22 Dienstag, 8. Februar 2000
Ausland
Liechtensteiner Volksblatt
Nachrichten
Luftangriffe gegen Amal-
Miliz im Südlibanon
TYR: Als Antwort auf Angriffe der pro-syri-
schen Amal- Miliz hat die israelische Luftwaffe
am Montag mehrere Gebiete in der Nähe der
von Israel besetzten «Sicherheitszone» im Süd
libanon bombardiert. Wie die libanesische Poli
zei mitteilte; feuerten israelische Jagdbomber
am Nachmittag insgesamt zehn Raketen auf
Berghänge in der Nähe der Dörfer Kafra und
Jäter ab. Nach Polizeiangaben kam dabei nie
mand zu Schaden. Kurz zuvor waren vier Stel
lungen der israelischen Armee und der mit ihr
verbündeten Südlibanesischen Armee (SLA)
angegriffen worden, zu denen sich die Amal-
Miliz bekannte. In den vergangenen Monaten
häuften sich die blutigen Anschläge in der Re
gion auch von Seiten der islamischen Hisbollah-
Miliz.
Russischer Janker hatte
irakisches Ol an Bord
Weitere Geiseln freigelassen
WASHINGTON: Der von der US-Marine im
persischen Golf festgehaltene russische Tanker
«Wolgoneft-147» hatte nach US- Angaben ira
kisches Erdöl geladen. Proben hätten dies «klar
und deutlich ergegen», sagte US-Verteidigungs
minister William Cohen am Sonntag in Wa
shington. Als das Schiff gestoppt wurde, sei zu
dem auch ein irakischer Marine-Offizier an
Bord gewesen. Die von der US-Marine geführ
te multinationale Seestreitmacht zur Überwa
chung des UNO-Embargos im Golf (MIF) hat
te den Tanker am Mittwoch aufgebracht. Die
USA hegten den Verdacht, dass Erdöl aus dem
Irak geschmuggelt und damit gegen das UNO-
Embargo gegen Bagdad Verstössen wurde.
Russland hatte die Vorwürfe kategorisch be
stritten und die sofortige Freigabe des Tankers
gefordert.
Clinton legt Budget über
1,84 Billionen Dollar vor
WASHINGTON: US-Präsident Bill Clinton
hat am Montag für 2001 einen Staatshaushalt
von 1,84 Billionen Dollar vorgelegt. Er sieht ei
ne Steigerungsrate von 2,5 Prozent vor. Die
höchste Zunahme im Vergleich zum Etatjahr
2000 ist für die Verteidigung mit 11,3 Milliar
den Dollar eingeplant. Die Kampfbereitschaft
der Streitkräfte, modernste Waffensysteme
und die Entwicklung des umstrittenen Natio
nalen Raketenabwehrsystems sind Schwer
punkte des Militärbudgets. International vor
rangige Ausgaben sind 1,8 Milliarden Dollar
für Wirtschafts- und Militärhilfe zur «Abfede
rung» des angestrebten Nahostfriedens, 600
Millionen Dollar Schuldenerlass für die ärms
ten Länder, 428 Millionen Dollar für die Ini
tiative zur Unterstützung Südosteuropas und
175 Millionen Dollar für Kosovo. Neben 954
Millionen Dollar aus dem laufenden Haushalt
sollen weitere 318 Millionen zur Drogen
bekämpfung nach Kolumbien fliessen. 100 Mil
lionen sollen dem Kampf gegen die Immun
schwächekrankheit Aids gewidmet werden.
Der Etat 2001 beginnt am 1. Oktober dieses
Jahres. Die Haushaltsberatungen im Kongress
werden im Schatten des Wahlkampfes um das
Weisse Haus, alle Sitze des Abgeordnetenhau
ses und die 33 Plätze im Senat stehen, der am
7. November entschieden wird. Dank der boo
menden Wirtschaft rechnet Clinton in der Fi
nanzplanung für die nächsten zehn Jahre mit
einem Haushaltsüberschuss von 746 Milliar
den Dollar. 432 Milliarden davon will er zur Sa
nierung des Medicare-Systems, der Kranken
versicherung für Senioren, einsetzen. Das soll
bis 2025 gelingen. Den Rest sowie erwartete
Überschüsse der Sozialversicherung in Höhe
von 2,2 Billionen Dollar möchte er zur Redu
zierung der Staatsschulden einsetzen, so dass
die Supermacht im Jahr 2013 das erste Mal seit
1835 schuldenfrei wäre. Die Ersparnisse bei
den Schuldzinsen sollen der Sozialversiche
rung zu Gute kommen, um sie bis 2050 zu si
chern. Einnahmen der Sozialversicherung kön
nen nach US-Recht im regulären Haushalt ver
bucht, Mehreinnahmen können anderweitig
verwendet werden. Um diese Ziele zu errei
chen, schlägt Clinton für das nächste Jahrzehnt
eine strenge Ausgabendisziplin vor.
Verhandlungen mit Luftpiraten in «kritischer Phase»
LONDON/ISLAMABAD:
Die Entfuhrer eines afghani
schen Passagierflugzeugs ha
ben am Montag in London
acht weitere Geiseln freigelas
sen. Die britischen Behörden
rechneten mit langwierigen
Verhandlungen.
Die Gespräche seien am entschei
denden Punkt angelangt, sagte ein
britischer Polizeisprecher. Strategie
der britischen Behörden ist es, die
Geiselnahme friedlich und ohne Ri
siko zu beenden. Die in Afghanistan
regierenden Taliban-Miliz lehnte
Verhandlungen mit den Entführern
ab.
Vierte erzwungene Landung
Die am Sonntag auf einem In
landflug entführte Boeing 727 der
Afghan Ariana war in der Nacht auf
Montag nach Zwischenlandungen
in Taschkent, Kasachstan und Mos
kau auf dem Londoner Flughafen
Stansted gelandet. Im Laufe des Ta
ges Hessen die Luftpiraten acht wei
tere Geiseln frei. Damit sind seit
Sonntag insgesamt 31 Menschen
aus der Gewalt der Luftpiraten frei
gekommen. Über 150 Menschen
sollen sich noch an Bord befinden,
darunter zahlreiche Kinder.
Während der Verhandlungen mit
den vermutlich sechs Luftpiraten
hatten sich die Behörden zunächst
auf die Bereitstellung von Lebens
mitteln, Babynahrung, Toilettenar
tikeln und einem Generator zur
Luftkühlung konzentriert. Die At
mosphäre an Bord der Maschine
wurde als «ruhig» bezeichnet.
Unbestätigte Forderung
Die Entführer wollen nach unbe
stätigten Berichten die Freilassung
des afghanischen Oppositionspoliti-
Die entführte Maschine wurde kurz nach ihrer Landung in London von bewaffneter Polizei umstellt.
kers Ismail Khan (58) erzwingen,
der 1997 in Taliban-Gefangenschaft
geraten war. Der Führer des afgha
nischen Taliban-Regimes, Mullah
Mohammad Omar, schloss am
Montag jegliche Verhandlungen mit
den Luftpiraten aus. Luftfahrtmini
ster Akhtar Muhammad Mansur
forderte gar die Erstürmung des
Flugzeugs durch die britischen Si
cherheitskräfte.
Von bewaffneter Polizei
umstellt
Die Maschine steht von der Öf
fentlichkeit abgeschirmt abseits
vom Terpiipal des Reiseflughafens
östlich von London. Sie ist von be
waffneter Polizei umstellt.
Es wurde vermutet, dass auch die
Anti-Terror-Einheit Special Air Ser
vices (SAS) bereitsteht. Anti Terro-
rismus-Experten sind an den Ver
handlungen beteiligt, die in engli
scher Sprache geführt werden. Es ist
das erklärte Ziel der britischen
Behörden, die Entführung in Lon
don zu beenden. Polizei und Innen
ministerium betonten, sie hofften
auf eine friedliche Lösung. «Es ist
normalerweise nicht üblich, dass wir
einmal gelandete Flugzeuge wieder
abfliegen lassen», sagte Polizeispre
cher Broughton. Die britische Re
gierung stehe in engem Kontakt mit
den Behörden in Moskau und ande
ren «zuständigen Regierungen»,
fügte er hinzu. Der Reiseverkehr auf
dem Flughafen Stansted wurde von
den Vorgängen stark beeinträchtigt.
Nur wenige Flüge konnten abgefer
tigt werden. Nach Angaben seines
Direktors, John Stent, ist Stansted
besonders gut auf Entführungsfälle
vorbereitet. Es ist bereits das dritte
Mal innerhalb der vergangenen 20
Jahre, dass in Stansted mit Entfüh
rern verhandelt wird. Zuletzt war
1996 erfolgreich mit den irakischen
Entführern eines sudanesischen
Airbus verhandelt worden. Alle 197
Passagiere kamen frei. Die Luftpira
ten wurden in Grossbritannien vor
Gericht gestellt.
Mesic oder Budisa?
Kroatien hat in Stichwahl neues Staatsoberhaupt gewählt
ZAGREB: Mit der Wahl eines neu
en Präsidenten als Nachfolger von
Franjo Tudjman hat Kroatien am
Montag die politische Erneuerung
der Staatsführung abgeschlossen.
Letzte Umfragen verhiessen ein
Kopf-an-Kopf-Rennen.
Insgesamt 4,2 Millionen Wähler
konnten in einer Stichwahl zwi
schen dem Sieger der ersten Run
de, dem 65-jährigen Stipe Mesic
von der Zentrumspartei HNS, und
dem 51-jährigen Sozialliberalen
Drazen Budisa entscheiden. Beide
kündigten politische Reformen an,
die den Bruch mit dem bisherigen
autokratischen Präsidialsystem be
deuten.
Die Wahllokale schlössen um
19.00 Uhr, ohne dass Zwischenfälle
gemeldet wurden. Die staatliche
Wahlkommission wollte um
Mitternacht ein erstes, vorläufiges
Ergebnis veröffentlichen. Bis
um 16.00 Uhr hatten etwa 52 Pro
zent der Wähler ihre Stimme ab
gegeben, insgesamt weniger als
Stipe Mesic zeigte sich bei der Stimmabgabe siegessicher.
in der ersten Runde vor zwei
Wochen. Am Morgen hatte die
Wahlbeteiligung zunächst noch
höher gelegen.
Siegessicherer Mesic
Beide Kandidaten gehören zu
den Parteien der neuen Mitte-
Links-Regierung, die beiden Parla
mentswahlen am 3. Januar über die
seit der Unabhängigkeit regierende
HDZ gesiegt hatten. Mesic, letzter
Präsident des alten Jugoslawiens,
zeigte sich in Zagreb bei der Stimm
abgabe vor Journalisten überzeugt,
mit einem Vorsprung von vier Pro
zentpunkten zu gewinnen. «Meine
europäische Option ist klar», führte
er zur Begründung an. Dagegen
sagte Budisa nur: «Kroatien wird
die richtige Wahl treffen.» Beide
Kandidaten verfolgen mit dem Ver
sprechen einer Annäherung an die
Europäische Union (EU) und der
Stärkung einer parlamentarischen
Demokratie ähnliche Ziele. In den
Umfragen war der Vorsprung von
Mesic zuletzt geschwunden, wäh
rend Budisa deutlich zulegte. Die
Wahlen waren nach dem Tod des
Präsidenten Tüdjman am 10. De
zember nötig geworden. Sie vollen
den den Machtwechsel in der einsti
gen jugoslawischen Teilrepublik.
Kroatien war unter Hidjman zuneh
mend aussenpolitisch isoliert.
Pariser Behörde: Scientology «totalitär
Scientology-Organisation bedrohe Menschenrechte
»
PARIS: Die Sdentology-Organisati-
on bedroht nach Einschätzung der
französischen Sektenbekämpfungs
behörde «die Menschenrechte und
das gesellschaftliche Gleichgewicht».
Scientology propagiere zwar auch
religiöse Ziele, sei aber eine Organi
sation mit «totalitärer Struktur»,
heisst es im Bericht der Regierungs
behörde zur Bekämpfung der Sek
ten (MILS), der am Montag in Paris
Premierminister Lionel Jospin
überreicht wurde. Damit gehöre
Scientology zu jenen Gruppen, die
eine Gefahr für die «öffentliche
Ordnung» und «die menschliche
Würde» bedeuteten. Die MILS-Stu-
die nennt zwar Möglichkeiten von
Justiz und Verwaltung, gegen Scien
tology vorzugehen, überlässt die
Entscheidung jedoch der Politik, ob
die Organisation verboten werden
soll. Der Staat dürfe zwar nicht über
«den Inhalt von Glaubensüberzeu
gungen oder Ideologien» richten,
müsse aber darauf achten, dass
nicht «unter dem Deckmantel per
sönlicher Überzeugungen Gesetze
übertreten werden», betont die
Behörde in dem Bericht. Sekten be
nutzten häufig eine «religiöse Mas
ke». MILS-Chef Alain Vivien hatte
Scientology bereits vor Monaten in
einem Zeitungsinterview als «tota
litäre» und «extrem gefährliche»
Sekte eingestuft, die in Frankreich
verboten werden sollte. Der MILS-
Bericht führt neben Scientology na
mentlich nur noch den Orden der
Sonnentempler als gefährliche Or
ganisation an. Die MILS distanzier
te sich von der Einschätzung der
Scientology- Organisation in den
USA. Dort «gemessen Sekten einen
ausserordentlichen Schutz, sobald
sie sich selbst für religiös erklären»,
hiess es dazu.