Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

10 Dienstag, 21. November 2000 
KULTUR 
Liechtensteiner VOLKSBLATT 
Kirchenkonzert mit breit gespanntem 
Melodienbogen 
Laurentius-Chor Schaan konzertiert am Sonntag, den 26. November in der Pfarrkirche Schaan 
Am Sonntag, den 26. No 
vember um 17 Uhr gibt 
der Laurentius-Chor 
Schaan in der Pfarrkirche 
St. Laurentius in Schaan 
ein Kirchenkonzert mit 
einem breit gespannten 
Melodienbogen. 
Die Kirchenmusik, die in der li 
turgischen Ordnung und Be 
stimmung ihre Gestalt erhält, 
ist an den Menschen und den 
Wandel seiner religiösen und 
musikalischen, seiner geistigen 
und gesellschaftlichen Einstel 
lung gebunden. Ist die Kir 
chenmusik im engeren Sinne 
in Form und Ausdruck ein Teil 
der Liturgie, so ist sie gleich 
zeitig religiöse Musik, die in 
ihrem Ausdruck über die litur 
gischen Bindungen hinaus 
geht. Damit erscheinen die 
Formen und auch die Aus 
drucksgestaltung als Brücke 
zur weltlichen Musik, die sich 
im Laufe der Jahrhunderte 
stets geändert hat. 
Einen Querschnitt durch die 
sen Weg der Musik möchte un 
ser Konzert geben. Der Bogen 
ist weit gespannt. Er reicht von 
einer Renaissance-Motette Lo- 
dovico Viadanas bis hin zur 
frühen Moderne eines Max Re- 
gers. Von Lodovico Viadana 
wissen wir nicht allzu viel. 
Sein kluges, etwas weichliches 
Gesicht blickt uns aus einem 
Ölgemälde in einer Kirche von 
S. Maria del Castello an. Er ist 
um 1560 in Viadana geboren 
und wahrscheinlich 1627 in 
einem Kloster in Gualtieri ge 
storben. Hinterlassen hat er 
vorwiegend geistliche Vokal 
musik, Messen, Motetten, li 
turgische Gesänge, zu denen 
auch der Chor «Exsultate justi» 
zählt, der auf den Text «Freuet 
euch, ihr Christen» dargeboten 
wird. 
Es ist ein weiter Weg vom 
italienischen A-cappella-Stil 
bis zum norddeutschen Dietrich 
Buxtehude (1637 - 1707), in 
dessen Kantate «Alles was ihr 
tut mit Worten oder mit Wer 
ken» den Instrumenten ein 
wichtiger Part zukommt. Zu 
welchem Zweck die Kantate ge 
schrieben wurde, ist nicht be 
kannt, die Stelle aus dem Ko- 
losserbrief (3,17), welche den 
Anfang und den Schluss bildet, 
deutet auf kein kirchliches Fest. 
Vielleicht ist das mehrsätzige 
Werk für eine der berühmten 
«Abendmusiken» in Lübeck ge 
schrieben worden, berühmte 
Abendkonzerte, die Johann Se 
bastian Bach bewogen, die wei 
te Fussreise von Arnstadt in die 
Hansestadt zu machen. 
Nach diesem Abstecher in 
den Norden geht es wieder 
nach Italien. Antonio Vivaldi 
(um 1678 - 1741) war Geistli 
cher und Violinist. Wegen sei 
ner roten Haare wurde er «il 
prete rosso» genannt. Nebst sei 
ner späteren Tätigkeit an ver 
schiedenen europäischen Für 
stenhöfen war er Violinlehrer 
und Dirigent am Ospedale della 
Pietä in Venedig, einem Institut 
für Mädchen. Für diese kompo 
nierte er eine grosse Zahl von 
Konzerten in allen möglichen 
Besetzungen. Auch das Konzert 
fiir Violoncello und Orchester 
in G-Dur zählt zu ihnen. Bei 
Vivaldi wurde die Dreiteilig 
keit, schnell - langsam - 
schnell, zum Prinzip. Formen 
der Oper dringen in die Concer- 
ti ein und bestimmen sie. Eine 
langsame Arie wird durch zwei 
rasche Ritornellsätze einge 
rahmt. Dass Vivaldi selbst für J. 
S. Bach massgebend war, ist 
nicht erstaunlich, auch wenn 
der Grössere bald sein Vorbild 
überragte. 
Der Schritt vom musikali 
schen Barock in die Romantik 
und in den Klassizismus ist 
nicht weit, auch wenn manche 
der frühen Romantiker und 
Klassizisten Bach und sein Um 
feld ablehnten, Peter Iljitsch 
Tschaikowsky (1840 - 1893) 
zum Beispiel. Für ihn, dem eu 
ropäischsten der russischen 
Komponisten, begann die Mu 
sik erst eigentlich bei Mozart. 
Auch seine Kirchenmusik lebt 
nicht von russischer Liturgie, 
sondern holt ihre Impulse aus 
dem europäischen Raum. So ist 
sein Hymnus «Wo Engeisstimm' 
im Lied erschallt», im Original 
auf einen russischen Text, ein 
munterer Gesang, der im Drei 
vierteltakt tänzerisch beginnt, 
um dann im zweiten Teil im 
Vierertakt und mit einem ver 
klingenden Halleluja zu enden. 
Anders war es mit Moritz 
Hauptmann (1792 - 1868), der 
auf Mendelssohns Empfehlung 
Thomaskantor in Leipzig wur 
de. Obwohl schon von seiner 
Stellung her Bach verpflichtet, 
erinnert sein «Nun, Herr, wes 
sollt ich mich getrösten?» aus 
den «Sechs geistlichen Gesän 
gen» op. 42 nicht an seinen 
grossen Vorgänger Bach, son 
dern fusst auf den Motetten 
Mendelssohns. Ein wundervol 
les Ebenmass des architektoni 
schen Aufbaus zeichnen diese 
und andere Kompositionen 
Hauptmanns aus. Reinheit des 
Satzes und Sanglichkeit der 
Stimmen prägen das kleine 
Werk. 
Ohne Opuszahl sind die 
«Zwanzig Responsorien» von 
Max Reger (1873 - 1916). Es 
sind Gelegenheitsarbeiten, die 
Reger auf englische Texte im 
September 1911 für die Lu 
theraner-Kirche in den USA ge 
schrieben hat. «Wegen dieser 
amerikanischen Kirchengesän 
ge ... Ich selbst weiss nicht, wo 
man diese Dinger kriegen kann 
. . .» schreibt er an seinen 
Freund Ohlendorff. Doch wie 
alles, was Reger anpackt, sind 
es musikalische Kleinode, voll 
harmonischer Überraschungen, 
so auch das nur 38 Takte 
zählende Responsorium «Das 
Wort ward Fleisch» auf das 
Weihnachtsfest. 
Es kommt immer wieder vor, 
dass in alten Klosterbibliothe 
ken oder Archiven handwerk 
lich mehr oder weniger gut ge 
machte Messen oder Messentei 
le zum Vorschein kommen, die 
dann in irgend einem Verlag 
erscheinen. So ist es auch mit 
dieser «Missa in C» für Soli, 
Chor, Orchester und Orgel eines 
Unbekannten, der um 1800 
lebte. Trotz Beethoven und Carl 
Maria von Weber schrieb dieser 
Anonymus ein Werk, das ganz 
der Klassik verpflichtet ist. 
Michael Haydn mag Pate ge 
standen haben; weite Teile sind 
homophon und der Kontra 
punkt ist denkbar einfach. 
Trotzdem ist es ein Werk aus 
dem süddeutschen Raum, das 
durchaus hörenswert ist. 
Jack Williams - Gitarrist und 
Songwriter 
Wohlgehüteter Geheimtipp der amerikanischen Songwriterwelt 
Jack Williams geniesst in den 
USA längst mehr als Insider 
status. Er gehört zu der ersten 
Songwritergarde der amerika 
nischen Szene und hat sich 
zudem den hervorragenden 
Ruf als akustischer Gitarrist 
gesichert. Erstmals ist er in 
diesem Herbst auch in Europa 
auf Tournee, und eine der we 
nigen Stationen im Schweizer 
Raum ist die Kleinkunstbühne 
Alte Weberei in Triesen am 
Dienstag, dem 28. November 
2000. Konzertbeginn um 
20.00 Uhr. 
Jack Williams ist kein Jung 
sporn unter den Songschreibem, 
sondern ein erfahrener und 
weitgereister Beobachter, der 
sich erst in den letzten Jahren 
zunehmend auch als Song 
schreiber profilierte, obwohl 
er bereits seit 1970 eigene 
Songs schreibt. Inzwischen gibt 
es vier CDs von ihm, wobei die 
neueren Alben «Eternity Et 
Mam» und «Across The Winter 
line» von der Presse gerade 
wegs umjubelt wurden und 
auch von seinen Songschrei 
berkollegen höchst gelobt wer 
den. 
Musikalisch kann man Jack 
Williams überraschend weit 
zurückverfolgen, obwohl er in 
den frühen Jahren kommerziell 
nicht in Erscheinung trat. Er 
gehört ins Umfeld des frühen 
Harry Nilsson und ist seit vie 
len Jahren ein Freund und 
treuer Begleiter von Mickey 
Newbury. Jack Williams hatte 
seine Spuren aber auch im 
Rock hinterlassen, spielte in 
den späten 60er-Jahren in eini 
gen stilbestimmenden amerika 
nischen Formationen mit, 
spielte auf der Bühne unter an 
derem auch mit John Lee Hoo 
ker, Big Joe Turner, ZZ Hill 
oder Hank Ballard, öffnete 
Konzerte für die Allman Bro 
thers oder Delbert McCIinton, 
um nur die wichtigsten zu r\en*- 
nen. 
Heute widmet sich Jack'Wil 
liams vornehmlich der akißtfc 
sehen Gitarre, wird allgenjeii 
als einer der besten GitarriJtefi 
der US-Szene betitelt, schreibt 
dazu poesievolle, aber aticft 
persönliche Songs und inter 
pretiert diese mit ausgespro 
chen kraftvoller Stimme und 
sehr positivem Bühnenchajri* 
ma. Wirklich, Jack Williamf i$ 
eine Entdeckung, die man 
schon lange hätte machen soI+ 
len, wofür man jetzt aber auclf 
in Europa Gelegenheit erhäUl 
i 
Am Dienstag, den 28. November gastiert Jack Williams in der Alten Weberei in Triesen. 
Ein Grenzen sprengendes Mass 
an Freiheit 
«Colors of Rhythm'n Jazz» im Theater am Saumarkt 
Da wurden Erinnerungen le 
bendig, Erinnerungen an den 
Jazzorganisten Jimmy Smith, 
seine Einspielungen zusam 
men mit dem Gitarristen 
Kenny Burreil und dem Te 
norsaxophonisten Stanley 
Turrentine. 
Gerolf Hauser 
Nein, Tenorsaxophon gab es 
keines beim Konzert im Theater 
äm Saumarkt in Feldkirch, als 
Colors of Rhythm'n Jazz» mit 
Jaus Raidt (Schlagzeug), Man 
fred Junker (Gitarre), Heiner 
Merk (Bass) und Wolfgang Hu- 
Her an der, leider nicht origina 
len, Hammond Orgel angekün 
digt waren. Dafür gab es einen 
überragenden und brillanten 
Gitarristen, Manfred Junker - 
ein Name, den man sich mer 
ken muss (wer ihn nicht oh 
nehin längst kennt). 
Grosser Klangreichtum 
Es war wirklich, wie an 
gekündigt, ein heisser Cocktail 
aus Rhythm'n Blues, moder 
nem Jazz und New Orleans 
Groove, angelehnt an die 
berüchtigten Hammond/Gitar- 
re/Drums-Trios der 60er Jahre, 
bei dem nicht nur Jazz-Stan 
dards, einen Bogen vom New 
Orleans Groove bis hin zu mo 
dernen Kompositionen John 
Scofield's schlagend, zu hören 
waren, sondern auch Eigen 
kompositionen des Schlagzeu 
gers Klaus Raidt, die zu über 
zeugen vermochten. Weniger 
überzeugend war das eine oder 
andere Mal, vor allem im ersten 
Teil, sein in Lautstärke und 
Spielmanier die anderen 
manchmal fast missachtendes 
Spiel. Überhaupt - lag es am 
Publikum, das erst nach der 
Pause aufwachte? - wuchsen 
die Musiker «erst» im zweiten 
Set über sich hinaus. Da 
entlockte Wolfgang Huber sei-. 
Manfred Junker bot im Theater am Saumarkt tColors of Rhythm'n 
Jazz». (Bild: Gerolf Hauser) 
ner Orgel Klänge, der die Tech 
nik des Instruments immer wie 
der Grenzen setzte, und da 
Manfred Junker dem ein fast 
Grenzen sprengendes Mass an 
Freiheit der Improvisation und 
des Klangreichtums entgegen 
setzte, entstanden zwei Polstel 
len (auch räumlich: die Orgel 
ganz links, die Gitarre ganz 
rechts auf der Bühne), die sich 
aneinander rieben, sich ergänz 
ten, sich ins Wort fielen oder 
widersprachen - ein Raum ent 
stand, den Klaus Raidt und Hei 
ner Merk (Bass) zu füllen wuss- 
ten, sowohl begleitend, wie, 
vor allem Heiner Merk, auch 
mit grossartigen Soli. Wie aus 
einem Guss zauberten sie Klän 
ge, gleich ob traditioneller Jazz 
und Soul, dessen Klang die 
Hammond besonders nahe 
kommt, ungerade Rhythmen, 
Jazzklischees, Zitate aus ver 
schiedensten Stilepochen oder 
moderne Kompositionen und 
immer - als treibender Motor - 
der grossartige Gitarrist Man 
fred Junker, der nicht nur über 
eine brillante Technik verfügt, 
sondern in den Stilarten dieses 
Abends sich bewegte wie ein 
Fisch im Wasser. «Colors of 
Rhythm'n Jazz» - ein Abend 
mit vielen grossartigen Farben. 
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.