10 Samstag, 11. November 2000
FINANZDIENSTLEISTUNGS-SYMPOSIUM
Liechtensteiner VOLKSBLATT
«Krise als produktiven Zustand verstehen»
1. Liechtensteinisches Finanzdienstleistungs-Symposium der Fachhochschule Liechtenstein
Zahlreiche Finanzspezialisten aus nah und fern waren der Einladung in die Aula des Gymnasiums in Vaduz gefolgt. (Bilder: hak)
«Wir haben in sehr kurzer
Zeit die Rechtshilfe in
Strafsachen verbessert»,
erklärte Vizeregierungs
chef Michael Ritter in
seiner Begrüssungsrede
zum 1. Finanzdienstleis-
tungs-Symposium. Das
Symposium, von der
Fachhochschule Liechten
stein initiiert, beleuchtete
gestern den Wandel im
Finanzdienstleistungssek
tor.
Iris Frick-Ott
Die Fachhochschule Liechten
stein hatte gestern zum 1.
Liechtensteinischen Finanz-
dienstleistungs-Symposium
nach Vaduz geladen. An die
200 Gäste aus dem In- und
Ausland folgten der Einladung
und konnten sich in verschie
denen Kurzreferaten über den
Wandel im Finanzdienstleis
tungssektor informieren. Der
stellvertretende Regierungs
chef, Michael Ritter, betonte in
seiner Ansprache die Wichtig-
Den Wandel im Bereich der Fi-
nanzdienstleistungen bezeichne
te Josef Fehr, Generaldirektor
der LLB, als Impuls für die Zu
kunftsgestaltung.
keit einer solchen Veranstal
tung und ging auf die Dring
lichkeit einer weiterhin beste
henden Wettbewerbsfähigkeit
verbunden mit den entspre
chenden gesetzlichen Mas
snahmen ein. «Ein Teil der
geäusserten Kritik war sicher
gerecht Fertigt. Liechtenstein
hat sehr schnell durch eine Fül
le von gesetzgeberischen Mass
nahmen reagiert. Wesentliche
Teile der Kritiken waren jedoch
ungerechtfertigt und unfair», so
Michael Ritter. Der Vizercgie-
rungschef betonte, dass Liech
tenstein nie ein Eldorado für
das organisierte Verbrechen
und Geldwäscherei gewesen sei.
In Sachen Sorgfaitspflichtsge-
setz, sprach Michael Ritter da
von, dass die Schaffung neuer
Gesetze die eine Seite, die An
wendung dieser aber die ande
re, die viel wichtigere Seite sei.
Um diesem Anspruch gerecht
zu werden, wurden verschiede
ne Schritte unternommen. Dazu
Michael Ritter: «Die Zahl der
Richter beim Landgericht ist um
zwei erhöht worden, zwei zu
sätzliche Richter sollen folgen.
Bei der Staatsanwaltschaft wur
de der Personalbestand in Be
zug auf die Behandlung von
Fällen der Wirtschaftskrimina
lität verdoppelt und ein leiten
der Staatsanwalt für die reorga
nisierte Staatsanwaltschaft be
stellt. Bei der Landespolizei ha
ben wir eine Spezialeinheit
(EWOK) für die Bekämpfung
von Wirtschaftskriminalität er
richtet, die mit zunächst sechs
Spezialisten besetzt werden
soll.»
Der Wandel als Impuls
Der Generaldirektor der
Liechtensteinischen Landesbank
(LLB), Dr. Josef Fehr, sieht im
Wandel einen Impuls für die Zu
kunft: «Wir sollten nicht jam
mern, sondern uns dem Wandel
stellen, um wettbewerbsfähig zu
bleiben», erklärte Josef Fehr zu
Beginn seines Referates. Unter
dem Titel «Der Bankplatz Liech
tenstein im Spannungsfeld ak
tueller regulatorischer Entwick
lungen» ging der LLB-Direktor
auf die chronologischen Ereig
nisse der vergangenen Monate
ein und beleuchtete die bis dato
erfolgten Massnahmen. Dabei
sprach Josef Fehr von den na
tionalen regulatorisclien Ein
griffen, also jenen Richtlinien,
die in Liechtenstein selbst in
Die Frage «Haben Steueroasen
eine Überlebenschance?» stell
te Vivian Grasern-Gertsch,
Fachhochschule Liechtenstein,
am gestrigen Symposium im
Zusammenhang mit dem
OECD-Bericht über «schädliche
Steuern» in den Raum. Nach
Abwägung der Steuervor-
schrifiten in den OECD-Län
dern gelangte sie zum Schluss,
dass in den nächsten fünf Jah
ren keine gravierende Ver
schlechterung der Rahmenbe
dingungen für den Finanz
dienstleistungsplatz Liechten
stein prognostiziert werden
könne. Auf Grund der viel
schichtigen Herausforderun
gen müsse aber damit gerech
net werden, dass der Finanz
platz in einem Jahrzehnt an
ders aussehe als heute. Verän
derungen treten voraussicht
lich nicht nur wegen interna
tionale Regulierungen, son
dern auch durch technologi-
Angriff genommen wurden und
werden, aber auch von den in
ternationalen. Bei den nationa
len Änderungen hob Josef Fehr
das neue Sorgfaltspflichtsgesetz
hervor, welches am 1. Januar
2001 in Kraft tritt. Durch die
Globalisierung, gerade auch im
Finanzwesen, tangieren und be
einflussen die nationalen Richt
linien aber auch die internatio
nalen: «Nationales Recht wirkt
faktisch weltweit», so Josef Fehr,
der damit auf die rechtlichen Ri
siken, denen wir uns stellen
müssten, einging. Mehr denn je
steht der Begriff «Risikomana
gement» im Zentrum, dessen
Aufgabe es ist, sowohl operatio
neile und rechtliche Risiken als
auch Rufschädigungsrisiken zu
erfassen, zu überwachen und zu
begrenzen. Nach seinen Aus
führungen zur Wettbewerbs
fähigkeit durch eine Überein
stimmung von regulatorischen
und ethischen Normen schloss
der LLB-Generaldirektor sein
Referat mit den Worten: «Eine
Krise ist ein produktiver Zu
stand. Man muss ihr nur den
Beigeschmack der Katastrophe
nehmen!»
sehe Neuerungen, insbesonde-;
re durch das Internet, ein.
Stefan Laternser, UBS Assct
Management Zürich, prognos-'
tizierte neue Branchen- und
Untemehmensabgrenzungen
durch «New Econömy»^* Der|
Wachstumstrend im Private;
Banking wird nach seiner 1 ?
Prognose; weiter anhalten; auß
der anderen Seite aber auch ;
die Bedeutung des Onshore-y.
Bankings stark zunehmen.
Die Veränderungen im Pri
vate Banking durch das Inter-f
net bezeichnete Daniel Wies-j
ner, Fokus Management Con-f
sulting AG St Gallen, als eine!
«Revolution». Mit «www» hlt-|
ten private Banking-Kunden!
fast den selben Zugang zü!|
Fachinformationen wie die*
professionellen Anlageberate^J
könnten praktisch rund um die '
Uhr und weltweit die Entwick
lung ihres Portfolios beobach- '
ten und umgehend reagieren;
Vizeregierungschef Michael Ritter eröffnete das Symposium.
Regulierungen und neue Technologien
Finanzdienstleistungssektor auf neuen Pfaden
«Wandel mit besonderem Einbezug der Treuhänder»
Durch die zunehmende Globa
lisierung und den Einsatz mo
derner Technologien stellen
sich für die Finanzplätze stän
dig neue Herausforderungen.
Mit dem «Wandel im Finanz
dienstleistungssektor» befass-
ten sich gestern zahlreiche
Fachleute und gaben in insge
samt 18 Kurzreferaten einen
Überblick. Zum «Wandel mit
besonderem Einbezug der
Treuhänder» referierte Ed
mund Frick.
Iris Frick-Ott
Nachdem Dr. Rudolf Stickler,
Studiengangsleiter Bank- und
Finanzwirtschaft aus Wien,
zum «Strukturwandel in der
Österreichischen Bankwirt
schaft» Erläuterungen gab, be
leuchtete Edmund Frick (Allge
meines Treuhanduntemehmen
ATU) den «Wandel im Finanz-
dienstleistungssektor mit be
sonderem Einbezug der
Treuhänder». Dabei ging er an
den Anfang der liechtensteini
schen Finanzdienstleistungsge
schichte zurück und baute sein
Referat auf den historischen
und gesetzlichen Hintergrün
den auf. «Seit 1812 wurde das
Gesellschaftsrecht des öster
reichischen ABGB (Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch) vom
Ol. Juni 1911 in Liechtenstein
angewandt. Bis 1926 wurde da
bei in Liechtenstein keine ge
sellschaftsrechtlichen Ände-
Die beiden Referenten Hans-Werner Gassner (rechts), Wirt
schaftsprüfung und Beratung AG Balzers, und Edmund Frick,
früherer Präsident der Liechtensteinischen Treuhändervereinigung.
rungen vorgenommen», erläu
terte Edmund Frick. Im Jahre
1926 wurde das PGR (Perso
nen- und Gesellschaftsrecht)
geschaffen und bot unter ande
rem die Grundlage für mög
lichst viele Gesellschaftsfor
men. Bereits zwei Jahre später
wurde das im PGR bestehende
Treuhandrecht mit Bestimmun
gen über Treuhandunterneh
men ergänzt.
Veränderungen
Auch das im PGR geregelte
Treuhandwesen war in den ver
gangenen 80 Jahre einige Male
novellierungsbedürftig - ge
sellschaftspolitische Verände
rungen lagen und liegen dem
zugrunde. Waren es früher aber
eher kriegsbedingte Krisen, die
zu einer gesetzlichen Änderung
führten, stehen heute Dienstlei
stungen rund um den Erdball
im Mittelpunkt. Dabei geht es
um die Gesellschaftsformen ei
nerseits, aber auch um die ge
setzlichen Rahmenbedingun
gen der Dienstleistungsanbie
ter. Um beispielsweise EWR-
kompatibel zu sein, sind EWR-
Staatsangehörige den Liechten
steinern gleichzusetzen. Das
wiederum hat zur Folge, dass
sich auch die beruflichen Profi
le respektive Voraussetzungen
an das Treuhandwesen per Ge
setz ändern werden.
Edmund Frick erläuterte in
seinem Referat ausserdem die
Einbettung der Banken und Fi
nanzinstitute in den Finanz
dienstleistungssektor, verwies
auf die in Liechtenstein markt
gerechte Steuergesetzgebung
sowie auf das flexible Gesell
schaftsrecht, bei dem Liechten
stein keine neuen Gesell
schaftsformen erfunden habe -
das Angebot sei diesbezüglich
ausreichend, uni sämtliche in
ternationalen Ansprüche abzu
decken. Als einen weiteren
wichtigen Punkt hob Edmund
Frick zwei internationale Steu
erabkommen hervor: mit Öster
reich 1956 respektive 1970
(umfassend) und mit der
Schweiz 1995 (Besteuerung nur
von Zinsen aus Grundpfand
forderungen, unselbstständiger
Arbeit, Ruhegehältern, Renten
und Kapitalleistungen). Im
übrigen leiste Liechtenstein
Rechtshilfe auf der Basis des
Gesetzes über internationale
Rechtshilfe, das in Liechten
stein seit 1970 gültig sei - der
Fiskalbereich sei dabei aus
drücklich ausgeklammert - so
wie aufgrund des liechtenstei
nischen Rcchtshilfegesetzes
von 1992 (welches hinsichtlich
der Verfahrensvorschriften
noch einige Änderungen erfah
ren werde), so der Referent.
Abschliessend zeichnete Ed
mund Frick tabellarisch die Be
schäftigungszahlen in den ver
schiedenen Berufssektoren -
Land und Forstwirtschaft, In
dustrie und Gewerbe, Handel
und Dienstleistungen - auf und
verglich die Zahlen von Öster
reich, Deutschland, Liechten
stein und der Schweiz. Im Sek
tor Handel und Dienstleistun
gen führt, gemäss Statistik, die
Schweiz mit 67,2 Prozent; in
Liechtenstein schlägt diese
Zahl mit 52,5 Prozent zu Buche
(Stand 1998).