Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND 
Freitag, 22. Dezember 2000 29 
Türkisches Amnestiegesetz in Kraft 
Weitere Häftlinge ergeben sich - 400 Gefangene leisten noch Widerstand - Zwei weitere Tote 
ANKARA: Wenige Stun 
den nach der erneuten 
Zustimmung des Parla 
ments hat der türkische 
Staatspräsident Ahmet 
Necdet Sezer das umstrit 
tene Amnestiegesetz am 
Donnerstag unterzeichnet 
und damit in Kraft ge 
setzt. 
Sezer hatte gegen das von der 
Regierung vorgelegte Gesetz 
bereits einmal sein Veto einge 
legt, darf dies aber nicht zwei 
mal tun. 
Unterdessen haben sich auch 
die Insassen des Gefängnisses 
von Canakkale dem Militär er 
geben. Das Gefängnis im Istan 
buler Stadtteil Umraniye ist da 
mit noch das einzige von ur 
sprünglich 20 Haftanstalten, 
das der Belagerung durch die 
Streitkräfte auch nach drei Ta 
gen noch standhält. 
Die 158 noch Widerstand 
leistenden Insassen in Canak 
kale gaben am Donnerstag den 
Kampf auf und krochen aus 
den von Planierraupen einge 
rissenen und von Tränengas 
qualm durchzogenen Gebäu 
den. 
Die Soldaten entdeckten 
nachher zwei weitere tote Ge 
fangene, wodurch sich die offi- 
Mitterrand-Sohn 
unter Druck 
PARIS: Im Zusammenhang 
mit dubiosen Warengeschäf 
ten ist der. Sohn des früheren 
französischen: - Präsidenten 
Fran;ois Mitterrand unter 
schweren Verdacht geraten.. 
Die Ermittler nahmen Jean-;: 
Christophe Mitterrand am 
Donnerstag f in - Polizefge- 
. wahrsam und verhörten ihn 
mehrere Stunden lang, -i 
; , Der Sohn des langjährigen' 
sozialistischen . Staatschefs - 
soll in dunkle Waffenge- 
: schäfite mit afrikanischen < 
Staaten Mitte der 90er Jahre 
verwickelt gewesen sein, bei 
denen es auch um Geldwä 
scherei ging. - , 
, Jean-Christophe Mitter-: 
rand war von 1986 bis 1992 ? 
Chefberater seines 1996 ver-; 
storbenen Vaters in Afrika- 
Angelegenheiten. ' 
In der Affäre stehen noch 
mehrere weitere Geschäfts 
leute und /Funktionäre unter '• 
Verdacht, unter ihnen der 
Bestsellerautor Paul-Loup 
Sulitzer sowie der ehemalige 
Mitterrand-Berater Jacques 
Attall.' Jean-Christophe Mit-' 
terrand >wird verdächtigt, 
mehren: , hunderttausend 
Francs von dem; vor. drei Wo-, 
chen festgenommenen Wäf- 
fenhändler Pierre Falcone er-r"' 
halten zu haben./- 
Gegen den Chef der Waf- is 
fenfirma f Brencö' Internatio-' ! 
nal läuft .ein offizielles 
mlttlnntfswrfaVirpn * * i' ^ 
* ' *• 
Auf Knien und Händen robbt sich dieser Gefangene (Bildmitte) der Polizei entgegen, um sich zu erge 
ben. Bis gestern Abend leisteten noch 435 Häftlinge erbitterten Widerstand. 
ziell eingeräumte Zahl toter 
Häftlinge auf 19 erhöht. Auch 
zwei Soldaten starben bei der 
am Dienstag begonnenen Mi 
litäraktion gegen im Hunger 
streik befindliche politische 
Gefangene. Die Gefangenenhil- 
feorganisation Özgür Tayad 
schätzt die Zahl der Opfer noch 
wesentlich höher, machte aber 
keine genauen Angaben. In 
Umraniye leisteten am Don 
nerstagabend noch 435 Häft 
linge erbitterte Gegenwehr. Sie 
schworen, «bis zum Tod oder 
zum Sieg» weiter kämpfen zu 
wollen. In Canakkale flogen 
immer wieder Polizeihub 
schrauber über dem Gefängnis. 
Über Lautsprecher wurden die 
meist linksgerichteten Häftlin 
ge zum Aufgeben aufgefordert. 
Justizminister Hikmet Sami 
-Türk erklärte, die Streitkräfte 
Hessen Vorsicht walten, um 
kein weiteres Menschenleben 
zu gefährden. 
Trotz Protesten von Verbre 
chensopfern stimmte die Natio 
nalversammlung in Ankara am 
Donnerstagmorgen dem Amnes 
tiegesetz zu. Es sieht die vorzei 
tige Freilassung von rund der 
Hälfte der rund 72 000 Gefan 
genen vor. Die neue Regelung 
lässt eine Reduzierung der 
Haftstrafen um zehn Jahre für 
Taten zu, die vor dem 23. April 
1999 begangen wurden. 
Von ihr würden unter ande 
rem verurteilte Mörder und 
Räuber profitieren, aber nicht 
Gefangene, die wegen Verbre 
chen gegen den Staat verurteilt 
wurden. Mithin fallen die meu 
ternden politischen Häftlinge 
nicht unter die Amnestie. 
Sie wollten mit ihren Pro 
testaktionen verhindern, dass 
sie aus grossen Massenunter 
künften in Gefängnisse mit 
Einzel- und Mehrbettzellen 
verlegt werden, wo sie nach 
ihren Angaben der Willkür des 
Wachpersonals stärker ausge 
liefert wären. 
Peres mit Kandidatur gescheitert 
Meretz-Vorstand stimmt gegen Unterstützung des Friedensnobelpreisträgers 
JERUSALEM: Die Kandidatur 
des ehemaligen Regierungs 
chefs und Friedensnobel 
preisträgers Schimon Peres 
für das Amt des israelischen 
Ministerpräsidenten ist bereits 
einen Tag nach seiner Ankün 
digung gescheitert. 
Der Vorstand des linksliberalen 
Meretz-Blocks, auf dessen zehn 
Abgeordnete in der Knesset Pe 
res angewiesen ist, lehnte am 
Donnerstagabend eine Unter 
stützung des Friedenspolitikers 
ab. 
Damit ist Ministerpräsident 
Ehud Barak wieder einziger 
Kandidat des Regierungslagers 
bei der Wahl im Februar. Der 
Meretz-Vorstand stimmte mit 
25 gegen 17 Stimmen bei drei 
Enthaltungen gegen die Unter 
stützung der Kandidatur Peres'. 
Er folgte damit offenbar einer 
Empfehlung des Vorsitzenden 
Jossi Sarid, der bereits nach ei 
ner Unterredung mit Peres am 
Vormittag diesen zur Rücknah 
me seiner Kandidatur aufgefor 
dert hatte. 
Barak hatte Peres, der sich 
dem Regierungschef wegen sei 
ner Ausklammerung aus dem 
Friedensprozess zunehmend 
entfremdet hat, daraufhin die 
Leitung der Verhandlungen mit 
den Palästinensern angeboten. 
Peres Hess das Angebot von ei 
nem Sprecher mit den Worten 
kommentieren, er suche keinen 
Job, sondern den besten Weg, 
den rechten Likud-Chef Ariel 
Scharon bei der Februar-Wahl 
zu schlagen. 
Zerreissprobe 
Die Kandidatur des früheren 
Regierungschefs hatte das isra 
elische Regierungslager in eine 
Zerreissprobe zu stürzen ge 
droht. Peres sagte nicht, ob er 
Barak bei seiner Kandidatur 
tatkräftig unterstützen wolle. 
Er erklärte lediglich, er sei 
«noch immer Mitglied der Ar- 
beitspartei» Baraks und wolle 
weiter für den Frieden mit den 
Palästinensern arbeiten. 
Der 77-Jährige, einer der 
Hauptarchitekten des Frieden 
sprozesses im Nahen Osten, ge- 
niesst das besondere Vertrauen 
des palästinensischen Präsi 
denten Jassir Arafat und hatte 
sich des öfteren unzufrieden 
über Baraks Politik gegenüber 
den Palästinensern geäussert. 
In Meinungsumfragen waren 
ihm bessere Chancen als Barak 
eingeräumt worden, Scharon 
zu schlagen. 
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DÄNEMARK 
Kabinett 
umgebildet 
Als Reaktion auf zurückgehen 
de Umfragewerte hat der däni 
sche Ministerpräsident Poul 
Nyrup Rasmussen gestern sein 
Kabinett umgebildet. In das 
21-köpfige Kabinett wurden 
fünf neue Minister aufgenom 
men, vier wechselten das Res 
sort, und zwölf behielten ihre 
Ämter.«Dieses Team steht für 
Erfahrung und Effizienz», sagte 
Nyrup Rasmussen nach der of 
fiziellen Vorstellung des neuen 
Kabinetts bei Königin 
Margrethe in Kopenhagen. 
NACHRICHTEN 
Neue Verhand 
lungsrunde 
WASHINGTON: Eine Dele 
gation der österreichischen 
Regierung ist mit Vertretern 
jüdischer Gruppen zu einer 
neuen Verhandlungsrunde 
über die Entschädigung von 
Juden zusammengetroffen, 
die in der NS-Zeit enteignet 
wurden. Bei den Gesprächen 
am Donnerstag in Washing 
ton wollte Österreich ein 
konkretes Entschädigungs 
angebot unterbreiten. Beim 
letzten Treffen Anfang De 
zember in Wien hatte die 
Opferseite ihre Forderungen 
vorgelegt. 
Temelln ans Netz 
gegangen 
TEMELIN: Das umstrittene 
tschechische Atomkraftwerk 
Temelin ist am Netz. Ein 
Sprecher des Kraftwerks 
sagte am Donnerstagabend, 
der erste von vier Reaktoren 
liefere Strom und habe be 
reits 30 Prozent seiner Lei 
stung von 1000 Megawatt 
erreicht. 
Kostunica zu Ge 
sprächen In Paris 
eingetroffen 
PARIS: Der jugoslawische 
Staatspräsident Vojislav Ko 
stunica ist gestern zu politi 
schen Gesprächen in Frank 
reich eingetroffen. Kostuni 
ca wollte sich mit Staats 
präsident Jacques Chirac, 
Premierminister Lionel Jos 
pin und Aussenminister 
Hubert Vedrine treffen. Das 
französische Aussenministe- 
riura teilte mit, in den Ge 
sprächen wolle die französi 
sche Führung ihre Unter 
stützung für den demokrati 
schen Wandel in Jugoslawi 
en zum Ausdruck bringen. 
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