Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
LAND UND LEUTE 
Freitag, 22. Dezember 2000 9 
Schloss als unübersehbares Wahrzeichen 
hoch über Vaduz 
Volksblattserie «alte Häuser und ihre Bewohner»: Schlusspunkt mit dem Wohnsitz der fürstlichen Familie 
Die baulichen Anfänge 
des Schlosses Vaduz rei 
chen bis ins frühe 14. 
Jahrhundert zurück. Der 
halb zerfallene Gebäude- 
komplex wurde dank dem 
Engagement von Fürst Jo 
hann II. in den Jahren 
1904 bis 1914 umfassend 
renoviert und wieder her 
gestellt. Heute dient das 
unübersehbare Wahrzei 
chen hoch über Vaduz, der 
fürstlichen Familie als 
Wohnsitz. 
Adi Lippuner 
Wer heute die Schlossanlage 
betrachtet, kann sich kaum vor 
stellen, dass der gesamte Ge 
bäudekomplex vor 100 Jahren 
in einem äusserst desolaten Zu 
stand war. Der Initiative und 
Weitsicht von Fürst Johann 
dem II. ist es zu verdanken, 
dass Schloss Vaduz restauriert, 
erweitert und zur heutigen 
Form ausgebaut wurde. 
Elisabeth Castellan! Zahir hat 
für ihre Dissertation akribisch 
alle über das Schloss, den Vor 
gängerbau und die Renovation 
erhältlichen. Informationen zu 
sammengetragen. Die umfang 
reiche Arbeit wurde unter dem 
Titel «Die Wiederherstellung 
von Schloss Vaduz 1904 bis 
1914» vom Historischen Verein 
für das Fürstentum Liechten 
stein veröffentlicht. 
1322 urkundlich erwähnt 
Als Erbauer der Burg über 
Vaduz wird Rudolf II. von Wer- 
denberg-Sargans genannt. Im 
Jahre 1322 wurde die Burg Va 
duz verpfändet, was zu einer 
ersten urkundlichen Erwäh 
nung führte. Schloss Vaduz war 
von Beginn an eine gräfliche 
Herrschaftsburg und blieb das 
Mittelalter hindurch Sitz des je 
weiligen Landesherren bis es in 
der Neuzeit an die Liechtenstei 
ner Fürsten überging. 
Die Frage nach den Anfän 
gen der Burg wird in der Litera 
tur unterschiedlich beantwor 
tet. Die älteste Hypothese des 
römischen Ursprungs begeistert 
nicht nur die Touristen, die aus 
allen Herren Ländern nach Va 
duz kommen. «Der kolossale 
Rundbau, Heidenturm genannt, 
steht als wahre Festungsbastion 
da. Die alten Römer sollen ihn 
gebaut haben, als sie das Fürs 
tentum Liechtenstein erobert 
hatten.» Noch 1919 wird die 
«Römer-These» von Büchel auf 
recht erhalten, obwohl Egon 
Rheinberger diese Zuschrei- 
bung schon 1904 als Mythos 
entlarvt hatte. 
Kombination von Kauf 
und Erbe 
Die Kernanlage stammt mit 
ziemlicher Sicherheit aus dem 
14. Jahrhundert. Im gleichen 
Jahrhundert wurden weitere 
Gebäude erstellt. So entstand 
der Osttrakt nördlich des «Berg 
frieds» mit zwei gewölbten Ge 
schossen als Wirtschafts- und 
Wohngebäude. 
Kurz nachdem der letzte Graf 
von Werdenberg-Sargans zu 
Vaduz, Hartmann IV., Fürstbi 
schof von Chur, von König 
Wenzel für die Herrschaft Va 
duz 1396 die Reichsunmittel- 
barkeit erworben hatte, gelang 
ten die Freiherren von Brandis 
1416 durch eine für die Zeit ty 
pische Kombination von Kauf 
und Erbrecht in den Besitz der 
Grafschaft Vaduz, welche sie 
1434 mit der Herrschaft Schel 
lenberg vereinten. 
1499 wurde Schloss Vaduz 
im sogenannten Schwaben 
krieg von den Eidgenossen ver 
wüstet, weil sich die Burgher 
ren als Parteigänger der Habs 
burger auf der Verliererseite be 
fanden. Ludwig von Brandis 
Hess kurz nach dem Friedens- 
schluss von 1499 die Brand 
schäden beheben und die Ge 
bäude notdürftig reparieren. Im 
Jahre 1505 verpflichtete sich 
Ludwig von Brandis Kaiser Ma 
ximilian gegenüber, die Burg in 
Kriegszeiten den Habsburgem 
zur Verfügung zu stellen. Als 
Gegenleistung erhielten die 
Brandiser jährlich 200 Gulden 
sowie zusätzlich noch Gelder 
für den Ausbau und ab 1506 
eine jährliche Provision. 
Bastion gegen die Eidge 
nossen 
Nach dem Schwabenkrieg 
wurde Vaduz mit dem «Ewigen 
Öffnungs- und Erbschirmver 
trag» von 1505 als «reichsfreie 
Krisenzone nördlich des Luzi- 
steigs fest in den österreichi 
schen Herrschaftsraum einge 
bunden» und diente als Bastion 
gegen die Eidgenossen. Vaduz 
unterwarf sich damit habsbur- 
gischen Interessen und Abhän 
gigkeiten, eine politische Erb 
schaft der Brandiser an die 
1507 als neue Herren nachfol 
genden Sulzer. Die «glücklichen 
Sumerischen Zeiten» markier 
ten in der ersten Hälfte des 16. 
Jahrhunderts in Vaduz den 
Übergang vom Mittelalter zur 
Neuzeit. 
Im Jahre 1613 erfolgte der 
Verkauf der Reichsgrafschaft 
Vaduz und der Herrschaft 
Schellenberg an Graf Kaspar 
von Hohenems. Das 17. Jahr 
hundert wird in. den Ge 
schichtsbüchern als 
«Schreckenszeit» bezeichnet. Zu 
den politischen Unsicherheiten 
und Verwüstungen durch die 
vielfältigen Greuel des Dreissig- 
jährigen Krieges, welche auch 
die Herrschaft Vaduz trafen, 
kamen Teuerungen, Hungers 
nöte, die Pest und Hexenverfol 
gungen dazu. 
Zwischen 1684 und 1712 
wurden die beiden Herrschaf 
ten Vaduz und Schellenberg 
unter kaiserliche Administrati 
on gestellt. 1696 wurde auf 
Der mittlere Raum, ehemals *Museumszimmer», befindet sich im zweiten Obergeschoss des Westtrakts. 
kaiserliche Anordnung hin ein 
Vergleich abgeschlossen. Die 
Landschaften übernahmen alle 
Reichs- und Kriegslasten, und 
die gräflichen Schulden sollten 
aus dem Verkauf der beiden 
Herrschaften getilgt werden. 
Am 18. Januar 1699 kaufte 
Fürst Johann Adam Andreas 
von Liechtenstein die Herr 
schaft Schellenberg und erwarb 
13 Jahre später am 22. Februar 
1712 die Grafschaft Vaduz. 
Unter neuer Herrschaft 
Zu Beginn der Liechtenstei 
ner Herrschaft residierte der 
Stellvertreter des Fürsten auf 
der Burg, welche nun fürstli 
ches Schloss «Hohenems- 
Liechtenstein» genannt wurde. 
Zu diesem Zweck war der 
Landvogteisitz 1712 im West 
teil des Schlosses eingerichtet 
worden. Doch schon 1732 be 
zog der Vogt wieder das alte 
Landvogteihaus unten im Ort 
Vaduz, weil sich das Schloss 
zum standesgemässen Wohnen 
nicht mehr eignete. 
Zur Zeit der Napoleonischen 
Wirren, im Jahre 1805, über 
nahm Fürst Johann I. die Re 
gierung. Er war, wie in den Re 
cherchen von Elisabeth Castel- 
lani Zahir nachzulesen ist, der 
erste Liechtensteiner Landes 
herr, der sich um das Land 
kümmerte und Reformen 
durchsetzte. So filhrte er 1805 
die allgemeine Schulpflicht ein 
und gab dem Fürstentum 1818 
eine erste landständische Ver 
fassung. Nach der Auflösung 
des Heiligen Römischen Rei 
ches Deutscher Nation entkam 
Jiechtenstein der Flurbereini 
gung unter den deutschen Für 
stentümern, wurde durch Druck 
Napoleons 1806 als selbststän 
diger Staat in den Rheinbund 
aufgenommen und erlangte da 
mit die volle Souveränität. 
Nach Napoleons Fall trat es 
1815 dem Deutschen Bund bei 
und musste, wie die anderen 
Mitgliedstaaten, ein militäri 
sches. Kontingent stellen. So 
waren auf Schloss Vaduz wie 
der Soldaten einquartiert. 
Landvogt Schuppler meldete 
allerdings 1826, dass die Burg 
«schon mehr denn halb verfal 
len» sei. Sie wurde offenbar nur 
noch im südlichen Teil «ganz 
und in den anderen teilweise 
notdürftig instand gehalten, 
weil sich dort die herrschaftli 
chen Keller sowie das Kriminal- 
und Polizeigefängnis befanden 
und neuerdings auch die Herr- 
schaftsjäger und die Kanzlei 
diener wohnten». Zu Beginn 
des 19. Jahrhunderts muss, 
nach Egon Rheinberger das 
Südrondell noch einigermassen 
intakt gewesen sein. 
Fürst Alois IL, der ab 1836 re 
gierte, besuchte das Land 1842 
als erster liechtensteinischer 
Fürst. Vier Jahre darauf kam 
der fürstliche Architekt Georg 
Wingelmüller nach Vaduz und 
besichtigte das Schloss. Ab 
1830 wurden einzelne Teile des 
Schlosses für die Garnison her 
gerichtet. So wurde 1836 im 
südlichen Kapellentrakt Solda 
tenstuben eingebaut. 
Brunnen instandgestellt 
Erste Unterhaltsarbeiten 
wurden ab dem Jahre 1890 
vorgenommen. So wurden in 
den Jahren 1891 bis 1895 die 
«fürstlichen Brunnen und Hy 
drantenleitungen» instandge 
stellt und 1898 eine neue Was 
serleitung zum Schloss gebaut. 
Im Jahre 1896 nahm Seraphin 
Pümpel, der Feldkircher Stadt 
baumeister und Bauunterneh 
mer, das Schloss Vaduz gründ 
lich auf und erstellte 18 Plähe, 
welche den Bauzustand kurz 
vor der Jahrhundertwende prä 
zise darstellen. 
Die Umbauarbeiten auf 
Schloss Vaduz in den Jahren 
1896 bis 1897 unter der Leitung 
von Architekt Neumann bezo 
gen sich vor allem auf den west 
lichen Teil. Im Jahre 1903 wurde 
die von Professor Heim angera 
tene Sanierung der äusseren 
Ringmauer durchgeführt. Da 
mals gab es Anzeichen, dass ei 
ne durchgreifende Restaurierung 
der Burganlage in der Luft lag. 
Die Restaurierung von Schloss 
Vaduz war 1904 durch Vorarbei 
ten eingeleitet worden. Am 8. 
August fand in Vaduz die erste 
Konferenz der späteren Kom 
mission für die Restaurierung 
des Schlosses Vaduz statt. 1905 
wurde mit den Bauarbeiten be 
gonnen. Als wichtigste Person in 
der Baukommission wird der 
Graf Hans von Wilczek bezeich 
net. «Er war Spiritus rector der 
Vaduzer Restaurierung, massge 
bender Berater und persönlicher 
Freund des Fürsten Johann IL», 
ist in den Unterlagen festgehal 
ten. Elisabeth Castellani Zahir 
hat die Baufortschritte nach Jah 
ren gegliedert und genau aufge 
listet, was während dieser Zeit 
im und am Schloss gebaut, re 
stauriert und verändert wurde. 
Mit der Restaurierung von 
Schloss Vaduz wurde die da 
mals noch nicht vorhersehbare 
Voraussetzung geschaffen, dass 
die Residenz des Fürsten im 
Jahre 1938 von Wien nach Va 
duz verlegt werden konnte. 
Das Modell der Halbruine wurde um 1897 von Seraphin Plimp^l erstellt. 
Der heutige Schlosshof, aufgenommen nach Süden.
	        

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