Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

22 Montag, 4. Dezember 2000 
KULTUR 
Liechtensteiner VOLKSBLATT 
Preisträgerkonzert der Liechtensteinischen 
Musikwettbewerbe 2000 
Gestern fand im Gemeindesaal Eschen die Rangverkündung und Preisverteilung statt 
Die Schüler der Liechtensteinischen Musikschule gaben ihre musikalischen Talente preis. 
Über 50 Teilnehmer hat 
ten sich in den So 
lofächern Trompete, Horn, 
Posaune, Schlagzeug und 
Akkordeon sowie in den 
Sparten Kammer-, Volks 
und Hausmusik beim 
Liechtensteinischen Mu 
sikwettbewerb 2000 der 
international besetzten 
Jury gestellt. 
Gerolf Hauser 
Beim gestrigen Preisträgerkon 
zert der jährlich durchgeführ 
ten Musikwettbewerbe im Ge 
meindesaal Eschen zeigten die 
1. Preisträgerinnen sowie zwei 
Gewinner von zweiten Rängen, 
denen die Jury Sonderpreise 
zugesprochen hatte, Ausschnit 
te aus ihrem Wettbewerbspro 
gramm. 
Feinschliffe 
Schon im September, so Mu 
sikschuldirektor Klaus Beck, sei 
bei Vorspielen die Vorentschei 
dung getroffen worden, wer am 
Finale, das am 18. November 
durchgeführt wurde, teilneh 
men könne. 
Klaus Beck dankte der Juiy, 
den Musiklehrerinnen und den 
Korrepetitoren und Klavierbe 
gleitern Maria Marxer und 
Thomas Nipp für ihren Einsatz, 
ausserdem den zahlreichen 
Sponsoren für die Sachpreise. 
Altmusikschuldirektor Josef 
Frommelt, er war Mitglied der 
Juiy, sprach von einem Moti 
vationsschub, der von diesen 
Wettbewerben ausgehe. Be 
währt habe sich die Voraus 
wahl, die zum einen «Abstürze» 
und Enttäuschungen verhinde 
re, zum anderen jenen, die zum 
Finale zugelassen werden, er 
mögliche, an ihren Vortrags 
stücken noch «Feinschliffe an 
zubringen». Wünschenswert 
wäre, so die Jury, dass noch 
mehr Lehrerinnen ihre Schüle 
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Nadine Gerner und Manuel Frick erreichten mit ihrem Instrument der Querßöte den ersten Rang mit 
Auszeichnung in der Kategorie Kammermusik und durflen zudem einen Sonderpreis, gestißet von 
Prof. Dr. Dr. Herbert Batliner, entgegennehmen. (Bilder: J. J. Wucherer) 
rinnen anspornen, an diesen 
Wettbewerben teilzunehmen. 
Wertvolle Interpretatio 
nen 
Josef Frommelt sprach auch 
davon, dass diese Wettbewerbe 
musikalische Werte mit sich 
brächten und eine starke För 
derung der musikalischen Ar 
beit bedeuteten. Das soll in kei 
ner Weise bestritten werden. 
Spielten die Preisträgerinnen, 
abgesehen von den Aufregun 
gen, die ein Spiel vor Publikum 
immer mit sich bringt, doch so, 
dass die Ergebnisse sich sehen 
lassen konnten. Aber was be 
deutet der Satz, dass damit eine 
Nachwuchsförderung für Blas 
musik und Streichorchester 
stattfinde? Auch dagegen soll 
nichts gesagt werden, das ist 
notwendig und gut so. Aber 
nur dafür? Die liechtensteini 
sche Musikschule ist so ange 
legt, dass musikalische Betäti 
gung in grosser Breitenwirkung 
in der Bevölkerung stattfinden 
kann. Hier wurde seit Jahr 
zehnten hervorragende Arbeit 
geleistet. Und doch darf die 
Frage gestellt werden, ob dieses 
eine getan, das andere aber, die 
Begabtenförderung, gelassen 
wird. Und, anders gefragt, wo 
Das Preisträgerkonzert war auch für Christian Brunhart mit Gat 
tin Rosemarie ein musikalisches Highlight. 
bei Wettbewerben das Schwer 
gewicht liegt: Beim techni 
schen «Durchkommen» durch 
das gewählte Stück oder bei der 
musikalischen Interpretation? 
Und noch einmal anders ge 
fragt: Gehört nicht beides zu 
sammen? Zumindest bei den 
«Älteren» der Wettbewerbsteil 
nehmerinnen. Z. B. zeigten bei 
einem Konzert am Samstag 
abend in Bregenz, veranstaltet 
und gespielt von der Gesell 
schaft der Musikfreunde Bre 
genz, neben der Geigerin Moni 
ka Hager (geb. 1982) und dem 
Pianisten Christoph Traxler 
(geb. 1983), die Harfenistin Ste 
phanie Beck (geboren 1983, 
früher Unterricht bei Annelies 
Brandstätter, heute in Feldkirch 
bei. Nicoletta Alberti) und die 
Cellistin Andrea Hodasz (gebo 
ren 1984, Unterricht bei Josef 
Hofer), dass durch Förderung 
auch in diesem Alter musika 
lisch wertvolle Interpretationen 
möglich sind. 
«Fümms Bö Wö Tää» 
Die «Sonate in Urlauten» von Kurt Schwitters im Theater am Kirchplatz 
Kennen Sie das auch, einmal 
alle Überkommenen Regeln 
und Vorstellungen über den 
Haufen werfen zu können? 
Gegen fragwürdig gewordene 
Werte der Gesellschaft zu re 
bellieren? Das und zugleich 
noch Spass an «Urlauten», las 
sen sich heute und morgen 
abend im TaK erleben. 
Gerolf Hauser 
Der Dadaismus, revolutionäre 
Kunst- und Literaturbewegung, 
tat das in der ersten Hälfte des 
20. Jahrhundens. Zugleich war 
diese Strömung durchdrungen 
von politisch-pazifistischen 
Anschauungen, «falamaleikum 
falamaleikum falamaleitum 
falnamaleutum fallnamalsooo- 
vielleutum wennaberein- 
malderkrieglanggenugausist 
sindallewiederda. oderfehltei- 
ner?» So formulierte z. B. der 
im Sommer diesen Jahres ver 
storbene experimentelle Lyriker 
Ernst Jandl seine Abscheu vor 
dem Krieg. Beeinflusst von Ex 
pressionismus und Dadaismus 
entwickelte er vielfältige expe 
rimentelle Formen, um das «be 
schädigte Leben» in all seinen 
Defiziten vorzuführen: Sprache 
als Zertrümmerung und 
Neuschaffung der Welt, Irritati 
on und Aufklärung. Zum Da 
daismus zählten u.a. Tristan 
Tzara, Richard Huelsenbeck, 
Hans Arp, Man Ray, Marcel 
Duchamp, Andr£ Breton, Louis 
Aragon, George Grosz, Max 
Ernst und Kurt Schwitters. 
Abfälle der Zivilisation 
Kurt Schwitters war ein 
ernsthafter Mann aus gutbür 
gerlichem Hause. Lassen wir 
ihn selbst seine Lebensge 
schichte erzählen: «Ich wurde 
als ganz kleines Kind geboren. 
Meine Mutter schenkte mich 
meinem Vater, damit er sich 
freute... Die grösste Freude für 
meinen Vater aber war es, dass 
ich kein Zwilling war. Dann 
wuchs ich heran zur Freude an 
derer, und es ist schon immer in 
meinem ganzen Leben mein 
Bestreben gewesen, anderen 
immer nur Freude zu bereiten. 
Wenn sie sich dann manchmal 
aufregen, dafür kann man ja 
nichts. Mein Lehrer freute sich 
immer, wenn er mich ohrfeigen 
konnte, und die ganze Schule 
war froh, als ich mit ihr fertig 
war.» Schwitters, 1887 in 
Hannover geboren (gestor 
ben 1948), besuchte die 
dortige Kunstgewerbeschule, 
die Dresdner Kunstakademie 
und die Technische Hochschule 
Hannover. Schwitters ent 
wickelt die Technik der Collage 
zur Meisterschaft, gab ihr einen 
neuen Sinn und eine Systema 
tik, indem er die Abfälle der Zi 
vilisation zu gegenstandslosen 
Bildern und Skulpturen zusam 
menfügte, Assemblagen aus 
Altmaterial und Objekten jeder 
Art. Er selbst fasste dies unter 
dem Begriff «Merzkunst» zu 
sammen, nach einem Schnipsel 
mit dem Wortteil «merz», von 
Commerzbank, auf einer Colla 
ge. 
Ungewöhnliches Material 
Als Dichter gilt Schwitters als 
Vorläufer der konkreten Poesie; 
berühmt wurde sein Gedicht 
band «Anna Blume» (1919). 
Angeregt durch ein phoneti 
sches Gedicht Raoul Haus 
manns begann er mit seiner 
«Sonate in Urlauten». Das Werk 
besteht aus einzelnen Silben, 
die keinen übergeordneten 
Sinn ergeben. Um so stärker ist 
der Sprachrhythmus, der die 
sieben Sätze und die improvi 
sierte Kadenz zusammenhält. 
«Was Kunst ist», sagte Schwit 
ters, «wissen Sie so gut wie ich, 
es ist nichts weiter als Rhyth 
mus. Suchen Sie nicht versteckt 
irgendeine Imitation von Natur, 
fragen Sie nicht nach Seelen 
stimmungen, sondern suchen 
Sie trotz des ungewöhnlichen 
Materials, den Rhythmus in 
Form und Farbe zu erkennen.» 
Überraschende Klangeffekte 
und mitreissende Rhythmen 
machen die «Ursonate» zu ei 
nem grossen, kunstvollen 
Spass, fiir das Berliner Ensem 
ble wie für das Publikum. 
Montag, 4. und Dienstag, 5. 
12., jeweils 20.09 Uhr im TaK: 
Das Berliner Ensemble (Regie 
Philipp Tiedemann): «Sonate in 
Urlauten». 
Mit rhythmischem Sprechwitz und abenteuerlichen Klangkaskaden bricht Kurt Schwitters'«Sonate in 
Urlauten* über die Gefilde der hehren Sprachkunst herein.
	        

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