Liechtensteiner VOLKSBLATT
KULTUR
Donnerstag, 7. Dezember 2000 33
Der lange, steinige Weg zu sich selbst
«Billy Elliot - I will dänce» - einer der bewegendsten Filme des Jahres
Jamie Bell als Billy und Julie Walters als Mrs. Wilkittsoti in dem grossartigen Kinofilm «Billy Elliot-
I will dance», der ab heute Donnerstag im Schlosskino Balzers läuft.
Nein, diese «Einer-will-
nach-oben-Story» ist kein
vorweihnachtliches Rühr
stück voller Tränen,
Schmalz und Kitsch. Re
gisseur Stephen Daldry
und dem jungen Haupt
darsteller Jamie Bell ge
lang es, die Kurve davon
weg, hin zu einem gran
diosen und oscarreifen
Gefühlskino zu schaffen.
Gerol f Hauser
Ab dem heutigen 7. Dezember
zeigt das Schlosskino Balzers
dieses Filmregie-Debut von
Stephen Daldry, der bis vor
kurzem Direktor des Royal
Court Theaters war. Der Produ
zent Greg Brenman sagte über
den Film: «Die Idee, eine Ge
schichte über einen Jungen, der
in einer Bergwerkstadt lebt, in
der man um sein Überleben
kämpfen muss und dessen
grösster Traum es ist, Ballett-
Tänzer zu werden, zu verfil
men, fand ich einfach fantas
tisch.»
Die Geschichte
Der Spiegel schreibt über den
Film: «Billy wächst in der Tris
tesse des englischen Nordens
auf, da, wo in der Küche die
Hemden über dem Herd trock
nen, das Klo auf dem Hof
stinkt, die Männer noch echte
Kerle sein wollen und ein an
ständiges Vorurteil noch etwas
gilt. Im nordenglischen Kohle
revier streiken 1984 die Berg
arbeiter. Die britische Premier
ministerin Maggie Thatcher
will ihnen, den «Feinden im ei
genen Haus», das Genick bre
chen. Es tobt ein erbitterter Ar
beitskampf. Doch Billy Elliot
hat andere Sorgen. Seine Mut
ter ist gestorben, die Oma ist
verwirrt und irrt in Nachthemd
und Wollmütze durch den Vor
garten, er muss sich ein Zim
mer mit Bruder Tony teilen,
und der strenge Vater will auch
noch, dass er, wie alle richtigen
Jungs, Boxen trainiert. Doch
Billy tut sich unendlich schwer
mit dem Sandsack und den ur
alten Boxhandschuhen vom
Grossvater. Er tänzelt im Ring,
will sich nicht schlagen, er will
sich nur bewegen.» Und da ge
schieht das Unerwartete: Billy
will nach seinem Box-Unter
richt den Schlüssel für die
Turnhalle Mrs. Wilkinson, der
Tanzlehrerin, überbringen.
Plötzlich steht er mitten unter
den Ballettratten und passt
sich ihren Bewegungen an.
Mrs. Wilkinson erkennt sofort
sein Talent und widmet sich
fortan Billy, der heimlich bei
ihr Unterricht nimmt - gegen
alle Widerstände. Doch Billy
gibt nicht auf. Er weiss, dass er
ein grosser und berühmter
Ballettänzer werden will und
mit seinem Willen und seiner
Leidenschaft fürs Tanzen und
der Unterstützung von Mrs.
Wilkinson wird er es auch
schaffen. Doch bis dahin liegt
ein langer, steiniger Weg vor
ihm...
Der Kinderheld
Der Spiegel: «Regisseur Ste
phen Daldry erzählt noch ein
mal die fast schon zum Kli
schee des britischen Gegen
wartskinos gewordene Ge
schichte vom Einzelgänger, der
sich gegen eine bornierte, ver
bohrte Umwelt durchsetzen
muss. Trittfest zwischen
Komödie und Drama balancie
rend, gelingt es dem Regisseur,
die Geschichte einer Selbstfin-
dung als detailgenaue Milieu
studie aufzuziehen. Mit kunst
voller Beiläufigkeit macht er
Billy zum authentischen, trau
rig-strahlenden Kinder-Helden
des Kinowinters. «Billy Elliot -
1 will Dance» hat beste Chan
cen auf einen europäischen
Filmpreis.» Besetzung: Julie
Walters (Mrs. Wilkinson), Ja
mie Bell (Billy Elliot), Jamie
Draven (Tony), Gaiy Lewis (Va
ter Elliot), Jean Heywood
(Grossmutter), Stuart Wells
(Michael Elliot). Regie: Stephen
Daldry; Drehbuch: Lee Hall;
Kamera Brian Tufano.
Ab 7. Dezember im Schloss
kino Balzers.
«Vom Klang des Unerklärbaren»
Vaduzer Predigt 2000 von und mit Andreas Vollenweider in der Evangelischen Kirche
Im Rahmen der Reihe «Vadu
zer Predigten» wird dieses
Jahr Andreas Vollenweider
nicht nur die Predigt halten,
sondern im Gottesdienst am
Sonntag, 17. Dezember 2000
um 10 Uhr in der Evangeli
schen Kirche, Vaduz-Eben
holz, zugleich mit seiner Har
fenmusik erfreuen.
' Gerolf Hauser
Nachdem in den Voijahren mit
Hugo Marxer, Walter Jens und
Adolf Muschg vor allem die
bildende Kunst und die zeit
genössische Literatur im Zen
trum der «Vaduzer Predigt»
standen, freuen wir uns, das
Pfarrerehepaar Andre und Ka
rin Ritter, in diesem Jahr sehr
über den «musikalischen» Bei
trag von Andreas Vollenweider
und laden alle Interessierten
ganz herzlich dazu ein.
Streifzug in Klang und
Wort
Andreas Vollenweider
schrieb, auf den 17. Dezember
vorausschauend, einen kurzen
eigenen Kommentar zu seinem
Beitrag bei der «Vaduzer Pre
digt»: «Die Musik als flüchti
ges Medium, als Stimme des
sen, was sich mit Worten nicht
ausdrücken lässt. Der Klang
als sinnliches Herantasten an
das Unerklärbare. Die Musik
erzählt von der zehntausend
jährigen Geschichte des Men
schen, der spürt, ahnt und
weiss, dass seine tiefsten Ge
heimnisse und die Antworten
auf seine brennendsten Fra
gen ausserhalb der Welt der
Ratio zu finden sind. Viele
Namen hat dieser Raum «aus
serhalb» bekommen, viele
Bücher versuchten das Tor
zum Unerklärteren zu öffnen,
viele Tempel wurden gebaut,
um jenes Gefühl einer tiefen,
diffusen Erinnerung einzufan-
Andreas Vollenweider lässt am 17. Dezember in der Evangelischen Kirche in Vaduz bei der *Vaduzer
Predigt» einen Streifzug durch Sprache und Gesang erleben.
gen und festzuhalten. Eine
Einladung zu einem Streifzug
in Klang und Wort.» Cornelia
Wieczorek schreibt: «Für And
reas Vollenweider ist die Mu
sik wie ein Haus voller Spie
gel: Wenn man das Haus be
tritt, empfindet man Sicher
heit und Wärme ohne zu wis
sen, dass die Wände Spiegel
sind. Wenn man plötzlich die
Spiegel realisiert, findet man
in ihnen Aspekte seines
Selbst, seiner Gefühle, Hoff
nungen und Bilder seines Un-
terbewusstseins. Er betrachtet
die Musik als unsichtbare Ar
chitektur, sie schafft eine kul
turelle Umgebung und Atmos
phäre und ist ein Ausdruck
von Lebensgefühl. Besonders
die Harfenmusik sieht er als
Brücke zwischen den Sphären
des Bewussten und des Unbe-
wussten...»
Leben für die Musik
Andreas Vollenweider, gebo
ren 1953 in Zürich, wuchs in
einer künstlerisch vielseitigen
und inspirierenden Umgebung
auf (sein Vater zählt zu den
führenden Organisten Euro
pas). 1975 entdeckte er die Har
fe für sich und entwickelte eine
eigene Spieltechnik. Ein eigen
ständiges Instrument entsteht,
die elektro-akustische Harfe.
Vollenweider komponierte
zunächst für Film-, Theater-
und Fernsehproduktionen.
1979 veröffentlichte er in der
Schweiz sein erstes Album «Ei
ne Art Suite in XIII Teilen». Es
gilt als Wiege des Vollenwel-
der-Sounds. 1981 geben And
reas Vollenweider ft Friends ihr
erstes Konzert auf dem welt
weit angesehenen Montreux
Jazzfestival. Im Herbst darauf
erscheint das Album «Behind
the Gardens-Behind the Wall-
Under the Tree». Seitdem ist
«Vollenweider» Begriff für ei
nen neuen und äusserst erfolg
reichen Sound. Sein Engage
ment fiir die Umweltschutz-
und Friedensbewegung zeigt
sich in der Unterstützung von
Green Peace und Amnesty In
ternational, was er mit der
Single «Pace Verde» und dem
gleichnamigen Musik-Video
unterstreicht. Seit 1989 arbeitet
Vollenweider mit Gastmusikern
aus den verschiedensten musi
kalischen und kulturellen Be
reichen zusammen und erwei
tert damit die Vielfalt seiner
Musikprojekte.
17. Dezember 2000, um 10
Uhr, «Vaduzer Predigt» mit
Andreas Vollenweider in der
Evangelischen Kirche, Vaduz,
Fürst-Franz-Josef-Strasse 11.
Ein fesselnder
Kriminalroman
Altes Kino Mels: «Die 25. Stunde»
Am Samstag, den 9. Dezem
ber, stellen Rüben Mullis und
Katarina Madovcik im Alten
Kino in Mels ihr gemeinsam
geschriebenes Buch «Die 25.
Stunde» - ein fesselnder Kri
minalroman, der in Russland
spielt - vor. Die Lesung wird
musikalisch von Ernst Rohrer
(Akkordeon) umrahmt.
Das Interesse an Russland und
die Liebe zur Literatur hat das
Autorenpaar Katarina Madov
cik und Rüben M. Mullis (ein
gebürtiger Meiser) zusammen
geführt. Mit dem fesselnden
Kriminalroman «Die 25. Stun
de» (KaMeRu Verlag, Zürich)
haben sie ihr erstes gemeinsa
mes Werk veröffentlicht.
Die Geschichte des Krimis
basiert auf realen Begebenhei
ten, insbesondere im Umfeld
des mysteriösen Untergangs
der Fähre Estonia im Jahr 1994.
Mit der Figur des Moskauer
Chefinspektors Nikita Andreje-
witsch Morosow wird ein nach
denklicher Einzelgänger und
zynischer Aussenseiter be
schrieben, der immer wieder
sein intuitives Können unter
Beweis stellen muss, um sich
im Netz der dunklen, weit oben
in der politischen und wirt
schaftlichen Hierarchie ange
siedelten Kräfte behaupten zu
können. Die Geschichte wird in
atemberaubendem Tempo er
zählt. Anhaltend zieht sich die
Spannung durch den ganzen
Krimi, bis am Ende eine überra
schende Lösung präsentiert
wird, «...es ist ein professionell
geschriebener Reisser ohne
Flucht in philosophische Ex
kurse, überdrehte Gags oder
sonstige Schnörkel», schrieb die
«WochenZeitung» (WoZ) in ih
rer Rezension von «Die 25.
Stunde». Es sei ein Unterhal
tungsroman auf internationa
lem Standard - «und das ist in
der Schweiz selten wie ein Dia
mant».
Die Autoren, seit zwei Jahren
miteinander verheiratet, spre
chen beide Russisch und sind
Kenner der slawischen Länder.
Katarina Madovcik stammt aus
der ehemaligen Tschechoslo
wakei und hat Germanistik,
Psychologie und Politwissen-
schaften studiert. Sie lebt seit
1979 in Zürich. Rüben Mullis
studiert zur Zeit Slawistik, ost
europäische Geschichte und
Militärgeschichte an der Uni
versität Zürich. Von 1991 bis
1994 arbeitete er als Sekretär
bei der Schweizer Botschaft in
Moskau. Wie schon bei mehre
ren Anlässen erprobt, werden
Madovcik/Mullis auch im Alten
Kino Mels von Ernst Rohrer
(Akkordeon) musikalisch be
gleitet. Die Lesung am Sams
tag, den 9. Dezember beginnt
um 20.15 Uhr.
Einen spannenden Krimi ge
schrieben: Rüben Mullis (von
Mels stammend) und Katarina
Madovcik lesen am Samstag'im
Alten Kino Mels aus *Die 25.
Stunde».
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