Liechtensteiner VOLKSBLATT
INLAND
Mittwoch, 27. Dezember 2000 3
«2001 werden wir ein Defizit in Höhe
von 1,3 Millionen Franken ausweisen»
Volksblatt Interview-Reihe mit den Vorstehern - Teil 5: Walter Kieber Schellenberg
Die Gemeinde Schellen
berg wird im kommenden
Jahr einige Investitionen
zu tätigen haben. Im Mit
telpunkt steht hierbeit der
Ausbau des Gemeinde
hauses. Dies betont Vor
steher Walter Kieber im
Volksblatt Interview. Des
halb weist das Budget ein
Defizit von 1,3 Millionen
Franken aus. Doch schon
ein Jahr später soll der
Reservenbestand wieder
erhöht werden.
Mit Vorsteher Walter Kieber
sprach Alexander Batliner
VOLKSBLATT: Die erste Hälf
te der Legislaturperiode
1999-2003 ist vorüber. Wel
che Bilanz ziehen Sie als Vor
steher der Gemeinde Schel
lenberg aus den ersten bei
den Jahren?
Walter Kieber: Persönlich
kann ich eine positive Bilanz
ziehen. Wir haben gut gearbei
tet. Sämtliche Themen, welche
zu behandeln waren, wurden in
einem guten Vertrauensver
hältnis im Gemeinderat behan
delt und gelöst. Grundsätzlich
kann man sagen, dass es für
Schellenberg ein gutes Jahr ge
wesen ist.
Welches waren die wichtigen
Themen, welche im Jahr
2000 vom Gemeinderat in
Schellenberg behandelt wur
den?
Hierzu gehört sicher der Na
turspielplatz Türenacker, den
wir realisieren konnten. Es ist
nicht ein Spielplatz ab der
Stange, wenn ich dies so sagen
darf, sondern es wurde darauf
geachtet, dass er sehr kinder
freundlich und naturnah ist.
Zudem freut mich speziell, dass
es uns gelungen ist, in Zusam
menhang mit der Erweiterung
des Gemeindehauses einen
Dorfladen zu integrieren. Über
viele Jahre hatte Schellenberg
keinen Dorfladen. Wir wurden
durch einen fahrenden Laden
versorgt.
In Sachen Melio
ration warten wir
immer noch auf
ein positives
Signal von der
Regierung. Wir
werden weiterhin
versuchen, bei der
Regierung Druck
zu machen
Belm letztjährigen Interview
nannten Sie als Schwerpunk
te für das Jahr 2000 die
Bemühungen in Sachen Meli
oration, Grundbuchvermes
sung, Sportzone und Jugend
haus. Wie haben sich diese
Themen entwickelt?
Man ist immer ein wenig eu
phorisch, wenn man ins neue
Jahr blickt. Bei diesen Themen,
das muss ich leider zugeben,
treten wir auf der Stelle. In Sa
chen Melioration warten wir
immer noch auf ein positives
Signal von der Regierung.
Diesbezüglich sind wir gleich
weit wie vor einem Jahr. Dies
Walter Kieber: «Die Gemeinde Schellenberg wird anlässlich der Landtagswahlen abstimmen, ob es zu
einer Aufteilung Bürgergemeinde und politische Gemeinde kommen soll.» (Bilder: Ingrid)
ist nicht sehr erfreulich. Wir
werden weiterhin versuchen,
bei der Regierung Druck zu
machen. Die Sportzone ist ein
sehr komplexes Thema. Dies
bezüglich werden wir sicher
nochmals ein Jahr brauchen,
um das Nutzungskonzept der
Sportzone mit Fachleuten zu
entwickeln, in Sachen Jugend
haus hat sich eine kleine Ände
rung ergeben. Durch glückli
che Umstände konnten wir die
ehemalige Postwohnung im
Gemeindehaus käuflich erwer
ben. In dieser ehemaligen Post
wohnung werden wir einerseits
einen Teil der Gemeindever
waltung integrieren und ande
rerseits den Jugendtreff dort
unterbringen. Dieser soll die
Jugendlichen zwischen 14 und
16 Jahren speziell ansprechen.
Die Pfadfinder erhalten neue
Räumlichkeiten im Erweite
rungsbau beim Gemeindehaus.
Die Planung eines separaten
Jugendhauses soll zusammen
mit dem Sportzonennutzungs-
konzept weiterentwickelt wer
den.
Vor kurzem haben die Ge
meinden das Budget für das
kommende Jahr verabschie
det. Wie sieht die finanzielle
Situation in der Gemeinde
Schellenberg aus?
Dank dem Finanzausgleich
verfügt Schellenberg über eine
solide finanzielle Basis. Im
kommenden Jahr planen wir
einige Projekte zu realisieren,
die nicht verschoben werden
können. Deshalb werden wir,
2001 ein Defizit in Höhe von
1,3 Millionen Franken auswei
sen. Aber bereits für das Jahr
2002 rechnen wir wiederum
mit einem Budgetüberschuss.
Das Defizit ist gedeckt durch
die vorhandenen Finanzreser
ven, die in Schellenberg in der
Grössenordnung von rund 3,5
Millionen Franken liegen.
In der Schweiz senken dieje
nigen Gemeinden, die über
grosse Finanzreserven verfü
gen, Ihre Steuern. Könnte
dies für Schellenberg ein The
ma werden?
Meiner Ansicht nach ist dies
überhaupt kein Thema. Einer
seits widerspricht dies der ge
setzlichen Bestimmungen be
züglich Finanzausgleich. Wir
würden aus dem fiir uns sehr
wichtigen Finanzausgleich fal
len, wenn wir die Steuern sen
ken würden. Dies wäre für
Schellenberg tödlich.
Was denken Sie grundsätz
lich über den Finanzaus
gleich?
Persönlich erachte
ich Steuersenkun
gen als falsches
Signal
Persönlich erachte ich Steu
ersenkungen als falsches Sig
nal. Aufgrund der bescheide
nen Steuern, welche bei uns
bezahlt werden müssen, ist es
meines Erachtens tragbar, die
Steuern nicht weiter zu senken.
Die Steuern wegen eines gross
zügigen Finanzausgleichs zu
senken, wäre deshalb der
falsche Ansatz. Ich bin der Mei
nung, dass auch der Finanzaus
gleich so belassen werden soll
te, wie er ist. Die Gemeindevor
steher sollten in gegenseitiger
Absprache die Einnahmen des
Finanzausgleichs sinnvoll ver
teilen.
Ein Thema, das ebenfalls in
allen Gemeinden auf der Trak
tandenliste steht, ist die Bil
dung von Bürgergenossen
schaften. Wie sieht die dies
bezügliche gegenwärtige Si
tuation In Schellenberg aus?
Die Gemeinde Schellenberg
wird anlässlich der Landtags
wahlen abstimmen, ob es zu ei
ner Aufteilung Bürgergemeinde
und politische Gemeinde kom
men soll. Das vorhandene Bür
gervermögens, welches sich
ausschliesslich auf den Wald,
das Riet und eine Alp in Vorar
lberg bezieht, ist stark defizitär.
Schellenberg verfügt praktisch
über keinerlei Besitz innerhalb
der Bauzone. Nach dem Be
stimmungen des Gesetzes wäre
das Defizit von den Bürgern zu
tragen. Deshalb würde es Sinn
machen, dass die politische Ge
meinde für den Erhalt des Rie-
tes und des Waldes verantwort
lich ist.
Was denken Sie grundsätz
lich über die Bildung der Bür
gergenossenschaften?
dass es eine Augenauswischerei
ist, dass die Gemeinde über
Jahrzehnte für die Kosten auf
kommen musste und dann
plötzlich auf die Idee kommt,
Teile des Gemeindevermögens
für ein paar Wenige zu sichern
und deshalb auszuscheiden.
Schellenberg ist vor wenigen
Wochen wegen einer Jugend
veranstaltung in die Schlag
zeilen geraten. Die Gemeinde
hat die Bewilligung erteilt,
obwohl es schon Im letzten
Jahr zu Zwischenfallen kam.
Wie sieht der Vorsteher der
betroffenen Gemeinde die Ge
schehnisse rund um diese
Veranstaltung?
Das Thema
Rechts
radikalismus
muss man sicher
ernst nehmen
Ich bin der Meinung, dass
die Geschehnisse in den Medi
en stark überzeichnet wurden.
Leider war ich an der Veran
staltung nicht persönlich an
wesend. Die beiden Gescheh
nisse Rechtsradikalismus und
Messerstecherei wurden mei
nes Erachtens vermischt. Das
Thema Rechtsradikalismus
muss man sicher ernst neh
men. Die Berichterstattung in
der Presse und gewisse Leser-
Walter Kieber:«Zudem freut mich speziell, dass es uns gelungen
ist, in Zusammenhang mit der Erweiterung des Gemeindehauses
einen Dorfladen zu integrieren.»
Ich habe mich nie mit der
Bildung von
Bürgergenossenschaften an
freunden können. Für mich ist
es ein falscher Ansatz. Persön
lich bin ich der Auffassung,
briefe wurden den genauen
Tatsachen sicher nicht .ge
recht.
Wenn man aber berücksich
tigt, dass es bei derselben
Veranstaltung schon letztes
Jahr zu Zwischenfällen kam,
stellt sich die Frage, ob die
Gemeinde Schellenberg viel
leicht einen Fehler begangen
hat. Wie sehen Sie dies?
Diese Veranstaltung fand
dieses Jahr bereits zum vierten
Mal statt. Es ist richtig, dass
diese Veranstaltung letztes Jahr
von mir abgebrochen wurde.
Damals hat sich die Gemeinde
vertretung, der Veranstalter
und ein Vertreter der Bewa
chungsfinna zusammengesetzt,
um mögliche Schritte zu einer
Verbesserung zu besprechen. Es
wurde dann fiir die diesjährige
Veranstaltung ein Vorverkauf
durchgeführt, eine konsequente
Eingangskontrolie wurde in
stalliert und es hat in Sachen
Preispolitik Änderungen gege
ben. Wir konnten feststellen,
dass die ganze Veranstaltung
ordnungsgemäss abgelaufen
ist. Der leidige Vorfall ist im
Aussenbereich der Veranstal
tung passiert. Wäre es nicht zu
dieser Rauferei gekommen,
hätte diese Veranstaltung kei
nen Niederschlag in der Presse
gefunden. Ob der Aufmarsch
der Landespolizei der Situation
gemäss erfolgt ist, kann eben
falls in Frage gestellt werden.
Offenbar sind Meldungen bei
der Polizei eingegangen, die
stark überzeichnet gewesen
sind.. Wir werden sicher
nochmals über die Bücher ge
hen müssen.
Die Fertigstellung
des Erweiterungs
baus der Gemein
deverwaltung
bildet sicher einen
Schwerpunkt
Sie haben zuvor von einigen
Projekten bezüglich 2001
gesprochen. Was plant
Schellenberg Im kommenden
Jahr?
Die Fertigstellung des Erwei
terungsbaus der Gemeindever
waltung bildet sicher einen
Schwerpunkt. Es handelt sich
um ein Bauvorhaben von rund
3,2 Millionen Franken. Darin
ist die Erweiterung der Zivil
schutzanlage, der Ausbau der
Räumlichkeiten fiir die Ge
meindeverwaltung und ein
Atemschutzraum fiir die Feuer
wehr. integriert. Zudem wird die
Küche des Gemeindesaales op
timiert. Knapp eine Million
Franken werden wir in die Bau
landerschliessung investieren.
Letztes Jahr hatten wir die
Möglichkeit, eine grössere Ge
werbeliegenschaft zu erwerben.
Wir werden dort den Werkhof
integrieren.
Welche Hoffnungen und Wün
sche hegt der Vorsteher von
Schellenberg für seine Ge
meinde Im neuen Jahr?
Ich wünsche mir, dass es
weiterhin möglich ist, im ver
nünftigen Gespräch und Kon
sens die anstehenden Projekte
einer guten Lösung zuzu
führen. Des Weiteren hoffe ich,
dass wir in Sachen Melioration
einen Schritt weiterkommen.
Im Übrigen hoffe ich, dass wir
beim Rückblick in einem Jahr
von einem guten Jahr fiir
Schellenberg sprechen kön
nen.