Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

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Et» 
WIRTSCHAFT 
Donnerstag, 9. November 2000 
Brainpower gesucht. In sämtli 
chen Branchen der boomenden Informations 
und Kommunikationstechnologien ist der Be 
darf an zusätzlichen Mitarbeitern besonders 
gravierend - wie allein schon der Blick auf den 
regionalen Stellenmarkt zeigt. An die 30.000 
neue Jobs sind binnen zwei Jahren allein im IT- 
Bereich bundesweit zu besetzen, europaweit 
soll bis 2003 der Bedarf auf zwei Mill. Fach 
kräfte regelrecht explodieren. Doch im Wind 
schatten dieser Konjunkturlokomotive wird es 
auch in den anderen Wirtschaftsbereichen 
mehr zu tun geben. Deshalb sind nicht nur IT- 
Experten gefragt, grundsätzlich werden künf 
tig in fast allen Berufen Könner ihres Faches 
gesucht. Dabei gilt die Faustregel: Je fundierter 
die fachlichen Top-Qualifikation, ergänzt von 
wirtschaftlichem Know-how und persönlichem 
Engagement, umso mehr Wert repräsentiert 
das eigene Humankapital - eine Währung, die 
in ihrem Kurs noch wesentlich steigt. Und da 
mit die Chancen am Arbeitsmarkt... 
Mehr Lust auf Zukunft 
„Die Fälligkeit, ständig zu lernen, ist der ein 
zige dauerhafte Wettbewerbsvorteil", steht 
Vorarlbergs Landeshauptmann Dr. Herbert 
Sausgruber voll hinter der Bildungsoffensive. 
„Statt Angst vor Verände 
rung brauchen wir Neugier 
auf die Zukunft, Innova 
tion und Selbstvertrauen 
in die eigene Kompetenz", 
begründet Sausgruber 
(Bild) seine Priorität, Bil 
dungspolitik ganz ins Zen 
trum der Regierungsarbeit 
zu stellen: „Investitionen 
in die Bildungsind Investitionen in die Zukunft. 
Es gilt, die hochwertige Basisausbildung an un 
seren Schulen zu festigen und die Vielfalt des 
Bildungssystems zu erhalten." 
So wird zur Stärkung der dualen Ausbildung 
gezielt in die Ausstattung der Berufsschulen in 
vestiert. Zudem profitiert die Wirtschaft von 
der konsequenten Erweiterung der Fachhoch 
schule - durch die Nutzung der sowohl für Leh 
re und betriebliche Praxis ausgebauten For- 
schungs- und Entwicklungskapazitäten. 
Zahlen & Fakten 
Mahr BaachMftigte, weniger Arbeitslose. 
Mit 136.100 unselbstständig Erwerbstätigen wa 
ren in Vorarlberg Ende Juli mehr Personen be 
schäftigt denn je zuvor. Innerhalb eines Jahres 
ging die Zahl der Arbeitslosen um 17% zurück - 
bei Langzeitarbeitslosen sogar doppelt so stark. 
Die Arbeitslosenquote von ZA % liegt in 
Vorarlberg rund ein Viertel unter dem öster 
reichischen Durchschnitt. 
Wirtschaft boomt in allen Berelchan. Die 
Industrie steigerte ihren Produktionswert in den 
ersten vier Monaten um 11%, die Exporterlöse 
legten um 14% zu. Das Gewerbe registriert ein 
Plus von 10% im ersten Halbjahr, die Bauwirt 
schaft steigerte ihre Leistung um 12%. 
Wachstum krüftlgar ala erwartet. Mit 3,2% 
legte das Bruttoinlandsprodukt deutlich schnel 
ler zu, als von den Wirtschaftsforschern voraus 
gesagt. Das Investitionsldlma entwickelt sich 
ebenso prächtig wie der Privatkonsum. 
Pleitegeier weniger aktiv. Positives auch 
aus der Insolvehzstatistlk: Im ersten Halbjahr 
mussten 18% Weniger Unternehmer den Gang 
zum Konkursrichter antreten als 1999. 
Viele Jobs bleiben unbesetzt... 
Mangel an „Human Kapital" wird zur Wachstumsbremse der florierenden Wirtschaft 
Die Schattenseite des wolken 
losen Koiijunkturhimniels: In 
Vorarlberg herrscht schon 
heute ein Mangel an hoch 
qualifizierten Fachkräften, 
die für Wettbewerbsfähigkeit 
als Wirtschaftsstandort von 
morgen das Um und Auf sind. 
Nach wie vor kämpft die 
Wirtschaft mit Problemen am 
Arbeitsmarkt - wenngleich un 
ter umgekehrten Vorzeichen 
wie vor einigen Jahren, als Vor 
arlberg von steigenden Arbeits 
losenzahlen gleich doppelt be 
troffen war: Nicht nur die Ar 
beitsplatzverluste im eigenen 
Land verschärften die Situation 
am Arbeitsmarkt - zusätzlich 
drängten tausende gekündigte 
Grenzgänger aus Schweizer 
oder Liechtensteiner Firmen 
zur Jobsuche zurück ins Land. 
Der Hemmschuh für das 
Wirtschaftswachstum 
Aber das ist Schnee von ges 
tern - und im Vergleich zur so 
zialen Sprengkraft hoher Ar 
beitslosenquoten ist den heuti 
gen Problemen am Arbeits 
markt durchaus auch ein posi 
tiver Aspekt abzugewinnen: 
Der erfreuliche Schwung der 
wirtschaftlichen Entwicklung 
trocknete den Arbeitsmarkt 
völlig aus - mangels geeigneter 
Job-Kandidaten bleiben viele 
offene Stellen unbesetzt. 
Doch der seit geraumer Zeit 
beklagte Mangel an Fachkräften 
gewinnt zunehmend an Brisanz 
und bereitet den Unterneh 
mern inzwischen genauso 
Kopfzerbrechen wir Vorarl 
bergs Wirtschaftspolitikern: 
„Immer mehr Firmen sehen in 
fehlenden personellen Ressour 
cen den gravierendsten Unsi- 
cherheitsfaktor für die weitere 
positive Entwicklung", schafft 
Landesrat Manfred Rein, Wirt 
schaftsreferent der Vorarlber 
ger Landesregierung, Bewusst- 
sein für den Ernst der Situation. 
Die IT-Branche ist das Zugpferd, das für Vollbeschäftigung von Experten aller Berufe sorgen wird. 
Er will nichts beschönigen: 
„Der Mangel an Ilumankapital 
hemmt bereits das Wachstum 
der Wirtschaft im Land!" 
So ist die Freude über die an 
sonsten so positive Wirtschafts 
und Konjunkturentwicklung 
schon längst nicht mehr unge 
trübt: Zwar stehen in Vorarl 
berg derzeit mehr Menschen 
aktiv im Berufsleben (siehe 
Randspalte: Zahlen & Fakten) 
als je zuvor - de facto herrscht 
Vollbeschäftigung in Vorarl- 
berg. Denn der Schein 
\ der offiziellen Ar- 
a * uk ' " w p er a |( U te 
Mangel an 
Fachkräften 
hemmt bereits 
das Wachstum 
in VorarlbergI" 
Manfred Rein, 
Landesrat 
beitslosenstatistik in Prozent 
trügt, zumal die als Arbeitssu 
chende ausgewiesenen Perso 
nen meist durch gewisse 
Hemmnisse als schwer vermit 
telbare Problemfälle am Ar 
beitsmarkt gelten und nicht im 
stande sind, den tatsächlichen 
Bedarf an dem im Wert ständig 
steigenden „Ilumankapital" für 
die Wirtschaft zu decken. 
Was tun, um führende 
Position zu behaupten? 
Denn inzwischen ist einge 
troffen, wovor in der Steinzeit 
des Computerzeitalters einge 
hend gewarnt wurde: Für unge 
lernte Hilfskräfte geht die Arbeit 
langsam aber sicher aus - dafür 
haben qualifizierte Fachkräfte 
quer durch alle Branchen künf 
tig mehr denn je alle I Iände bzw. 
den Kopf voll zu tun. 
„Vorarlberg kann seine wirt 
schaftliche Stärke und die At 
traktivität als Standort nur 
dann behaupten, wenn es uns 
gelingt, die wachsenden Defizi 
te an verfügbaren Fachkräften 
zu beseitigen", bestätigt auch 
Kuno Riedmann, als Präsident 
der Vorarlberger Wirtschafts 
kammer oberster Repräsentant 
der Unternehmerschaft, aku 
ten Handlungsbedarf. 
Wie Nadeln im Heuhaufen... 
...sind qualifizierte Fachkräfte gesucht - meistens ohne Erfolg 
Was unter normalen Umstän 
den ein guter Grund zum Ju 
beln wäre, sorgt derzeit für 
Krisenstimmung in vielen in 
novativen Vorarlberger Un 
ternehmen: Die derzeit so 
prall gefüllten Auftragsbücher 
sprechen zwar generell für 
die Wettbewerbsfähigkeit der 
Vorarlberger Wirtschaft, zei 
gen aber zugleich deren größ 
te Schwachstelle - vielen Be 
trieben fehlt das nötige Fach 
personal, um die vielverspre 
chende Chancen am Markt 
ausschöpfen zu können. 
Wie viel Kopfzerbrechen die 
ses Problem in der betriebli 
chen Praxis bereitet, illustriert 
ein Erlebnis, von dem Dr. Ing. 
Guntram Feurstein, Rektor der 
Fachhochschule Vorarlberg be 
richtet: „Allen Ernstes bemüh 
te sich kürzlich ein Unterneh 
mer um die Option auf Anstel 
lung der ersten 50 Absolventen 
des iTech-Lehrganges." 
Wobei man wissen muss: Das 
erste Semester dieses praxisbe 
zogene Bildungsangebotes, mit 
dem das Rüstzeug zur betrieb 
lichen Nutzung und wirt- 
schaftsorientierten Gestaltung 
der digitalen Datenflüsse inner 
halb der globalen Netzwelt ver 
mittelt wird, hat soeben erst be 
gonnen und dauert vier Jahre... 
Aber auch die ersten 49 Ab 
solventen des Studienganges 
Betriebliches Prozess- und Pro 
jektmanagement konnten kürz 
lich als frisch gebackene Akade 
miker erleben, wie hoch ihr in 
enger Kooperation mit der Wirt 
schaft erworbenes Know-how 
im Kurs steht: Mit vier bis sechs 
lukrativen Job-Angeboten in 
der Tasche ist die erfolgreiche 
Karriere jedes einzelnen Mag. 
I II bereits vorprogrammiert. 
Ständig auf der Suche... 
Allerdings ist dieser hoch 
qualifizierte Nachwuchs für die 
regionale Wirtschaft derzeit 
nicht viel mehr als der berühm 
te Tropfen auf dem heißen 
Stein: Benötigt werden weit 
mehr Fachkräfte, als der Ar 
beitsmarkt derzeit bieten kann. 
Kaum eine Branche, der diese 
Erfahrung nicht erspart bleibt. 
Ein Unternehmen, das beidseits 
vom Rhein davon betroffen ist, 
mtg?'- ?) 
heißt Solitas Informatik AG und 
hat ihren Sitz in Götzis und in 
Buchs/SG und ist mit der Eigen 
entwicklung einer leistungsfähi 
gen Software-Lösung für das Do 
kument- und Archivmanage 
ment auf IBM AS/400 internatio 
nal erfolgreich - nicht jedoch bei 
der Rekrutierung von personeller 
Verstärkung, wie Ing. Christoph 
Achatz schon vor Monaten be 
dauerte: „Wirsind ständigauf der 
Suche nach guten Leuten - zu 
meistvergeblich!" Daran hat sich 
nichts geändert, wie den auf ganz 
Österreich ausgeweiteten Stel 
lenanzeigen zu entnehmen ist. 
Nicht besser geht es der Fa. 
Obrist Engineering, die von Lu- 
stenau aus die globale Know- 
how-Führerschaft im Bereich 
der umweltfreundlichen C02- 
Klimatechnik erobert hat: 
Vier bis sechs Job-Angebote für Fachhochschul-Absolventen. 
Politische Schützenhilfe ist 
ihm dabei gewiss: Abgesehen 
von den ständig steigenden 
Ausgaben für alles, was mit der 
Ankurbelung von Forschung 
und Entwicklung, mit der För 
derung von Aus- und Weiterbil 
dung, den infrastrukturellen 
Verbesserungen sämtlicher 
schulischer und akademischer 
Einrichtungen im Land zu tun 
hat, wurde kürzlich mit verein 
ten Kräften ein „Beschäfti 
gungspakt Vorarlberg" ins Le 
ben gerufen. 
Landesregierung, Wirtschaft 
und Sozialpartner ziehen jetzt 
an einem Strang. Die gemein 
sam in Auftrag gegebene Studie 
über „Entwicklungsperspekti 
ven des Arbeitsmarktes in Vor 
arlberg" soll neue, zielführende 
Wege aufzeigen, die langfristig 
den Aufbau der personellen 
Ressourcen sichern, die heute 
die Erfolge von morgen si 
chern. 
„Personelle 
Defizite gefähr 
den wirtschaft 
liche Erfolge 
der Zukunft." 
Kuno Ried 
mann, Präsi 
dent Wirt 
schaftskammer 
„Drei, vier Leute würden wir 
vom Fleck weg engagieren. Lei 
der sind sie trotz intensiver 
Bemühungen nicht zu finden", 
bedauert Mag. Marco Rusch. 
Top-Leute für Top-Firmen 
Dabei sind es keineswegs nur 
High-Tech-Firmen aus dem Be 
reich der Informations- und 
Kommunikationstechnologien, 
denen der Fachkräfte-Mangel so 
schwer zu schaffen macht: Der 
Kranbauer Liebherr etwa sucht 
für das Werk Nenzing dringend 
NC-Dreher, Steuerungstechni 
ker, Schlosser und Schweißer. 
Der Autozulieferer König aus 
Rankweil braucht Ingeniere in 
verschiedenen Bereichen der 
Metallverarbeitung. Für Ver 
triebs* und Verpackungsinge 
nieure, Controller, Produktpla 
ner und Nachwuchsführungs 
kräfte bietet Suchard süße Job- 
Versuchungen. 
Doch unabhängig von diesen 
konkreten Beispielen: Auch 
Gewerbe und Handwerk klagen 
generell über die wachsenden 
Schwierigkeiten bei der Suche 
nach fachlich versierten Mitar 
beitern, ebenso die Elektro- 
und Metallindustrie, der Tou 
rismus sowieso, aber auch 
Handel und Dienstleistungen. 
Und die Konsequenz? Für 
qualifizierte Leute mit Engage 
ment und der Bereitschaft, stän 
dig dazu zu lernen, standen die 
Karriere-Chancen selten so gut. 
Man braucht sie nur zu nützen...
	        

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