36 Donnerstag, 16. November 2000
SCHWEIZ
Liechtensteiner VOLKSBLATT
NACHRICHTEN
Bundesrat vom
eigenen Käse
überzeugt
BERN: Der Bundesrat hat
sich am Mittwoch im
wahrsten Sinne des Wortes
von seinem eigenen Käse
überzeugen lassen. Mit ei
nem schwer gewichtigen
politischen Geschäft hatte
dies allerdings nichts zu
tun. Der bundesrätliche Kä
se sei über den Sommer ge
reift und sorgsam gepflegt
worden, teilte die Bundes
kanzlei mit. Wie sich auf
grund der Mitteilung
schliesslich herausstellte,
handelte es sich um die
Früchte eines zweitägigen
Ausfluges vom Juli, als der
Bundesrat auf der Alp Beust
oberhalb von Saanen im
Berner Oberland unter an
derem das Käsen lernte. Die
Familie Bach im dortigen
Bergheimat lieferte den Kä
se am Mittwoch den Produ
zenten im Bundeshaus ab.
Die Gäste wurden «Im Salon
du President» während einer
kurzen Sitzungspause von
Bundespräsident Adolf Ogi
und dem Gesamtbundesrat
empfangen. Bei einer klei
nen Feier, die sich daraus
ergab, konnten sich die Mit
glieder der Landesregierung
davon überzeugen, dass sie
tatsächlich einen schmack
haft-feinen Käse hergestellt
hatten, so die Bundeskanz
lei.
Suchtprävention
in Theaterform
BERN: «Abrakadabra - Sim-
salabim»: Mit einem Clown-
Theater will die Lungenliga
Schweiz den Neun- bis
ZwölQährigen die Gefahren
von Alkohol- und Tabak
konsum auf eine neue Art
näherbringen. Nach über
350 Aufführungen in der
Westschweiz hatte die
Deutschschweizer Fassung
des Präventionsstücks am
Mittwoch in Bern Premiere.
Es soll den Kindern einen
altersgerechten Zugang zur
Suchtproblematik ermögli
chen. Seine Hauptbotschaft:
Wer in jungen Jahren der
Versuchung widerstehen
kann, dem fällts im Alter
um so leichter.
Abkommen im
Bildungsbereich
BERN: Die Schweiz und Ita
lien werden Studiengänge
und Prüfungen an ihren
Hochschulen gegenseitig
anerkennen. Der Bundesrat
hat am Mittwoch ein ent
sprechendes Abkommen ge
nehmigt. Auch für die
Fachhochschulen konnte ei
ne Lösung gefunden wer
den. Das in rund zweijähri
gen Verhandlungen ent
standene Abkommen soll
Studierenden beider Länder
das Studium im jeweils an
dern Staat erleichtern.
Kritik an LSVA aus Österreich
Gütergewerbe sagt massive Verkehrsbehinderungen für Vorarlberg voraus
WIEN/BERN: Die in der
Schweiz und in Liechten
stein ab Anfang 2001 er
hobene LSVA stösst beim
österreichischen Fachver
band für das Gütergewer
be auf wenig Gegenliebe.
Massive Verkehrsbehin
derungen werden für Vor
arlberg vorausgesagt. Die
Schweizer Oberzolldirek
tion sieht dies anders.
Laut Adolf Moser, Vorsteher des
österreichischen Fachverbands
für das Gütergewerbe, sei so
wohl die Schweiz als auch die
EU sehr schlecht auf das Ein
führungsdatum der LSVA vor
bereitet. An einer Pressekonfe
renz vom Mittwoch in Wien
strich Moser hervor, dass in
Vorarlberg vor allem dadurch
Probleme entstünden, dass die
Grenzübergänge in Feldkirch
und Lustenau «praktisch mitten
in der Stadt liegen».
«Keine Verzögerungen»
Anders sieht das Hans Häus
ler, Chef Abteilung LSVA der
Schweizer Oberzolldirektion.
«Wir sind sehr gut vorbereitet»,
erklärt Häusler auf Anfrage.
«Die LSVA-Einführung sollte zu
Die in der Schweiz und in Liechtenstein ab Anfang 2001 erhobene LSVA stösst beim österreichischen
Fach verband für das Gütergewerbe auf wenig Gegenliebe. (Archivbild)
keinen wesentlichen Verzöge
rungen der Grenzabfertigung
führen», sagt Häusler mit Blick
auf die bereits heute prekäre
Verkehrssituation in Feldkirch
und Lustenau.
Bei den inländischen Ca-
mionneuren, deren Lastwagen
mit einem LSVA-Erfassungs-
gerät ausgestattet sein müssen,
ergeben sich laut Häusler oh
nehin keine Verzögerungen.
Auch für ihre ausländischen
Kollegen sei der Aufwand ge
ring.
Diese können sich seit Au
gust in der Schweiz registrieren
lassen. «Kommen sie dann an
den Zoll, müssen sie bloss noch
ihre Identifikationskarte vor
weisen und den Kilometerstand
ihres Fahrzeugs melden», sagt
Häusler. Somit müsse nicht wie
bis anhin jeweils ein neues For
mular mit den Stammdaten
ausgefüllt werden.
Knapp 3000 ausländische
Fahrzeuge haben laut Häusler
von der Möglichkeit der Regist
rierung bereits Gebrauch ge
macht. «Damit ist eine grosse
Vorarbeit bereits geleistet», sagt
Häusler. Zudem könnten auch
die ausländischen Camionneu-
re ihre Fahrzeuge freiwillig mit
einem LSVA-Erfassungsgerät
ausstatten lassen.
Kontingente-Freigabe
Der Bundesrat hatte am 1.
November erklärt, die LSVA
werde wie geplant auf Anfang
2001 eingeführt. Gleichzeitig
werden auch die mit der EU
vereinbarten Kontingente für
40-Tönner freigegeben. Der Be-
schluss bedeutet, dass die LSVA
nicht erst mit dem (verzöger
ten) In-Kraft-Treten der bilate
ralen Verträge eingeführt wird,
wie dies die Schweizer Ca-
mionneure verlangt hatten.
Die Schweiz macht beim
internationalen Strafgericht mit
Bundesrat verabschiedete Botschaft ans Parlament
Schweiz: Tempo 80 ausserorts
für Anhängerzüge jetzt offiziell
BERN: Die Schweiz beteiligt
sich am neuen internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag.
Der Bundesrat beantragt dem
Parlament die Ratifikation des
so genannten Römer Statuts.
Der Gerichtshof wolle der
Straflosigkeit von Völkermord
und Kriegsverbrechen ein
Ende setzen, sagte Bundesrat
Joseph Deiss am Mittwoch.
Das neue Tribunal wird für be
sonders schwere Verbrechen
zuständig sein, welche die in
ternationale Gemeinschaft als
Ganzes betreffen, wie Deiss vor
den Medien im Bundeshaus
sagte. Dazu gehören Völker
mord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsver
brechen.
Der Gerichtshof wird dann
tätig, wenn die für die Strafver
folgung zuständigen staatli
chen Behörden nicht willens
oder nicht in der Lage sind, die
Verbrechen ernsthaft zu verfol
gen. Dies kann bei kriegeri
schen Ereignissen der Fall sein
oder bei Kontrolle des Justizap
parates durch Personen, die an
den Verbrechen beteiligt waren.
Der Gerichtshof wird nicht wie
das bestehende Kriegsverbre
chertribunal in Den Haag von
den Vereinten Nationen (UN),
Bundesrat Joseph Deiss
sondern von den Vertragsstaa
ten getragen. Der Gerichtshof
sei ein grosser Schritt hin zu ei
nem globalen humanitären
Völkerrecht, sagte Deiss.
Mit der Ratifikation werden
auch in der Schweiz gesetzliche
Anpassungen notwendig. So
muss die Überstellung von
Schweizer Staatsangehörigen
an den Gerichtshof ermöglicht
werden. Weiter sollen Verbre
chen gegen die Menschlichkeit
explizit ins Schweizer Strafge
setz aufgenommen werden.
Entgegen der Forderung der
SVP in der Vernehmlassung
hält der Bundesrat eine Verfas
sungsänderung nicht für not
wendig. In der Bundesverfas
sung sei zwar das Ausliefe
rungsverbot von Schweizerin
nen und Schweizern als Grund
recht verankert, sagte Deiss.
Beim Gerichtshof handle es
sich aber nicht um ein Land,
sondern um eine Organisation,
an der die Schweiz selber betei
ligt sei.
BERN: Anhängerzüge und
Sattelmotorfahrzeuge dürfen
ab 2001 in der Schweiz aus
serorts offiziell mit Tempo 80
statt wie bisher nur 60 unter
wegs sein. Laut Bundesrat ist
die höhere Limite bereits
Realität und die Sicherheit
trotzdem gewährleistet. Ab
2002 müssen zudem auf dem
Rücksitz alle Kinder bis zwölf
Jahre gesichert werden kön
nen.
Der Bundesrat stützt die Än
derung Verkehrsregelnverord
nung (VRV) auf ein verkehrs
technisches Gutachten der
ETH Zürich. Danach haben die
Unfälle zwischen 1984 und
1998 bei diesen Fahrzeugen
abgenommen, obwohl sich de
ren Zahl deutlich vergrösserte.
Das effektiv gefahrene Tempo
80 von Anhängerzügen und
Sattelschleppern habe nicht
zuletzt zur Abnahme der Über
hol- und Begegnungsunfälle
auf Ausserortsstrassen beige
tragen, wie das Eidgenössische
Departement für Umwelt, Ver
kehr, Energie und Kommuni
kation (UVEK) schreibt.
' Eine Verschärfung beschloss
der Bundesrat beim Mitführen
von Kindern auf Rücksitzen.
So müssfeh ab Anfang 2002
neu auch Kinder im Alter von
sieben bis zwölf Jahren entwe
der irtit einer nach ECE-Regle-.
ment geprüften Kinderrück-
haltevorrichtung wie etwa ei
nem Kindersitz oder mit den!
vorhandenen Sicherheitsgur
ten gesichert werden. Bisher
durften auf dem Rücksitz so-;
viele Kinder dieses Altersseg
mentssitzen, wie Platz hatten,
auch wenn nicht für alle Gür
ten vorhanden waren. Drei
solcher Kinder galten dabei als
zwei Erwachsene. Für Kinder'
bis zum Alter von sieben Jah
ren gilt weiterhin die Kinder
sitzpflicht auf dem Rück- und
sowieso auf dem Vordersitz.
. Neu dürfen zugleich mit
Heckträg« rn transponierte
Fahrräder aas Fahrzeug seit
lich maximal je 20 Zentimeter
überragen. Die Höchstbreite
von zwei Metern darf dabei
aber nicht Überschritten wer-;
den, und der Heckträger selbst
darf das Fahrzeug Dicht über
ragen.
Gefährliche Hunde: Zucht und Schulung regeln
Die Ostschweizer Kantonstierärzte sind gegen ein Verbot einzelner Rassen
ST. GALLEN: Die Ostschweizer
Kantonstierärzte wollen bei
der Lösung des Problems an-
grifflger Hunde nicht einzelne
Rassen verbieten. Vielmehr
sollen Hundezucht und -Schu
lung geregelt werden, wie der
St. Galler Kantonstierarzt Tho
mas Giger sagt.
Durch Aufklärung von Hunde
halterinnen und -haltern sowie
der Gemeindebehörden über
das Vorgehen bei Attacken ag
gressiver Hunde und gegen re
nitente Hundehalter wollen die
Kantonstierärzte der Kantone
Zürich, St. Gallen, Thurgau,
Schaffhausen, Graubünden,
Glarus und beider Appenzell
das Problem in den Griff be
kommen.
Rassenspezi fisches Vorgehen
halten die Kantonstierärzte
nicht für sinnvoll. «Für Kampf
hunde gibt es keine schlüssige
Definition», sagt der St. Galler
Kantonstierarzt Thomas Giger.
Und: Hundekämpfe seien oh
nehin verboten. Mit dem Verbot
von Zucht und Haltung soge
nannter Kampfhunde gehe die
Zahl der Hundebisse nicht
zurück. Ein Verbot von Kampf
hunden nütze wenig, wenn in
drei von vier Fällen Hunde an
derer Rassen zubissen, gibt Gi
ger zu bedenken. So seien bei
spielsweise in Degersheim vier
Vorfälle mit beissenden Hunden
registriert worden: Einer sei ein
Pittbull gewesen, die übrigen
drei ein Belgischer und ein
Deutscher Schäfer sowie ein Si-
berian Husky.
Weniger Hundebisse
Ziel müsse sein, die Zahl der
Bissverletzungen zu senken.
Dazu müssten Kantone und
Gemeinden Hundezucht und
-Schulung in den Griff bekom
men. Bisher sei die Hundeerzie
hung überhaupt nicht geregelt.
Jeder, der sich dazu berufen
fühle, könne Hundeerziehungs
kurse erteilen. Darunter seien
auch völlig ungeeignete Leute
und sogar solche, die ihre eige
nen Hunde misshandelten. Das
seien keine guten Vorausset
zungen für taugliche Erzie
hungskurse.
Im Kanton St. Gallen ist die
Diskussion über Massnahmen
gegen aggressive Hunde in
Gang gekommen, nachdem die
Gemeinde Rorschacherberg für
«potentiell gefahrliche Kampf
hunde» Leinen- und Maulkorb-
Pflicht verfügte. Als «potentiell
gefährlich» werden Tiere mit ei
ner «tiefen Reizschwelle» be
zeichnet. Rorschacherberg dürf
te allerdings eine Ausnahme
bleiben: Andere Gemeinden
weigern sich, im Alleingang
Massnahmen zu ergreifen. Der
Gemeinderat von Uzwil bei
spielsweise ist der Ansicht, ver
schärfte Vorschriften für ge
fährliche Hunde müssten ein
heitlich und flächendeckend
vom Kanton erlassen werden.
Insellösungen einzelner Ge
meinden seien nutzlos.
Im St. Galler Grossen Rat
werden nächste Woche parla
mentarische Vorstösse erwartet.
In Appenzell Ausserrhoden soll
eine Arbeitsgruppe zum Thema
gefährliche Hunde unter dem
Vorsitz des Ausserrhoder Poli
zeikommandanten Hansjörg
Ritter gebildet werden.