Ein Hospital
Seit Jahren gehört das Weihnachts-Opfer
RELIGION
Dienstag, 28. November 2000 23
»spital im Kreuzfeuer
s Weihnachts-Opfer in den Kirchen dem Kinderspital in Bethlehem
NACHRICHTEN
Das deutsch-schweizerische Hilfswerk unterhält das Kinderkrankenhaus mit 82 Betten.
Liechtensteiner VOLKSBLATT
Es ist Nacht im Westjor
danland. Die Strassen von
Bethlehem sind leer. Es
herrscht eine gespannte
Atmosphäre. Plötzlich
fällt der Strom aus. Mit
lautem Getöse springt das
Notstromaggregat des Ca
ritas Baby Hospitals an.
Wie schon in den Nächten
zuvor sorgt ein PS-starker
Dieselmotor dafür, dass
die wichtigen medizini
schen Geräte im Kinder
krankenhaus Strom er
halten.
Rings herum bleibt es dunkel.
Für einen Augenblick scheint es
so, als sei das Caritas Baby Hos
pital eine Insel in den gewaltsa
men Auseinandersetzungen
zwischen Palästinensern und Is
raelis. Doch der Schein trügt.
Das Hospital und seine 200 Mit
arbeiter stehen mitten im Nah
ost-Konflikt. «Wir erleben die
neue Not, die dieser Kampf
bringt, unmittelbar. Unsere Ar
beit wird von Tag zu Tag
schwieriger», sagt Klaus Röllin,
Geschäftsführer der Kinderhilfe
Bethlehem. Das deutsch-
schweizerische Hilfswerk unter
hält das Kinderkrankenhaus mit
82 Betten für bedürftige Kinder.
Zermürbende Nächte
Müde und zermürbt tritt die
Frühschicht am nächsten Mor
gen ihren Dienst im Hospital
an. Auch von ihnen hat kaum
jemand geschlafen. Die Ärzte,
die schon seit mehreren Tagen
im Hospital übernachten, sind
aus Sorge um ihre Familien
nicht zur Ruhe gekommen.
Bethlehem und die Dörfer der
Umgebung sind abgeriegelt.
Die Menschen sind einge
schlossen. «Einige unserer Ärz
te haben ihre Familien schon
seit Tagen nicht mehr erreichen
können. Auf dem Weg nach
Hause werden sie an den Stras-
sensperren zurückgewiesen»,
beklagt Röllin, der sich zurzeit
vor Ort ein Bild von der Lage
macht.
Um Jahre zurückgewor
fen
Was die Gesundheit der Kin
der von Bethlehem betrifft,
wird das tatsächliche Ausmass
dieses Konflikts erst Monate
später zu erkennen sein. In die
sem Punkt ist sich Klaus Röllin
sicher. «In unserem Kampf ge
gen die Armutskrankheiten
wurden wir um Jahre zurück
geworfen.» Denn die Armut
Der Papst übertrug Jacques
Gaillot den Titel eines Bischofs
von Partenia, einem Ort, der
seit vielen Jahrhunderten unter
nordafrikanischem Wüs
tensand begraben liegt. Gaillot
besuchte kürzlich die Schweiz.
Mit Bischof Jacques Gaillot
sprach Walter Ludin
Wie fühlen Sie sich als «Wüs
tenbischof»?
Jacques Gaillot: Ich wohne
im Haus der Ordensschwestern
vom Heiligen Geist in Paris, zu
sammen mit rund 60 Men
schen, mit Priestern, Nichtpries-
wächst von Tag zu Tag. Es gibt
für die Palästinenser kaum
noch Möglichkeiten, Geld zu
verdienen. Wenn es für das täg
liche Brot nicht mehr reichte,
werde auch bei den Medika
menten gespart, so Röllin wei
ter. Er macht sich Sorgen um
die Versorgung des Hospitals
mit Medikamenten. Wenn die
Grenzen zu Israel abgeriegelt
bleiben, kann das Caritas Baby
Hospital keine neuen Lieferun
gen erhalten. Auch Pilgergrup
pen, die früher bei ihren Besu
chen im Hospital Medikamente
und Decken mitgebracht ha
ben, bleiben aus. Die Menschen
im Caritas Baby Hospital wis
sen, dass der Frieden im Heili
gen Land in weite Ferne
gerückt ist. Aber die Kinderhil
fe Bethlehem gibt nicht auf.
Kleine Brücke unter den
Friedensbrücken
Als Pater Ernst Schnydrig am
Heiligen Abend 1952 erlebt,
wie ein verzweifelter Vater sein
Kind in der Nähe eines Flücht
lingslagers im Morast beerdigt,
ist er tief erschüttert. Kurz ent
schlossen mietet er ein Haus,
stellt 14 Betten hinein und
nennt es optimistisch «Caritas
Baby Hospital». Nie wieder soll
einem Kind in Bethlehem die
medizinische Hilfe verwehrt
bleiben, die es benötigt.
tern, Studenten und Gästen.
Tagsüber bin ich unter den ille
galen Einwanderern. An ihrem
Treffpunkt finde ich immer
rund 300 Personen. So bin ich
stets unter Menschen, unter
Gläubigen und Ungläubigen,
unter Christen und Muslimen.
Die Absetzung als Bischof war
für Sie also eine Art Befreiung?
Ich besitze nun die Freiheit,
ausserhalb aller Institutionen
zu sein. So lebe ich Schulter
an Schulter mit den Men
schen, vor allem mit jenen
«ausserhalb der Mauern». Ich
verfüge in meinen Entschei
dungen über weit mehr Spiel-
Das Caritas Baby Hospital
mit seinen 82 Betten ist heute
mehr als nur ein Krankenhaus.
Mit den Jahren entstand ein
Ausbildungs und Gesundheits
zentrum, das sich nicht mehr
nur damit zufrieden gibt,
Krankheiten zu heilen. Seit den
70er Jahren fahren geschulte
Schwestern in die Dörfer der
Umgebung, um die Mütter in
der Säuglingspflege und Hygie
ne zu unterrichten. Der Sozial
raum als innerhalb einer Diö
zese.
Man spricht vom Winter der
Kirche. Erwarten Sie einen
Frühling?
Den Frühling kann niemand
aufhalten! Ich sehe ihn an der
Basis keimen und wachsen. Da
steigen Lebenssäfte und -kräfte
auf. Ich denke an Menschen, die
nicht ständig auf Gebote und
Verbote warten. Sie gehen auf
ihrem eigenen Weg vorwärts.
In Ihrem Brief, den Sie im Ok
tober fürs Internet schrieben,
bezeichnen Sie die Flüchtlin
ge aus Nordafrika als «Märty
rer des Elends». Wie kommen
i
Sie zu diesem Ausdruck?
In Spanien traf ich viele Ma
rokkaner in sehr misslichen Ver
hältnissen. Sie hatten ihre Heimat
verlassen und waren nach Euro
pa geflohen, voller Hoffnung auf
ein besseres Leben. Es waren Ju
gendliche von 12 bis 15 Jahren
darunter. In Spanien kam es im
Februar zu einem regelrechten
Aufstand gegen die Flüchtlinge.
Man verbrannte ihre Lager und
Unterkünfte, verwundete 65
Menschen und trieb andere hin
auf ins Gebirge. Als ich davon
las, bat ich den Ortsbischof: «Tun
$ie doch alles erdenklich Mögli
che fiir diese Menschen, unsere
Mit-Menschen!»
(Bilder: Kinderhilfe Bethlehem)
ab
Sie sind ein Bischof der Ar
beitslosen, Papierlosen oder
Obdachlosen. Wie weit ge
lingt es Ihnen, Ihre Mitbrüder
für diese Marginalisierten zu
interessieren?
Dem Bischof von Paris riet
ich, zu den Flüchtlingen zu
gehen, die in grossem Elend
leben. Auch den Nuntius bat
ich: «Bitte, kommen Sie heraus
aus ihrem Palast, auf die
Strasse. Sie wissen doch, was
Franziskus getan hat und heu
te täte. Er stammt doch aus
derselben Stadt wie Sie». Wor
auf der Nuntius sagte: «Ja,
aber der war eben nicht Nun
tius.»
BUCH-TIPPS
■ Islam kurz
gefasst
Über zwei Millionen Musli
me leben unter uns. Von Ju
gend an ist ihr Leben vom
Koran geprägt. Der Islam
bestimmt ihr Denken und
gibt ihrem Leben eine klare
, kurzgefaßt
mmhhmmbi
Y«A V -
< \r'4 • » |
| *Islam kurz gefasst» von
i Adel Th. Khoury (Bild) ist
| als Taschenbuch im Verlag
j Josef Knecht erschienen.
i
i
* Ordnung. Er ist aber auch
! eine weltpolitische Kraft,
j wie Ereignisse vor allem im
| Vorderen Orient immer wie-
■ der zeigen, beansprucht er
' doch, die «beste Gemein-
j schaft» der Menschen zu
i sein. Dieses Buch erläutert
j fundiert und kurz gefasst
l die Grundlehre des Islam,
seinen Anspruch und seine
1 Bedeutung für das konkrete
: Leben der Muslime.
| Du bist ganz nah
1 Um das Positive im Leben
j zu zeigen, uns zu vermit-
■ teln, dass es auch in
, schwierigen Situationen le
benswert ist - das war
schon immer die grosse
; Stärke von Helmut Zöpfl.
s Dass seine Einstellung zum
i Dasein auf einem tiefen
■; Gottvertrauen beruht, zeigt
> fDu bist ganz nah - Gebete
j und Meditationen» von Hel-
j mut Zopf! (Bild) ist fiir 14
1 Franken im Rosenheimer-
' Verlag erschienen.
\ er in diesen Gebeten und
I Meditationen. Mal drücken
I sie Freude am Leben aus,
j mal die Zuversicht, dass -
; wenn Trost und Hilfe
! benötigt wird - einer immer
j für uns da ist.
1 VERANSTALTUNGEN
I Gottesdienst
I Gottesdienst der von der Li-
j turgiegruppe des «Vereins
für eine offene Kirche» mit-
gestaltet wird.
Sonntag, 3. Dezember, 11
Uhr in der Klosterkapelle,
St. Elisabeth, Schaan.
| Tag für mich
Dieser Tag vor dem Weih
nachtsfest gibt die Möglich
keit zur Ruhe zu kommen
und sich selbst neu zu ent
decken.
Samstag, 9. Dezember von
9.30 Uhr bis 17.30 Uhr,
Kloster St. Elisabeth Schaan
(Anmeldung durch Erwach
senenbildung).
dienst des Hospitals besucht die Mitarbeiterinnen haben die spi-
Familien der kranken Kinder, taleigene Krankenpflegeschule
um etwaige Ursachen für die besucht.
Erkrankungen zu finden. Des Pater Ernst Schnydrig blieb
weiteren unterhält das Caritas es verwehrt, diese Entwicklung
Baby Hospital für seine 200 mitzuerleben. Der 65-Jährige
Angestellten einen eigenen starb 1978 wenige Tage vor der
Kinderhort, in dem die Kinder Einweihung des Neubaus. Für
während der Arbeitszeit der ihn war das Caritas Baby Hos-
Mütter betreut werden. Nur so pital eine «kleine Brücke unter
ist es vielen Frauen überhaupt den Friedensbrücken». Seine
möglich, Beruf und Familie zu Worte sind heute mehr denn je
verbinden. Viele der jetzigen Aufgabe und Ziel zugleich.
Es gehört bereits zur Tradition, dass das Weihnachts-Opfer in den Gottesdiensten fiir das Kinder
krankenhaus in Bethlehem bestimmt ist. Insgesamt werden 2 Millionen Franken gesammelt, wovon
im vergangenen Jahr 37 000 Franken aus Liechtenstein kamen.
«Ich habe heute mehr Spielraum»
Vor fünf Jahren setzte der Vatikan Jacques Gaillot als Bischof von Evreux in Frankreich