Liechtensteiner Volksblatt
Ausland
Samstag, 5. Februar 2000 31
Nachrichten
Russland schickt Auf
klärer ins Mittelmeer
MOSKAU: Einen Tag nach der Festsetzung ei
nes russischen Tankers durch die US-Marine
hat Russland nach Agenturmeldungen die Ent
sendung eines Aufklärungsschiffes in das Mit
telmeer angekündigt. Die Nachrichtenagentur
RIA meldete am Freitag unter Berufung auf ei
nen Militärsprecher, die «Kildin» werde kom
mende Woche entsandt. Der Sprecher habe die
Massnahme damit begründet, dass die NATO
einen neuen Angriff gegen den Irak vorbereite.
Der Aufklärer werde das Vorgehen der Allianz
in der Region beobachten, hiess es. Die US-Ma
rine hatte am Donnerstag im Golf von Oman ei
nen russischen Tanker aufgebracht, der angeb
lich irakisches Öl geschmuggelt hat. Die russi
sche Regierung hat die sofortige Freigabe der
«Wolgoneft-147» gefordert,die Öl aus dem Iran
und nicht aus dem Irak geladen habe. Die USA
haben angekündigt, die Fracht des Tankers ge
nau zu untersuchen. Die UNO hatte nach dem
Einmarsch Iraks in Kuwait 1990 Sanktionen ge
gen Irak verhängt und gestattet dem Land bis
heute nur die begrenzte Ausfuhr von öl im Aus
tausch gegen humanitäre Güter.
13 Tote bei einer Welle
der Gewalt in Kolumbien
BOGOTA: Im von Bürgerkrieg und Krimina
lität geplagten Kolumbien sind bei einer neuen
Welle der Gewalt mindestens 13 Menschen
getötet und bis zu 20 verletzt worden. Die Poli
zei vermutete am Freitag in fast allen Fällen ei
ne Verbindung zum Drogenhandel. I m Zentrum
der Stadt Puerto Asis im Süden des Landes wur
den durch eine Autobombe mindestens zwei
Menschen getötet, zehn weitere wurden ver
letzt. Die Behörden vermuteten die linksgerich
tete Rebellengruppe Revolutionäre Streitkräf
te Kolumbiens (FARC) hinter dem Anschlag.
Es könne sich um eine Vergeltungsaktion han
deln, weil in der Region zurzeit mit Herbiziden
gegen illegale Drogenplantagen vorgegangen
werde, sagte ein Justizsprecher. Die FARC ist
die grösste Rebellenorganisation Kolumbiens
und führt seit mehr als einem Jahr Gespräche
mit der Regierung über ein Ende des jahrzehn
telangen Bürgerkrieges. Dennoch setzen die
Rebellen ihre Anschläge, Sicherheitsdienste für
die Drogenmafia und Entführungen fort und
bezeichnen dies als «Dialog im Konflikt».
Primakow steigt aus
MOSKAU: Der frühere russische Ministerprä
sident Jewgeni Primakow ist aus dem Rennen
um die Präsidentschaft ausgestiegen. Der 70-
jährige Politiker vom Bündnis «Vaterland-Ganz
Russland» erklärte sieben Wochen vor der
Wahl, er werde am 26. März nicht kandidieren.
Grund sei, dass Russland sich nach der Duma-
Wahl im Dezember immer weiter von einer
wahren Demokratie entfernt habe. Damit hat
der geschäftsführende Präsident Wladimir Pu
tin nach Einschätzung von Beobachtern einen
wichtigen Herausförderer verloren. Primakow
sagte, er glaube nicht, dass sich die Lage in Russ
land in einigen Monaten wirklich verändere. Er
hatte im Dezember zunächst seine Kandidatur
angekündigt, dies aber nach dem Rücktritt von
Präsident Boris Jelzin am Silvestertag nicht wie
derholt. Primakow war von September 1998 bis
Mai 1999 Regierungschef.
Moskau bereitet
Teilrückzug vor
MOSKAU: Russland bereitet nach den Worten
des stellvertretenden Generalstabschefs Waleri
Manilow einen Teilrückzug seiner Truppen aus
Tschetschenien vor. Eine «bedeutenderTeil» der
fast 100 000 Soldaten, die im Kaukasus-Krieg im
Einsatz sind, solle abgezogen werden, sagte Ma
nilow am Freitag vor den Medien in Moskau.
«Die Lage erlaubt uns, die Zahl der Soldaten zu
verringern», fügte er hinzu. Die Entscheidung sei
am Freitag bei einem Treffen des Sicherheitska
binetts im Kreml getroffen worden.
Athen und Ankara norma
lisieren Beziehungen
ATHEN: Griechenland und die Türkei haben
am Freitag mit der Unterzeichnung von fünf
Verträgen neue Schritte zur Normalisierung ih
rer Beziehungen getan. Zum ersten Mal seit 40
Jahren besuchte ein türkischer Aussenminister
Griechenland. Die Aussenminister der beiden
Länder vereinbarten die Zusammenarbeit in
den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und
Technologie, Kultur und Ausbildung sowie Han
delsschifffahrt.
ÜÜL . ..3
Aufklärung kommt gut voran
Existenz von Konten in der Schweiz bestätigt
BONN: Die deutschen Christ
demokraten (CDU) sind nach
den Worten ihres Vorsitzenden
Wolfgang Schäuble bei der
Aufklärung der Spendenaffäre
einen grossen Schritt weiter ge
kommen. Sie gewannen dabei
eine Reihe von schmerzlichen
Erkenntnissen.
Für die CDU Deutschland bleibe
klar, dass es keine Alternative zur
vollständigen Aufklärung gebe, sag
te Schäuble am Freitag nach der
Präsidiumssitzung in Bonn. Das ha
be das Präsidium beschlossen. Es sei
bedauerlich, dass sich Ex-Kanzler
Helmut Kohl nicht in der Lage sehe,
einen weiter gehenden Beitrag zur
Aufklärung zu leisten. Die Partei sei
aber durch die Aussagen des ehe
maligen CDU- Hauptabteilungslei
ter HansTerlinden und des früheren
Steuerberaters der Partei, Horst
Weyrauch, einen guten Schritt vor
angekommen. Das Protokoll des
Gesprächs sei der Bonner Staatsan
waltschaft übergeben worden.
Existenz von Konten in der
Schweiz bestätigt
Wie der CDU-Bundesgeschäfts-
führer Willi Hausmann erläuterte,
fanden Weyrauch und der damalige
Finanzmanager Uwe Lüthje bei ih
rer Amtsübernahme 1971 die Aus
landskonten vor. Über diese Konten
seien Gelder der Staatsbürgerlichen
Vereinigung - einer Gesellschaft
zum Sammeln von Parteispenden -
bis 1974 abgewickelt worden, sagte
Hausmann. Es habe solche Konten
Angela Merkel und Wolfgang Schäuble (rechts) stellen sich in einer Pressekonferenz den Journalisten.
nur in der Schweiz gegeben, in
Liechtenstein nicht. Über ein 1974
neu eingerichtetes Konto in der
Schweiz seien dann weiterhin Gel
der der Staatsbürgerlichen Vereini
gung abgewickelt worden. Das
«Herrschaftswissen» über dieses
Konto habe bei Lüthje und Wey
rauch sowie dem ehemaligen CDU-
Schatzmeister Walter Leisler Kiep
gelegen. Seit 1992 verfüge die Bun-
des-CDU über keine Auslandskon
ten mehr, sagte Hausmann.
Die CDU gehe den Hinweisen
von Beteiligten der Spendenaffäre
nach. Die Wirtschaftsprüfer der Ge
sellschaft Ernst & Young seien be
vollmächtigt worden, bei der UBS
in der Schweiz die Sachverhalte auf
zuklären. Laut Hausmann seien
nach Angaben Lüthjes auf die Kon
ten in der Schweiz auch Spenden
der Firma Siemens geflossen; dies
werde allerdings von Kiep bestrit
ten. Siemens sei bereits am Mitt
woch über diese Angaben unter
richtet worden, das Unternehmen
habe aber bisher «keine Anhalts
punkte» für derartige Zahlungen,
sagte Hausmann. Kohl hatte einge
räumt, zwischen 1993 und 1998 bis
zu zwei Millionen Mark von anony
men Geldgebern angenommen,
aber nicht im Rechenwerk der Par
tei vermerkt zu haben. Dies ist ein
Verstoss gegen das Parteiengesetz.
Kohl weigert sich die Namen der
Spender zu nennen, weil er ihnen
sein Ehrenwort gegeben habe.
Krise im Friedensprozess
Nordirland soll unter britische Herrschaft zurückkehren
LONDON: Nordirland soll
nach nur zwei Monaten Auto
nomie unter britische Herr
schaft zurückkehren. Die briti
sche Regierung brachte am
Freitag im Unterhaus ein Ge
setz ein, mit dem die Selbstver
waltung der Provinz suspen
diert werden soll.
Die Verabschiedung des Gesetzes
am Freitag nächster Woche kann
nur noch verhindert werden, wenn
die IRA wider Erwarten doch mit
ihrer Entwaffnung beginnt oder ei
nen Zeitplan dafür vorlegt. Mit der
Rückkehr zur Direktherrschaft be
straft die britische Regierung die
IRA dafür, dass sie bisher keine ih
rer Waffen abgegeben hat.
Ein Einlenken der IRA in der
nächsten Woche galt am Freitag als
jedoch unwahrscheinlich. Der Vor
sitzende der IRA-Nahen Partei
Sinn Fein, Mitchel McLaughlin, sag
te zu den Aussichten dafür: «Das
möchte ich sehr bezweifeln.»
Heftige Vorwürfe von Adams
Der britischen Regierung warf er
eine «hirnverbrannte Logik» vor.
Wenn sich die Entwaffnung der
IRA unter den gegenwärtigen Um
ständen schon als schwierig erweise,
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Schüler sitzen bei einer Wand, auf die ein IRA-Graffiti gesprayt wurde.
werde sie nach einer Suspendierung
der nordirischen Regionalregierung
unmöglich sein.
Sinn Fein-Prßsident Gerry
Adams bezeichnete das Vorgehen
der britischen Regierung als
«Schande». Keine «unbesiegte Ar
mee» wie die IRA habe je ihre Waf
fen abgegeben. Den Chef der pro
testantischen Ulster Unionisten,
David Trimble, beschuldigte er, wie
ein Kamikaze den gesamten Frie
densprozess zunichte zu machen.
Pessimistisches Dublin
Auch Ahern, dessen Regierung in
direktem Kontakt zu der IRA- Spit
ze stehen soll, äusserte sich am Frei
tag pessimistisch. Der frühere US-
Senator George Mitchell, der in den
vergangenen Jahren erfolgreich in
Nordirland vermittelt hatte, steht
nicht noch einmal zur Verfügung. Er
sehe seine Mission als beendet an,
sagte er.
Der britische Premierminister
Tony Blair rief die IRA auf, in der
Entwaffnungsfrage endlich Klar
heit zu schaffen. Er sprach von ei
nem kritischen Augenblick für den
Friedensprozess. Ahern und Blair
trafen sich in der Nacht, um die La
ge in Nordirland zu besprechen.
Nicht eine einzige Waffe
abgegeben
Am Donnerstagabend hatte der
britische Nordirland-Minister Peter
Mandelson im Unterhaus offiziell
bestätigt,dass bisher weder die IRA
noch die protestantischen Terror
gruppen «auch nur eine Waffe» aus
gehändigt haben. Das sei unan
nehmbar und komme einem Betrug
an der nordirischen Bevölkerung
gleich.
Protestanten-Führer Trimble, der
auch Regierungschef der Provinz
ist, hatte mit seinem Rücktritt ge
droht, falls die IRA nicht mit der
Waffenübergabe beginne. Der Frie
densnobelpreisträger sagte am Frei
tag, er habe der IRA und Sinn Fein
einen Vertrauensvorschuss gegeben
und sei bitter enttäuscht worden.
Nach dem Nordirland-Abkom
men vom Karfreitag 1998 müssen
alle paramilitärischen Gruppen ihre
Waffen- und Sprengstofflager bis
Ende Mai dieses Jahres aufgelöst
haben.
Arafat bittet um internationale Vermittlung
Verhandlungen stecken in einer Krise
GAZA: Angesichts der Krise'bei
den Nahost- Friedensverhandlun
gen hat Palästinenserpräsident Jas
sir Arafat am Reitag um internatio
nale Vermittlung gebeten. Sein Ap
pell richte sich vor allem an die
USA, Europa und die arabischen
Länder.
Das sagte Arafat nach einem Tref
fen mit deutschen Verteidigungsmi
nister Rudolf Scharping. Arafat
dankte Scharping bei dieser Gele
genheit für die die deutsche Wirt
schaftshilfe. Scharping seinerseits
versicherte, die Hilfen würden fort
gesetzt. Eine Eingreifen in die Nah
ost-Verhandlungen sagte Scharping
nicht zu. Der Nahost-Friedenspro-
zess war am Donnerstag in eine Kri
se geraten. Ein Spitzengespräch
zwischen Arafat und Israels Regie
rungschef Ehud Barak am Grenz
übergang Eres war abgebrochen
worden, weil der Palästinenserprä
sident mit dem weiteren Rückzug
der Israeli aus dem Westjordanland
nicht einverstanden war.
Ausrufiing eines unabhängi
gen Staates beschlossen
Hintergrund des Streits ist, dass
die Israeli sich aus eher dünnbesie
delten Gebieten zurückziehen woll
ten. Die Palästinenser bestehen auf
dem Abzug aus den dichtbesiedel
ten Gebieten. Kurze Zeit nach dem
Abbruch der Gespräche hatte die
Führung der Palästinensischen Be
freiungsorganisation (PLO) am
Donnerstag beschlossen, bis spätes
tens September einen unabhängi
gen Palästinenserstaat auszurufen -
mit oder ohne Zustimmung Israels.