Liechtensteiner VOLKSBLATT
SCHWEIZ
Samstag, 25. November 2000 39
Für tiefere Spitalkosten
Über die Volksinitiative stimmt die Schweiz morgen Sonntag, 26. November ab
Die Initiative <für tiefere Spitalkosten» verlangt insbesondere, dass sich das Vcrsicherungsobligatorium nur auf die Deckung der Spital
kosten beschränkt. (Archivbild)
Die Initiative «für tiefere
Spitalkosten» will eine ra
dikale Änderung des
schweizerischen Kranken
versicherungssystems. Sie
verlangt insbesondere,
dass sich das Versiche-
rungsobligatorium nur
auf die Deckung der
Spitalkosten beschränkt.
Bundesrat und Parlament
lehnen diese Initiative ab,
weil sie die Grundlage der
sozialen Krankenversi
cherung untergraben und
zu einer Zweiklassen-Me
dizin führen würde. Die
Schweiz stimmt morgen
über diese Initiative ab.
Manuela Schädler
Die Schweiz verfügt über ein
qualitativ hochstehendes Ge
sundheitswesen. Gegenwärtig
geben die Schweizer insgesamt
40 Milliarden Franken für ihre
Gesundheit und ihr Wohlerge
hen aus. Die obligatorische
Krankenversicherung, an der
alle teilhaben, deckt mehr als
einen Drittel dieser Kosten und
ermöglicht somit allen den Zu
gang zu medizinischen Leis
tungen von hoher Qualität. Der
restliche Betrag wird entweder
von den Haushalten, den priva
ten Zusatzversicherungen oder
der öffentlichen Hand getra
gen.
Radikale Änderung
Die Initiative schlägt eine ra
dikale Änderung des Systems
der obligatorischen Kranken
versicherung vor, mit dem Ziel,
die Kosten dieser Versicherung
einzudämmen. Sie will zu die
sem Zweck alle Leistungen
ausschliessen, die nicht im
Rahmen eines Spitalaufenthal
tes erbracht werden. Ausser
dem schränkt sie bei einem
Spitalaufenthalt die Entschädi
gung durch die Versicherung
auf höchstens 250 Franken pro
Patient und Tag ein. Das Ziel
der Initiative ist, das umfas
sende und damit teure Versi-
cherungsobligatorium zu be
seitigen. Es soll nur noch das
Obligatorium für die Spitalver
sicherung aufrechterhalten
werden. Das Initiativkomitee
schreibt. «Jede Bürgerin und
jeder Bürger bleibt mit einer
Prämie in der Grössenordnung
von nur 60 Franken pro Monat
für die medizinischen Grossri
siken jedenfalls versichert. Die
nicht teure ambulante medizi
nische Behandlung kann vom
Grossteil der Bevölkerung
selbst berappt werden.» Die
Initiative meint auch, dass da
bei jedem frei stehe, ob er ge
gebenenfalls das Risiko für die
ambulante Behandlung bei der
Krankenversicherung decken
lassen oder gar eine Zusatzver
sicherung bei einer privaten
Versicherungsgesellschaft ab-
schliessen wolle, was bestimmt
billiger zu stehen käme. Mit
der Spitalkostensenkungs
initiative würden die Kantone
mehr Kompetenzen erhalten.
Es wäre die Sache der Kantone,
den finanziellen Bedürfnissen
der Spitäler Herr zu werden
und eine bedürfnisgerechte
Bettenzahl bereitzustellen.
«Diese Initiative trägt also auch
wesentlich dazu bei, den Fö
deralismus in unserem Land zu
stärjt<;i\» was in unserer von
Zentralismus bedrohten Zeit
nur begrüsst werden kann»,
meint das Initiativkomitee.
Bundesrat lehnt Initiative
ab
Der Bundesrat sieht das an
ders. «Die Initiative würde
durch die starke Einschränkung
der Leistungen, welche heute
auf Grund des Krankenversi
cherungsgesetz gedeckt wer
den, die betagten und kranken
Menschen strafen», schreibt der
Bundesrat in der Stellungnah
me. Es gäbe auch zu bedenken,
dass von den 14 Milliarden
Franken, die heute von der
Krankenversicherung getragen
werde, nur rund ein Viertel für
die Spitalleistungen aufge
wendet werden. Bei Annahme
der Initiative müssten also die
Patienten drei Viertel der Kos
ten, die heute von der Kranken
versicherung getragen werden,
selbst übernehmen. Der Bun
desrat meint zwar, dass diese
Leistungen durch eine Zusatz
versicherung gedeckt werden
können. Aber es müssten dabei
mit erhöhten Prämien oder
Versicherungsvorbehalten zu
rechnen sein. «Für Dialysen
zum Beispiel bezahlt die Kran
kenversicherung je Patient und
Jahr 80 000 Franken. Wenn
solche ambulanten Behandlun
gen von der Versicherung aus
geschlossen wären, würden
viele Patienten finanziell rui
niert, oder sie müssten darauf
verzichten», schreibt der Bun
desrat weiter. Sie denkt auch,
da die Patienten, die keine Zu-
satzversichemng abgeschlos
sen hätten, sich vermehrt im
Spital behandeln lassen wür
den, weil nur diese Leistungen
entschädigen würden. «Die Zu
nahme der teuren Behandlun
gen im Rahmen eines Spital
aufenthaltes würde die Kosten
in Wirklichkeit in die Höhe
treiben und sie nicht senken
wie es die Initiative vor gibt»,
schreibt der Bundesrat. Er
denkt auch, dass die Bürger der
Schweiz mehr Steuern bezah
len müssten, da der Staat für
die Differenz der jetzigen 300
Franken für den Spitalaufent
halt und den 250 Franken ent
schädigen müsste. Und auch
die Erweiterung der Spitäler
muss der Saat finanzieren. Der
Bundesrat meint auch, dass die
grundsätzliche Infragestellung
des mit dem Krankenversiche
rungsgesetzes eingeführten
Systems, wie dies die Initiative
vorschlage, um so weniger ge
rechtfertigt sei, als der Bundes
rat bereits Reformen zur Ein
dämmung der Kostensteige
rung in der Krankenversiche
rung eingeleitet habe und dabei
zugleich für eine Stärkung der
sozialen Krankenversicherung
sorgen soll.
Bundespersonalgesetz soll Beamtenstatus abschaffen
In der Schweiz stimmt morgen das Volk über das Bundespersonalgesetz ab
Die Arbeitgeber nach dem Bundespersonalgesetz wären: Bundesverwaltung, Bundesversammlung fiir
Parlamentsdienste, Schweizerische Pöst, Schweizerische Bundesbahn und Bundesgericht. (Bild: Key)
Ob das Bundespersonalgesetz
(BPG) das Beamtengesetz aus
dem Jahr 1927 ablösen soll,
wird morgen bei der Volksab
stimmung in der Schweiz ent
schieden. Das BPG ermöglicht
der Verwaltung, der Post und
SBB eine zeitgemässe Perso
nalpolitik und fördert damit
wirtschaftliches, unbürokrati
sches Arbeiten. Das neue Ge
setz schafft den Beamtensta
tus ab, gewährt aber einen
ausgebauten Kündigungs
schutz.
Manuela Schädler
Das Bundespersonalgesetz ist
ein von Grund auf neuer Erlass,
der für gut 105 000 Mitarbeiter
der Verwaltung, der Post und der
SBB gilt. Es ist ein Rahmenge
setz, dass ermöglicht, die Perso
nalpolitik auf die konkreten Be
dürfnisse zuzuschneiden.
Die engmaschigen Regelun
gen des Beamtengesetzes von
1927 sollen eine zeitgemässe
Personalpolitik des Bundes er
schweren. Deshalb haben Bun
desrat und Parlament eine Total
revision dieses Gesetzes be
schlossen. Das Bundespersonal
gesetz enthält nur wenige De-
tailregelungen, darunter vor al
lem Schutzbestimmüngen für
die Arbeitnehmer des Bundes. Es
schafft zwar den Beamtenstatus
ab und nähert sich dem Obliga
tionenrecht an. Der Bund soll
aber dank einem ausgebauten
Kündigungsschutz und einer ho
hen Beschäftigungssicherheit
ein verlässlicher Arbeitgeber
bleiben.
Bei der Aufhebung des Beam
tenstatus entfällt mit wenigen
Ausnahmen die Wahl für eine
vierjährige Amtsdaüer. An die
Stelle des Beamtenstatus tritt ei
ne kündbare, öffentlich-rechtli
che Anstellung. Für Bundesan
gestellte, die ihre Leistungen er
bringen, soll jedoch das neue
Gesetz eine hohe Beschäfti
gungssicherheit bieten. Es wurde
ein Kündigungsschutz erarbei
tet. Der Bund kann sich von Mit
arbeitern trennen, deren Leis
tungen oder Verhalten trotz
schriftlicher Mahnung mangel
haft bleibt. Ohne eigenes Ver
schulden darf Angestellten nur
aus schwerwiegenden wirt
schaftlichen oder betrieblichen
Gründen gekündigt werden.
Sollten Entlassungen in grösse
rem Umfang notwendig werden,
verpflichtet das neue Gesetz Ver
waltung, Post und SBB, mit den
Personalverbänden einen So
zialplan zu erarbeiten. Entlas
sungen ohne gesetzlichen Grund
sind nichtig; in einem Streitfall
trägt der Arbeitgeber vor Gericht
die Beweislast. Beim Lohn ver
langt das neue Gesetz eine regel
mässige Personalbeurteilung da
mit die Angestellten nach ihrer
Leistung bezahlt werden kön
nen. Auch bei den Arbeitsverträ
gen ändert sich einiges. Bis jetzt
hat der Bund Anstellungen ho
heitlich verfügt. Mit dem
Bundespersonalgesetz erhalten
die Mitarbeiter Einzelarbeitsver
träge. Es ermöglicht auch den
Abschluss von öffentlich-recht
lichen Gesamtarbeitsverträgen.
Wenn das neue Gesetz mit sei
nen Ausführungsbestimmungen
keine spezielle Regelungen vor
sieht, gilt das Obligationenrecht.
Referendum gegen das
Bundespersonalgesetz
«Das Referendum bekämpft
die mit diesem Gesetz geplan
ten weiteren und massiven Ver
schlechterungen der Arbeitsbe
dingung des Bundespersonals
und die damit verbundenen ne
gativen Auswirkungen auf den
Service public», macht das Re
ferendumskomitee geltend. Das
Gesetz sei für die Anstellungs
bedingungen keine ausreichen
de Grundlage. Das Komitee
denkt auch, wenn das Gesetz so
in Kraft tritt, setzte es ein Sig
nal zur Deregulierung der Ar
beitsbedingungen und für den
Sozialabbau bei Kantonen, Ge
meinden und in der Privatwirt
schaft. Das Referendumskomi
tee beanstandet folgende Punk
te: 1. In wichtigen Bereichen
(Lohn, Arbeltszeit, Sozialzula
gen) ist es ein völlig inhaltslo
ses Gesetz, welches in der An
wendung der Willkür Tür und
Tor öffnet; 2. Es beinhaltet ei
nen ungenügenden Kündi
gungsschutz, sogar Massenent
lassungen sind ausdrücklich
vorgesehen; 3. Es besteht die
Absicht, die Schere zwischen
tiefen und hohen Löhnen mas
siv zu öffnen, bei den unteren
Einkommen Lohnabbau zu be
treiben und gleichzeitig die
obersten Kaderlöhne explodie
ren zu lassen; 4. Es stellt deri
Teuerungsausgleich in Frage
und es bietet keinen Schutz
für Zehntausende von Aushil
fen.
Stellungnahme des
Bundesrates
«Die Zeiten haben sich geän
dert» schreibt der Bundesrat in
der Stellungnahme. Er meint
damit, dass das Beamtengesetz
veraltet ist und nicht mehr er
möglicht, die schwierigen
Dienstleistungen zu erbringen.
«Der Bund bleibt ein sozialer
Arbeitgeber», meint der Bundes
rat weiter. Das Gesetz verpflich
te den Bund, seine Verantwor
tung als sozialer und verlässli-
cher' Arbeitgeber wahrzuneh
men. «Der Erlass ermöglicht der
Post und SBB erstmals, mit den
Organisationen ihres Personals
öffentlich-rechtliche Gesamtar
beitsverträge auszuhandeln»
macht der Bundesrat weiter gel
tend. Das Bundespersonalgesetz
verbiete Willkür - auch bei der
Lohnflndung. «Die aktuellen
Löhne werden im Übergang
zum neuen Lohnsystem weiter
bezahlt», heisst es in der Stel
lungnahme. Das Gesetz gäbe
zudem die personalpolitischen
Ziele vor und verlange, dass die
Arbeitgeber dem Parlament Be
richt erstatte. Das Bundesperso
nalgesetz biete auch eine hohe
Beschäftigungssicherheit. «Der
Kündigungsschutz ist keines
wegs ungenügend, wie dies das
Referendumskomitee behauptet,
geht er doch entschieden über
die Bestimmungen des Obliga
tionenrechts hinaus», meint der
Bundesrat.