Liechtensteiner VOLKSBLATT
INLAND
Freitag, 29. Dezember 2000 3
«Balzers ist eine lebendige Gemeinde»
Volksblatt-Interview-Reihe mit den Vorstehern - Teil 7: Othmar Vogt, Balzers
Othmar Vogt bezeichnet
seine Aufgabe, obwohl er
bereits in der vierten
Amtsperiode als Vorsteher
der Gemeinde Balzers am
tiert, immer noch als sehr
faszinierend. Die Arbeit
der vergangenen zwei
Jahre sei ganz im Zeichen
des formulierten Leitbil
des verlaufen.
Mit Vorsteher Othmar Vogt
sprach Peter Kindle
Die erste Hälfte der Legisla
turperiode 1999 bis 2003 ist
vorüber. Welche Bilanz ziehen
Sie als Vorsteher von Balzers
aus den ersten beiden Jah
ren?
Othmar Vogt: Ich stehe nun
mehr in der vierten Amtsperi
ode als Balzner Vorsteher und
darf sagen, dass die damit ver
bundenen Aufgaben noch im
mer so faszinierend sind wie
am Anfang. Es ist ja nicht nur
so, dass sich mit zunehmender
Erfahrung nur Routine ein
schleicht, sondern sie ermög
licht auch eine tiefere Kenntnis
der Sachverhalte. Im Ganzen,
glaube ich, sind die ersten bei
den Jahre der laufenden Legis
laturperiode ganz gut gelaufen,
weil wir die Arbeit konsequent
auf die in unserem Leitbild for
mulierten Ziele ausrichten.
Wir in Balzers
sind in der er
freulichen Lage,
dass sich auch
viele Bewohnerin
nen und Bewoh
ner für die Ge
meindeangelegen
heiten interessie
ren und daran
mitarbeiten.
Dass das gelingt, ist ein Ver
dienst vieler. Es wird sachlich
gearbeitet. Es ist für uns auch
kein Bedürfnis, aus jedem Er
folg eine PR-Aktion zu ma
chen, weil die Resultate selbst
für Balzers sprechen. Insgesamt
hat der Gemeinderat gut gear
beitet. Wir in Balzers sind in
der erfreulichen Lage, dass sich
auch viele Bewohnerinnen und
Bewohner für die Gemeindean
gelegenheiten interessieren und
daran mitarbeiten, sei es in
Kommissionen und anderen
Gremien. All diese Erfahrung
steht in einem scheinbaren Ge
gensatz zur Tatsache, dass die
vor zwei Jahren neu eingeführ
ten öffentlichen Gemeinderats
sitzungen doch schwach be
sucht sind. Ich führe das aller
dings nicht auf ein grundsätzli
ches Desinteresse der Leute
zurück, sondern ganz wesent
lich auf die Zufriedenheit der
Einwohnerschaft. In den beiden
vergangenen Jahren konnte ei
niges an Projekten abgeschlos
sen und Neues in Angriff ge
nommen werden - darunter et
wa im Alters- und Jugendsek-
tor, das neue Schulhaus, der
Umbau der Gemeindeverwal
tung und die Verbesserungen
im APH Schlossgarten, auch
Strassenkorrekturen und -ge-
staltung, sowie Verkehrsberu
higungen in Wohnvierteln und
anderes.
Der Finanzausgleich ist Im
Landtag Immer ein viel disku
tiertes Thema. Wie sehen Sie
als Vorsteher den Finanzaus
gleich grundsätzlich.
Es ist ganz klar, dass der Fi
nanzausgleich für die Gemein
de Balzers eine äusserst wichti
ge, ja uneriässliche Institution
ist. Immerhin erzielt die Ge
meinde Balzers einen sehr er
klecklichen Anteil ihrer Ein
nahmen aus dem Finanzaus
gleich. Zwar hat Balzers in den
letzten Jahren auch gute Steu
erzahler, jedoch genügt dieses
Steueraufkommen nicht, um
die Aufgaben unserer Gemein
de zu erfüllen und den Stan
dard aufrecht zu erhalten und
qualitativ zu verbessern. So be
trug der Anteil am Finanzaus
gleich 61,55 Prozent der ge
samten Steuereinnahmen für
das Jahr 1999. Der Finanzaus
gleich bedarf natürlich immer
wieder einer Anpassung an die
aktuellen Verhältnisse, und wir
in Balzers haben immer Hand
für vernünftige Kompromisse
geboten. Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt liegt dieser Bedarf
wohl nicht vordringlich vor,
der Bedarf muss aber im Auge
behalten werden. Wir sind an
sich zufrieden, weil wir unsere
Aufgaben erfüllen und voraus
schauend planen können. Das
ist nicht zuletzt darauf zurück
zuführen, weil die Gemeinde
eine massvolle Finanzpolitik
verfolgt, einen professionellen
Finanzplan geschaffen und zu
dem Reserven in beträchtlicher
Höhe hat.
Ein Thema, das in allen Ge
meinden des Landes Im Mit
telpunkt' steht, ist die Bil
dung einer Bürgergenossen
schaft. Wie weit sind die Vor
bereitungen diesbezüglich in
Ihrer Gemeinde gediehen?
Die Gemeinde Balzers hat in
Gemässheit des Gesetzes per
Bürgerabstimmung einen Aus-
schuss gebildet, um die ganze
Problematik zu prüfen. Es wur
de auch ein Kredit bewilligt,
damit der Regelungsausschuss
seine wichtige Aufgabe nach
bestem Gutdünken, autonom
Vorsteher Othmar Vogt betonte, dass Balzers eine lebendige Gemeinde ist
(Bilder: Ingrid)
gebildete Delegation wird dann
mit dem Regeiungsausschuss
entsprechende Verhandlungen
führen, damit der Stimmbür-
gerschaft ein ausgereifter Vor
schlag unterbreitet werden
kann. Im Verlauf des Frühjah
res werden die Bürger und die
in Balzers Stimmberechtigten
über die Einführung der Bür
gergenossenschaft befinden.
In einigen Gemeinden wird
die Slnnhaftlgkeit der Bürger
genossenschaft angezwei
felt. Welche Ist Ihre persönli
che Meinung?
Diese Frage hat natürlich ih
re Berechtigung. Was diese
Thematik betrifft, bin ich kein
Fundamentalist und eine ge
wisse Skepsis muss vorhanden
sein. Der Bürger wird entschei
den! Dieser Entscheid soll aitf
der Basis einer tragfähigen Lö
sung geschehen, wobei Kritik -
wie man sich das in Balzers ge
wohnt ist - gesagt und disku
tiert werden soll. Man wird
aufgrund der Fakten entschei-
»Unsere Gemeinde hat in ihrer Einwohnerschaft ein Potenzial, das
ßir die Zukunft sehr zuversichtlich stimmt.
und zielorientiert erfüllen
kann. Der Ausschuss, der sehr
seriös arbeitet, wird seine Vor
arbeiten demnächst abschlies
sen, dann dem Gemeinderat
Bericht erstatten und seine
Ideen vorlegen. Danach läuft
alles den Gang, der im Gesetz
vorgesehen ist. Der Gemeinde
rat resp. eine vom Gemeinderat
den müssen, und diese Fakten
muss jeder so oder so zur
Kenntnis nehmen. Persönlich
bin ich der Meinung, dass eine
Bürgergenossenschaft nur
dann eine sinnvolle Einrich
tung ist, wenn sie auf lange
Sicht von innen heraus lebens
fähig ist und wenn man verant-
wortungsbewusste Leute findet,
die sich dort engagieren. Man
soll auch nicht - bei allem Ide
alismus und bei aller Nostalgie
- Vorstellungen nachlaufen,
die heute einfach nicht mehr
stimmen und die keine Grund
lage in der Realität haben. Eine
Bürgergenossenschaft soll mei
nes Erachtens auch - allein
schon aus Selbstachtung -
nicht am Geldhahn der Ge
meinde hängen dürfen oder
müssen. Wer Rechte will, muss
auch Pflichten erfüllen und
VjJCojisequenzen tragen. Auch
würden praktisch alle heutigen
Bürger, von einzelnen Ausnah
men abgesehen, gleichzeitig
Genossen sein. Das könnte si
cherlich bei manchen ein ge
wisses Fragezeichen aufwerfen.
Ich kann den Wunsch, eine
Bürgergenossenschaft zu bil
den, durchaus verstehen, aber
sie muss - wie gesagt - aus
ihrem Inneren heraus lebens
fähig sein und klar gewollt
sein. Auch widerstrebt mir
grundsätzlich der Gedanke,
verschiedene Kategorien von
Bürgern in der Gemeinde zu
haben. Man darf auch nicht
vergessen, warum man seiner
zeit Bürgergenossenschaften
wollte und muss sich fragen, ob
diese Zielsetzung unter den
veränderten Verhältnissen
nicht fragwürdig geworden ist.
Interessanterweise schafft man
in der Schweiz und in Öster
reich die Bürgergenossenschaf
ten ab oder möchte dies wenigs
tens. Ich bin dafür, dass die An
gelegenheit seriös, sachlich und
vorurteilsfrei geprüft und im
Interesse unserer Einwohner
schaft entschieden wird.
Welche Schwerpunkte ste
hen für die Gemeinde Balzers
im Jahr 2001 an?
Allgemein gesagt, möchten
wir im Jahre 2001 auf dem bis
herigen Weg weiterfahren, lau
fende Projekte abschliessen
und andere weiterbearbeiten.
Wir sind jä in der glücklichen
Lage, dass manches von dem,
was andere noch schaffen müs
sen, bei uns schon gemacht ist
und nur noch weiterentwickelt
zu werden braucht - Mehr
zweckgebäude, Jugendzent
rum, Alters- und Pflegeheim,
geschlechtsspezifische Jugend
arbeit, Zentrumsplanung und
vieles andere mehr. Wichtig
wird es sein, das Balzner Leit
bild weiter zu entwickeln und
die dort formulierten Ziele an
zustreben und konkret umzu
setzen, handle es sich um Infra
strukturaufgaben, um gesell
schaftliche (Jugend, Alter), kul
turelle oder naturräumliche
Fragen, Raumplanung, Sied
lungsplanung (Höfle, Kernzo
ne) oder um anderes. In den
dort formulierten Zielsetzun
gen und im Umsetzungskatalog
steckt quasi der Motor unserer
Arbeit und damit des Gemein
delebens. Wir trennen die Auf
gaben nicht in Bereiche, son
dern sehen alles als integrale
Gesamtaufgabe, in der alles
vernetzt und verbunden ist: Al
ter, Jugend, Bau, Schule, Kul
tur, Öffentlichkeit, Verwaltung,
Naturraum, Vereine, Gesund
heit und alles andere. Darum ist
Balzers eine lebendige Gemein
de. Die Qualität der Arbeiten
soll gesichert bleiben. Das alles
dient dazu, dass die Einwoh
nerschaft weiss und das Gefühl
behält, dass eine tüchtige
Behörde und eine effiziente,
bürgernahe Verwaltung für sie
da ist und sich um ihre Bedürf
nisse kümmert. Die Zufrieden
heit und Sicherheit unserer Be
völkerung hat einen hohen
Stellenwert, ebenso die Hei
matverbundenheit, die wir oh
ne falsche Nostalgie pflegen
wollen. Ein Projekt, das wir im
kommenden Jahr - um noch
ein Beispiel zu nennen - in An
griff nehmen möchten, ist die
Reiiaturierung des Junkerriets
resp. die Schaffung des See
leins.
Wir wissen, dass
der Boden bei
der alten Fix
durch Chemika
lien verunreinigt
wurde. Gemäss
geologischem Gut
achten ist der Bo
den nun frei von
chemischen Alt
lasten.
Vergessen möchte ich nicht,
dass die Volksschule bis zu den
Sommerferien bezugsbereit
sein wird. Ein weiteres Projekt,
das wir in Angriff nehmen wer
den ist die Sanierung vom Tor-
kel in Balzers. Die Kulturkom
mission beschäftigt sich derzeit
mit der Erarbeitung eines Nut
zungskonzeptes. Dieses soll in
nächster Zukunft dem Gemein
derat unterbreitet werden.
Des Weiteren steht der Aus
bau des ARA-Hauptsammelka-
nals an. Dieser soll gemäss Pla
nung bis im Herbst 2001 abge
schlossen sein.
Wir wollen zudem drei Bau-
landumlegungen machen, eine
davon im Rietle, damit Bauwil
lige auch dort ihr Häuschen
bauen können. Für die gemein
deeigene Überbauung Stadel
wurde der Projektwettbewerb
bereits abgeschlossen. Dieses
Bauprojekt wollen wir zügig in
Angriff nehmen.
Herr Vogt, aus der Bevölke
rung gab es teilweise Rekla
mationen wegen der Beleuch
tung der Burg Gutenberg.
Wie wollen Sie diesen Anlie
gen gerecht werden?
Ich denke, dass die Beleuch
tung der Burg Gutenberg als
Balzner Wahrzeichen sehr gut
ankommt. Die aufgetretenen
Probleme mit der neuen Be
leuchtung soll aber schnellst
möglich behoben werden.
Und wie soll es mit der Über
bauung Iratell weitergehen?
Es gab bekanntlich Probleme
auf dem Areal der ehemali
gen Fix.
Wir wissen, dass der Boden
bei der Alten Fix durch Chemi
kalien verunreinigt wurde.
Gemäss geologischem Gutach
ten ist der Boden nun frei von
chemischen Altlasten. Anfangs
Januar werden wir mit dem
Amt für Umweltschutz und
dem zuständigen Geologen ei
nen Abschlussbericht präsen
tieren können, der es zulassen
wird, die geplanten Gebäude
mit wenigen baulichen Anpas
sungen errichten zu können.
Ich möchte dazu erwähnen,
dass wir immer verantwor-
tungsbewusst gehandelt haben
und dies auch in Zukunft tun
werden.
Welche Hoffnungen und Wün
sche hegen Sie für Ihre Ge
meinde Im Jahr 2001?
Ich kann an dieser Stelle nur
wiederholen und bestätigen,
was ich schon gesagt habe. Wir
wollen, dass Balzers bleiben
kann, was es ist: Ein guter
Wohn- und Arbeitsplatz, ein
Ort mit Traditionsbewusstsein
und offen für Neues. Das Dorf
soll- seine Eigenart und sein
Selbstverständnis stärken kön
nen. Wir wollen noch mehr en
gagierte Kräfte für die Gemein
de interessieren und nutzen.
Geborgenheit, Vertrautheit, Si
cherheit und Solidarität sollen
weiterhin vorhanden sein wer
den. Es soll ein gutes Zusam
menleben und Zusammenar
beiten möglich sein. Diese Ziel
setzungen und positiven Werte
wollen wir fordern. Jeder soll
sich mit all seinen Ideen ein
bringen können, jeder soll sich
als Mitglied unserer Dorfge-
meinschaft fühlen können. Aus
diesem Sichtwinkel aus gese
hen ist das reichhaltige Ver
einsleben als sehr positiv und
für das Gemeindeleben be
fruchtend. Die Vorreiterrolle
auch in diesem Bereich wollen
wir weiterpflegen und stärken.
Es ist bemerkenswert, dass das
Leben in der Gemeinde nicht
von oben her gesteuert und
inszeniert wird, sondern dass es
aus dem Inneren, aus der Ein
wohnerschaft selbst entsteht
und die Gemeinde dies nur
noch fördert. Das weist darauf
hin, dass unsere Gemeinde in
ihrer Einwohnerschaft ein Po
tenzial hat, das ftir die Zukunft
sehr zuversichtlich stimmt.