Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND 
Montag, 4. Dezember 2000 25 
Bush gibt sich siegessicher 
Sondersitzung des Parlaments von Florida angesetzt 
TALLAHASSEE: Den Par 
teien und Gerichten der 
USA bleiben noch zwei 
Wochen Zeit, den Streit um 
den Ausgang der Präsiden 
tenwahl vom 7. November 
beizulegen. Am Wochen 
ende zeichnete sich kein 
Ende des juristischen Ge 
zänks um die Wertung 
umstrittener Wählerstim 
men in Florida ab. 
Der republikanische Kandidat 
George W. Bush erklärte aber 
siegesgewiss: «Ich werde bald 
der Präsident sein.» Sein Vize 
präsidentschaftskandidat Dick 
Cheney forderte den Demokra 
ten AI Gore auf, seine Niederla 
ge einzugestehen. Die Demo 
kraten hielten dem Druck der 
Republikaner aber stand und 
erklärten, sie unterstützten Go 
res Anrufung der Gerichte. 
Gore auf dem Vormarsch 
Der ehemalige New Yorker 
Gouverneur Mario Cuomo sag 
te, Gore werde jeden Tag stär 
ker. Die USA seien auf dem 
Grundsatz aufgebaut, «dass die 
Justiz das letzte Wort hat». In 
Tallahassee wurde die An 
hörung über die den Demokra 
ten verlangte Neuauszählung 
der Stimmen in den Bezirken 
Palm Beach und Miami-Dade 
unterdessen fortgesetzt. 
Nach dem bisherigen Stand 
der Auszählung hat Bush in 
Florida einen knappen Vor 
sprung vor dem Demokraten AI 
Gore und erhält damit alle 25 
Wahlmännerstimmen dieses 
Staates. Diese entscheiden auch 
über die Mehrheit in der Ver- 
SPÖ auf dem 
Vormarsch 
WIEN: Die österreichische 
Regierungskoalition aus ÖVP 
und FPÖ hat gestern die vor 
gezogenen Landtagswahlen 
im Burgenland verloren. Ei 
nen überraschenden Erfolg 
gab es für die SPÖ: Dem vor- 
läußgen Endergebnis zufolge 
legten die Sozialdemokraten 
mehr als zwei Prozentpunkte 
auf 46,6 Prozent zu und ha 
ben damit alle Chancen, er 
neut den .Landeshauptmann 
(Ministerpräsidenten) zu stel 
len, wie die österreichische 
Nachrichtenagentur APA be 
richtete. Die Grünen haben 
erstmals den. Einzug In den ' 
burgenländischen Landtag 
geschafft. Dem vorläufigen. 
Endergebnis zufolgejgeyvinnt 1 
die SPÖ 2,1 Prozentpunkte 
auf 46*6 Prozent, die;;$YP,j 
verliert 0,7 , Prozentpunklei 
auf ; 35,3 Prozent, die FPÖ > 
büsst; 1,9 Prözentpunkte eiö| 
und erreicht ? 12,6 r ; Prozent I 
und die Grünen schaffen mit 
einem Plus von ■ knapp" drei; 
Prozentpunktenden; Sprung] 
über die Fürif-Prozent-tyarke,! 
mit 5,5 Prozent Die .SPÖ; 
kann demnach ihre: 17 Man 
date: halten, die ÖVP hat nur : 
noch 13:(minus l), die FPÖ? 
vier (minus l)unddieGrü- v 
nen zwei Sitze (plus, 2). /! 
Die Wahlbeteiligung Jag;! 
bei über 82 Prozent .Schon* 
nach Erscheinen .(der ersten; 
Hochrechnungen / herrschte j , 
bei den Sozialdemokraten] 
Jubel. SPÖ-Chef Alfred <?u^; 
senbauer sprach 'von einem ' 
«guten Tagfilrdle ^Spzlalde- j 
mokratie». ? 
Cd tri»- . 
Sammlung aller Wahlmänner 
der USA. 
In Washington ist jedoch 
noch ein Urteil des von den Re 
publikanern angerufenen Ober 
sten Gerichts der USA anhän 
gig, ob die manuellen Stimm 
auszählungen in das bisherige 
offizielle Ergebnis einfliessen 
sollen. Wann die neun Richter 
nach einer ersten zweistündi 
gen Anhörung am Freitag einen 
Spruch fallen werden, ist ge 
genwärtig noch nicht bekannt. 
Unterdessen bereitete die re 
publikanische Mehrheit im Par 
lament von Florida für Mitt 
woch eine Sondersitzung vor, 
in der die 25 Wahlmänner be 
rufen werden sollen. Dies steht 
der Verfassung zufolge dem 
Kongress des US-Staates zu. 
Wahlmänner aus Florida 
entscheiden 
Am 18. Dezember sollen sie 
mit den Wahlmännern der an 
deren Staaten den neuen Präsi 
denten der Vereinigten Staaten 
bestimmen. Die Wahlmänner 
stimmen aus dem erbittert um 
kämpften Florida entscheiden 
darüber, wer neuer US-Präsi 
dent wird. 
Nach langem Schweigen er 
klärte der scheidende Präsident 
Bill Clinton dem Hamburger 
Nachrichtenmagazin «Der 
Spiegel», er betrachte seinen 
Stellvertreter Gore als klaren 
Wahlsieger. In einer Umfrage 
des Meinungsforschungsinsti 
tuts Pew zeigten sich jedoch 66 
Prozent der Amerikaner über 
zeugt, dass letztlich Bush ins 
Weisse Haus einziehen werde. 
Der Anteil der Amerikaner, die 
sich dafür aussprachen, dass 
Gore seine Niederlage einge 
stehen soll, stieg innerhalb ei 
ner Woche von 36 auf 45 Pro 
zent. 
Israel mit Untersuchung einverstanden 
USA mit Intervention erfolgreich: Senator George Mitchell wird Kommission leiten 
JERUSALEM: Auf Drängen der 
USA hat sich Israel gestern mit 
einer internationalen Untersu 
chung der Ursachen des Paläs- 
tinenser-Aufstands und seines 
Verlaufs einverstanden er 
klärt. 
Die Kommission wird vom ehe 
maligen US-Senator George 
Mitchell geleitet, der bereits im 
Nordirland-Konflikt vermittelt 
hatte. Die Regierung werde Mi 
nister und Juristen zur Verfü 
gung stellen, um mit Mitchell 
und seinen Leuten zusammen 
zuarbeiten, sagte der Büroleiter 
des israelischen Regierungs 
chefs Ehud Barak, Gilad Scher, 
im Radio. 
Nach israelischen Angaben 
wird die Kommission in rund 
zwei Wochen nach Israel kom 
men, nach palästinensischen 
Angaben in einer Woche. 
US-Präsident Bill Clinton 
hatte Barak am Freitag in ei 
nem 45-minütigen Telefonat 
zur Kooperation gedrängt. Isra 
el machte bislang zur Bedin 
gung, dass in den besetzten Ge 
bieten erst Ruhe und Ordnung 
herrschen müsse, bevor eine 
Untersuchung stattfinden kön 
ne. Die Kommission war im Ok 
tober beim Nahost-Gipfel im 
ägyptischen Scharm el Scheich 
beschlossen worden. 
Clinton bereit 
Der israelische Justizminister 
Jossi Beilin sagte am Sonntag, 
Clinton habe ihm bei einem 
Treffen in Washington persön- 
Die Proteste in Israel gehen weiter. Demonstranten haben sich als 
Ehund Barak und Jassir Arafat verkleidet und halten ein Skelett in 
die Höhe. (Bild: Keystone) 
lieh versichert, der Nahost- 
Konflikt habe filr ihn «höchste 
Priorität». Clinton stehe den 
Konfliktparteien bis zum Ende 
seiner Amtszeit am 20. Januar 
«voll zur Verfügung». 
Beilin sagte im Radio: «Ich 
glaube, dass es möglich ist, bis 
zum 20. Januar ein Abkommen 
zu erzielen.» Die Positionen bei 
der Seiten seien bekannt, und 
ein endgültiger Vertrag oder ein 
Teilabkommen möglich. 
Arafat und Barak 
skeptischer 
Palästinenserpräsident Jassir 
Arafat sagte am Sonntag in den 
Vereinigten Arabischen Emira 
ten, er habe das Vertrauen in 
Barak verloren. Barak selbst 
schätzt nach Informationen der 
israelischen Tageszeitung «Haa 
retz» die Chancen für einen ra 
schen Friedensschluss auf nur 
zehn Prozent ein. Barak relati 
vierte zudem die Bedeutung der 
USA in dem Prozess. Direkte 
Kontakte mit den Palästinen 
sern ohne die Vermittlung Drit 
ter seien manchmal von Vorteil. 
Israelische Medien berichteten 
von direkten Geheimverhand 
lungen zwischen Israelis und 
Palästinensern über ein dauer 
haftes Friedensabkommen. Ver 
treter beider Seiten dementierten 
diese Berichte jedoch. 
Erneut Tote 
Bei erneuten Gewalttätigkei 
ten starb am Sonntag im West 
jordanland gemäss Spitalkrei 
sen ein 48-jähriger Palästinen 
ser nach einem Angriff israeli 
scher Soldaten. Die Soldaten 
hätten den Mann in Hebron mit 
ihren Gewehrkolben und Fäus 
ten geschlagen, hiess es. 
In Ramallah wurde ein paläs 
tinensischer Elektriker beerdigt,, 
der am Samstag nach Armee 
angaben versehentlich von ei 
nem Soldaten erschossen wor 
den war. Noch im Grab trug der 
Mann seine gelben Arbeitsstie 
fel und einen Bohrer, den der 
Schütze fiir eine Waffe gehalten 
hatte. Ein weiterer Palästinenser 
war am Samstag bei einem 
Schusswechsel an der Grenze 
des Gazastreifens umgekom 
men. Ein anderer wurde südlich 
von Ramallah schwer verletzt. 
Senator Trent Lott, Pressesprecher Dennis Hostert, Gouverneur und Präsidentschaftskandidat George W. Bush und der Vizepräsident 
schaftskandidat Dick Cheney (von links) bei einem Treffen auf der Ranch von George W. Bush in Crawford, Texas. (Bild: Keystone) 
1 
NACHRICHTEN 
Ringen um 
EU-Reformen 
BRÜSSEL: Zu einem weite 
ren Versuch, in der Reform 
der Europäischen Union 
doch noch voranzukommen, 
sind am Sonntag die EU- 
Aussenminister in Brüssel 
zusammengetreten. Bei die 
sem so genannten Konklave 
geht es um die Vorbereitung 
des Spitzentreffens der EU- 
Staats- und Regierungs 
chefs, die die EU- Reform 
von Donnerstag bis Sams 
tag nächster Woche in 
Nizza diskutieren wollen. 
Sjuganow als 
KP-Chef bestätigt 
MOSKAU: Der russische KP- 
Chef Gennadi Sjuganow ist 
trotz innerparteilicher Kritik 
auf einem Parteitag der 
Kommunisten in seinem 
Amt bestätigt worden. In 
seinem Schlusswort sagte 
er, die Partei sei auf dem 
richtigen Weg. Zuvor hatte 
das Mitglied des Zentralko 
mitees Viktor Iljuchin die 
Führung scharf kritisiert 
und vor allem der Duma- 
Fraktion «unzulässige Sym 
pathie mit der Regierung 
und der präsidialen Macht» 
vorgehalten. Dies sei «eine 
reale Gefahr fiir die Kom 
munistische Partei». 
Pinochet ruft 
erneut Gericht an 
SANTIAGO DE CHILE: Die 
Anwälte von Ex-Diktator 
| Pinochet haben in Chile 
Einspruch gegen eine An 
klageerhebung und einen 
Hausarrest erhoben. Damit 
wollen sie verhindern, dass 
der Haftbefehl vom Freitag 
rechtskräftig wird. Eine Ent 
scheidung des Appellations 
gerichts wird allerdings 
nach jüngsten Angaben erst 
für Mittwoch erwartet. Un 
terdessen wies die Regierung 
des Sozialisten Ricardo La 
gos in Santiago die Forde 
rung der Militärführung 
zurück, angesichts der - laut 
Streitkräften - «instabilen 
Lage» im Land den Nationa 
len Sicherheitsrat einzube 
rufen. Ohne noch ausste 
hende Gutachten zum Ge 
sundheitszustand von Au- 
gusto Pinochet abzuwarten, 
hatte Untersuchungsrichter 
Juan Guzman Tapia am 
Freitag überraschend Ankla 
ge gegen den früheren Mi 
litärdiktator und sechs wei 
tere Ex-Offiziere erhoben. 
Wiedersehen In 
Korea 
SEOUL: Nach der zweiten 
Familienzusammenführung 
seit dem historischen Korea- 
Gipfel im Juni haben in 
Seoul 100 Nordkoreaner un 
ter Tränen Abschied von 
ihren Angehörigen aus dem 
Süden genommen.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.