Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
LANDTAG 
Donnerstag, 23. November 2000 5 
Verfassungsinitiative Verkehr: 
Landtag sagt Nein 
Artikel 20 der Verfassung wird nicht geändert - Volksinitiative angekündigt 
Artikel 20 der Landesver 
fassung bleibt so wie er 
ist. Denn: Die Verfas 
sungsinitiative zum Ver 
kehr der Abgeordneten 
Peter Sprenger (VU), Gab 
riel Marxer (FBP) und 
Egon Matt (FL) fand im 
Landtag mit 17 Stimmen 
nicht die nötige 3 /4-Mehr- 
heit von 19 Stimmen. 
Peter Sprenger kündigte 
an, dass die Initianten 
eine Volksinitiative lan 
cieren werden. Somit 
wird vermutlich das Volk 
darüber zu entscheiden 
haben. 
Alexander Batliner 
Die Verfassungsinitiative zum 
Verkehr ist im Landtag an der 
nötigen '/«-Mehrheit geschei 
tert. Insgesamt stimmten 17 
Abgeordnete für die Verfas 
sungsänderung, welche zur 
Annahme 19 Stimmen benötigt 
hätte. Fünf Abgeordnete der 
FBP und drei Abgeordnete der 
VU lehnten diese Verfassungs 
änderung ab. Die Initianten 
wollten mit der Initiative in die 
Verfassung schreiben, dass die 
Transitstrassenkapazität nicht 
erhöht werden soll. Zudem 
sollte der Staat das Ziel einer 
auf Dauer tragbaren Mobilität 
verfolgen. Die Anforderungen 
der wirtschaftlichen Leistungs 
fähigkeit, der sozialen Verträg 
lichkeit und des ökologischen 
Gleichgewichtes hätten berück 
sichtigt werden sollen. 
Gegner mit verschiedenen 
Argumenten 
Die Gegner der Initiative ar 
gumentierten auf verschiedene 
Art und Weise. Johannes Matt 
(FBP) fasste seine Argumente 
in sechs Punkte zusammen. So 
sieht er unter anderem das Ziel 
der Limitierung der Transit 
strassenkapazität mit dieser 
Initiative verfehlt. Im Speziel 
len erachtet er die Soll-Bestim 
mung als untaugliches Mittel. 
Johannes Matt betonte: «Was 
nun Soll-Bestimmungen tau- 
Johannes Matt (FBP) 
gen, dessen ist sich doch jeder 
bewusst. Unsere Verfassung 
sollte nicht mit frommen Wün 
schen angereichert werden. Ich 
wünsche mir in der Verfassung 
Prägnanz und Beschränkung 
auf Grundsätzliches.» Des Wei 
teren betont der FBP-Abgeord- 
nete, dass mit dieser Initiative 
kein Problem gelöst werde. «An 
der heutigen Verfassung liegt 
es nicht, dass wir auf Landes 
ebene verkehrspolitischen Still 
stand haben ... Ich frage mich 
nun, warum man auf Teufel 
komm raus eine Verfassungs 
änderung vornehmen muss, 
wenn es diese gar nicht 
braucht. Zukunftsfähige Lö 
sungen sind nachhaltige Lö 
sungen. Welche Konzepte und 
Lösungsvorschläge nun zu 
kunftsfähiger sind als andere, 
dazu kann die Verfassung 
nichts beitragen», so Johannes 
Matt. Deshalb seien Taten statt 
Worte gefragt. «Die Bürgerin 
nen und Bürger wünschen sich 
nicht derartige Verfassungsdis 
kussionen. Sie erwarten zu 
Recht, . . . dass etwas getan 
wird. Die jahrelange Phase des 
Beobachtens sollte endlich 
überführt werden in die Phase 
der Planung, der Diskussion, 
der Weichenstellung, der Reali 
sierung.» In seiner Meinung 
unterstützt wurde Johannes 
ser Initiative zustimmen, ma 
chen es sich zu leicht. Sie neh 
men nämlich damit dem Volk 
die Möglichkeit, sich im Rah 
men eines Referendums defini- 
Peter Sprenger (VU) 
Matt von Karlheinz Ospelt. Der 
Bürgermeister von Vaduz 
glaubt, dass mit dieser Initiati 
ve die Verkehrspolitik auf die 
Gerichtsebene verlagert wor 
den wäre. Karlheinz Ospell 
führte aus: «Diejenigen, die die 
k packen, nicht Papier», so der 
Vaduzer Bürgermeister. Unter 
stützt wurden Johannes Matt 
und Karlheinz Ospelt von Re 
nate Wohlwend (FBP), Werner 
Ospelt (FBP), Elmar Kindle 
(FBP), Klaus Wanger (FBP), Ot 
to Büchel (VU) und dem Gam- 
priner Vorsteher Donath Oehri 
(VU), welche alle diese Initia 
tive ablehnten. 
Ökologie und 
Raumordnung 
Befürwortet wurde die Initia 
tive in erster Linie von den Ini 
tianten VU-Fraktionssprecher 
Peter Sprenger, Gabriel Marxer 
(FBP) und in Stellvertretung 
von Initiant Egon Matt von 
Gabriel Marxer (FBP) 
tiv für oder gegen ein Verkehrs 
projekt auszusprechen, weil mit 
dieser. Verfassungsbestimmung 
der Gegnerschaft, und wenn 
diese nur eine Minderheit ist, 
ein Röcht in die Hand gegeben 
wird, mit Einzelbeschwerde den 
Willen des Volkes gerichtlich 
zur Bedeutungslosigkeit zu de 
gradieren.» Auch Karlheinz Os 
pelt sprach sich für Taten statt 
Worte aus. Die Regierung und 
der Landtag müssten endlich 
den Mut aufbringen, konkrete 
Massnahmen für die Verkehrs 
politik zu beschliessen und sie 
dürften sich nicht hinter Para 
graphen verstecken. «Das Volk 
will Lösungen oder zumindest 
Lösungsvorschläge, welche das 
Problem an der Wurzel an- 
Karlheinz Ospelt (VU) 
Adolf Ritter (FL). Peter Sprenger 
sprach von einem historischen 
Kompromiss, welcher die Initi 
anten mit der Regierung bezüg 
lich dieser Initiative gefunden 
hätten. Er bezeichnete diese Ini 
tiative «als eine neue Grundla 
ge für eine moderne zukunfts 
orientierte Verkehrspolitik.» Er 
sei der Meinung, dass hier eine 
Grundhaltung, die von einer 
Mehrheit der Bevölkerung ge 
tragen werde, zum Ausdruck 
komme. Deshalb solle diese 
Grundhaltung Ausdruck in der 
Verfassung erhalten. Zudem 
würde dieses Bewusstsein ein 
Fundament in der Verfassung 
brauchen. Des Weiteren machte 
er darauf aufmerksam, dass die 
Grundlagen bezüglich Verkehr 
heute nicht mehr die gleichen 
seien wie 1921, dem Grün 
dungsjahr der Verfassung. Initi 
ant Gabriel Marxer betonte 
ebenfalls die veränderten Gege 
benheiten. Wir seien dabei, in 
der Mobilität zu ersticken. Die 
ser Entwicklung müsse Einhalt 
geboten werden. Des Weiteren 
wies er die Argumente von 
Bürgermeister Karlheinz Ospelt 
zurück, die Verkehrspolitik 
würde sich mit der Initiative auf 
die Gerichtsebene verlagern. Es 
würde mit der Initiative kein 
Beschwerderecht eröffnet. Der 
Bürgermeister solle doch zuerst 
denken und dann handeln. 
Adolf Ritter betonte ebenfalls 
die veränderten Gegebenheiten. 
«Wir müssen heute festhalten, 
dass die Entwicklung im Ver 
kehrsbereich nicht nur die Väter 
der Verfassung, sondern uns al 
le buchstäblich überfahren hat», 
so Adolf Ritter. Auch für ihn 
sollte dem Umweltaspekt mehr 
. Rechnung getragen werden. Er 
betonte: «Es ist notwendig, dass 
wir Umwelt- und Verkehrspoli 
tik aufeinander abstimmen und 
Veränderungen vornehmen, die 
eine nachhaltige -Mobilität er 
möglichen und kommende Ge 
nerationen nicht vor unlösbare 
Probleme stellen ... Die Initia 
tive möchte die Verfassung und 
damit die Gestaltungsgrundlage 
in der Verkehrspolitik und den 
damit verbundenen staatlichen 
Auftrag dahingehend erweitern, 
dass das Verhältnis zu Umwelt, 
Raumordnung und Nachhaltig 
keit zusätzlich in die Verfassung 
aufgenommen wird.» 
«Nachhaltigkeit» ist im Landtag kein politischer Konsens 
Stellungnahme der Gesellschaft für Umweltschutz (LGU) zur Landtagsdebatte bezüglich Verfassungsinitiative zum Verkehr 
Nachfolgend veröffentlichen 
wir eine Stellungnahme der 
Gesellschaft für Umweltschutz 
zur Landtagsdebatte bezüglich 
Verfassungsinitiative Verkehr. 
Eine hitzige Debatte spaltet am 
Mittwochmorgen den Landtag. 
Die Initiative für die Veranke 
rung einer zukunftsfahigen 
Mobilität in der Verfassung 
wurde in der vorliegenden 
Form auch von der Regierung 
unterstützt. Die Fragen und Be 
denken der Landtagsabgeord 
neten nach der ersten Lesung 
konnten ausgeräumt werden. 
Der Text, welcher in zähem 
Ringen zwischen den Initianten 
und der Regierung über Mona 
te bearbeitet wurde, wäre Aus 
druck gewesen für den politi 
schen Konsens der Nachhaltig 
keit. Eine Mehrheit (17 Abge 
ordnete) stimmte denn auch für 
die Initiative - nötig wären 19 
Stimmen gewesen. Den Geg 
nern der Initiative blieben 
nichts als grossteils bedenklich 
fadenscheinige Argumente. 
Eigentlich kann niemand 
mehr dagegen sein 
Die zur Diskussion vorge 
schlagene Formulierung wäre 
ein Zeichen gewesen - ein 
Schritt in die richtige Richtung. 
Diese Formulierung hat keine 
Kanten und Ecken mehr - was 
auch bedeutet: wer jetzt noch 
dagegen ist, spricht sich mit al 
ler Deutlichkeit gegen das Prin 
zip der Nachhaltigkeit aus.: 
Denn es handelt sich bei der 
neuen Formulierung um eine: 
Zielnorm, die den «Handlungs 
spielraum der Abwägung» ga 
rantiert. Das bedeutet auch,* 
dass diejenigen, wciche den Ar 
tikel so immer noch ablehnen, 
nicht gewillt sind eine Gesamt 
betrachtung für den Umgang 
mit der Mobilität zu machen. 
Die Regierung führt dazu aus, 
dass durch diesen Artikel «im 
Falle der Errichtung einer Tran 
sitstrasse das Ziel des bestmög 
lichen Lärmschutzes mit jenem 
der Vermeidung der Erhöhung 
der Transitkapazität abgewo 
gen werden müsste». Eine 
solche Abwägung wäre 
grundsätzlich die Aufgabe bei 
der Entscheidungsfindung in 
einer verantwortungsvollen 
und zukunftsorientierten Ver 
kehrspolitik. Der neue Vor 
schlag lehnt sich an die drei 
Pfeiler der Nachhaltigkeit sowie 
an die Formulierung der Alpen 
konvention, welche von der 
Regierung durch die Unter 
zeichnung des Verkehrsproto 
kolls bestätigt und sogar ver 
stärkt wurde. Die Grundforde 
rung der Nachhaltigkeit wurde 
heute aber von den Abgeordne 
ten Otto Büchel, Elmar Kindle, 
Johannes Matt, Donath Oehri, 
Karlheinz Ospelt, Volker Rhein 
berger, Klaus Wanger und Re 
nate Wohlwend abgelehnt. 
Scheindebatten und 
unlautere Argumente 
Mehrere der Gegner der Vor 
lage hielten es nicht für not 
wendig etwas zum Inhalt des 
neuen Textes zu sagen. Und 
dies, obwohl über Monate hin 
weg um eine Formulierung ge 
rungen wurde, um die Beden 
ken des Gutachters Martin Len- 
di auszuräumen. Die Initianten 
gaben nach und die Regierung 
konnte den neuen Vorschlag 
schliesslich unterstützen. Mit 
der neuen Formulierung konn 
ten bspw. Konflikte mit dem 
Völkerrecht klar ausgeschlos 
sen werden. Dennoch und wi 
der besseren Wissens wurden 
Argumente und Zitate aus den 
Gutachten angebracht, welche 
inzwischen eindeutig aus 
geräumt waren, wie rechtliche 
Argumente, beispielsweise in 
Bezug auf die Individualbe 
schwerde oder die «Nichtjusti- 
ziabilität», welche von Land 
tagspräsident Peter Wolff schon 
bei der ersten Lesung widerlegt 
wurden. Die Krönung waren 
dann Voten unter der Gürtelli 
nie mit der Absicht, eine Debat 
te für oder gegen die LGU an- 
zureissen. Ablenkung ist auch 
eine Art, um sich aus der Affä 
re zu ziehen - in dem Sinn eine 
alt bekannte Strategie. 
Die Verankerung einer nach 
haltigen Mobilität in der Ver 
fassung wäre sehr wichtig ge 
wesen. Es wäre ein Zeichen ge 
wesen für ein Umdenken und 
für neue Wege aus der Sack 
gasse. Wir freuen uns trotz der 
2 Stimmen, die gefehlt haben, 
um die Initiative bereits im 
Landtag zu verabschieden, über 
das engagierte Handeln der 
Initianten, über die eindeutigen 
befürwortenden Voten der 
Mehrheit der Abgeordneten 
und der Regierung. Und - wir 
sind der Überzeugung, dass 
von der Bevölkerung faden 
scheinige Argumente keine 
Chance mehr haben. 
Liechtensteinische 
■ Gesellschafi fiir Umweltschutz 
** * "t* ,v. 
„Das 
Mass für unsere Politik 
ist der Mensch." 
Otnijr H.lsii'r.
	        

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