Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

28 Samstag, 11. November 2000 
AUSLAND 
Liechtensteiner VOLKSBLATT 
NACHRICHTEN 
Verbot für NPD 
beantragt 
BERLIN: Der deutsche Bun 
desrat hat am Freitag mit 
grosser Mehrheit ein Verbot 
der rechtsextremen NPD be 
antragt. Er folgte damit der 
rot-grünen Regierung, die 
zwei Tage zuvor einen sol 
chen Schritt zur Auflösung 
der Partei beschlossen hatte. 
Nun will die Länderkammer 
beim Bundesverfassungsge 
richt ebenfalls erreichen, 
dass die Nationaldemokrati 
schen Partei (NPD) für ver 
fassungswidrig erklärt wird. 
Nur das höchste deutsche 
Gericht kann eine solche 
Entscheidung fällen. Als 
Voraussetzung muss das 
Bundesverfassungsgericht 
in Karlsruhe feststellen, dass 
eine Partei anstrebt, «die 
freiheitliche demokratische 
Grundordnung zu beein 
trächtigen oder zu beseiti 
gen oder den Bestand der 
Bundesrepublik Deutschland 
zu gefährden». 
Empfehlung für 
einen Untersu- 
chungsausschuss 
WIEN: In der «SpitzelafFäre» 
um geheime Polizeidaten in 
Österreich hat der deutsche 
SPD-Fraktionschef Peter 
Struck die Einsetzung eines 
parlamentarischen Untersu 
chungsausschusses empfoh 
len. Bei einem Besuch in 
Wien sagte Struck am Frei 
tag nach einer Meldung der 
österreichischen Nachrichte 
nagentur APA, bei einem 
ähnlichen Fall in Deutsch 
land würde selbstverständ 
lich ein parlamentarischer 
Untersuchungsausschuss 
eingesetzt. Das Parlament in 
Wien hat den Antrag der 
Oppositionsparteien auf die 
Einsetzung eines Untersu 
chungsausschusses in der 
Affäre mit den Stimmen der 
Regierungsmehrheit von 
ÖVP und FPÖ abgelehnt. 
Der Fraktionschef der Wie 
ner Sozialdemokraten, Peter 
Kostelka, fordert jedoch wie 
in Deutschland ein Recht 
der parlamentarischen Min 
derheit auf die Einsetzung 
eines Untersuchungsaus 
schusses. 
ARD protestiert 
gegen Übergriffe 
auf Journalisten 
BADEN-BADEN: Die ARD 
hat am Freitag bei den ägyp 
tischen Behörden gegen 
Übergriffe der Polizei auf 
ausländische Journalisten 
protestiert. Die Journalisten 
wollten am Mittwoch über 
die Wahlen in Ägypten be 
richten und hatten Interviews 
mit wahlwilligen Bürgern 
gemacht, die von ägypti 
schen Sicherheitsagenten an 
der Stimmabgabe gehindert 
wurden. ARD-Radiokorres 
pondent und elf andere aus 
ländische Journalisten wur 
den von Polizisten attackiert 
und teils heftig geschlagen. 
Dürrns Tonbandgerät wurde 
zerstört und das Band be 
schlagnahmt. Auch der 
ägyptische Journalistenver 
band und die Vereinigung 
der Auslandspresse in Kairo 
beschwerten sich beim Infor 
mationsministerium. Für die 
ARD forderte der Direktor 
des Südwestrundfiinks, Bern 
hard Hermann, das staatliche 
Informationsamt in Kairo 
auf, die freie Berichterstat 
tung zu gewährleisten. 
Nervenkrieg ums Weisse Haus 
Bush fordert Gore auf, seine Niederlage anzuerkennen 
Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Bush und Gore haben angesichts des ungewisssen Aus 
gangs der Wallten einen Nervenkrieg begonnen. (Bild: Keystone) 
WASHINGTON: Ange 
sichts des ungewissen 
Ausgangs der US-Präsi 
dentschaftswahl haben 
die beiden Kandidaten ei 
nen Nervenkrieg begon 
nen: Die Sprecherin des 
Republikaners George W. 
Bush forderte den Demo 
kraten AI Gore am Freitag 
auf, seine Niederlage an 
zuerkennen. 
Bush liege 327 Stimmen vor 
Gore, zitierte Karen Hughes das 
Ergebnis einer inoffiziellen 
Stimmenauszählung in allen 67 
Wahlbezirken in Florida. Der 
Leiter von Gores Wahlkampa 
gne, William Daley, entgegnete 
umgehend, für die Demokraten 
sei die Wahl noch nicht been 
det. 
Das Tauziehen um die ameri 
kanische Präsidentenwahl wird 
frühestens Ende kommender 
Woche entschieden sein. Erst 
dann wird das offizielle Ender 
gebnis der äusserst knappen 
Wahl im Bundesstaat Florida 
feststehen. Nach amtlichen Tei 
lergebnissen vom Freitagabend 
hat Bush einen Vorsprung von 
960 Stimmen vor Gore. Bislang 
lägen bei der Nachzählung die 
Ergebnisse von 65 der 67 Bezir 
ke in Florida vor, teilte die 
Wahlbehörde in Tallahassee, 
der Hauptstadt Floridas, mit. In 
Florida gingen knapp sechs 
Millionen Wähler zur Wahl. 
Resultat frühestens in 
einer Woche 
Nicht berücksichtigt seien 
dabei die Ergebnisse aus den 
Bezirken Hernando und Palm 
Beach. Nach Angaben der 
Wahlbehörde wird mit der 
Nachzählung in Palm Beach am 
Samstag begonnen. Die offizi 
elle Nachzählung wurde entge 
gen früheren Ankündigungen 
nicht bis Donnerstagabend be 
endet. Angesichts des knappen 
Ausgangs müssen aber auch 
die Stimmen der Briefwählerin- 
nen und -Wähler im Ausland 
berücksichtigt werden. 
Wie die Innenministerin des 
Bundesstaates, Katherine Har 
ris, mitteilte, gilt dafür eine 
Frist bis Freitag nächster Wo 
che. 
Unregelmässigkeiten 
Der beispiellose Kampf um 
das Weisse Haus wird von Be 
schwerden über Unregelmäs 
sigkeiten begleitet. Die Demo 
kraten forderten, in vier Bezir 
ken Floridas die Stimmen per 
Hand nachzuzuzählen. Sie wol 
len ausserdem ein gerichtliches 
Vorgehen von Wählern gegen 
den Ablauf im Bezirk Palm 
Beach unterstützen. Eine Rich 
terin in Palm Beach ordnete für 
kommenden Dienstag eine 
Überprüfung an. Bis dahin darf 
der Bezirk das Ergebnis nicht 
offiziell weiterleiten. In Palm 
Beach sollen irreführende 
Stimmzettel dazu geführt ha 
ben, dass Tausende für den Re 
formparteikandidaten Pat 
Buchanan statt für Gore ge 
stimmt haben. Aus dem glei 
chen Grund hätten 19 000 
Wähler ihre Stimmzettel dop 
pelt gelocht, um ihre erste, 
falsche Stimmabgabe zu korri 
gieren. Dies führte dazu, dass 
die Stimmzettel für ungültig er 
klärt wurden. 
Die Ergebnisse der US-Präsi 
dentschaftswahl sind nach 
Auffassung der Republikaner 
auch in den Bundesstaaten 
New Mexico, Iowa und Wis 
consin strittig. Wie die Behör 
den in New Mexico am Don 
nerstag (Ortszeit) mitteilten, 
wurde dort bereits mit einer 
Neuauswertung von 67 000 
Stimmzetteln begonnen. 
Barak beurteilt Friedensprozess pessimistisch 
Nahost Absage fiir Arafats Schutztruppen-Pläne im Weltsicherheitsrat 
NEW YORK: Palästinenser- 
Präsident Jassir Arafat hat am 
Freitag auf seinen Wunsch 
nach einer UNO-Schutztruppe 
für die Bevölkerung der palä 
stinensischen Autonomiege 
biete im Weltsieherheitsrat ei 
ne Absage erhalten. 
Bei Gesprächen Arafats mit den 
Vertretern der 15 Mitgliedstaa 
ten des Rates wurde in New 
York aber auch Verständnis für 
das Schutzbedürfnis geäussert. 
Frankreich regte dazu den Ein 
satz von nicht bewaffneten 
UNO-Beobachtern an. Arafat 
musste sich sagen lassen, dass 
ohne die Zustimmung Israels 
an einen Truppeneinsatz nicht 
zu denken sei. Israel lehnte die 
Stationierung einer UNO-Trup- 
pe bislang ab. Auch US-Präsi- 
dent Bill Clinton hatte sich am 
Donnerstag bei einem Treffen 
mit Arafat im Weissen Haus er 
neut gegen einen internationa 
len Truppeneinsatz ausgespro 
chen. Arafat unterstrich dem 
Treffen mit Clinton seinen Wil 
len zur Zusammenarbeit mit Is 
raels Ministerpräsident Ehud 
Barak. Barak hingegen rechnet 
nach eigenen Angaben nicht 
mit einer raschen Wiederauf 
nahme der Nahost-Friedens 
verhandlungen. 
Beratungen zur Staats 
gründung verschoben 
Die palästinensische Führung 
verschob indes die fiir den 15. 
November geplanten Beratun 
gen über eine einseitige Staats- 
gründung in den Palästinenser- 
Gebieten. Ein neuer Termin für 
Jugoslawien ist wieder Mitglied 
der OSZE 
WIEN: Jugoslawien gibt dem 
Kriegsverbrechertribunal der 
UNO in Den Haag freie Hand, 
die Kriegsverbrechen auf dem 
Balkan zu untersuchen. Dies 
hat der jugoslawische Aussen- 
minister Goran Slivanovic 
nach der Wiederaufnahme sei 
nes Landes in die OSZE versi 
chert. Auch der abgelöste 
Staatspräsident Slobodan Mi 
losevic müsse zur Rechenschaft 
gezogen werden, sollte er 
Kriegsverbrechen angeordnet 
haben, sagte Slivanovic am 
; Freitag in Wien. Milosevic hal 
lte sich in Belgrad auf, stehe 
•aber «vollständig ausserhalb 
.des politischen Lebens.! Der 
Gerichtshof könne in Belgrad 
sofort ein Büro errichten, Ver- 
■ treter des Tribunals besässen 
Ibel Ihrer Äibeit in Jugoslawien 
alle Freiheiten. Mögliche Pro- 
:.zesse gegen mutmassliche 
/Kriegsverbrecher spllten jedoch 
die Beratungen werde in Kürze 
mitgeteilt. Trotz der neuen Frie 
densbemühungen erschoss am 
Freitag die israelische Armee 
vier junge Palästinenser im Ga 
zastreifen und im Westjordan 
land. Bei einem Sprengstoffan- 
schlag in Ost-Jerusalem wurde 
ein israelischer Polizist leicht 
verletzt. Schwere Verletzungen 
erlitt ein israelischer Soldat bei 
Bethlehem. Im Gazastreifens de 
monstrierten etwa 30 000 Paläs 
tinenser gegen den tödlichen is 
raelischen Angriff auf ein hoch 
rangiges Mitglied der Fatah von 
Arafat. Seit Beginn der Unruhen 
Ende September wurden 200 
Menschen getötet, die meisten 
von ihnen waren Palästinenser. 
Am Nachmittag riegelte die isra 
elische Armee nach Zusammen- 
stössen mit Palästinensern die 
Städte Ramallah und Bethlehem 
ab. Ausserdem sperrte Israel im 
Süden des Gazastreifens die Mit 
telmeerküste vor Chan Junes 
und Rafah ab. Rund fünftausend 
arabische Israeli beteiligten sich 
in der arabischen Ortschaft 
Umm el Fahrn im Norden Israels 
an einem Trauermarsch für die 
seit 28. September getöteten 
zwölf Landsleute. Sie warfen der 
israelischen Armee vor, die 
zwölf Opfer bei Solidaritäts 
kundgebungen zu Gunsten der 
Palästinenser erschossen zu ha 
ben. Barak hatte eine Untersu 
chung der Vorfälle angeordnet. 
Die UNO-Hochkommis'sarin 
für Menschenrechte, Mary Ro 
binson, traf am Freitag zu einem 
zweitägigen Besuch der palästi 
nensischen Autonomiegebiete 
ein. Robinson sprach in der 
Stadt Gaza mit hohen Vertretern 
der palästinensischen Autono 
miegebiete. Sie will am kom 
menden Mittwoch auch mit 
Palästinenserpräsident Jassir 
Arafat zusammentreffen. Ro 
binson hatte am Mittwochabend 
zunächst Israel besucht, um im 
Auftrag der UNO-Menschen- 
rechtskommission die Hinter 
gründe der jüngsten Unruhen 
und mögliche Menschenrechts 
verletzungen durch die israeli 
sche Armee in den Palästinen 
ser-Gebieten in Erfahrung zu 
bringen. Die Menschenrechtsor 
ganisation Amnesty Internatio 
nal warf der israelischen Polizei 
in einem Bericht vor, seit Be 
ginn der jüngsten Unruhen in 
den Palästinensergebieten wie 
derholt palästinensische Kinder 
misshandelt zu haben. 
in Jugoslawien und nicht in 
Den Haag stattfinden, verlang 
te Slivanovic. Die UNQ- 
Chefanklägerin Carla Del Ponte 
hatte sich zuvor beklagt, trotz 
zahlreicher Versuche des UNO- 
Tribunals bisher noch keinen 
Zugang zu den Archiven auf 
dem Balkan zu haben. Im ehe 
maligen Jugoslawien seien ne 
ben den Drahtziehern fiir den 
Völkermord wie Radovan Ka 
radzic und Ratko Mladic noch 
38 Kriegsverbrecher auf der 
Flucht Bei Beweisfindüng und 
Verhaftung sei das Tribunal auf 
die örtlichen Behörden ange«, 
wiesen, sagte Del Ponte. Sie 
kritisierte aber auch die un 
zulängliche personelle und fi 
nanzielle Ausstattung des In 
ternationalen Gerichtshofs. Die 
neue jugoslawische Regierung; 
plant, laut Slivanovic die Er-, 
richtung einer so genannten 
Wahrheitskommission. < 
AHV-Revision 
Nationalratskommission will Witwen etwas schonen 
BERN: Die Witwenrente soll 
weniger stark abgebaut wer 
den, als es der Bundesrat will. 
Mit 11 zu 8 Stimmen bei 3 
Enthaltungen hat die Sozial 
kommission des Nationalrates 
ein neues Modell gutgeheis- 
sen. Linke und Grüne wehren 
sich für den Status quo. 
Gälte die vom Bundesrat vorge 
schlagene Gleichstellung der 
Witwen- mit der Witwerrente, 
hätten 70 Prozent der Witwen 
keinen Rentenanspruch mehr. 
Beim Modell der Nationalrats 
kommission wären es noch 47 
Prozent. Statt 786 Millionen 
würden nach Auskunft von Prä 
sidentin Rosmarie Dormann nur 
525 Millionen Franken einge 
spart. Einverstanden war die 
Kommissionsmehrheit mit dem 
fiir Frauen wie Männer gelten 
den Grundsatz, dass Verwitwete 
nur noch so lange eine Rente er 
halten sollen, als sie Kinder unter 
18 Jahren zu betreuen haben. 
Mit besonderen Bestimmungen 
für die Witwen federte man das 
Präsidentin der Sozialkommis 
sion, Rosmarie Dormann. 
neue Regime in der 11. AHV-Re 
vision aber ab. Danach soll die 
Witwe einen unbefristeten Ren 
tenanspruch haben, wenn sie 
über 45 Jahre alt ist, bevor das 
jüngste Kind das 18. Altersjahr 
vollendet hat. Der Bundesrat 
setzte die Altersgrenze bei 50 
Jahren. Bei der Kommission geht 
leer aus, wer sein letztes Kind 
mit unter 27 Jahren hat. Gemäss 
•Bundesrat läge das Alter bei 32 
Jahren. Von den neuen Bestim 
mungen wären laut Kommission 
bei einem Inkrafttreten Anfang 
2003 die Frauen ab Jahrgang 
1958 betroffen, laut Bundesrat 
jene ab J.ahrgang 1953. Wäh 
rend die Landesregierung nur ei 
ne Schonfrist von drei Jahren 
vorschlug, beschloss die Kom 
mission für die laufenden Wit 
wenrenten eine volle Besitz 
standgarantie.
	        

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