll.Septertiber Es müsse aber auch untersucht werden, inwie­ weit die «falsche Politik der USA» die Tat begünstigt habe. Mit politischen Entscheidungen und verbalen Anschuldigungen lenke die US-Regieriing immer mehr Hass auf ihr Land und dessen Bevölkerung. . . . «Das amerikanische Volk müsse seine 
Das Feindbild heisst Amerika; Hunderttausende von Iranern haben am Montag Regierung fragen, wie lange es noch 
zum 23. Jahrestag der Islamischen Revolution gegen die USA demonstriert.. den Preis für die verfehlte Politik zah- 1 len müsse», sagte Chatami. Stellung der Vertreter einer harten an- Nach dem Sturz des von den USA j ti-amerikanischen Linie in der irani- unterstützten Schahs 1980 hatten 
isla- US-Vorwürfe verstärken sehen Regierung wurde'durch die ver- mistische Revolutionäre 54 
US-DipIo- anti-amerikanische Haltung balen Anschuldigungen Bushs jedoch maten 444 Tage als Geiseln gehalten. Die.US^Regierung hatte Iran vorge- gestärkt. Die USA unterhalten seitdem keine di- worfen, Massenvernichtungs- Waffen Demonstranten verbrannten eine plomatischen Beziehungen zu dem Re­ herstellen zu wollen; Zudem wurde die Puppe der Symbolfigur der USA, Uncle llgionsstaat und haben das Land mit Iranische. Regierung beschuldigt aus Sam, und hielten eine Puppe von US- Sanktionen belegt. 
 : Afghanistan geflohene, radikal-isla- Präsident George W. Bush hoch. Um ' Trotz seines überwältigenden Wahl­ mischen .El-Kaida- Kämpfern. Unter- ihren Häls hing ein Schild mit der Auf- siegs im Juni sind Chatamis Reform­ schlupf zu gewähren. schrift «Es war ein Fehler von mir, Iran versuche zum grossen Teil am Wider: Iran wies die Vorwürfe zurück. Die zu drohen.» stand konservativer Kreise gescheitert.
	        

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