Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Montag, 20. November 2000 21
Fujimori tritt zurück
Peru: Stellvertreter Marquez soll Übergangspräsident werden
LIMA: Nach zehn Jahren
autoritärer Herrschaft will
der peruanische Staats
chef Alberto Fujimori bis
Dienstag zurücktreten.
Während eines Aufent
halts in Tokio bestätigte
Fujimori am Sonntag eine
entsprechende Mitteilung
des peruanischen Minis
terpräsidenten Federico
Salas. Unklar blieb, ob der
aus Japan stammende Po
litiker überhaupt nach Pe
ru zurückkehren will.
Bis zu den für April geplanten
Wahlen und der Amtsübernah
me eines neuen Präsidenten im
Juli soll Fujimoris Stellvertreter
Ricardo Marquez dessen Amts-
geschäfte weiterführen. Mar
quez sagte am Sonntag im
Rundfunk, Fujimori habe ihn
gebeten, seine Nachfolge anzu
treten. Der im Mai bei umstrit
tenen Präsidentschaftswahlen
unterlegene Oppositionsführer
Alejandro Toledo kritisierte, die
enge Verbindung von Marquez
mit Fujimori mache ihn als
Übergangspräsidenten unge
eignet.
Salas erklärte, Fujimori wolle
die Gründe seines Rücktritts
selbst darlegen. Jedoch sei es
ihm wichtig, dem Demokrati-
sierungsprozess nicht im Weg
zu stehen.
Perus umstrittener Präsident Alberto Fujimori tritt zurück.
Fujimori war erstmals 1990
zum Präsidenten gewählt wor
den; in einer Art «Staatsstreich
von oben» sicherte er sich bald
darauf weitgehende Machtbe
fugnisse, die er für den Kampf
gegen linksgerichtete Guerilla-
bewegungen nutzte. Im Mai
dieses Jahres wurde er in einer
von Betrugsvorwürfen über
schatteten Wahl zum dritten
Mal gewählt, obwohl die Ver
fassung nur zwei Amtszeiten
zulässt.
Das Ende der Ära Fujimori
begann im September: Damals
wurde ein Video veröffentlicht,
das den berüchtigten Geheim
dienstchef Vladimire Montesi-
nos bei der Bestechung eines
oppositionellen Abgeordneten
zeigt. Danach entliess Fujimori
seinen engsten Vertrauten und
kündigte vorgezogene Neu
wahlen an, bei denen er selbst
nicht mehr kandidieren werde.
Montesinos verliess Peru und
beantragte in Panama Asyl,
was jedoch abgelehnt wurde.
Daraufhin kehrte er nach Peru
zurück und ist seitdem ver
schwunden.
Bush knapp
vor Gore
930 Stimmen trennen die Kandidaten
WASHINGTON: Die An
wälte des Republikaners
George W. Bush haben
beim Obersten Gericht in
Florida ein Ende der
Stimmenauszählungen in
Florida verlangt, damit
das Ergebnis der Präsi
dentschaftswahl verkün
det werden kann.
Bush führt bislang mit 930
Stimmen vor dem demokrati
schen Bewerber AI Gore; dieser
besteht aber auf darauf, dass
erst noch die Ergebnisse aller
laufenden Kontrollzählungen
abgewartet werden müssten.
Vor der mit Spannung erwar
teten Anhörung des Gerichts
am Montag erklärten die
Rechtsvertreter des texanischen
Gouverneurs Bush in einer
schriftlichen Eingabe am Sonn
tag, dass sich die Innenministe
rin von Florida, Katherine Har
ris, streng an die Gesetze gehal
ten habe. Demnach sei nur eine
Woche Zeit für Nachzählungen
vorgesehen, und diese Frist sei
am vergangenen Dienstag ab
gelaufen. Harris wollte das
amtliche Endergebnis nach
Auswertung der Briefwahlstim
men am vergangenen Samstäg
verkünden, wurde aber von
neuen rechtlichen Schritten der
Demokraten daran gehindert.
Bei der Anhörung am Montag
17.00 Uhr (23.00 Uhr MEZ)
wollen beide Seiten ihre Sicht
weisen vortragen.
Die von den Demokraten er
zwungene manuelle Nachzäh
lung in drei Bezirken könnte
möglicherweise noch bis An
fang Dezember dauern, wenn
das Gericht sie nicht für un
zulässig erklärt. In diesen Be
zirken, die als demokratische
Hochburgen gelten, geht es um
zusammen 1,6 Millionen Stim
men.
Unterdessen wurde auch das
Endergebnis der Präsidenten
wahl vom */. November im US-
Staat New Mexico verkündet.
Gore gewann dort mit 481
Stimmen Vorsprung und si
cherte sich so die fünf dort zu
vergebenden Wahlmännerstim
men für die Entscheidung über
die Nachfolge von Präsident
Bill Clinton. Damit verfugt Go
re jetzt über 267 Wahlmänner
stimmen, Bush hat 246 dieser
«electoral votes». Für den Sieg
braucht einer der Kandidaten
270 Stimmen. Damit entschei
den die 25 Wahlmännerstim
men von Florida über den
nächsten Präsidenten der Ver
einigten Staaten.
Naher Osten: Bemühung um
Entspannung
JERUSALEM: Israel U. die ■
Palästinenser haben am Wo- '
dienende sichtbare Anstren
gungen unternommen, die
tage; in. den palästinensi
schen . Unruhe-Gebieten zu .
entspannen. ■ . .
Obwohl am Samstag' und
Sonntag - erneut mindestens
vier Menschen Opfer der Un
ruhen wurden, gab es Anzei
chen, dass. beide Seiten an ei
ner Reduzierung der Gewalt
bemüht sind. Mehrere Ge- -
neräle verzeichneten ein Ab
flauen der Gewalt in den
Palästinensergebieten. Gene-
ralstabsschef Schaul Mofas;
sah darin einen Erfolg der is
raelischen Armee.
REKLAME
- Der für den Gazastreifoi'zuf.l
ständige israelische 'General'
Jom Tov Samia sagte im Ra
dio, ;dortseien in;der Nacht,
zum Sonntag von ."palästinen- i
sischer Seite erstmals seitJaDK
ger Zeit nur fünf Schüsse ab
gefeuert worden. ta jden ( letz-;
ten Wochen seiTnindestens 15!
bis 20 Mal pro Nacbt;geschos-.
sen worden. ' . ''
: Auch im Westjontonland ha^ j
be es eine «gewissen "Berubi-j
gung» ,gegeben, ^bestätigte;
Kommandant v Noara^.; Tibon.i
Palästinenseipräsident y ' r Jassir,
Arafat hatte am Freitag iri.den i
Medien bekräftigt, der palästi
nensische Sicherheitsrat habe;
einen «klaren Befehl» zur Ein
dämmung der Gewalt gegeben.
EU: Stillstand bei Reformen
Unstimmigkeiten bei zentralen Fragen
BRÜSSEL: Drei Wochen vor
dem Gipfel der Europäischen
Union (EU) in Nizza sind die
Unstimmigkeiten in zentralen
Fragen der EU-Reform noch
nicht ausgeräumt.
Nach einer Klausurtagung der
EU-Aussen- oder Europaminis
ter am Sonntag in Brüssel be
zeichnete der französische Eu
ropaminister Pierre Moscovici
den Stand der Verhandlungen
teilweise als «etwas besorgnis
erregend». Bei der Frage der
Ausweitung der Mehrheitsent
scheidung im Ministerrat etwa
sei bisher nur wenig Fortschritt
erzielt worden. Die Klärung
dieser Frage sei jedoch «der
Schlüssel zu einem ambitio-
nierten Vertrag» beim EU-Gip
fel in Nizza. Bei anderen zen
tralen Machtfragen - der Grös
se der Kommission und der
Stimmgewichtung im Mini
sterrat - sprach Moscovici hin
gegen von «nützlichen und
vielfach positiven Ge
sprächen».
Die Frontstellung zwischen
kleinen und grossen EU-Staa
ten sei überwunden, und nun
werde versucht, die Kompro
misslinien in den schwierigsten
Fragen herauszuarbeiten. So sei
etwa die Mehrheit der Staaten
inzwischen bereit, bei der Frage
der Kommission einen Mittel
weg zu gehen. Damit könnte
am Ende ein auf 20 Kommissa
re beschränktes Brüsseler Spit
zengremium entstehen, bei ei
ner auf 27 oder 28 Mitglieds
staaten erweiterten EU.
Beim Gipfel Anfang Dezem
ber in Nizza soll die bislang
umfassendste Reform der EU
unter Dach und Fach gebracht
werden. Sie soll die Europäi
sche Union für die Aufnahme
der osteuropäischen Beitritts
kandidaten rüsten. Für den 3.
Dezember ist noch eine weitere
Klausurtagung der Aussenmi-
nister vorgesehen. Aus Diplo
matenkreisen in Brüssel hiess
es, sie rechneten vor dem Gip
fel in Nizza nicht mit einem
Durchbruch.
NACHRICHTEN
Todesurteil gegen
Öcalan soll
bestätigt werden
ANKARA: Zwei Tage vor
der Anhörung des Europä
ischen Gerichtshofs für
Menschenrechte zum Fall
des kurdischen Parteichefs
Abdullah Öcalan haben
Angehörige türkischer
Soldaten eine Bestätigung
des Todesurteils gefordert.
Etwa 50 Angehörige ver
sammelten sich vor ihrer
Abreise nach Strassburg vor
dem Mausoleum des türki
schen Staatsgründers Kemal
Atatürk.
Entscheidende
Phase der Klima
schutzkonferenz
DEN HAAG: Die Klima-
schutzkonferenz in Den
Haag tritt heute in ihre ent
scheidende Phase. Umwelt
minister aus etwa 150 Staa
ten wollen bis zum kom
menden Freitag ein Konzept
zur Umsetzung des 1997
vereinbarten Protokolls von
Kyoto vereinbaren, um der
Erderwärmung entgegen
zuwirken.
Intellektuelle:
Allianz gegen
lliescu
BUKAREST: Knapp zwei
Wochen vor der Parla
ments- und Präsidenten
wahl in Rumänien hat eine
Gruppe führender Intellek
tueller zu einem Bündnis
aller prowestlichen Kräfte
gegen den früheren Präsi
denten Ion lliescu (Bild)
aufgerufen. Bei einem
Wahlsieg von Iliescus Partei
der Sozialen Demokratie
(PDSR) bestehe die Gefahr
einer Rückkehr zum Einpar-
teiensystem, heisst es in der
am Dienstag in Bukarest
veröffentlichten Erklärung.
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