38 Freitag, 1. Dezember 2000
WELT-AlüS-TAG
Liechtensteiner VOLKSBLATT
Drei Millionen Aids-Tote allein
in diesem Jahr
Heute Welt-Aids-Tag: Zahl der HlV-Infizierten um 50 Prozent höher als vorhergesagt
BERLIN: Allein in diesem
Jahr sind weltweit mehr
als drei Millionen Men
schen an der Immun
schwächekrankheit Aids
gestorben. Das geht aus
den jüngsten Zahlen der
Weltgesundheitsorganisa
tion und der Aids-Orga
nisation der Vereinten
Nationen (UNAIDS) her
vor, die diese Woche in
Berlin vorgestellt wurden.
Danach sind seit Ausbre
chen der Seuche 21,8 Mil
lionen Menschen an Aids
gestorben. Am heutigen 1.
Dezember wird der inter
nationale Welt-Aids-Tag
begangen.
In der Schweiz stieg die Zahl
der neu mit HIV infizierten in
den ersten zehn Monaten auf
472. Dies entspricht einer Zu
nahme um über drei Prozent im
Vorjahresvergleich. Weltweit ist
die offizielle Zahl der MV-Infi-
zierten inzwischen auf 36,1
Millionen Menschen gestiegen,
darunter 1,4 Millionen Kinder
unter 15 Jahren. Die Organisa
tion wies in ihrem jüngsten Be
richt darauf hin, dass sich die
Epidemie global weit stärker
ausgebreitet hat als noch vor
einem Jahrzehnt angenommen.
Allein die Zahl der Infizierten
liege um mehr als 50 Prozent
höher als die Schätzungen der
Weltgesundheitsbehörde auf
Basis der 1991 verfügbaren
Zahlen. In allen Teilen der Welt
mit Ausnahme von Afrika süd
lich der Sahara sind dem Be
richt zufolge mehr Männer mit
HIV infiziert oder sterben an
der Immunschwäche als Frau
en. Ihr sexuelles Verhalten ma
che sie leichter zu Opfern als
Frauen. Im Jahr 2000 hätten
sich schätzungsweise 2,5 Mil
lionen Männer zwischen 15
und 49 Jahren angesteckt. Da
mit lebten inzwischen 18,2
männliche HlV-Infizierte oder
Aids-Erkrankte auf der Welt.
Angesichts dessen hat UN
AIDS den diesjährigen Welt-
Aids-Tag am 1. Dezember unter
das Motto gestellt: «Männer
stellen sich der Verantwor
tung». Männer gefährdeten sich
selbst und ebenso die Frauen;
sie achteten zu wenig auf ihre
Gesundheit und hielten es zu
oft für «unmännlich», sich über
die Risiken des Drogenkonsums
Gedanken zu machen oder
Kondome zu benutzen, beklagt
die Organisation. Wenn es ge
linge, hier bestimmte Verhal
tensweisen zu ändern, gebe es
ein enormes Potenzial dafür,
die Ausbreitung von Aids zu
drosseln.
Krankheit immer mehr
ein Wirtschaftsfaktor
Dieses Jahr wurden dem Be
richt zufolge in der Russischen
Föderation mehr Infizierte regis
triert als in allen Jahren seit
Ausbruch der Epidemie zuvor.
Nach vorsichtigen Schätzungen
sind dort Ende 2000 rund
700 000 Erwachsene und Kin
der infiziert oder erkrankt, ge
genüber 420 000 nur ein Jahr
zuvor. Hauptsächlich wurde das
Virus durch unsaubere Drogen-
Spritzbestecke verbreitet.
Erstmals wies die Organisati
on darauf hin, dass sich in
Afrika südlich der Sahara die
Zahl der Neuinfektionen stabi
lisiert haben könnte. Die For
scher führen dies auf zwei Fak
toren zurück: Zum einen gras
siere die Seuche dort schon so
lange, dass sie bereits einen
grossen Teil der sexuell aktiven
Bevölkerung infiziert hat. Zum
anderen sinken in einigen
Staaten, allen voran Uganda,
die Infektionsraten auf Grund
erfolgreicher Präventionsmass-
nahmen.
Die Organisation betonte,
dass Aids immer mehr auch
zum Wirtschaftsfaktor wird.
In Südafrika beispielsweise
wird geschätzt, dass die Epi
demie die jährliche Wachs
tumsrate der Wirtschaft um
0,3 bis 0,4 Prozent drückt. Bis
zum Jahr 2010 liege deshalb
das Bruttoinlandsprodukt um
17 Prozent niedriger als ohne
Aids. Selbst im relativ wohl
habenden Botswana werde
Aids in den kommenden zehn
Jahren ein Loch von 20 Pro
zent in den Staatshaushalt
fressen.
Weitere Informationen gibt
es auf nachfolgenden Internet-
Seiten.
• http://www.unaids.org
• http://www.aidshilfe.de
• http://www.bzga.de
Kampf gegen Aids in Kenia nur langsam zu gewinnen
Jeder Siebte mit dem Virus infiziert - Düstere Prognosen
NAIROBI: Die ersten Informa
tionen über die Aids-Seuche
lagen in Kenia schon Mitte der
80er Jahre vor. Damals ge
schah nichts. Als Mitte der
90er Jahre 55 Prozent der
Prostituierten, die in der Ha
fenstadt Mombasa getestet
wurden, HIV-positiv waren,
geschah wieder nichts.
Sexualkunde an den Schulen
war tabu und Aids wurde als
eine Verschwörung der alten
Kolonialmächte gegen Afrika
hingestellt. Erst auf starken in
ternationalen Druck nahm die
Regierung von Präsident Dani
el arap Moi 1999 die fürchterli
che Entwicklung offiziell zur
Kenntnis und erklärte Aids zur
nationalen Katastrophe.
Ein Siebtel ist infiziert
Heute sind knapp 14 Prozent
der Bevölkerung mit dem tödli
chen Virus infiziert. Über 2,1
Millionen Menschen, darunter
78 000 Kinder, droht in dem
ostafrikanischen Land ein arm
seliger Tod. Das Geld und die
Infrastruktur für die in den
USA und Europa mögliche Be
handlung von Infizierten oder
bereits Aids-Erkrankten gibt es
nicht.
Alleine 1999 sind 180 000
Menschen in Kenia an den Fol
gen von Aids gestorben. Trotz
Regierungserklärungen der
jüngsten Zeit und Aktivitäten
von internationalen Hilfsorga
nisationen bleibt die Krankheit
ein Tabu.
Die Zeitungen sind voll mit
Todesanzeigen junger Men
schen. Dass die meisten von ih
nen an Aids gestorben sind,
kann nur vermutet werden.
Kein Angehöriger will das öf
fentlich zugeben.
Hoffnungen bereitet Fach
leuten jedoch die Tatsache, dass
Kenia nun an Beratungs- und
Informationsprogrammen ar
beitet, die die Grundlage für ei
ne breit angelegte Abwehrstra
tegie darstellen könnten.
Medikamente gratis
«Der Kampf gegen Aids kann
hier nur Schritt für Schritt vor
angehen», sagt John Wecker
von Boehringer Ingelheim in
Nairobi. Das deutsche Phar
maunternehmen will in den
kommenden fünf Jahren sein
Medikament Viramune kosten
los Entwicklungsländern zur
Verfügung stellen.
Viramune kann in vielen Fäl
len zumindest die Ansteckung
eines Babys durch seine HIV-
positive Mutter verhindern. Die
kenianische Regierung habe In
teresse signalisiert. Gemäss
Wecker braucht es aber zuerst
ausreichende Beratung und In
formation, wie es die Richtlini
en der Weltgesundheitsorgani
sation (WHO) vorsehen.
Trügerische Zahlen
Dass die Zahl der Neuinfek
tionen in den afrikanischen
Staaten insgesamt leicht ge
sunken ist, gilt nicht als Zei
chen für Entwarnung. Die WHO
erklärt den Rückgang damit,
dass sich in den vergangenen
Jahren bereits viele der sexuell
aktiven Menschen angesteckt
haben.
Allerdings hätten auch einige
Länder die Aidsbekämpfung
zum Hauptanliegen staatlichen
Handelns erklärt. Besonders
Uganda wird als herausragen
des Beispiel zitiert, wo vor al
lem mit Kondom- Kampagnen
die Neuansteckungen seit 1993
nach unten gedrückt wurden.
Im Nachbarland Kenia wurde
eine solche Politik bislang nicht
umgesetzt. Die Folge sind dü
stere Prognosen für die Zu
kunft. Das Anti Aids-Pro
gramm der Vereinten Nationen
(UNAIDS) führt Statistiken auf,
die dem ohnehin wirtschaftlich
schwer angeschlagenen Kenia
einen Rückgang von 14 Pro
zent des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) bis 2005 voraussagen.
In Kenia beispielsweise sind knapp 14 Prozent der Bevölkerung mit dem tödlichen Virus infiziert, darunter zahlreiche Kinder.
Sdwilz kein
Sonderfall
BERN: Vom weltweiten Pro
blem Aids ist die Schweiz
nicht ausgenommen. Seit
i 1995 sind fast 25 000 Per-
< sonen HIV-positiv getestet
worden, rund 5000 sind an
Aids gestorben. Dabei be-
i trifft es immer mehr Hetero
sexuelle. Bis Ende Oktober
; registrierte das Bundesamt
für Gesundheit (BAG)
1 schweizweit 472 neue HFV-
• Fälle für dieses Jahr. Wie in
der Mehrheit der europäi-
: sehen Länder ist die Zahl
: der Neuinfektionen damit
: seit 1992 gesunken; dies
; insbesondere dank Präven-
. tionskampagnen. Dank neu-
j er Behandlungsmethoden
I sinkt seit 1995 auch die
Zahl deijeniger, die an Aids
, erkranken. Bis Ende Oktober
waren es in diesem Jahr
206. «Nur» 27 Personen
; starben an Aids. Zum Ver
gleich: 1994 waren es 686
; Personen. Drei Viertel der
; HIV-Positiven in der
i Schweiz sind Männer. Ganz
gemäss europäischem Trend
« ist auch in der Schweiz der
i Ailteil der Heterosexuellen
an Neuinfektionen in den
letzten Jahren explodiert.
Heute machen die Heterose-
, xuellen 57 Prozent der neu-
1 en Fälle aus, die Homosexu-
1 eilen 26 % und die Drogen-
\ abhängigen 16 %.
1
Bedrohliche Zahl
In Vietnam
I HANOI: Die Zahl der HIV-
Infizicrten in Vietnam
: nimmt nach Einschätzung
: von Fachleuten bedrohliche
Austnasse an.»Die Anzahl
] der HlV-infizierten Men-
; sehen steuert auf einen kri-
> tischen Punkt zu, von dem
\ ab die Krankheit extrem
i schwierig einzudämmen
] ist». Das sagte der Vietnam-
' Beauftragte des UNO-Pro-
gramnts zur Aids-Präventi-
• on UNAIDS am Donnerstag
j in der Hauptstadt Hanoi.
Nach Ansicht des führenden
vietnamesischen Aids-Ex
perte« Chung A werden bis
; zum Jahr 2005 doppelt so
viele Vietnamesen wie bis-
■ her das Virus in sich tragen.
Derzeit sind seiner Schät
zung nach 107 000 der rund
{ 77 Millionen Einwohner des
Landes infiziert. «Die Krank-
; heit wird sich ausbreiten,
, weil Vietnam nicht in der
Lage ist, die Drogensüchti
gen zu kontrollieren und es
1 sehr schwer ist, die Bevölke-
• rang von Safer Sex zu über
zeugen», sagte der Chef des
; «Nationalkomitees zur Ver-
I hinderung von Aids, Drogen
; und Prostitution».
Etton John hilft
Aids-Betroffenen
LONDON: Ein leuchtend
| grüner Anzug mit Tigerfell-
j Muster, Jacken im Leopar-
;; den-Look und andere schril-
, le Bühnenanzüge stehen
zum Verkauf. Pojwtar Elton
John hat wieder einmal sei-
: nen Kleiderschrank aus-
\ geräumt, um den Kampf ge
gen Aids zu unterstützen.
; Vor dem Laden in der Innen-
■ Stadt von London versam-
. melten sich am Mittwoch
hunderte Fans, die eines der
' 15 000 Kleidungsstücke und
! Accessoires ergattern woll-
: ten. Bei der Eröffnung
. stürmten Musik- und Mo-
: debegeisterte die Regale.