Liechtensteiner VOLKSBLATT
LAND UND LEUTE
Mittwoch, 0. November 2000 7
Fremdes Land und fremde Kultur
Welche Möglichkeiten hat ein fremdsprachiges Kind, sich in unserem Land zu integrieren?
Ein fremdes Land, eine
fremde Kultur und eine
fremde Sprache: Mit die
sen Gegebenheiten hat
sich ein Kind zu beschäf
tigen, das seine Heimat
verlässt oder verlassen
muss. Solche Kinder kom
men auch nach Liechten
stein. Dies ist sicher nicht
einfach. Wie wird den
fremdsprachigen Schüle
rinnen und Schülern die
Integration in Liechten
stein erleichtert und wel
che schulischen Massnah
men werden getroffen?
Manuela Schiidler
«Am Anfang verständigen wir
uns nur mit den Sinnen», er
zählt der Lehrer Rene Wytten-
bnch. Er unterrichtet an der
Oberschule Triesen Deutsch als
Zwcitsprache (DaZ) für zugezo
gene fremdsprachige Kinder.
Schülerinnen und Schüler ab
acht Jahren, die kein Deutsch
sprechen, kommen in den
DaZ-Intensivkurs. Die Elf- bis
Zwölfjährigen besuchen den
Kurs an der Oberschule Schaan.
An der Oberschule Triesen wer
den die Zwölf- bis Sechzehn
jährigen unterrichtet. «Mit Bil
dern und Ton baue ich mit den
Schülern den Wortschatz auf»
berichtet Rene Wyttenbach
weiter. Hier wird nicht «frontal
unterrichtet», sondern spiele
risch gelernt. Diese Methode
nennt man «Suggestopädie»,
Oberschule Triesen und Schaan
unterrichtet den DAZ-Kurs.
das heisst, die Sprache ganz
heitlich lernen mit Musik, Spie
len und Gruppenarbeiten. Es
wird aber auch schriftlich ge
lernt. «Im Stundenplan ist ne
ben Deutsch auch noch Mathe-
Nach dem das Projekt von Kleinklassen abgeschafft wurde, werden lernschwache Schüler in die Regelklassen integriert.
(Bilder: manu)
matik, Sport, bildnerisches Ge
stalten und Musik vorhanden»,
erklärt der Lehrer. Dieser soge
nannte Intensivkurs Deutsch
als Zweitsprache hat gemäss
Schulamt drei Zielsetzungen: 1.
Die Kinder sollen Deutsch ler
nen, weil die Sprachkenntnisse
die Grundvoraussetzung für ei
ne erfolgreiche Integration in
unserer Gesellschaft bilden.
Gleichzeitig sollen die Kinder
nicht-deutscher Muttersprache
so gut Deutsch lernen, dass sie
bei der Integration in Regel-
klassen dem Unterricht mög
lichst ohne grössere Probleme
zu folgen vermögen. 2. Die
Kinder sollen Land und Leute
kennenlernen und speziell auch
mit unserem Schulsystem ver
traut gemacht werden. Dadurch
wird die (ntegrationsmöglich-
keit dieser Kinder vergrössert
und ihnen der Übertritt in eine
Regclklasse stark erleichtert. J.
Ein sehr wichtiges Ziel des
DaZ-Intensivkurses ist es auch,
die Schüler in einer relativ,kur
zen Zeit möglichst gut kennen
zulernen und zwar sowohljper-
sönlich, als auch bezügli^ ih
rer Leistungsfähigkeit. Dieses
Ziel ist deshalb so wichtig, weil
erst dadurch eine sinnvolle
Einteilung der Kinder in eine
Regelklasse möglich wird. Alle
drei Zielsetzungen dienen ei
nem übergeordneten Ziel: der
Integration. Deshalb könnte der
DaZ-Intensivkurs eigentlich
auch Integrationskurs heissen.
«Der Einstieg in die Regel
klassen ist sehr schwierig, denn
die Schüler sind insgesamt nur
800 Stunden im DaZ. Um rich
tig Deutsch zu lernen, brauch
ten sie fünfmal mehr Zeit»,
meint Rene Wyttenbach. Der
aktive Wortschatz ist nach die-
Nach dem die fremdsprachigen Schüler den Deutsch-Intensivkurs besucht haben, werden sie je nach
Leistung in die Oberschule, Realschule oder Gymnasium aufgenommen.
sem Jahr noch sehr klein. Aber
die Schüler sind sehr motiviert
und lernen auch gut.
Kinder im Alter zwischen
fünf und sieben und Kinder ab
acht Jahren, welche bereits
passabel Deutsch sprechen,
werden direkt in die Regelklas
sen integriert. Sie erhalten da
bei zusätzlichen Deutschunter
richt. «Die fremdsprachigen
Kinder haben bei uns gute
Möglichkeiten sich zu integrie
ren», ist sjch Rene Wyttenbach
sicher.
Keine Probleme in den
Regelklassen
1990 wurde ein Projekt mit
Kleinklassen für lernschwache
Schüler gestartet. Nach einigen
Jahren, als die Zeit für das Pro
jekt abgelaufen war, wurde es
nicht weitergeführt. Seitdem
werden die lernschwachen
Schüler in die Regelklassen in
tegriert. «Das klappt sehr gut, es
hat auch keinen Einfluss auf das
Lerntempo», erzählt Urs Spren
ger, Lehrer an der Oberschule
Triesen. Die Schüler untereinan
der kommen auch sehr gut mit
einander aus. «Klar gibt es
manchmal Streit, aber das muss
nicht Ausländer gegen Liech
tensteiner oder Liechtensteiner
gegen Ausländer sein» erzählt
der Lehrer. Manchmal haben die
fremdsprachigen Ausländer
auch Mühe sich anzupassen.
«Das kommt von der Erziehung.
Es kann zum Beispiel sein, dass
ein Türke sich weigert, beim
Kochunterricht abzuwaschen,
weil das bei ihnen Frauenarbeit
sei. Aber wenn er dann merkt,
dass die anderen es auch tun,
macht er sich dann an die Ar
beit» erzählt Sprenger.
Ergänzungsunterricht
Wenn ein fremdsprachiger
Schüler im Unterricht bei ei
nem anderen Fach ausser
Deutsch Probleme hat, kann er
den Ergänzungsunterricht be-
Urs Sprenger unterrichtet an der Oberschule Triesen.
suchen. Dies gilt allerdings
auch für einheimische schwa
che Schüler. «Ich spreche mit
den Klassenlehrern ab, wo die
Probleme liegen und bearbeite
sie mit den Schülern» erzählt
Marina Lazzarini, die diesen
Unterricht an der Oberschule
Triesen leitet. Der Ergänzungs
unterricht ist ein heilpädagogi
sches Angebot für Kinder, die
aufgrund ihrer Fertigkeiten und
Fähigkeiten in Ergänzung zum
Regelunterricht in der Klasse
zusätzlicher Förderung bedür
fen. Der Ergänzungsunterricht
setzt auf integrativ-kooperative
Unterrichtsform und ist dabei
behilflich, den Umgang mit den
verschiedensten Schülerinnen
und Schülern möglichst opti
mal zu gestalten. Er beinhaltet
zusätzlich ein beraterisches
Angebot für Eltern und Lehr
personen. Dabei werden alle
am Erziehungsprozess beteilig
ten Personen als Experten ihres
jeweiligen Tätigkeitsfeldes ge
sehen und durch gestaltete Zu
sammenarbeit in die Planung,
Durchführung und Evaluation
von besonderen schulischen
Massnahmen mit einbezogen.