40 Samstag, 25. November 2000
AUSLAND
Liechtensteiner VOLKSBLATT
NACHRICHTEN
Ehemaliger SS-
Mann verurteilt
VERONA: Ein italienisches
Militärgericht hat gestern
einen ehemaligen An
gehörigen der SS in Abwe
senheit zu lebenslanger Haft
verurteilt. Nach Justizanga
ben in Verona wurde der
76-jährigen Misha Seifert
für 18 Fälle von Mord und
Folter zwischen Juni 1944
und April 1945 für schuldig
befunden. Der gebürtige
Ukrainer soll die Taten in
einem Konzentrationslager
in Bozen begangen haben,
als Norditalien durch deut
sche Truppen besetzt war.
Während dieser Zeit wurden
insgesamt etwa 11 000 Ju
den, politische Gefangene
und Deserteure in dem La
ger gefangen gehalten.
Serbisches Ulti
matum an KFOR
BELGRAD/PRISTINA: Die
serbische Polizei hat die
Kosovo-Friedenstruppe
KFOR am Freitag ultimativ
aufgefordert, die Gewaltta
ten albanischer Unabhän
gigkeitskämpfer in Südser
bien zu unterbinden. Die
Frist von 72 Stunden laufe
ab Freitag 19 Uhr (MEZ),
sagte der serbische Ko-In-
nenminister Bozo Prelevic
in Belgrad. In den vergan
genen Tagen war es wieder
holt zu anti-serbischen An
schlägen gekommen. Die
Kosovo-Friedenstruppe
KFOR forderte die Rebellen
zu einem Waffenstillstand
auf. Die KFOR sei sich der
Eskalation des bewaffneten
Konflikts zwischen der ser
bischen Polizei und lokalen,
bewaffneten Albaner-
Gruppen in der Pufferzone
zum Kosovo bewusst, teilte
KFOR-Sprecher Mark Whit-
ty gestern Abend in Pristi
na mit. Die Situation werde
genau beobachtet.
Mugabe-Anhänger
stürmten in
Oberstes Gericht
HARARE: Hunderte von
Anhängern der simbabwi-
schen Regierungspartei ZA-
NU-PF von Präsident Robert
Mugabe haben gestern in
der Hauptstadt Harare den
Obersten Gerichtshof ge
stürmt und den Abbruch ei
ner Verhandlung über die
Agrarkrise in Simbabwe er
zwungen. Vertreter des
Dachverbandes der weissen
Farmer (CFU) hatten Ein
spruch gegen eine frühere
Gerichtsentscheidung einge
legt, wonach die Polizei
nicht gehalten ist, schwarze
Landbesetzer von Besitzun
gen weisser Farmer zu ver
treiben. Nach einer 90-
minütigen Unterbrechung
kehrten die fünf Obersten
Richter in den Verhand
lungssaal zurück und ent
schieden zu Gunsten der
Farmer. Etwa 200 meist Ju
gendliche waren lärmend in
den Verhandlungssaal ein
gedrungen, ohne dass die
anwesende Polizei eingriff.
Die Unruhestifter riefen
«Nieder mit den Weissen»
und zeigten Transparente
mit der Aufschrift: «Die Ge
richte gehören dem Volk».
CFU-Direktor David Hasluck
erhielt mehrere Stockschlä
ge auf den Kopf. Auch
weisse Pressevertreter wur
den aus dem Verhandlungs
saal gejagt.
Mahnungen und Milliardenhilfen
Gipfel EU-Balkanstaaten: Djukanovic will Serbien ünd Montenegro als Union unabhängiger Staaten
ZAGREB: Nach einem
Jahrzehnt der Kriege hat
die EU den Balkan-Staaten
den Weg zu einem Beitritt
in die Union abgesteckt.
Der französische Staats
chef und EU-Ratspräsident
Jacques Chirac bot beim
EU-Balkan-Gipfel in Zag
reb am Freitag den Län
dern der Region «wirkliche
Partnerschaft» an.
Zugleich stellte er aber klare
Bedingungen für eine volle In
tegration. Ausdrücklich forder
te er, Kriegsverbrecher an das
UNO- Tribunal in Den Haag
auszuliefern sowie Korruption,
Geldwäsche und Men
schenhandel stärker als bisher
zu bekämpfen. Am Gipfel nah
men die 15 EU-Staaten sowie
Kroatien, Albanien, Bosnien-
Herzegowina, Mazedonien, Ju
goslawien und Slowenien teil,
das als einziges der Länder be
reits Beitrittsverhandlungen
BSE bei deut
schen Rihdern
entdeckt
■ HAMBURG/MADRID/PAI IS
Erstmals ist bei . zwei in
- Deutschland geborenen Rin- ;
dem Rinderwahnsinn (BSE);
entdeckt worden. Eines der
Tiere wurde 1996 in Schles
wig-Holstein geboren. • 'Ein
1995 in Sachsen-Anhalt ge- >
borenes Rind wurde in Por- *
tugal positiv getestet. Die Re-
gionalregierung von Schles-
' wig-Holstein bestätigte, den;
dortigen BSE-Verdacht nach
feinem Schnelltest Endgülti- ■
: ge Eigebnisse sollen Anfang
* kommender Woche vorlie- -
|geri. Das Fleisch sei sicher
gestellt, der Schlachthof ge-
• schlössen worden. Die Regio-
& nalregierung kündigte an
jidass schnellstmöglich BSE-\j
pTests beiallenSchlachttieren ?
.'•eingeführt würden, die älter
äseien als 30* Monate. . .. ,
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Die Europäische Union öffnet den ßinf Balkanstaaten Albanien,
Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Jugoslawien und Kroatien die
Tür zur Mitgliedschaß. (Bild: Keystone)
mit Brüssel führt. Mit Mazedo
nien schloss die EU in Zagreb
das erste so genannte Stabili-
sierungs- und Assoziierungs-
abkommen der Region ab. Mit
Kroatien wurden Verhandlun
gen über ein solches Abkom
men aufgenommen.
Der montenegrinische Präsi
dent Milo Djukanovic hingegen
will Serbien und Montenegro
als unabhängige Staaten aner
kannt sehen. Er legte beim Gip
fel einen Fahrplan vor, der zu
einem Bund der beiden Repu
bliken als international aner
kannte Staaten führen so|l.
«Keiner will das frühere '
Jugoslawien»
Vorsichtig zeigte sich der
UNO-Verwalter für das Kosovo,
Bernard Kouchner. Der Sturz
des früheren Präsidenten Slo
bodan Milosevic allein werde
nicht zu einer Befriedung des
Kosovo führen, erklärte er.
Der deutsche Aussenminister
Joschka Fischer sprach mit
Blick auf den Gipfel von einem
«historischen Tag» und einem
Ende 3er Balkankriege. EU-
Kommissionspräsident Romano
Prodi sagte: «Keiner ist dafür,
das frühere Jugoslawien wieder
neu zu erschaffen.»
Weitere Geberkonferenz
vorgesehen
Die EU verpflichtete sich in
der Abschlusserklärung des
Gipfels im Gegenzug für die
Bemühungen der Balkan-Län
der zu einer neue Konferenz,
um weiteres Geld für den Wie
deraufbau der Region zu sam
meln. Eine solche Geberkonfe
renz solle «zum frühestmögli
chen Zeitpunkt 2001» stattfin
den, forderte der Balkan-Koor
dinator Bodo Hombach. Die er
ste Geberkonferenz hatte mehr
als zwei Milliarden Euro (gut
drei Milliarden Franken) für
Projekte wie den Wiederaufbau
von Brücken und Schulen er
bracht. Zudem hat die EU für
die kommenden Jahre insge
samt 4,65 Milliarden Euro
(mehr als sieben Milliarden
Franken) zur Verfügung ge
stellt.
Sorge lösten bei dem Gipfel
treffen die jüngsten Anschläge
und Gewalttaten im Kosovo
aus. Ein politischer Berater des
gemässigten Albanerführers
Ibrahim Rugova war am Don
nerstag in der Hauptstadt Pri
stina erschossen worden.
Gespräche zwischen Barak und Arafat
Verbindungsbüros bleiben offen - Arafat bittet in Moskau um Unterstützung
JERUSALEM: Trotz weiterer
Ausschreitungen in den Auto
nomiegebieten wollen die is
raelische und die palästinen
sische Führung Kontakt hal
ten. Das vereinbarten der is-
, raelische Ministerpräsident
Ehud Barak und der pälasii-'
nensische Präsident Jassir
Arafat gestern.
Barak telefonierte mit dem rus
sischen Präsidenten Wladimir
Putin, der das Gespräch an sei
nen Gast Arafat weiterleitete.
Nach Angaben von Baraks Büro
einigten sich beide, die Verbin
dungsbüros in den paläs
tinensischen Gebieten nicht zu
schliessen. Unterdessen wurden
bei neuen Unruhen gestern er
neut fünf Menschen getötet.
Arafat versicherte in dem Tele
fonat mit Barak, er werde alles
tun, um die Gewalt zu stoppen.
Es war das erste Gespräch zwi
schen . beiden Politikern seit
mehr als drei Wochen. Bei sei
nem Besuch in Moskau sprach
sich Arafat für eine stärkere Ver
mittlerrolle Russlands im Nah-
ost-Friedensprozess aus. Bei der
Begrüssung Arafats rief Putin
zu einem Ende der Gewalt
zwischen Palästinensern und Is
raelis auf. «Jedes Treffen und Ge
spräch wäre nutzlos, wenn wir es
nicht schaffen, das Ausmass der
Auseinandersetzungen und Ge
walt im Nahen Osten zu verrin-
. gern», erklärte er laut einer Mel
dung der Nachrichtenagentur In
terfax.
Arafat sagte, Russland spiele
eine entscheidende Rolle im
Friedensprozess. Die russische
Jassir Arafat (links) und Ehud Barak fiihrten zum erstenmal seit
drei Wochen wieder Gespräche. (Bild. Keystone)
Regierung ist neben den USA
ein Mitorganisator der Frie
densgespräche, hat sich aber
nie so stark engagiert wie die
USA. Beobachter waren daher
skeptisch, dass Arafat in Mos
kau die erhoffte Unterstützung
findet.
UNO-Klimakonferenz
Kein detailliertes Klima-Abkommen
DEN HAAG: Die Klimakonfe
renz in Den Haag droht zu
scheitern. Ein UNQ-Sprecher
sagte am Freitag, ein detail
liertes Abkommen sei bis zum
Ende des Gipfels gestern nicht
möglich. Ein Kompromissvor
schlag des Konferenzvorsit
zenden fand keine Gnade.
Die EU kritisierte den Entwurf
des niederländischen Konfe
renzpräsidenten Jan Pronk als
«unausgewogen und völlig un
akzeptabel». Statt ihren Aus-
stoss von Treibhausgasen wie
1997 in Kyoto vereinbart zu
senken, könnten die Industrie
länder ihre direkten Emissionen
sogar noch erhöhen, bemängel
te die EU. Aber auch die US-De
legation, während der Konfe
renz härteste Widersacherin der
EU, lehnte den Kompromissvor
schlag ab. Scharfer Widerstand
kam von den Umweltorganisa-
tionen. Greenpeace und WWF
sagten, das Papier würde auf ei
ne Unterhöhlung des Kyoto-
Protokolls hinauslaufen.
Der deutsche Umweltminister
Jürgen Trittin sagte, das gröss-
te Manko an dem Entwurf
Pronks sei eine zu weitgehende
Anerkennung von Wäldern als
Klimaschutzmassnahme. Unzu
reichend sei auch die vorgese
hene Bestrafung von Ländern,
die mehr Treibhausgase aus-
stossen als im Kyoto-Protokoll
zugebilligt, sowie die Regelung
über Klimaprojekte im Aus
land.
Das Papier sei kein festgeleg
ter Entwurf, verteidigte sich
Pronk. «Nehmt es und verbes
sert es zusammen», sagte er zu
den Delegierten im Plenum.
UmWeltorganisationen warnten
davor, den Gipfel ohne Eini
gung zu beenden. Die Verhand
lungsgegner schlössen ein Ab
kommen in letzter Minute nicht
aus. Die französische Umwelt
ministerin Dominique Voynet,
sagte, der Vorschlag habe zu
mindest die festgefahrenen Ge
spräche wieder belebt. Auch die
US-Delegation sah noch Mög-
. lichkeiten zu einer Einigung,
solange alle Teilnehmer sich
«flexibel» zeigten.
UNO-Sprecher Michael Wil
liams sagte, Pronk hoffe zu
mindest auf eine grundsätzli
che Einigung. Technische De
tails könnten dann später ge
klärt werden. Die zweiwöchige
Konferenz soll am Samstag
nachmittag enden.
Knacknuss Zinsbesteuerung
Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister
BRÜSSEL/LUXEMBURG: Auf
die Wirtschafts-und Finanz
minister der 15 EU-Staaten
wartet bei ihrem Treffen An
fang nächster Woche die
Knacknuss Zinsbesteuerung.
Noch in der Nacht auf Montag
müssen sie einen Kompromiss
zur Steuerharmonisierung in
nerhalb der EU finden.
Luxemburg, das um den Erhalt
seiner Attraktivität als Finanz
platz kämpft, meldet als einzi
ges EU-Land in allen strittigen
Punkten Vorbehalte an. Die vor
fünf Monaten im portugiesi
schen Feira vereinbarte Steuer
harmonisierung muss jedoch
einstimmig abgesegnet werden.
Meldepflicht
Am EU-Gipfel von Feira hat
ten die Mitgliedländer
grundsätzlich beschlossen, dass
langfristig jedes EU-Land In
formationen über Sparer aus
anderen EU-Ländern an den
Heimatstaat weiterleiten soll.
Die Details dieser Abmachung
blieben aber offen. Im Prinzip
soll die Richtlinie Anfang 2003
in Kraft treten. Nach einer sie
benjähriger Übergangszeit sol
len aber alle Mitgliedländer In
formationen über ihre Sparer
austauschen. In der Übergangs
zeit sollen Länder, welche die
Informationsweitergabe ver
weigern, eine Kapitalertrags
steuer von mindestens 25 Pro
zent erheben, schlägt der fran
zösische EU-Vorsitz vor. Lu
xemburg will maximal 10 Pro
zent. 90 Prozent dieser Einnah
men sollen an das Heimatland
des Sparers überwiesen werden.
Luxemburg wendet sich dage
gen. Belgien will maximal 75
Prozent der Einnahmen weiter
geben. Von etwa 2010 an soll es
dann ausschliesslich eine Mel
depflicht geben. Strittig ist
auch, ob Investmentfonds da
von ausgenommen werden sol
len, wie dies von Luxemburg
gefordert wird.
Basis für Verhandlungen
mit der Schweiz
Falls sich die EU-Wirt-
schafts- und Finanzminister
Anfang nächster Woche
tatsächlich einigen sollten,
würde die Einigung als Grund
lage für Verhandlungen mit
steuergünstigen Nicht-EU-Län-
dern wie die Schweiz, Liechten
stein aber auch den USA die
nen. Bundesrat Pascal Cou-
chepin hatte Mitte Oktober vor
den EU- Finanzministern in
Luxemburg die Bereitschaft der
Schweiz zur Lösung der Zins-
besteuerungs-Frage auf Basis
einer Quellensteuer bekräftigt.
Wesentlich sei dabei, dass eine
Lösung auf der Grundlage einer
Quellensteuer erfolge.
Couchepin: «Meldepflicht
kein Thema»
Eine Meldepflicht ist dagegen
laut dem Vorsteher des Eidg.
Volkswirtschaftsdepartements
«kein Weg, um mit der Schweiz
zu einer Lösung zu gelangen».
Zur Frage einer Rückerstattung
von Quellensteuereinnahmen
an EU-Staaten sagte Couchepin
zudem, dass dies bei Verhand
lungen ebenfalls Gesprächsge
genstand sein könne.
Wie die EU-Staaten wolle
auch die Schweiz ihr Steuer
substrat behalten, machte Cou
chepin dabei klar. «Verhand
lungen sind Verhandlungen.
Man schliesst nicht gleich zu
Beginn die Tür», sagte er. Wich
tig seien aber Verhandlungen,
welche die Interessen beider
Seiten respektierten: «Wir ma
chen keine Geschenke.»