Liechtensteiner Volksblatt
Extra
Samstag, 12. Februar 2000 29
Umwelt \
«Brückenenergie Erdgas ■ Pollen
sind im Anflug ■ Bergfinkeninvasion
Ehrenkodex für Wintertouren
Nachrichten
Pollen sind wieder im
Anflug
BREGENZ: Die Feinde der Schleimhäute sind
wieder im Anflug: In Bregenz sorgen die Pollen
von Erle und Haselnuss bei Allergikern bereits
für rote Augen und triefende Nasen. Allergike
rinnen und Allergikern bleibt kaum eine
Fluchtmöglichkeit. In den kommenden Tagen
dürften sich die Samen in der ganzen Region
ausbreiten, wie der österreichische Polleninfor
mationsdienst am Montag mitteilte.
Bergfinkeninvasion
BERN: Über eine Million Bergfinken nächtigt
seit letzter Woche, vom Freiburgischen kom
mend, in den Wäldern des Grauholzes bei Bern.
Tagsüber suchen sie in der Umgebung Buchnüss-
chen. In der Dämmerung fliegen sie in riesigen
Schwärmen zum Schlafplatz; dabei wirds für
eine Viertelstunde lang dunkel. Jeweils im Sep
tember machen sich die Bergfinken aus den
skandinavischen Wäldern in 100 Kilometer lan
gen Etappen auf in Richtung Südwesten. Sofern
das Angebot an Buchnüsschen in Dänemark
oder Norddeutschland gut ist, schlagen sie sich
dort bis zu ihrer Rückkehr Ende Februar die
Bäuche voll. Ist das Angebot jedoch dürftig,
gehts (oder fliegts) weiter in die Schweiz. Heu
er seien dort für die Bergfinken «paradiesische
Zustände», sagte der Leiter Informationsdienst
der Schweizerischen Vogelwarte Sempach auf
Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Zuhauf
habe es Buchnüsschen, die Hauptnahrungs
quelle der Bergfinken; daher komme der Mas
seneinflug. Im Greyerzerland in der Region
Vaulruz FR hätten sich seit Anfang Jahr zeit
weise bis zu fünf Millionen Vögel aufgehalten,
jetzt seien es etwa noch drei Millionen. Ein Teil
von ihnen zog weiter in die Wälder der Region
Grauholz. Falls sich der Winter nicht noch ein
mal mit viel Schneefall zurückmelde, würden
die Vögel wohl bis zu ihrer Rückkehr auf helve
tischen Tannen schlafen, sagte Schmid.
Kodex für naturver-
trägliche Wintertouren
BERN: Mit einem Ehrenkodex will der Schwei
zer Alpenclub (SAC) Wintersportler zu mehr
Rücksicht gegenüber der Natur anhalten. 30
kommerzielle Anbieter haben sich bisher zur
Einhaltung der Regeln verpflichtet, wie der
SAC diese Woche mitteilte. Ski-, Schneeschuh-
und Snowboardtouren abseits des Pistenrum
mels gefährden laut dem SAC Fauna und Flora.
Zum Schutz der Bergwelt erarbeitete der Al
penclub deshalb mit verschiedenen Natur
schutz* und Tourismusorganisationen einen Ko
dex mit Verhaltensregeln. Auf freiwilliger Basis
verpflichten sich die Anbieter von Wintertou
ren, die Beeinträchtigungen der Natur auf ein
Minimum zu beschränken und die Bestimmun
gen zu Wildschutzgebieten, Wintersperrgebie
ten und Schongebieten zu respektieren. Bei der
Planung von Routen müssen sie die Situation
abklären. Der SAC hat Regeln und Tipps zu die
sem Kodex in einer Informationsbroschüre zu
sammen gestellt. Sie haben laut Alpenclub auch
für individuelle Tourengänger Gültigkeit. Der
SAC und die Nauturschutzorganisationen er
hoffen sich eine Sensibilisierung der Winter
sportler, insbesondere der Schneeschuhwande
rer. Fernziel sei zudem die Entwicklung eines
Labels, mit dem sich umweltbewusste Unter
nehmen qualifizieren könnten.
<Brückenenergie» Erdgas
Die bessere Alternative zum Erdöl auf dem Weg ins Solar- und Wasserstoffzeitalter
Erdgas ist ein fossiler Brenn
stoff, bei seiner Verbrennung
entstehen Schadstoffe, gesi
cherte Vorräte bestehen noch
für 60 Jahre. Von daher scheint
dieser Energieträger nicht das
«Gelbe vom Ei» zu sein. Den
noch ist die Nachfrage nach
Erdgas weltweit steigend...
Dagmar Oehri
In Liechtenstein beziehen rund
2200 Kunden Erdgas. Und es wer
den immer mehr. Zu 75 Prozent sind
es neue Einfamilienhäuser, die mit
einer Erdgasheizung versehen wer
den. «Neubauten sind wie wahnsin
nig hinter uns her». Gemäss Kurt
Greiner von der LGV (Liechten
steinische Gasversorgung) vor al
lem wegen den niedrigeren Investi
tionskosten und dem geringen
Platzbedarf - für ein Einfamilien
haus ist eine Gasheizung in der
Grösse einer Waschmaschine mit
aufgesetztem Thmbler ausreichend.
Auch «alte» Häuser werden auf
Erdgas umgerüstet, wenn der Tank
kaputt ist, denn lieber habe man
halt schon Platz für eine Sauna oder
eine zweite Garage, als einen Tank
raum. Da fehlt zwar die ehrbare Ab
sicht; der Nutzen für die Umwelt ist
derselbe.
Wie umweltschonend ist
Erdgas?
Die Abgase von Erdgasfeuerun
gen enthalten Schadstoffe, aber in
wesentlich geringeren Mengen als
Heizöl. Vierzig - bis hundertmal
weniger Schwefeldioxid (SO^), er
heblich weniger Stickoxide (No„),
Kohlendioxid (CO2) und unver
brannte Kohlenwasserstoffe. Kor
rekt eingestellte Erdgasfeuerungen
arbeiten staub- und russfrei. Zudem
wird Erdgas im Unterschiede zum
Heizöl nicht mit umweltbelasten
den und unfallträchtigen Transport
mitteln wie Schiff oder Lastwagen
befördert, sondern kommt mittels
Leitungen direkt vom Bohrloch
zum Kunden. Allerdings wird bei
Bald ist wieder Gras über die Sache gewachsen. Erdgas wird unterirdisch
direkt zum Verbraucher transportiert. (Bilder: LGV)
der Nutzung von Erdgas unter an
derem Methan freigesetzt, dass eine
stärkere TVeibhauswirkung als Koh
lendioxid hat. Unter der Berück
sichtigung aller Treibhaus wirksa
men Emissionen, schneidet Erdgas
im Vergleich zum Erdöl in dieser
Hinsicht trotzdem um etwa 25 Pro
zent besser ab.
Heisse Mischungen
Erdgas kann auf einfache Weise
mit erneueibaren Energien kombi
niert werden. Die LGV zum Bei
spiel planfin Zukunft eine Zusam
menarbeit mit der Solargenossen
schaft: etwa Erdgas im Winter und
Solarzellen im Sommer zu nutzen.
Auch eine Kombination mit aufbe
reitetem Biogas wäre denkbar, wie
es in der Region Zürich seit Herbst
1997 praktiziert wird. Sogenanntes
«Naturgas» wird aus der Vergärung
von Grünabfällen gewonnen, zu
Erdgasqualität aufbereitet und ins
Erdgasnetz eingespeist. An ver
kehrsgünstigen Naturgastankstel
len wird dieser erneuerbare Ener
gieträger für den Betrieb von Erd
gasfahrzeugen abgegeben. In Liech
tenstein sollen die Fahrzeuge der
«Busanstalt» in absehbarer Zeit auf
Erdgas-Antrieb umgestellt werden.
Für Privatwagen: bei Volvo gibt es
den Erdgastank bereits serienmäs-
sig. Zuerst braucht es aber eine ent
sprechende Tankstelle. «Wir wollen
Vorreiter sein», sagt Kurt Greiner
und ist sich noch nicht sicher, ob die
Tankstelle öffentlich oder nur für
Busse nutzbar sein wird.
Favorit Erdgas-Auto
Solange man es nicht so zu ma
chen braucht, wie es sich eine
schwedische Autozeitschrift vor
stellt - auf der Wiese steht ein Klo,
auf dem der Fahrer sein «Geschäft»
verrichtet; von der Schüssel führt
ein Schlauch in den Autotank - wä
re wohl vor allem ein Geldgewinn
der ausschlaggebende Punkt bei po
tentiellen Kunden. Seit dem 1. Janu
ar 2000 sind Erdgasfahrzeuge in
Liechtenstein von der Motorfahr
zeugsteuer befreit. Und übrigens, ei
ne Studie an der Eidgenössischen
Material- und Forschungsanstalt
Empa in Zürich hat die Umweltvor
teile des Erdgasmotors im Vergleich
zu Benzin oder Diesel eindeutig be
legt. 25 Prozent weniger Treibhaus
gase, 57 Prozent weniger Stickoxide
und ein um 98 Prozent geringeres
Ozonbildungspotential. Praktisch
keine krebseregenden Stoffe und
lungengängige Russpartikel im Ab
gas - ein Ergebnis, bei dem auch der
in anderen Punkten ökologisch vor
bildliche Dieselmotor nicht mithal
ten kann. Der entscheidende Wer
mutstropfen, wenn Komfort vor
Umweltschutz geht: eine Verkleine
rung des Kofferraumes zu Gunsten
des grossen Erdgastankes.
Zukunftsmusik
Erdgas wird als entwicklungsfähi
ge Technik für zukünftige Antriebs
quellen wie Mini-Blockkraftheiz-
werke oder Brennstoffzellen ange
priesen. Die Erdgasindustrie will
hier scheinbar nicht den Anschluss
an die Zukunft verpassen, die ein
wachsender Teil des Spitzenmana
gements der Ölkonzerne mit dem
Vorbereiten der Unternehmen auf
den Ausstieg aus dem blossen Res
sourcengeschäft schon begonnen
hat.
«Shell» zum Beispiel investiert in
die Einrichtung von Windparks und
Biomasse-Kraftwerken oder in Eu
ropas grösste Fabrik für fotovoltai-
sche Solarzellen. Die Busse im öf
fentlichen Nahverkehr werden in
der isländischen Hauptstadt Reyk
javik ab Herbst 2002 mit einem
Elektromotor angetrieben, dessen
Kraftquelle eine Brennstoffzelle ist,
die Wasserstoff und Luftsauerstoff
direkt in Elektrizität umwandelt
und garantiert unschädliches Abgas
ausstösst - reinen Wasserdampf. In
vier Jahren sollen dann auch Priva
te mit den fahrenden Kleinkraft
werken von DaimlerChrysler, Ford,
General Motors und Toyota unter
wegs sein. «Die Solarindustrie wird
boomen wie die Computerbran
che», sagt Chris Flavin, Vizepräsi
dent des Washingtoner Worldwatch
Institute. Die Industrie habe nun
Interesse an der Überwindung der
fossilen Energien, meint Bill Hare,
Direktor für Klimapolitik bei
Greenpeace International.
Erdgas kann die Brücken-Ener-
gie sein vom «Methanzeitalter» in
ein «Solar -Wasserstoff -Zeitalter.»
«Eine flotte Energie...»
Der Helikopterplatz in Balzers heizt seit Oktober 99 mit Erdgas
David Vogt von der Rheinhelikop
ter AG ist sehr zufrieden mit seinem
neuen Energieträger. Kein Wunder,
mit dem Umrüsten von Erdöl auf
Erdgas, hat er mindestens gleich
drei «Fliegen mit einer Klappe» ge
schlagen...
Dagmar Oehri
Die Rhein talheli-AG führt nicht
nur einen Flugbetrieb - Transport
flüge für Lawinenverbauungen,
Holz, Liftanlagen oder Suchflüge/
Katastropheneinsätze bei Wald
bränden, Lawinen und Hangrut-
schungen, sondern ist auch Warte-
und Einstellhangar für eigene und
fremde Helikopter.
Im vergangenen Jahr hat David
Vogt seinen Betrieb immens ver-
grössert: um drei Warte- und Ein
stellhallen und eine Aufstockung
des bestehenden Gebäudes. Die zu
heizende Gesamtfläche beträgt
11000 Quadratmeter. Mit dem vor
herigen Heizvolumen von 4000 Li
tern war da nicht mehr hinzukom
men. Die baulichen Massnahmen
für die grösseren Tfcnks hätten mas
sive Kosten verursacht und das Ge
wässerschutzamt war, da der Heli
kopterplatz in der Gewässerschutz
zone liegt, auch gar nicht glücklich
mit diesem Vorhaben. Die Nach
frage bei der LGV lag nahe: Wie
wäre es mit Gas?
«Eine saubere Energie»
Die Leitung konnte an der Si-
cherheitslcitung im Balzner Versor
gungsgebiet angeschlossen werden
und benötigte nur einen Kilometer.
Am 11.10.99 wurde mit vier Bren
nern umgerüstet. Damit hat David
Vogt noch zusätzlich Platz in seinen
Hallen gewonnen, hat sich das
«Tam-Tam» mit dem Gewässer
schutzamt erspart und beobachtet
keine Stahlblech fressenden, stin
kenden Schwefelablagerungen mehr
auf seinem Flachdach, sondern nur
noch die weissen Wölkchen des ab
ziehenden Wasserdampfs. «Erdgas
ist eine saubere Energie», meint er
zufrieden, «wenn auch nicht unbe
dingt günstiger». Vergleichende Be
rechnungen der neuen Heizanlage
mit Erdgas weisen gegenüber dem
vermiedenen Einsatz von Erdöl be
eindruckende Zahlen aus: C02-
Einsparung von 23 %, eine SO2-
Einsparung von nahezu 100 % und
eine No, Einsparung von 67 %.
«Ich bin absolut für Umwelt
schutz» sagt David Vogt, der den
Vorwurf, Helikopter seien umwelt
feindlich, nicht gelten lässt. «Die
Helikoptertechnologie hat bezüg
lich Lärm und Verbrauch grosse
Fortschritte gemacht. Wir arbeiten
sogar für die Umwelt, damit keine
Strassen gebaut werden müssen.
Oder tragen etwa die Grünen die
Solarzellen und X-Tausenden von
Pflanzen jedes Jahr die Berge hin
auf?»
David Vogt:«Erdgas ist eine saubere Energie, wenn auch nicht unbedingt
günstiger.»