Liechtensteiner VOLKSBLATT
LAND UND LEUTE
Montag, 20. November 2000 3
Auch Kinder haben Rechte
Zum heutigen Tag der Rechte des Kindes - Konvention der UNO vor elf Jahren verabschiedet
Am 20. November 1989
wurde die Kinderrechts-
Konvention einstimmig
verabschiedet, und vor ge
nau zehn Jahren trat dieses
Übereinkommen der Ver
einten Nationen (UNO), in
dem in 54 Artikeln ver
schiedene Rechte für Men
schen bis 18 Jahren festge
halten sind, in Kraft. Liech
tenstein ist seit dem 21. Ja
nuar 1996 Vertragspartei
der Konvention.
Bis heute haben alle Staaten der
Welt ausser den USA und Soma
lia dieses Übereinkommen unter
zeichnet und sich verpflichtet, es
umzusetzen. In der Kinderrechts-
Konvcntion werden Kinder als
eigenständige Persönlichkeiten
wahrgenommen, als Menschen
mit eigenen Bedürfnissen, eige
nen Wünschen und eigenem
Willen. Ein zentrales Anliegen ist
die Erhaltung und Förderung
von Lebensbedingungen, die ei
ne ganzheitliche Entwicklung
von Kindern ermöglicht.
Kinder und Familie
Das Wohl des Kindes ist in ers
ter Linie eng mit dem seiner El
tern und Betreuungspersonen
verbunden. Sie sind für die Erzie
hung und Entwicklung des Kin
des verantwortlich. Mit der Rati
fizierung der Konvention ver
pflichten sich die Staaten, ihnen
bei der Erfüllung der Erziehungs
und Betreuungsaufgaben beizu
stehen und für die notwendigen
Rahmenbedingungen zu sorgen.
In Liechtenstein geschieht dies
auf vielfältige Weise. Angefan
gen von der ökonomischen Un
terstützung (Wohnbeihilfen für
Familien ab 2001, Alleinerzie-
hendenunterstützung, familien
freundliches Krankenversiche
rungssystem, Erhöhung des Kin
dergeldes ab 2001) bis zur bera
terischen und betreuerischen Un
terstützung der Familie (Eizie-
In der Kinderreehts-Konvention werden Kinder als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen, als Menschen mit eigenen Bedürf
nissen, eigenen Wünschen und eigenem Willen. (Archivbild)
hungsberatung, ausserhäusliche
Betreuung). Auskünfte über wirt
schaftliche Hilfen für Familien
erteilt das Amt fiir Soziale Diens
te, Angebote und Leistungen fiir
Kinder und Familie sind im
Liechtensteinischen Soziallexi
kon nachzulesen. Eine Broschüre
über Angebote der FamilienfÖr-
derung wird voraussichtlich An
fang nächsten Jahres herausge
geben.
Pflichten des Staates
Der Staat hat auch die Ver
pflichtung, Kindern zu ihrem
Recht zu verhelfen, Kontakt zu
beiden Eltemteilen zu haben,
auch dann wenn die familiären
Verhältnisse erschwert sind
(Scheidung, Eltern leben in ver
schiedenen Staaten). Ist das
Wohlergehen des Kindes inner
halb der Familie nicht sicherge
stellt, hat der Staat die Pflicht,
den notwendigen Schutz und
die Fürsorge sicherzustellen.
Generell muss der Staat eingrei
fen, um das Kind vor jeder Form
der Gewaltanwendung und
geistiger oder körperlicher Miss
handlung, einschliesslich des
sexuellen Missbrauchs zu schüt
zen. Geistig oder körperlich be
hinderte Kinder haben das Recht
auf besondere Unterstützung,
die eine möglichst vollständige
soziale Integration und indivi
duelle Entfaltung ermöglichen
sollen. Dem Kind, das als
Flüchtling anerkannt ist oder
um den Flüchtlingsstatus nach
sucht, ist angemessener Schutz
und humanitäre Hilfe bei der
Wahrnehmung seiner Rechte zu
gewähren.
Bildung und Erziehung
In Bildung und Erziehung sol
len Werte vermittelt werden, die
den Menschenrechten und
Grundfreiheiten entsprechen:
Toleranz und Gleichstellung der
Geschlechter sowie Freundschaft
zwischen allen Völkern und eth
nischen Gruppen. Kindern und
Jugendlichen soll u.a. Achtung
vermittelt werden vor ihrer eige
nen kulturellen Identität, den na
tionalen Werten des Landes, in
denen sie leben und gegebenen
falls des Landes, aus dem sie
stammen, sowie vor anderen
Kulturen. Eine gegenseitige An
erkennung und Wertschätzung
unterschiedlicher kultureller Be
sonderheiten soll Ziel jeder Aus
bildung sein.
Der kulturelle und gestalteri
sche Ausdruck von jungen
Menschen muss geachtet und
gefördert werden. Dazu müssen
geeignete Möglichkeiten bereit
gestellt werden, um Kinder und
Jugendliche am kulturellen und
künstlerischen Leben zu beteili
gen.
Rund um den 20. November
finden verschiedene Aktivitäten
und Projekte in Liechtenstein
unter der Koordination von Ma
nuela Bazzana (zuständig für
Kinderanimation im GZ Resch,
Schaan) statt Zu diesem Anlass
wurde ein Flyer gestaltet, in
welchem alle Aktionen aufge
führt sind. Auch wurden die Pri
marschulen Liechtensteins in
formiert und eingeladen, diesen
Anlass im Unterricht zu thema
tisieren. Folgende Organisatio
nen und Schulen beteiligen
sich: Kindertagesstätten von
Eschen, Balzers und Triesen, Ar
beitsgruppe «Land in Sicht»,
Projektgruppe «Aufwachsen in
Liechtenstein», Ludothek Frido
lin, Mütteizentrum Rapunzel,
Terre des Hommes, TaKinderki-
no, Primarschulen Ebenholz
und Äule in Vaduz.
Weitere Informationen
Wer sich für den vollständi
gen Text der Konvention inte
ressiert, kann diesen beim Amt
für Soziale Dienste (Tel. 236 72
72) kostenlos beziehen. Eine
von der schweizerischen Orga
nisation pro juventute heraus
gegebene Broschüre mit dem Ti
tel «Kinder haben Rechte», ist
ebenfalls im Amt für Soziale
Dienste erhältlich. (paß)
l ^„Gemeinsam
die Heimat
mitgestalten."
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Architektur - im Dienst der Kunstwerke?
Symposium zum Spannungsverhältnis von Kunst und Museumsarchitektur in Bregenz und Vaduz
Das Kunsthaus Bregenz hatte,
gemeinsam mit dem Kunst
museum Liechtenstein, zum
Symposium «Kunsthäuser,
Architektur vs. Kunst vs. Mu
seum», gefordert von der
Stankowski-Stiftüng und dem
Bundesministerium für Bil
dung, Wissenschaft und Kul
tur, Wien, hochkarätige Ver
treter aus Kunst und Archi
tektur zu Referaten und Podi
umsdiskussionen eingeladen.
Gerolf Hauser
Am Donnerstag fokussierten
Boris Groys (Professor für Phi
losophie und Kunstwissen
schaft), Gerhard Mack (Kunst-
und Kulturkritiker) und Diet
mar M. Steiner (Direktor des
«Architektur Zentrum Wien»)
mit ihren Referaten im Kunst
haus Bregenz die thematischen
Schwerpunkte: «Gegenwarts
kunst und Museum» und «Das
Museum in sich verändernden
gesellschaftlichen Rahmenbe
dingungen». Am Freitag refe
rierten und diskutierten (Mode
ration: Edelbert Köb, ehemali
ger Direktor des Kunsthauses
Bregenz) zum Thema «Mu
seumsdesign, die Uber die
Kunstpräsentation hinausge
Diskussionsrunde über Kunst und Architektur im Engländerbau.
hende Verantwortung des Mu
seums», Martin Beck, Christian
Bernard, Wim Crouwel, Peter
Noever und Peter Vermeulen.
Architektur und Kunst
Am Samstag (im Engländer
bau in Vaduz) gab es am Vor
mittag zwei Vorträge über Mu-'
seumsarchitektur (Hubertus
Adam, Kunsthistoriker, und
Werner Oechslin, Professor für
Kunstgeschichte); am Nachmit
tag beleuchteten Rita McBride
(Konzeptkünstlerin), Veit Loers
(Direktor des Städt. Museums
Mönchengladbach), Gerald
Matt (Direktor der Kunsthalle
(Bild: Ingrid)
Wien), Laurids Ortner (Archi
tekt, Planer des neuen Mu
seumsquartiers in Wien), Joe
Scanlan (Konzeptkünstler), die
Architekten Galla Solomonoff
und Alan Koch die unter
schiedlichen Interessen und
Verantwortungen von Archi
tektinnen, Künstlerinnen und
Kuratorinnen. Was die Archi
tektengemeinschaft Morger,
Degelo und Kerez aus Basel
über «Ihr» Kunstmuseum
Liechtenstein schreiben, zeigt
diesen Interessenskonflikt:
«Wir wollten kein Museum
entwerfen, das sich modisch
schreiend aufplustert, die ar
chitektonischen Ambitionen
obsessiv in den Vordergrund
stellt und dabei die funktiona
len Belange sträflich vernach
lässigt. Wir suchten vielmehr
den Dialog zwischen Architek
tur und Kunst, zwischen
Ästhetik und Funktionalität,'
ohne dabei die jeweilige Auto
nomie der Bereiche in Frage zu
stellen, und positionieren uns
mit dieser Haltung genau zwi
schen die radikale Forderung
des bekannten Künstlers Remy
Zaugg, der das Museum ganz
im Dienst der Kunstwerke
sieht, als eine Art Behälter, der
ohne die ausgestellte Kunst gar
nicht vorhanden sein sollte
und der architektonischen
Selbstinszenierung, die die
Kunst zur reinen Dekoration
verkommen lässt.»
Podiumsdiskussion
Bei der Abschluss-Podiums-
diskussion im Engländerbau
kreisten die Beiträge immer
wieder um die anscheinend un
lösbaren Fragen: Wie dienend
muss die Rolle der Architektur
sein? Wie sieht der ideale Aus
stellungsraum überhaupt aus?
Einig war man sich, dass Mu
seumsbauten nicht dem An
denken des Architekten gewid
met sind, dass Architektur der
Kunst ein protegierendes Um
feld schaffen muss. Das aber
bedeute variable Räume, um
Ausstellungen nach den jewei
ligen Erfordernissen gestalten
zu können. Dies wiederum, so
Friedemann Malsch, heisse,
Museumsbauten sollten, über
den Zeitgeist hinaus, in der La
ge sein, mindestens 20 Jahre
lang zu reagieren auf die Kunst.
Für ihn gebe es deshalb keinen
Streit z. B. zwischen Tageslicht
und Kunstlicht; beides müsse
möglich sein, da man heute
nicht wissen könne, was Künst
ler in 10 oder 20 Jahren arbei
ten würden. Einigkeit bestand
auch darüber, dass sich ein Mu
seum in der städtebaulichen,
wie auch der gesellschaftlichen
Umgebung positionieren muss,
und als Ganzes nur funktionie
ren kann mit einem ausgewo
genen Verhältnis zwischen dem
kommunikativen Teil, also dem
Foyer, Caß usw. und den Aus
stellungsräumen.