Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR 
Samstag, 18. November 2000 27 
Ein Dämon, der weint 
«Compania Andaluza de Danza» auf Einladung des TaK im Vaduzer Saal 
Ja, sie wird gelobt, die 
«Compania Andaluza de 
Danza» des Jose Antonio, 
die am Donnerstagabend 
auf Einladung des TaK im 
Vaduzer Saal mit den bei 
den Programmen «Latido 
Flamenco» und «El Perro 
Andaluz» gastierte. 
Gerolf Hauser 
Verhalten wird sie gelobt. An 
scheinend wagt man sie nicht 
zu kritisieren angesichts des of 
fiziellen Charakters: Offizielles 
Ensemble des Kulturminis 
teriums der Junta de An- 
dalucia, Nationalpreis für Tanz 
vom Kulturministerium an Jos£ 
Antonio. So schreibt z.B. die 
NZZ zaghaft von «einem ande 
ren Charakter des ursprüngli 
chen Wechselspiels zwischen 
Tanzenden und Betrachten 
den», oder davon, dass der «Du- 
ende», also der Dämon des Fla- 
menco-Tanzenden, sich ver 
wirrt zurückziehe angesichts 
des Einbezugs zeitgenössischer 
Tanzelemente. 
Du spürst Heimweh 
Spielen wir einmal den Puris 
ten, der der Vergangenheit 
nachweint. Wer das Glück hat 
te, vor vielleicht 30 Jahren bei 
Granada in den Höhlen des 
Sacro Monte, oder vor eben so 
langer Zeit in Les Saintes Marie 
de la Mer, die Zigeuner beim 
Flamenco zu erleben, der zieht 
sich, wie der «Duende», zurück, 
spürt Heimweh nach echtem 
Flamenco, nach dem gleichbe 
rechtigten Nebeneinander von 
Gesang, Tanz und Gitarre, wie 
es z. B. auch bei den Liechten 
steiner Gitarrentagen mit De 
sire «La Merenguita» und Da 
niel Navarro-Munoz (Tanz), 
Rafael «Churumbaque» (Ge 
sang) und Merengue de Cordo- 
ba (Gitarre) zu erleben war. Der 
erste Teil des Abends im Vadu 
zer Saal, «Latido Flamenco», 
war als traditioneller Flamenco 
angekündigt. Ohne Frage, die 
tänzerischen Leistungen waren 
hervorragend, das synchrone 
Tanzen der Truppe tadellos, die 
Raumaufteilung, das Ineinan- 
der-Verflechten und wieder 
Auflösen waren sehr ästhetisch. 
Das muss, wenn bis auf wenige 
Ausnahmen, 15 oder 16 Tänze 
rinnen gleichzeitig auftreten, 
durchchoreografiert sein. Aber 
eben das lässt das Ursprüngli 
che zur sterilen Kunstform mu 
tieren - bis auf jene Szenen, bei 
denen nicht die gesamte Truppe 
auftrat, sondern Paare oder So 
listen das Individuelle, das Im 
provisatorische zeigten, Sze 
nen, in denen das sonst fehlen 
de lebendige Wechselspiel zwi 
schen Musikern und Tänzerin 
nen, die Höhen der Lebenslust 
und Tiefen der Melancholie 
aufzeigend, entstand. Und ist 
nicht eben das Flamenco? Der 
traditioneile Gesang und Tanz 
in Andalusien, der im Lauf von 
Jahrhunderten aus Traditionen 
der Zigeuner, Mauren, An- 
dalusier und anderen Einflüs 
sen entstanden ist, bei denen 
Text und Melodie der Lieder 
und der Tanz, wohl innerhalb 
traditioneller Strukturen, aber 
eben improvisiert wird, bei de 
nen die Beteiligten erfasst sind 
vom «Duende»? 
Multi-Kulti 
Und dann der zweite Teil «El 
Perro Andaluz». «Wir zeigen», 
schreibt Choreografin Maria 
Pages, «dass es wichtig ist, Be 
stimmungen, Themen und vor 
allem Vorurteile zu überwin 
den.» Das bezieht sich auf das 
Einbeziehen verschiedener Stil 
richtungen. Das könnte unge 
heuer spannend sein - war es 
aber nicht Der Begriff Ver 
schnitt meint zum einen 
«schlechte Imitation» oder «be 
grenzt produktiv», zum ande 
ren das Strecken eines alkoho 
lischen Getränks mit billigem 
Alkohol. Auf der Bühne zeigte 
sich das in einer Show - aber 
mit billigen Lichteffekten; Mul 
ti-Kulti - aber mit schlechten 
Tangoandeutungen, schnulzen- 
der Ungamgeige, gar nicht 
rockigem Rock; klassischen, 
aber wenig fliessenden Ballett 
elementen und schliesslich der 
«gestreckte» Flamenco, bei dem 
Gesang und Gitarre fast nieder 
getrampelt wurden von 30 
klappernden Schuhen. Bei die 
ser Choreografie konnten ei 
nem die grossartigen Tänzerin 
nen leid tun, deren tänzerisches 
Können auf hohem Niveau, da 
her unbestreitbar ist. 
Die *Compania Andaluza de Danza» gastierte am Donnerstag 
Einladung des TaK im Vaduzer Saal. 
auf 
Romuald Pekny wieder im TaK-Plan 
Musikalische Lesung «Das Buch Hiob» in St. Florin, Vaduz 
Im November kehrt Romuald 
Pekny wieder in den TaK- 
Spielplan zurück. Morgen 
Sonntag, dem 19. November, 
liest er um 20 Uhr in der Kir 
che St. Florin, Vaduz «Das 
Buch Hiob». Der Organist Jo 
hannes M. Daxner aus Linz 
begleitet den Abend. 
Nach seinem «Dank an 
Goethe» im Juni 1999 gibt es 
auch in dieser Spielzeit wieder 
die Gelegenheit, den grossarti 
gen Schauspieler und Textge 
stalter zu erleben. Theater- wie 
Literaturfreunde haben sich 
den Termin bereits notiert, 
denn Romuald Pekny, Jahr 
gang 1920, tritt nur noch sel 
ten auf. 
Der gebürtige Wiener absol 
vierte seine Schauspielausbil 
dung an der Akademie für Mu 
sik und darstellende Kunst sei 
ner Heimatstadt sowie am 
Max-Reinhardt-Seminar. Nach 
Engagements in Linz, Basel 
und Köln ging er 1959 ins En 
semble der Münchner Kam 
merspiele. Daneben war der 
Schauspieler auch am Wiener 
Burgtheater sowie bei den 
Salzburger Festspielen tätig. 
Fachpresse und Publikum 
schätzen den Mimen, dessen 

✓ 4,» 'V 1 


Morgen Sonntag liest Romuald Pekny in der Kirche St. Florin in 
Vaduz aus dem Buch Hiob. (Bild: TaK) 
Engagement fiir seine Texte 
und deren lebendige Gestalt 
tung jeden Abend zu einem Er-; 
eignis machen. 
Romuald Peknys Lesung in 
der Kirche St. Florin, Vaduz, 
begleitet Johannes M. Daxner. 
Der in Bad Ischl geborene Mu 
siker studierte am Bruckner- 
Konservatorium Linz Orgel, 
dann folgte ein Komposition- 
Studium in Klagenfurt, das er 
mit Diplom bei Dieter Kauf 
mann abschloss. Nach einem 
angeschlossenen Kirchenmu 
sikstudium in Linz wurde Jo 
hannes M. Daxner zweiter 
Stiftsorganist in St. Florian. In 
Linz ist er auch an St. Leopold, 
der Stadtpfarrkirche sowie am 
Alten Dom als Organist tätig. 
Im Musikalischen Teil der Le 
sung stehen Werke von Johann 
Sebastian Bach, Anton Heiller, 
Augustinus Franz Kropfreiter 
und Arvo Pärt auf dem Pro 
gramm. 
Mit dem «Buch Hiob» stellt 
das Theater am Kirchplatz in 
seinem November-Spielplan 
einen der faszinierendsten 
Texte des Alten Testaments 
vor. Das Buch berichtet von ei 
nem Mann, dem es wohl er 
geht auf Erden. Hiob hat alles, 
was man sich nur wünschen 
kann. Trotzdem ist er ein gott- 
esfürchtiger Mann geblieben, 
der sich an den Bund mit dem 
Herrn hält. Doch dann gehen 
Gott und der Teufel eine Wette 
ein, der Einsatz: Hiob. Aus hei 
terem Himmel verliert der al 
les: Seine Kinder kommen um, 
sein Reichtum ist dahin, er 
wird aussätzig. Da fragt Hiob 
nach. Er hat einen, Vertrag mit 
dem Herrn und alle Punkte 
getreu erfüllt. Nun will er wis 
sen, warum ihm Schlechtes 
widerfährt. Und der Herr ant 
wortet. 
Für diese Lesung mit Musik 
am 19. November gibt es noch 
Eintrittskarten zum Preis von 
CHF 25.- (ermässigt CHF 10.-). 
Kinder und Schüler haben frei 
en Eintritt. Die Abendkasse in 
der Kirche St. Florin, Vaduz, 
öffnet eine Stunde vor Veran 
staltungsbeginn. (TaK) 
Eschen und die ganze Welt 
Gespräch mit Arno Oehri über sein «Kunst am Bau-Projekt» 
Arno Oehri nahm bei seinem Kunst-am-Bau-Projekt an der Post in 
Eschen Kontakt auf mit allen fünf Kontinenten der Erde. 
«47 Grad, 12 Minuten, 44 Se 
kunden Nord und 9 Grad, 31 
Minuten, 25 Sekunden Ost? 
Wissen Sie wo das liegt?», 
fragt Arno Oehri, der diese ge 
naue Position der Post in 
Eschen an eben dieser «fest ge 
macht» hat 
Mit Arno Oehri sprach 
Gerolf Hauser 
VOLKSBLATT: War das ein öt 
fentücher Wettbewerb? 
Arno Oehri: Das Schöne an 
diesem öffentlichem Wettbe 
werb war, dass er ausgeschrie 
ben wurde, als noch nichts da 
stand. Es war nur ein Flecken 
Erde. Nur Pläne gab es. Als 
Künstler wurde man sehr früh 
in das gesamte Projekt mit ein 
gebunden. Das ist sehr ange 
nehm. Und dieser Flecken Erde 
brachte mich auf die Grundsat 
zidee, ihn als solchen wahrzu 
nehmen, zu definieren und zu 
positionieren. Ich habe ihn 
dann ausmessen lassen und bin 
genau auf diese Position ge 
kommen. 
Das Projekt beinhaltet aber 
mehr als «nur» die Vermessung? 
Diesen Ort, also den Punkt vor 
dem Eingang zur Post stelle ich 
in Zusammenhang mit anderen 
Orten auf dieser Erde. Ich habe, 
stellvertretend für die Kontinen 
te der Erde, Kontakt aufgenom 
men mit Liechtensteinern oder 
mit Liechtenstein verbundenen 
Menschen, die auf diesen Konti 
nenten leben: Mit Heinz Frick in 
Semarana; Indonesien, Stefan 
Sprenger in Reykjavik, Island; 
Anette Gappisch in Riobamba, 
Ecuador, Südamerika; Arnold 
Vogt in Fada N'Gourma, Burkina 
Faso, Afrika und mit Papa Neu 
guinea. 
Wie hast Du die Menschen ge 
funden? 
Von zwei Leuten wusste ich, 
dass sie dort sind: Stefan Spren 
ger in Island und Heinz Frick in 
Indonesien. Die anderen Adres 
sen bekam ich über den liech 
tensteinischen Entwicklungshil 
fedienst. Von der Post-Baustelle 
hier in Eschen habe ich dann Er 
de gesammelt, in kleine Töpf 
chen abgefüllt und sie, zusam 
men mit zwei Fotofilmen und ei 
nem mein Projekt erläuternden 
Text an jene Menschen ge 
schickt Um überhaupt Kontakte 
knüpfen zu können, habe ich 
vorher versucht per E-Mail Ver 
bindungen herzustellen. Das hat 
tatsächlich geklappt sogar mit 
Papua-Neuguinea. Alle meine 
Päckchen sind angekommen, in 
Neuguinea allerdings erst nach 
einem halben Jahr. Und alle ha 
ben geantwortet, mir Päckchen 
zurückgeschickt Die sind auch 
alle angekommen, bis auf jenes 
aus Neuguinea. 
Was haben sie mit der 
Eschner Erde gemacht und 
was haben sie Dir geschickt? 
Alle haben die Eschner Erde 
dort ausgeschüttet und mir Erde 
von dort zugeschickt, d.h. man 
nimmt etwas weg und gibt et 
was zurück. Und alle haben mir, 
ähnlich wie in einem normalen 
Briefverkehr, Texte geschickt 
und ihr Land, ihre Arbeit und 
die Menschen dort beschrieben 
- und, ich hatte ja Filme mitge 
schickt, natürlich Fotos. Inzwi 
schen hängen die Fotos vor der 
Post, für jeden Kontinent eine 
Fotoschiene. Für den fünften 
Kontinent habe ich Wolkenge 
bilde aufgehängt, da das 
Päckchen aus Neuguinea unter 
wegs verloren gegangen ist. 
Über das Projekt habe ich einen 
Faltprospekt herstellen lassen, 
der in alle Briefkästen in Eschen 
gegangen ist. Das gesamte Ma 
terial, alle Fotos, Postkarten, 
Prospekte, Bonbons, Blumen, 
Tonbandkassetten mit Musik, 
eben alles, was ich geschickte 
bekommen habe, wird von mir 
archiviert und der Gemeinde 
Eschen übergeben. Übrigens hat 
inzwischen der eine oder die an 
dere bei einem Heimaturlaub die 
neue Post in Eschen gesehen. 
Stefan Sprenger z. B. sagte da 
zu: «...plötzlich mein Island in 
Eschen an der Post zu sehen und 
wie mich zwei Freunde in Fell 
mützen fröhlich angrinsen. In 
Eschen, vor der Post. Das hatte 
etwas ganz Traumhaftes, ange 
nehm Verbundenes.»
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.