Liechtensteiner VOLKSBLATT
WIRTSCHAFT
Freitag, 24. November 2000 21
«Wir haben die Nase voll!»
SEV und SBB tragen Lohndiskussionen öffentlich aus - SBB wirft Gewerkschaft falsche Zahlen vor
BERN: Der Schweizerische
Eisenbahn- und Verkehrs-
personal-Verband (SEV)
macht Druck auf die
Lohnverhandlungen mit
den SBB. Auf Flugblät
tern, die im Berner Bahn
hof verteilt wurden,
warnte der SEV vor
Kampfrnassnahmen. Die
SBB reagierten mit Unver
ständnis und warfen der
Gewerkschaft das Hantie
ren mit falschen Zahlen
vor.
«Wir haben die Nase voll!»
heisst es auf den 7000 Flugblät
tern, die von SEV-Mitgliedern
am Donnerstag an Bahnpassa
giere in Bern verteilt wurden.
Seit 1996 zahle die Bahn kei
nen Teuerungsausgleich und
keine Lohnverbesserungen
mehr. Zugleich sei die Produk
tivität um 30 Prozent gestie
gen, und das SBB-Management
habe jede vierte Stelle abge
baut. Die Manager der SBB AG
hätten sich in zwei Verhand
lungsrunden dem SEV und
ihrem Personal gegenüber stur
und kompromisslos gezeigt. Die
SBB habe ihre Personalplanung
nicht im Griff. 350 000 Tage
Überzeit habe das Personal al
lein in diesem Jahr freiwillig
geleistet. Die Bähnierinnen und
Bähnler drohten, in den kom
menden Wochen keine Über
stunden mehr zu leisten und
nicht mehr auf Rasttage zu ver
zichten. Auswirkungen auf den
Bahnbetrieb wären dabei nicht
zu vermeiden. Bei der Flug-
blatt-Aktion handle es sich um
eine Sensibilisierungs- und In
formationskampagne, sagte
SEV-Sprecher Stephan Appen
zeller. Die Kundschaft habe sich
sehr interessiert gezeigt. Die
Aktion werde in der kommen
den Woche auf weitere Städte
ausgedehnt.
SBB reagierten mit Un
verständnis
Die SBB reagierten mit Un
verständnis auf die Aktion.
Man stehe mitten in den Ver
handlungen, sagte Daniel
Nordmann, Personalchef der
SBB. Er zweifle daran, ob eine
solche Aktion mithelfe, Lösun
gen zu finden. Mit Aussagen
wie «Überstunden bis zum Um
fallen» und «Null Franken
Teuerungsausgleich» operiere
der SEV mit falschen Zahlen.
Seit 1. Juni 2000 gilt bei den
SBB laut Mitteilung die 39-
Stunden-Woche. Dabei handle
es sich um eine Reduktion von
zwei Arbeitsstunden pro Wo
che. Die SBB hätten mit den
Personalverbänden bereits im
Mit einer Flugblattaktion auf den Bahnhöfen hat das gewerkschaftlich organisierte SBB-Personal am
Donnerstagmorgen gegen die Lohnpolitik der SBB protestiert.
April 1999 Folgendes verein
bart: die Hälfte der Arbeitszeit
verkürzung um zwei Stunden
pro Woche kompensiert je ein
Prozent des für die Jahre 2000
und 2001 geplanten Teuerungs
ausgleichs. Die Überzeit bei
spielsweise betrage per Ende
September 42.776 Tage, das
entspreche 1,66 Tage pro Mit
arbeiterin und Mitarbeiter. Zu
sätzlich bestünden Ansprüche
pro Mitarbeiterin und Mitarbei
ter für Ferien (2,1 Tage) und
Dienstaltersgeschenk (drei Ta
ge). Die restlichen Tage bezö
gen sich vermutlich auf
Schwankungen im Rahmen der
Jahresarbeitszeit. Die Lohnfor
derungen der Sozialpartner
Wirtschaft fordert Ausbau
• n
Economiesuisse lässt Frage eines EU-Beitritts offen
Markenrechtsstreit um E-Klasse
ZÜRICH: Die Schweizer Wirt
schaft verlangt einen weiteren
Ausbau der Beziehungen zur
EU. Konkret lässt der Dach
verband economiesuisse of
fen, ob dies auf bilateralem
Weg oder über einen EU-Bei-
tritt erfolgen soll. Für jeden
Fall müsse sich die Schweiz
mit internen Reformen vorbe
reiten.
Mit den bilateralen Abkommen
habe die Schweiz viel erreicht.
Rund 80 Prozent der dringend
sten Anliegen der Wirtschaft
könnten erfüllt werden, sobald
die Verträge umgesetzt würden,
erklärte economiesuisse-Direk-
tor Rudolf Ramsauer gestern an
der Präsentation der Studie
«Europa - Optionen und Haus
aufgaben». Aber diese wichtige
Etappe könne kein Dauerzu
stand sein, hielt Ramsauer fest.
In der konkreten Ausgestaltung
lasse sich die Wirtschaft indes
sen nicht unter Druck setzen.
Economiesuisse halte denn
auch alle Möglichkeiten von ei
ner Fortsetzung des bilateralen
Wegs, über den EWR bis zum
EU-Beitritt offen. In der Studie
geht der Wirtschaftsverband
auf alle drei Szenarien und die
entsprechenden Auswirkungen
auf die Schweiz ein. Als Richt
schnur aller Integrationsschrit
te nennt economiesuisse die
globale Wettbewerbsfähigkeit
des Standortes Schweiz und der
Unternehmen. Der bilaterale
Weg stosse längerfristig an
Grenzen, heisst es in der Studie.
Wichtige Fragen in der Steuer
politik, im Dienstleistungsver
kehr oder bei Grenzformalitä-
ten seien bilateral nicht zu lö
sen, sagte Ramsauer. Ein EU-
Beitritt wäre nach Auffassung
von economiesuisse eher ein
politisches als ein wirtschaftli
ches Anliegen. Als Vorausset
zung müsste die Schweiz inter
ne Reformen in zentralen Be
reichen in Angriff nehmen,
schreibt der Verband.
l$ASLSRUHkV ,• Daimler- ;,
Chrysler hat deri Rechtestrelt * '
nftt einem y Privatmann um '
dte Markenbezeichnung E-
Klasse endgültig gewonnen.
Der -Bundesgerichtshof. (BGH)
in Karlsruhe bestätigte ges-,
t^ldassderAutobauer dem ,•
infFrankreich lebenden' Mann '*
. keine Lizenzgebähren zahlen
muss, um die Malrkenbezeich-
E-Klasse verwenden zu ^
i. Damit wurden die vor- $
abgegangenen Urteile des v
Landgerichts und Oberlandes-'i
gerichts Frankfurt am Main I
bettätigt Der Mann hatte sieb
in^Men vergangenen jähren t
rund 50 Markennamen elntra-
. g^jgit lasseh, ohne selbst einen
Geschäftsbetrieb zu unterhal-;
^>ln^Növräbet;i^!)Q^
dete er in Frankreich '|ias;iZÄ
chen «Classe EifÜT Kraftfahr-|
zeuge'an, das äüch eldgetra^
gen wurde. Diel Jahr*' später *
erfolgte dann die, Internatio^
nale Registrierung. Seit Mittel
1993 ^verwendet Daimler-1
Chrysler für ihre mittlere Bau- <
reihe die Bezeichnung
Klasse». Deshalb trat der Mar-j
kenlnhaber an den Konzern 1
heran und verlangte Lizenzge- ,
bühr.DasXJnternehnibizahlte •
150 000 Mark für die frtüizö-; 1
sische Lizenz und "BÖOÖÖ!
Made für die in der !Schweiz j
registrierte Marke. Zu einer Li- ]
zenzvereinbarung' 'V/'V'fllr,
Deutschland kam nichts
stattdessen zum Rechtsstreit,'
der bis hin zum BGH mhrtei i
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würden die Rechnung laut
Nordmann mit Mehrkosten von
rund 180 Millionen Franken
belasten. Dies würde für die
Bahnkunden eine Billettpreis
erhöhung von zehn bis zwölf
Prozent bedeuten. Die nächste
Verhandlungsrunde mit den
Sozialpartnern findet kommen
de Woche statt.
NACHRICHTEN
Missbrauchsver
fahren gegen
Deutsche Telekom
STUTTGART: Die deutsche
Swisscom-Tochter debitel
will die Deutsche Telekom
von der Regulierungsbehör
de für Telekommunikation
und Post verpflichten las
sen, das Ortsnetz für Wett
bewerber stärker zu öffnen.
Debitel teilte gestern in
Stuttgart mit, wie bei Fern
gesprächen wolle man auch
im Ortsnetz als Wiederver
käufer auftreten, was die
Telekom bislang aber ver
weigere. Die Regulierungs
behörde habe auf Debitel-
Antrag bereits ein Miss
brauchsverfahren gegen die
Telekom eröffnet.
«Wadelbeisserei»
WIEN: Nach dem Rücktritt
als Vorstandschef der Lauda
Air holt der dreifache For
mel* 1-Weltmeister Niki
Lauda zum Rundumschlag
gegen Österreich aus: «Der
Intrigantenstadel und die
Wadelbeisserei sind un
glaublich. In Amerika wür
de es dass so nicht geben».
Gescheitert sei er im Grunde
aber an sich selber, so Lau
da im ZiB-3 Interview in
der Nacht auf gestern. «Das
Tolle kann sein, das eine
Totalvemichtung eintritt: es
könnte sein, dass überhaupt
niemand überbleibt von den
handelnden Personen», füg
te Lauda hinzu. Nach sei
nem Rücktritt als Chef sieht
Lauda keinen Grund, nicht
mehr als Pilot für seine Air
line tätig zu sein. Mario Re-
hulka, Vorstand des 36-Pro-
zent-Aktionärs AUA, sieht
das anders: Laudas Rücktritt
impliziere auch ein Ende
seiner Pilotentätigkeit.
Undegaard löst
Stenberg an der
SAS-Spitze ab
STOCKHOLM: Der Däne
Jörgen Lindegaard wird auf
Anfang nächsten Jahres
neuer Konzernchef der
skandinavischen Fluggesell
schaft SAS (Scandinavian
Airlines Systems). Der Auf
sichtsrat des halbstaatlichen
Unternehmens, das von Dä
nemark, Norwegen und
Schweden gemeinsam be
trieben wird, wählte gestern
den 52-jährigen bisherigen
Vorstandschef des Telekom-
mun ikationsuntemehmens
GN Store Nord zum Nach
folger des Schweden Jan
Stenberg. Stenberg hatte
sieben Jahre an der SAS-
Spitze gestanden.
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