Donnerstaft, 9. November 2000
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KULTUR
Wo ein Serienheld Oper macht
Die zweite Spielzeit unter einer neuen Leitung: Das Theater für Vorarlberg
Von Christa Dietrich
Mit insgesamt 18 Premieren
hat der neue Intendant des
Theaters für Vorarlberg, Ha
mid Pcterniiehl, in seiner ers
ten Saison ein markantes Zei-
elien gesetzt. Bei den Besu
cherzahlen gibt es ein Auf und
Ah und was den Spielplan der
laufenden Saison betrifft,
gleich einige Überraschungen.
Für eine sorgt Tobias Moretti.
der die Inszenierung des „I)on
Giovanni" übernimmt und
sieh damit erstmals ids Opern-
regissenr vorstellt - und das in
liregenz.
Tobias Moretti habe, so Mi
chael Leibi, Sprecher des Sym-
phonieoreliesters Vorarlberg,
das gemeinsam mit dem Thea
ter pro Jahr eine grolle Oper he
rausbringt, bereits bei der „Ce-
nerentola"-I'roduktion vor eini
gen Jahren Feuer gefangen. Der
Schauspieler war ohnehin stiin-
diger (last hei Auftritten des
Klangkörpers, weil seine Frau
Julia damals im Orchester die
Oboe spielte. Der Bregenzer
„Don (iiovanni" (Premiere: 15.
Februar 2001) wird seine erste
Regiearbeit überhaupt sein.
Man traut den Erfahrungen des
vielseitigen Künstlers, der ne
ben den Fernsehrollen bzw. als
Serienheld auf Erfolge an den
Münchner Kamnierspielen, am
Burgtheater oder auch in einem
Orff-Werk („Die Bernauerin")
an der Wiener Volksoper zu
rückblicken kann. Kurt Wein-
zierl dürfte vor allem auch den
Kurt Weinzierl inszenierte die Politfarce „Der unheimliche Geliebte"
Moretti-Fans gut bekannt sein
(er spielte unter anderem in der
„Piefke-Saga"), er hat die Polit
farce „Der unheimliche Gelieb
te" der aus Tirol stammenden
Autoren Lorenz Gutmann und
Veronika Flierl inszeniert. Trotz
grobschlächtiger Stückvorlage
sickerte durch, dass hier die po
litische Situation in Österreich
am Pranger steht.
Jüngere Autoren
Unter den jüngeren Autoren
scheint zudem l)ea Loher auf
dem aktuellen Spielplan auf,
Tobias Moretti (hier in der Oper „Bernauerin") wird Regisseur.
von der das Missbrauchsstück
„Tätowierung" übernommen
wird, und auf der Probebühne
gibt es neben dem bekannten
Monolog „Dreck" von Robert
Sehneider (gerade abgespielt)
oder einer besonderen Bearbei
tung von Schnitzlers „Reigen"
eine Uraufführung der Vorarl-
bergerin Ulrike llutter. „Die
Zollwache. liin Steinhaus" hat
am 2. Dezember auf der Probe
bühne am Bregenzer Kornmarkt
Premiere. Der Originalschau
platz des Stücks ist das ehema
lige Zollwaeheliaus am Drusen-
tor im Montafon. Im Verlauf ei
ner Bergwanderung gelangt ein
Ehepaar bei Einbruch der Dun
kelheit zum Drusentor und ist
gezwungen, im Zollwaeheliaus
zu übernachten. Die Nacht
bringt beide dazu, über ihre
Ängste, Sehnsüchte und Ver
strickungen zu sprechen.
Das Theater für Vorarlberg
wird von der Kulturhäuser Be
triebsgesellschaft verwaltet und
vom Land Vorarlberg inzwi
schen mit 18,5 Millionen Schil
ling unterstützt. Der Betrag soll
im nächsten Jahr erhöbt wer
den. Der Bund subventioniert
das Unternehmen mit knapp
drei Millionen Sehilling, die
Stadt Brcgenz bezahlt knapp ei
ne Million für das Programm,
kommt aber für das Haus am
Kornmarkt auf, das zum größten
(FOTO: HOFMEISTER)
Teil vom Theater besetzt ist.
Weiters auf dem laufenden
Spielplan: „Ein seltsames Paar"
von Neil Simon, „Die Macht der
(iewohnheit" von Thomas Bern
hard, „Leonce und Lena" von
Georg Büchner, „Baumeister
Solness" von Henrik Ibsen,
„Disco Pigs" von Enda Walsli,
die Kinderstücke „Eine Woche
voller Samstage" von Paul Maar
und „Flusspferde" von Anncli
Mäkeiii sowie als Wiederaufnah
me die Kammeroper „Through
Roses" von Marc Neikrug, die
Trauerarbeit bezüglich jüngste
Vergangenheit leistet.
Schauspieler als Autor
Zu jenen Schauspielern, die
der neue Intendant nach Brc
genz mitgebracht hat, zählt
auch der Luxemburger Raoul
Biltgen. Er ist nicht nur schon
bei der ersten Kindertheater-
produktion und der Urauf
führung des Stückes „Bruno"
von Wolfgang Hermann (Mai
2000) äußerst positiv aufgefal
len, Biltgen hat sieh auch als Au
tor hervorgetan. Sein Stück
„Nachspiel" wurde vor kurzem
in der Nachwuehsreihe des Wie
ner Schauspielhauses vorge
stellt. Ein spannender Krimi, in
dem es um Identität geht und um
verschiedene Blickwinkel.
„Caprile"spieltStücke von
Autoren aus Osteuropa.
Entdeckungen
Die Diskussionen um die
El'-Osterweiterung haben
das „Teatro Caprile" dazu
bewogen, nach „Haus
putz" von Peter Nadas
das Stück „Bilanz" von
Arpad Gönez, dem ehe
maligen ungarischen
Staatspräsidenteil, zu rea
lisieren.
Das „Teatro Caprile" (in
Diins und Wien beheima
tet) will ein „Gegenge
wicht" setzen in dem nach
eigenem Bekunden „viel zu
sehr nach Westen blicken
den Kulturbetrieb". „Bi
lanz" ist gerade im Feldkir-
elier Pförtnerhaus angelau
fen und soll auch in ver-
sehiededenen Bundeslän
dern gespielt werden.
Ur- und Erstaufführungen...
. . . bestimmen das Programm des Theaters „Kosmos"
Vier Produktionen - lauter
österreichische Erstauf
führungen - hat sieh das jun
ge Theater „Kosmos" - gelei
tet von Augustin Jagg und
Hubert Dragasehnig - für
dieses Jahr vorgenommen. Ei
ne Produktion ist noch aus
ständig: „Kochern mit Elvis"
von Lee Hall hat am 16. No
vember auf der Hinterbühne
des Bregenzer Festspiel- und
Kongresshauses Premiere.
Gestartet wurde die Saison
mit „Zwei", einer skurrilen und
poesievollen Komödie des briti
schen Autors Jim Gartwright,
für die der Bühnen- und Zu-
sehauerrraum in eine Bar ver
wandelt wurde, in der verschie
dene Personen bzw. Pärchen
ihre Konflikte austragen.
Weiters im Kosmos-Pro
gramm: „Salzwasser" von Go-
nor MePherson, „Ich gehe fort"
von Alexej Slapovskij (Urauf-
Szene aus „Ich gehe fort", aufgeführt vom Theater „Kosmos".
führung) und „Kochen mit El
vis", ein turbulentes Familien
stück von Lee Hall.
Mehr Mut
Von einem Theater, das sieh
dem Kommerz anbiedert, wol
len sieh Jagg und Dragasehnig
distanzieren. Dass man sieh -
nachdem in den letzten Jahren
immer wieder deutschsprachi
ge Literatur berücksichtig wur
de - für Autoren aus England,
Irland oder Russland entschied,
hängt damit zusammen, dass
man nach einer offensiven Hal
tung und nach Mut suchte, der
bei den deutschen Theaterina-
chern zur Zeit nicht gegeben
sei.
Der mutige Spielplan des
Theaters stieß in Vorarlberg
und in der Region auf eine deut
liche Publikumsakzeptanz. Das
Theater hat es sieh zudem zur
Aufgabe gemacht, Themen, die
ein Stück behandelt, in Rah
menveranstaltungen mit ent
sprechenden Referenten zu
vertiefen, bzw. den Autoren
nachwuchs bei verschiedenen
Lesungen zu präsentieren.
Tipps für Theaterfreunde
„Endlich Schluss" heißt das Stück, dass der
österreichische Autor Peter Turrini vor einigen
Jahren für Claus Peymann und das Wiener
Burgtheater schrieb. Das kleine Vorarlberger
Theater „Wagabunt" hat es jüngst in einer eige
nen Inszenierung herausgebracht. Aufführun
gen finden unter anderem noch am 10. und 11.
November am Dornbirner Spielboden statt.
Ein Musik- und Theaterfestival in Feldkirch.
Die Schubertiade ist von Feldkirch nun ganz in die
zwei Bregenzerwälder Orte Schwarzenberg und
Bezau abgewandert. Die Stadt unter der Schatten
burg will nun ein eigenes Festival ausrichten.
Konzerte und kleinere Theaterproduktionen auf
Festspielniveau soll es bereits im kommenden
Frühjahr geben.
„Luaga & Losna" im Oberland. Seit rund 12
Jahren veranstaltet das Theater der Figur in
Nenzing das Kinder- und Jugendtheaterfestival
„Luaga & Losna" im Vorarlberger Oberland. Es
findet im Frühsommer und vor Schulanfang
statt und bringt Theaterproduktionen aus ganz
Europa nach Vorarlberg. Ergänzend dazu gibt
es eine Autorenbörse zur Kontaktaufnahme zwi
schen Schriftstellern und Theaterleuten.
Festspiele kooperieren mit Thalia-Theater.
Alfred Wopmann, Intendant der Bregenzer Fest
spiele, will die zeitgenössische Schiene trotz
Budgetkürzungen aufrechterhalten. Dabei soll
das Schauspiel gelegentlich auf die Werkstatt
bühne verlagert werden, um experimentellere
Theaterformen ins Programm aufzunehmen.
Die seit einigen Jahren bestehende Verbindung
zum Deutschen Theater Berlin wird nicht gänz
lich gelöst, auch wenn man für das nächste
Jahr mit dem Thalia-Theater in Hamburg in
Verhandlung ist.
„Shakespeare kommt" nach Bregenz. Der
Comedy-Bereich ist in der vielfältigen Vorarl
berger Theaterlandschaft noch nicht abgedeckt.
Das soll sich ändern. Renate Bauer und Martin
Sommerlechner haben den Theaterverein
„Shakespeare" gegründet und werden dem
nächst die erste Produktion herausbringen.
Jugendclub beim Theater für Vorarlberg.
Erstmalig wurde am Theater für Vorarlberg ein
Jugendklub ins Leben gerufen. Die Schauspie
ler Jasmin Rischar und Burghard Braun werden
gemeinsam mit den Jugendlichen zwischen 15
und 18 Jahren ein Theaterprojekt erarbeiten,
das am Ende der Saison öffentlich präsentiert
werden soll. Im Vordergrund sollen dabei Spaß
und Freude am Spiel stehen. Interessenten mel
den sich unter Tel. 0 55 74/4 28 70 an.
Über 50 Prozent des gesamten Kulturan
gebots in Vorarlberg wird von der so genann
ten freien Szene abgedeckt, deren Protagonis
ten Unternehmen wie das Projekttheater (im
Bild aus der Produktion „Volksvernichtung"
von Werner Schwab), das Aktionstheater,
Theater Kosmos, Theater der Figur, Theater
Die Kiste etc. sind. „Es wiire schade, wenn auch
nur eines dieser Mosaiksteinchen fehlt", meint
der neue Kulturamtsleiter des Landes, Werner
Grabher. Das Mosaik selbst soll effizienter ver
kittet werden. Grundsätzlich hat das Land
nicht nur das Budget des Theaters für Vorarl
berg erhöht, sondern auch die Mittel für die
kleineren Gruppen aufgestockt.