Liechtensteiner VOLKSBLATT
KUNSTMUSEUM
Montag, 13. November 2000 5
Der Kunst ein Zuhause geschaffen
Eine das Land und die Region mitprägende Institution wurde eröffnet
Fortsetzung von Seite 4
Die Politiker
Landtagspräsident Peter Wolff
erinnerte in seiner Grussadresse
daran, dass es vor vier Jahren
Regierungsrätin Andrea Willi
gelungen sei, die Abgeordneten
im Landtag davon zu überzeu
gen, dass der ungewöhnliche
Weg, mit privaten Geldgebern
ein Kunstmuseum zu errichten,
gangbar sei. Nun habe Liechten
stein ein grosses Geschenk er
halten und die anfangliche
Skepsis diesem «schwarzen Kas
ten» gegenüber sei einer zuneh
menden positiven Neugierde ge
wichen. «Ich glaube, dass dieses
Kunstmuseum, trotz der unge
wöhnlichen Art, ein sehr einla
dendes Museum ist.» Das Muse
um sei auch eine Visitenkarte
nach aussen, ermöglicht durch
die «Königsidee», eine Stiftung
zur Errichtung des Kunstmu
seums ins Leben zu rufen, deren
schnelles und uneigennütziges
Handeln dieses Geschenk er
möglichte. Regierungschef Ma
rio Frick erinnerte sich: «Wer in
Regierungschef Mario Frick sprach in seiner Grussadresse von einer Erweiterung des kulturellen Lebens und Landtagspräsident Peter
Wolff (kleines Bild) von einem einladenden Museum. Im Hintergrund Musiker des Nonetts der Liechtensteinischen Musikschule.
sein natürliches Gegenüber. Oh
ne den stillen Dialog des jeweils
Einzelnen mit einem Werk der
Kunst, gibt es auch kein öffent
lich geführtes Gespräch über
Kunst und was diese uns bedeu
ten möge, so wie es ohne das
geistig eigenständige Individu
um keine freie und offene Ge
sellschaft gibt.» Das Kunstmuse
um biete die Chance sowohl zum
stillen Dialog, wie zum öffent
lich geführten Gespräch.
Mäzenatische Geste
Der Blick von Friedemann
Malsch, Direktor des Kunstmu
seums, ging zuerst einmal
zurück: «Als ich vor gut vierein
halb Jahren als Nachfolger von
Georg Malin die Leitung der
Liechtensteinischen Staatlichen
Kunstsammlung übernahm, kam
ich vor allem wegen der Mög
lichkeit, hier eine öffentliche
Sammlung der modernen und
zeitgenössischen Kunst auszu
bauen.» Schon dies sei für einen
Kunsthistoriker heute eine selten
anzutreffende Aufgabe. Doch
bereits wenige Wochen später
erging an ihn der Auftrag, ein
Funktionskonzept und Raum
programm für ein Kunstmuseum
in Liechtenstein zu entwickeln
und schriftlich zu fixieren. Nun
sehe er die Aufgabe darin, «das
Museum zu einem zentralen
Wirkungsort für die Kunst und
allgemeiner für die Kultur der
Region zu entwickeln. Liechten
stein und die ganze Region ha
ben mit diesem Bau eine grosse
Chance erhalten, eine eigene
Stimme im Konzert der interna
tionalen Kunstentwicklung zu
erheben. Und diese Chance wer
den wir nutzen.» Friedemann
Malsch dankte allen Stiftern und
Förderern, der Regierung, der
Kunstgesellschaft, der liechten
steinischen Wirtschaft, den
Leihgebern und dem Team des
Kunstmuseums. «Wir freuen uns
ausserordentlich, dass sich die
traditionelle Zusammenarbeit
mit den Fürstlichen Sammlun
gen auch unter den Bedingun
gen der Neubau-Architektur so
kongenial fortsetzen lässt.» Diese
Architektur ermögliche den Be
sucherinnen eine Konzentration
auf'die Kunst. «Es ist meine volle
Überzeugung, dass es dieser
Konzentration auch bedarf. Erst
wenn die direkte Auseinander
setzung mit der Kunst möglich
ist, wird sie auch bildend wirken
können. Das Kunstmuseum
Liechtenstein will diese lebendi
ge Beziehung zur Kunst stiften.»
Heinz Meier, Erbprinz Alois und Michael Hilti, Mitinitiator des neuen Kunstmuseums, in den Räu
men, die Bilder aus der Fürstlichen Sammlung zeigen.
den letzten Monaten durch das
Vaduzer Städtle spaziert ist,
konnte miterleben, mit welch
atemberaubenden Tempo das
Haus aus dem Boden wuchs und
sich allmählich mit Leben Rillte.
Das Ergebnis dürfen wir heute
bewundem und feiern. Dank des
grosszügigen Engagements der
privaten Geldgeber sowie von
Land und Gemeinde Vaduz
konnte ein Bauprojekt verwirk
licht werden, das internationale
Vergleiche nicht scheuen muss.»
Es sei dir Liechtenstein ein
Glücksfall, dass auch im neuen
Kunstmuseum die bereits in der
Vergangenheit erfolgreiche Zu
sammenarbeit mit den Samm
lungen des Fürsten von Liech
tenstein fortgesetzt werden kön
ne. Darüber hinaus sei es aber
auch erfreulich, dass die neuen
Räumlichkeiten die Gelegenheit
böten, der Öffentlichkeit erstmals
grössere Bestände der staatlichen
Kunstsammlung zu präsentieren.
Heute öffne Liechtenstein nicht
nur die Tore zum Kunstmuseum,
sondern auch «ein grosses Tor
weit über die Landesgrenzen
hinaus ... Mit der Eröffnung des
Museums erfährt das kulturelle
Leben in Liechtenstein, aber
auch das kulturelle Leben in der
ganzen Region, eine bedeutende
Erweiterung - und darauf dürfen
wir alle stolz sein.»
Ein Ort der Besinnung
Der Direktor der Sammlungen
des Fürsten von Liechtenstein,
Uwe Wieczorek, meinte, dass der
Bau jedes neuen Kunstmuseums
heute zumindest von zwei un-
umstösslichen Überzeugungen
getragen sein müsse: Einmal,
dass Kunst heute, gleichgültig
ob im historischen oder zeit
genössischen Gewand, immer
eine mitteilungswürdige Bot
schaft enthalte, und dass es in
der Gesellschaft genügend Men
schen gebe, die durch ihre An
teilnahme an der Kunst und ihre
stündig wiederkehrende Anwe
senheit im Museum, dafür den
notwendigen Rückhalt schaff
ten. Diese Überzeugungen ba
sierten auf einem tief liegenden
Vertrauen in die unversiegbare
Fähigkeit der Kunst, Sinn zu stif
ten, und auf den geistig und kul
turell interessierten Menschen.
Dieses Vertrauen bilde den Hu
mus, aus dem alles Schöpferi
sche erwachsen könne, auch der
Bau eines Museums, der der
Kunst ein Zuhause und eine
Bühne gebe und den Besuchern
einen Ort der Besinnung und der
Bewusstwerdung. Denn jeder
Museumsbesuch habe neue
ästhetische Erfahrungen zur Fol
ge; ästhetische Empfindsamkeit
sensibilisiere das Individuum
zugleich ethisch und moralisch.
Welcher Kunst wir im öffentli
chen Raum begegnen wollten,
sei ein Frage des gesellschaftli
chen Diskurses. Zugleich aber
sei Kunst, bevor sie zur öffentli
chen Angelegenheit werde, fast
ausschliesslich eine private,
denn jede ästhetische Wahl sei
hochindividuell und praktisch
jede heute im Museum gezeigte
Sammlung sei ursprünglich eine
private gewesen, also Resultat
einer individuellen ästhetischen
Wahl. Jedes Kunstwerk entstehe
grösstenteils in der Abgeschie
denheit der Künstlerateliers und
es ziele, auch wenn es ausge
stellt wird, auf den einzelnen Be
trachter. «Jedes Kunstwerk ist
zutiefst individuellen Ursprungs
und sucht das Individuum als I.D. Fürstin Marie im Gespräch mit dem Direktor der Fürstlichen Sammlung, Uwe Wieczorek.
FBP-Präsident und Regierungsratskandidat Ernst Walch (rechts), Wisi Beck und Gattin bei den Kunstwerken der «Arte povera».
)