Liechtensteiner VOLKSBLATT
RELIGION
Samstag, 30. Dezember 2000 29
379 Tage pilgern, feiern, beten
Insgesamt dürften rund 25 Millionen zum Heiligen Jahr nach Rom gereist sein
In Rom endet am 6. Janu
ar das Heilige Jahr. Am
24. Dezember 1999 hatte
Papst Johannes Paul II.
das «Grosse Jubiläum des
Jahres 2000» feierlich
eröffnet. Damals waren
Beobachter skeptisch, ob
es der Kirche gelingen
würde, 54 Wochen lang
das Ereignis der Men
schwerdung Gottes sinn
voll und würdig zu feiern.
Ludwig Rinq-Eifel
Auch wurde davor gewarnt,
dass Rom nicht in der Lage sei,
die Pilgerströme aufzunehmen.
Doch die Kritiker und Skeptiker
verstummten spätestens nach
dem Weltjugendtag Mitte Au
gust. Mit zwei Millionen Teil
nehmern wurde der grösste
Gottesdienst in der Geschichte
der Ewigen Stadt zu einem or
ganisatorischen und auch zu
einem religiösen Erfolg.
Der Papst und die Kirche hat
ten nicht nur eine unglaubliche
Menge junger Menschen mobi
lisiert. Sie verstanden es, sie zu
begeistern und in ihnen ein re
ligiöses Nachdenken in Gang
zu setzen, das nicht zuletzt in
den Zehntausenden beichten
der Jugendlicher im Circus Ma
ximus augenfällig wurde.
Attraktiver Dauerbrenner
Doch schon in den Monaten
zuvor hatte sich gezeigt, dass
der Papst mit seiner Idee, die
teils' alttestamentliche, teils
mittelalterliche Tradition der
Heiligen Jahre aus Anlass des
Jahrtausendwechsels neu in
Szene zu setzen, einen Volltref
fer gelandet hatte. Während
andere hochtrabende Jahrtau
send-Events» wie der Londoner
Millennium-Dome oder die Ex
po 2000 in Hannover nicht die
erhoffte Resonanz hatten, ent
wickelte sich das Heilige Jahr
in Rom zu einem Dauerbrenner.
Petersdom zu klein
Gemeinsam war den Treffen
das Pilgern durch die Heilige
Pforte, und fast alle Gruppen
feierten mit dem Papst einen
Gottesdienst. Wegen des anhal
tend grossen Andrangs fand
kaum eine dieser Messen im
Petersdom statt, selbst bei
schlechtem Wetter zelebrierte
der Papst auf dem Petersplatz,
weil die grösste Kirche der
Christenheit bei weitem nicht
ausreichte, um die Pilger auf
zunehmen. Neben den Spezial-
gruppen strömten mehrere Mil
lionen «sonstige» Pilger nach
Rom, der Masse nach angeführt
von den Italienern, den Polen
und den Nordamerikanern.
Aus den deutschsprachigen
Ländern reisten zahlreiche,
aber meist kleinere Gruppen
an. Selbst australische, japani
sche und chinesische Pilger ka
men zu Hunderten, sehr prä
sent waren auch die grossen la
teinamerikanischen Länder.
Insgesamt dürften rund 25 Mil
lionen Menschen zum Heiligen
Jahr nach Rom gereist sein -
wobei natürlich wie immer Pil
ger von Touristen nicht klar zu
trennen sind.
Der Papst selbst setzte vor al
lem in der Fastenzeit dichte re
ligiöse Akzente. Am 12. März
legte er in einer eindrucksvol
len Zeremonie ein Schuldbe
kenntnis für die Verfehlungen
in 2000 Jahnen Kirchenge
schichte ab, acht Tage später
begann seine historische Reise
ins Heilige Land, die für die
Aussöhnung der Kirche mit
dem Judentum einen neuen
Meilenstein setzte.
Getrübte ökumenische
Bilanz
Nicht ganz ungetrübt ist hin
gegen die ökumenische Bilanz
Wegen des anhaltend grossen-Andfaiigs-faiid aus Platznot kaum
ein Gottesdienst im Petersdom statt. Selbst bei schlechtem Wetter
zelebrierte der Papst auf dem Petersplatz die Messe.
des Heiligen Jahres. Glanz
punkte waren ökumenische
Feiern wie die gemeinsame Öff
nung der Heiligen Pforte von
Sankt Paul vor den Mauern am
18. Januar mit orthodoxen und
protestantischen Würdenträ
gern oder das gemeinsame
Märtyrergedenken im Kolosse
um am 7. Mai.
Seit der Seligsprechung von
Papst Pius IX. am 3. und der
Veröffentlichung des Doku
ments «Dominus Jesus» am 5.
September mischten sich aller
dings Verstimmungen in die
ökumenische Brüderlichkeit
und auch in das Verhältnis zum
Judentum und den anderen Re
ligionen. Ein für den 3. Oktober
geplanter jüdisch-christlicher
Dialogtag wurde von jüdischer
Seite abgesagt. Später stellte
der Papst in mehreren Äusse
rungen klar, dass er den Weg
des Dialogs und der Ökumene
fortsetzen will.
Aufruf zum Strafnachlass
Relativ erfolgreich waren
zwei «soziale» Vorstösse des
Papstes, die er in Anknüpfung
an die alttestamentarische Tra
dition des «Jubeljahres» ent
worfen hatte. So machte die
von ihm seit langem mit Blick
auf den Jahrtausendwechsel
geforderte Entschuldung der
ärmsten Entwicklungsländer
erhebliche Fortschritte und
stiess weitreichende Program
me zur Überwindung der Ar
mut an.
Sein Aufruf zu einem welt
weiten Strafnachlass für Ge
fangene und einer Humanisie
rung der Haftbedingungen
schliesslich löste vor allem in
Lateinamerika, aber auch in
Italien und Spanien politische
Initiativen zu einer «Jubiläums-
Amnestie» und zu einem huma
neren Strafvollzug aus.
Moment mal!
Englische Wünsche fürs neue
Jahn ■ -
»Gott verspricht eine sicherei
Landung, aber keine ruhige
Reise».
Warum zu Silvester die Kirchenglocken läuten
Der letzte Tag des Jahres erinnert an den Mann, der dem Tag den Namen gab
An der Schwelle vom alten
zum neuen Jahr läuten die
Kirchenglocken. Am Namens
tag jenes Papstes, der dem
Fest seinen Namen gegeben
hat: Silvester I.
Auch der letzte Tag des zweiten
Jahrtausends erinnert wieder an
jenen Mann, der dem Fest zum
Jahresausklang den Namen ge
geben hat - an Papst Silvester
I., der am 31. Dezember des
Jahres 335 gestorben ist.
Vom Priester im Exil zum
«Papst der Wende» gilt Papst
Silvester I., der aus Rom
stammt. Noch vor den
Schreckensjahren der Christen
verfolgung unter Diokletian er-,
hielt er die Priesterweihe. Eini
ge Jahre lebte er im Exil auf
dem Berg Soraete bei Rom. Im
Jahr 314 schliesslich wurde er
zum Papst gewählt. In seiner
Amtszeit vollzog sich eine
grundlegende Wende. Eine
christenfeindliche wich einer
Christen wohlgesonnenen Poli
tik. Nach dem Sieg Konstantins
des Grossen und dem darauf
folgenden Toleranzedikt war
das Christentum Staatsreligion
geworden.
Glocken soll zu Besin
nung anregen
Silvester I. liess über dem Pe
trusgrab im Gräberfeld des Va
tikanischen Hügels in Rom die
Mit ein Grund, warum in der Silvesternacht die Glocken läuten, ist auch die Besinnung zurück ins
vergangene Jahr und ebenso ein Blick nach vorne!
erste Petruskirche errichten.
Auch wurden ihm grosse Bau
ten wie die erste Lateranbasili
ka, St. Peter vor den Mauern
oder Santa Croce übergeben,
die der Kaiser in Rom errichten
liess. Nach seinem Tod wurde
Papst Silvester I. in der Priscilla-
Katakombe in Rom beigesetzt.
Wenn zum Jahreswechsel die
Kirehenglocken läuten, dann
geschieht das auch im Geden
ken an Papst Silvester 1. und
wohl auch deshalb, um inmit
ten feiner bisweilen feucht
fröhlichen Stimmung auch zu
einigen Minuten der Besinnung
anzuregen.
Hohe Berufs
zufriedenheit
Katholische Priester sind ge
nerell sehr zufrieden mit
ihrem Beruf. Allerdings gera
ten nicht weqige Geistliche
in eine Art «Mbdemisfe-j
rungsstress». Das sind erste
Ergebnisse einer*• Umfrage,
die derzeit In mehreren Lan
dein Europasdurchgeführt •
wird. Es seien vor allem jene
Priester, die sich - der Welt
j «weit geöffnet» haben; die in j
eine Art «Stress» ' geraten
worden, diagnostiziert der
: Wiener Pastoraltheologe Paul
Mi Zulehner/der die Untersu
chung leitet Geistliche, die
mehr wollen, als «nur Eucha
ristie feiern; managen mnd
den Zölibat halten»,'. würden
eben höhere Anforderungen
am sich selbst stellen, " denen i
1 sie dann' auch gereiht wer
den wollen. Generell'aber'
- zeige'siqh,' dass L Priester «1er ;
katholischen Kircheib einem-
höhen Mass mit ihrem'JB'eruf j
zufrieden seien, erläuterte
Zule^neir kürzlich ' vor, dem -
Prifettrrat der Diözese Uni; t
IM BLICKPUNKT
Das Zitat
«Warum glaubt etwa ein
Drittel der Katholiken an die
Wiedergeburt, obwohl dies
der christlichen Heilslehre
widerspricht? Ich sehe darin
eine moderne Tendenz, Glau
bensinhalte nach eigenen
Bedürfnissen zurechtzu-
schneidern. Hinter den so ge
nannt geistigen Motiven
stecken in Wahrheit oft egois
tische und materielle An
sprüche: Man gibt vor, sich
geistig entwickeln zu wollen,
aber in Wirklichkeit geht es
in Esoterik-Kursen meist um
das Befriedigen von persön
lichen Bedürfnissen. Doch
echte Mystik ist ein Weg
nach innen - frei von
Zwecküberlegungen und
zeitlichen Begrenzungen.»
Der Zürcher Sektenfach
mann Hugo Stamm.
«Kraft der Stille »
«Ais mein Gebet immer an
dächtiger und innerlicher
wurde, da hatte ich immer
weniger und weniger zu sa
gen ... Und zuletzt wurd ich
ganz still». Dies ist eine von
verschiedenen Weisheiten
aus dem Büchlein «Schwei
gen - Die Kraft der Stille»
(Bild). Die Fotografien stam
men von Peter Friebe. Er
schienen ist das kleine «Mit
bringsel» im Pattloch-Verlag.
Sternstunde
Religion
In der heutigen Fun-Gesell
schaft gelten Krisen als
krankhaft und sollen umge
hend behoben werden. Das
auch in dunklen Erfahrun- .
gen ein Sinn liegen kann,
muss erst wieder entdeckt
werden. Dies geschieht be
reits in einzelnen psychia
trischen Kliniken, die spiri
tuelle Deutungen von Kri
sen zulassen und die leiden
den Menschen entsprechend
begleiten. Der Film zeigt die
Pionierarbeit der deutschen
Fachklinik Heiligenfeld. Da
zu ein Gespräch mit dem
Zürcher Psychiater Daniel
Hell, dem die christlichen
Wüstenväter und Mystiker
wie Johannes vom Kreuz
Vorbilder einer spirituellen
Sinngebung von innerer
Nachterfahrung sind.
«Nacht der Seele - Spiritu
elle Krise oder Krankheit?»,
Sonntag, 7. Januar, 10 Uhr
aufSFDRS.
Schweizer
Bischöfe
Am 1. September 2001 wol
len die Schweizer Bischofs
konferenz und der Rat des
Schweizerischen Evangeli
schen Kirchenbundes ihr
Schlussdokument zur Kon
sultation veröffentlichen.
Bereits im April sollen alle
Kirchgemeinden eine Doku
mentation erhalten, die sie
einlädt, am 16. September
den Eidgenössischen Dank-,
Buss- und Bettag ganz im
Zeichen der Ökumenischen
Konsultation zu feiern.