Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
KULTUR 
Freitag, 17. November 2000 1 3 
Little Big Brother Liechtenstein 
«Hirsch und Wurscht» - das neue «Liechtenstein Gabarett» Programm 
Ein wenig «heimelig» und 
nostalgisch wirkt der Saal 
im (eigentlich) geschlos 
senen Hotel Schlössle in 
Vaduz, in dem das «Liech 
tenstein Gabarett» (LiGa), 
also Mathias Ospelt, Mar 
co Schädler und Ingo Os 
pelt, das diesjährige Pro 
gramm spielt. 
Gerolf Hauser 
«Heimelige» und nostalgische 
Stimmung war auch bei der 
Premiere aufgekommen. Das 
erste Anhören und Zuschauen 
vermittelte herrliche Gags, ein 
fach zum Lachen, ohne viel 
darüber nachzudenken. Da kam 
Nostalgie nach den bissigen 
Programmen der letzten Jahre 
auf. Und doch - da war noch 
mehr, tiefer liegend, ganz und 
gar nicht oberflächlich. Also 
gab es nur eins: ein zweites Mal 
hingehen. 
Tief- und hintergründig 
Ein zweites Mal - das war der 
richtige Entschluss und kann 
nur weiter empfohlen werden, 
denn «Hirsch £t Wurscht», das 
Kulturprogramm des LiGa, 
zeigt mit einer reichhaltigen 
Menukarte die vielgepriesene 
Kulturlandschaft in Liechten 
stein von innen, ohne den Glit 
zerkram der nach aussen prä 
sentierten Fassade. Hatte sich 
das LiGa früher mit Themen be 
schäftigt, die es nur indirekt 
berührte, z.B. Landtagswahl, 
Erzbistum, Finanzdienstleis 
tungsbereich, so basiert das 
Programm diesmal auf selbst 
gemachten Erfahrungen. Das 
Die drei beschäftigungslosen Künstler Marco, Ingo, und Mathias (von linksj erzählen, was es so alles 
gibt im Little Big Brother Liechtenstein. (Bild: Ingrid) 
macht das Ganze subtiler, tief- 
und hintergründiger. Die zweite 
Seite ist, dass die Texte von 
Mathias immer feiner, ausge 
feilter, direkter und immer 
mehrdeutiger werden. Hinter 
den, oft Schlag auf Schlag aus 
geteilten Gags, verstecken sich 
feinste Nadelstiche, die zuerst 
zum Lachen kitzeln und erst 
hinterher «schmerzen». Die 
dritte Seite ist die Routine - po 
sitiv gemeint. Sie beherrschen 
nach fünf erfolgreichen Pro 
duktionen ihr Metier, wechseln 
im Saal die Spielorte, spielen 
selbstverständlicher, wechseln 
gekonnt von Songs zu Texten 
und zurück, jeder der drei zeigt 
sich vielseitiger, und sie span 
nen im Programm einen gros 
sen dramaturgischen Bogen. 
Die Nadelstiche 
Die drei beschäftigungslosen 
Künstler Ingo («Ingo Flamin 
go»), Marco («Marco Miracoli») 
und Mathias («Matthäus Sca- 
rabäus») erzählen, was es so al 
les gibt im Little Big Brother 
Liechtenstein: Den Weg «von 
einem Tunnel in den anderen» J 
und die Frage des Kopierens; 
also nach der eigenen Identität. 
und Kreativität, denn «die beste 
Kultur nützt nichts, wenn sie 
nicht aus der Ferne tönt. Ist der 
Laut von fernen Trommeln 
nicht das Trommeln deiner 
Hand? Und man möchte den 
einheimischen Maler fragen: Ist 
der Pinselstrich ferner Maler 
nicht der Pinselstrich deiner 
Hand? Lokaler Dichter: Ist der 
Paarreim ferner Dichter nicht 
der Paarreim in deinem Ge 
dicht? Ist der Bluesakkord fer 
ner Blueser nicht der Bluesak 
kord, den du gerade deiner 
Fqnder abwürgst? Vereinspräsi- 
d^jit, das Was du machst, das 
mächen andere auch.» Das hat 
natürlich aucl^ zu tun mit dem 
berühmten Vitamin B, das 
Menschen zu Künstlern macht, 
denn «hierzulande hat Kunst 
nichts zu tun mit Talent oder 
gar Können. Hier kommt die 
Kunst von Gunst, von Gön 
nen ...»Und da auch jene Gön 
ner sich manchmal von der 
Muse geküsst fühlen, stellt das 
LiGa die Frage, wann z. B. der 
Treuhänder damit beauftragt 
wird, Briefmarken zu gestalten. 
Was Marco zu der Frage veran 
lasst: «Mund oder fussgemalt?» 
Wie er darauf komme? Ganz 
einfach: «Wegen der Hand 
schellen!» Und so geht es wei 
ter: Verfassungsfrage, Sponso 
ring, Job-Verordnung an ar 
beitslose Künstler durch das 
Arbeitsamt, selbstverständlich 
auch die Selbstkritik, die «TV- 
Kultur», Kritikerschelte, Kultur 
beirat, Musical-Manie, die An 
sprachen und «künstlerischen» 
Einlagen bei Weihnachtsfeiern, 
Vereins- und Betriebsfesten 
usw., denn «hier laufen die Uh 
ren anders. Wir warten immer 
noch auf Revolution, Reforma 
tion und Bürger-King (richtig: 
mit ü)». Dazu kommen die 
Überraschungsgäste (bei der 
Premiere war es Wolfi Schatz 
mann, im Moment ist es 
«Balders Ross») - es lohnt sich 
also, «Hirsch und Wurscht» zu 
geniessen. 
Vorverkauf über Telefon 
00423 262 80 82, werktags von 
9 bis 11 Uhr. Weitere Infos 
über: www.drink.to/deersausa- 
ge. Weitere Vorstellungen im 
November: 18./19./22./24./26./ 
28. und 29. Im Dezember: 
2./3./9./10./12./13./14./16. und 
17. Beginn jeweils 20 Uhr. Spe 
zialgäste treten ohne Vor 
ankündigung auf. 
Konzert für 
die CliniClowns 
Zu einer *musikalischen Nachmittagsvisite» lädt das Ensemble 
Montfort am Sonntag, den 19. November ab 17 Uhr in das neu re 
novierte Gasthaus Löwen in Tisis. Gespielt werden unter anderem 
Werke von Debussy, Gschrei, Andergassen und Jan Koetsier, des 
sen »Kinderzirkus»im Mittelpunkt des Programms steht. Der Ein 
tritt ist gratis, freiwillige Spenden werden den *CliniClowns» fiir 
ihren Einsatz zugunsten kranker Kinder zur Verfügung gestellt. Die 
CliniClowns wirken in diesem Benefizkonzert auch selber mit. Al 
le musikalisch Interessierten und natürlich auch Familien mit Kin 
dern sind herzlichst eingeladen. 
Das Lachen der Kinder gibt Kraft 
Erfahrungsbericht von zwei Sozialpraktikantinnen in Afrika 
Die angehenden Lehrerinnen 
Franziska Matzig (Mels) und 
Merilen Geiger (Schaan) weilen 
für ihr Sozialpraktikum in Afri 
ka. Zwischen den Einsätzen in 
Tansania und Burkina Faso wa 
ren sie kurz in der Schweiz und 
berichteten von ihren vielfälti 
gen Erfahrungen. 
Markus Roth 
In den ersten paar Wochen ging 
es vor allem darum, sich an das 
Klima in Afrika zu gewöhnen. 
Geschwitzt wird schon beim 
Nichtstun. Das Leben in Tansa 
nia ist nicht zu vergleichen mit 
dem Leben zu Hause - alles ist 
anders. Es ist zum Beispiel keine 
Selbstverständlichkeit, dass 
Wasser einfach zum Wasserhahn 
herausläuft, sondern es muss oft 
von weither getragen werden. 
Die Sprache war für die beiden 
Absolventinnen des Lehrersemi 
nars anfangs total fremd.. Mit 
Händen und Füssen musste 
kommuniziert werden. Erstaun 
lich auch, wie verschieden Ge 
sichtsausdrücke und Körperspra- 
che der Menschen sind. Auch die 
Geräusche, welche in der Stadt 
wahrzunehmen sind, unterschei 
den sich von zu Hause. Für die 
beiden jungen Damen war es 
auch sehr gewöhnungsbedürftig, 
als Weisse überall angestarrt zu 
werden. Auch gab es viele Män 
ner, welche ihnen nachliefen, 
und sie erhielten viele Heirats 
anträge I Erschütternd war der 
Anblick von Tausenden von 
Menschen, welche einfach am 
Strassenrand sassen und warte 
ten. Oft waren die Menschen am 
verhungern oder betteln. Fran- 
, Leben wie die Einheimischen: 
Dorf in Tansania. 
(Bild: Merilen Geiger) 
ziska Matzig und Merilen Geiger 
Verbrachten die erste Woche in 
Dar es Salaam der Hauptstadt 
von. Tansania, mit dreieinhalb 
Millionen Einwohnern. Mit dem 
Zu$ ging es dann zweieinhalb 
Tage quer durch das Land in den 
Norden nach Mwanza am Victo 
ria See. Schwester Denise, eine 
Bnldegg-Klosterfrau aus der 
Schweiz, wirkt seit 22 Jahren 
dort; bildet junge und alte Frau 
en und Männer zu Montessori- 
lelirprn aus und baut Primar- 
schülen auf. Die beiden jungen 
Frauen unterrichteten fortan an 
ein^r, Primarschule und erteilten 
auch werdenden Lehrern Lektio- 
ru'ti. Das Niveau der Schüler und 
der Lehrer erwies sich als be 
trächtlich tiefer als in der 
Schweiz. Die Erfahrungen be 
zeichneten Franziska Matzig 
und Merilen Geiger als sehr in 
teressant, aber auch schwierig. 
Auffallend war, wie scheu und 
ängstlich die Kinder waren. Die 
Kinder werden zu Hause oft ge 
schlagen. Ein Lachen dieser Kin 
der war deshalb sehr viel wert 
und gab Kraft zum Weiterma 
chen. Mit den Spendengeldem, 
welche die beiden jungen Frau 
en gesammelt haben, werden 
zwei Schulen, ein Kinderheim 
sowie der Aufbau einer neuen 
Primarschule unterstützt. Der 
Staat drohte, alle Schulen von 
Schwester Denise zu schliessen, 
wenn sie keine neue baut Viele 
Menschen halfen dann beim Bau 
mit, Maschinen gab es keinel 
Das Kinderheim war voller Ba 
bys und Kindern, welche die 
Mutler bei der Geburt verloren 
haben. Ein Teil der Spendengel 
der wurde auch für eine Wasser 
pumpe verwendet. Die Zeit in 
Tansania ging für die beiden Se 
minaristinnen viel zu schnell 
vorbei. Ihr Fazit: «Es ist uns klar 
geworden, was im Leben wirk 
lich zählt: Liebe und Freunde.» 
Nach einem kurzen Zwi 
schenhalt in der Schweiz be 
ginnt die Herausforderung in 
Burkina Faso (Westafrika). Dort 
werden die beiden von Dominik 
Matzig (Mels), Alexandra Büchel 
(Ruggell) und Rüben Staub 
(Buchs) unterstützt. Die fünf 
Schweizer betreuen dort Stras- 
senkinder und begleiten sie in 
einem kleinen Stück ihres Le 
bens. Die beiden Projekte wer 
den auch mit Geldern aus der 
Schweiz unterstützt Ein Spen 
denkonto lautet auf Montessori, 
Tansania - Konto 53492.11, ei 
nes auf Burkina Faso 53492.98 - 
beide Konti bei der Raiffeisen- 
bank in Mejs PC 70-1012-8. 
NACHRICHTEN 
Rom In der 
Schweiz? 
CHUR: An der HTW Chur 
hält heute Freitagabend um 
20.30 Uhr Professor Bruno 
Reichlin einen Vortrag zum 
Thema Neorealismo und die 
italienische Nachkriegs-Ar- 
chitektur. Der Neorealismus 
hat sich in Italien als eine 
Gegenreakion auf den Fa 
schismus herausgebildet und 
wollte in erster Linie der Be 
völkerung dienen. Es stan 
den nicht mehr die Helden 
des Krieges im Zentrum, 
sondern der einfache 
Mensch mit all seinen Pro 
blemen und Sorgen. Die Be 
wegung etablierte sich zuerst 
in der Literatur und Film, 
später auch in der Architek 
tur. Ein wichtiges Beispiel ist 
der Film «Ladri di biciclette» 
von Vittorio De Sica (1948), 
in welchem Ricci verzweifelt 
nach einer Arbeit sucht 
Gleichzeitig zum Vortrag 
kann an der HTW Chur noch 
bis zum 24. November die 
Ausstellung «Das Möble» als 
Gebrauchsgegenstand be 
sichtigt werden. (HTA) 
Meditation und 
die Pflege der 
Chakren 
BUCHS: Am Donnerstag, 
den 23. November um 19.30 
Uhr organisiert die Studien 
gruppe für Anthroposophie 
im Singsaal der Sekundär 
schule Buchs einen Vortrag 
von Marcus Schneider aus 
Basel zum Thema «Meditati 
on und die Pflege der Cha 
kren». Der übersinnliche 
Mensch schlummert im all 
täglichen Seelenleben. 
Wenn er, sei es durch 
Schicksal, sei es durch be- 
wusste Meditation, geweckt 
wird, bedeutet dies das Wie- 
der-Beleben dieser schlum 
mernden Kräfte in der 
menschlichen Organisation: 
das sind die Chakren, oder 
auch die «Lotusblüten» ge 
nannt, von denen es sieben 
Organe gibt. Diese bilden 
den übersinnlichen Wahr 
nehmungsorganismus jedes 
Menschen, und ihre Ausbil 
dung hat Konsequenzen. 
Darüber spricht Marcus 
Schneider aus Basel. 
Studiengruppe fiir 
Anthroposophie 
«Das ehemals 
österreichische 
Westallgau» 
BREGENZ: Am Donnerstag, 
den 23. November um 20 
Uhr findet im Vortragsraum 
des Vörarlberger Landesar 
chivs (Kirchstrasse 28, Bre- 
genz) ein Vortrag mit dem 
Titel «Das ehemals öster 
reichische Westallgäu» von 
Prof. Dr. Wolfgang Härtung 
von der Universität Duisburg 
statt. Die Habsburger wur 
den seit dem Zusammen 
bruch des Stauferreiches im 
13. Jahrhundert zunehmend 
zum bedeutendsten politi 
schen Faktor im östlichen 
Bodenseegebiet Das Land 
und die Menschen wurden 
zunehmend in Vorarlberg 
integriert: politisch, wirt 
schaftlich, rechtlich und so 
zial. Bis zum Ende des Heili 
gen Römischen Reiches 
Deutscher Nation teilte das 
Westallgäu die Geschicke 
Vorarlbergs in Krieg und 
Frieden. Die Spuren der lan 
gen gemeinsamen Geschich 
te sind bis heute nicht ganz 
verwischt. (Eing.)
	        

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