Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
AUSLAND 
Dienstag, 7. November 2000 25 
Streit um Entsendung von 
UNO-Friedenstruppe 
Wieder zwei Palästinenser getötet - Gewalt im Nahen Osten geht weiter 
Maskierte Palästinenser halten ein Bild ihres Führers Jassier Arafat in die Höhe. Die Auseinandersetzungen zwischen Israeli und Palä 
stinensern geht trotz Friedensvereinbarung weiter. (Bild: Keystone] 
JERUSALEM: Wenige Tage 
vor Friedensgesprächen in 
den USA streiten sich Is 
rael und die Palästinenser 
über die Stationierung ei 
ner UNO-Friedenstruppe 
in den besetzten Gebieten. 
Dort kamen am Montag 
erneut zwei Palästinenser 
ums Leben. 
Israels Ministerpräsident Ehud 
Barak lehnte einen Wunsch 
von Palästinenser-Präsident 
Jassir Arafat zur Stationierung 
einer Friedenstruppe ab. Eine 
solche Massnahme würde die 
Situation nicht verbessern, 
sondern eher noch verschlech 
tern, sagte Barak. 
Der israelische Aussenmini- 
ster Schlomo Ben-Ami wies Be 
richte zurück, nach denen die 
USA hei der israelischen Regie 
rung wegen der Stationierung 
von Blauhelm-Soldaten vor 
sondiert habe. US- Aussenmi- 
nisterin Madelcine Albright 
und der UNO-Botschafter der 
USA, Richard Holbrooke, hät 
ten ihm zugesichert, gemein 
sam mit Israel eine solche For 
derung zu blockieren. 
Russlands Aussenminister 
Igor Iwanow habe ihm zugesi 
chert, eine solche Forderung 
zunächst nicht weiter zu ver 
folgen. Ben-Ami hat zudem 
nach eigenen Angaben Kontakt 
zu Frankreich und anderen Si 
cherheitsratsmitgliedern aufge 
nommen. 
Arafat will 2000 Mann 
Arafat hatte am Sonntag im 
US-Fernsehsender CBS gefor 
dert, zum Schutz der Palästi 
nenser schnell eine 2000 Mann 
starke internationale Truppe zu 
entsenden. Der Sicherheitsrat 
der Vereinten Nationen (UNO) 
will am Mittwoch über die Lage 
im Nahen Osten beraten. 
Über die Entsendung von 
Truppen solle auch am Don 
nerstag beraten werden, wenn 
Arafat mit US-Präsident Bill 
Clinton in Washington zusam 
menkommt, sagte Arafats Bera 
ter Nabil Abu Rdainah. Zuvor 
wird Arafat nach Angaben aus 
ägyptischen Regierungskrisen 
am Mittwoch in Kairo mit Prä 
sident Husni Mubarak über die 
Lage beraten. Am Sonntag wird 
dann Barak zu separaten Ge 
sprächen in Washington erwar 
tet. Ziel der Beratungen sei es, 
einen Weg zurück zum Ver 
handlungstisch zu finden, sagte 
ein Sprecher des Präsidialam 
tes. 
Wieder zwei Opfer 
Nach Angaben aus einem 
Spital wurde in der Nähe der 
jüdischen Siedlung Kfar Darom 
im Gazastreifen ein 17-Jähriger 
von israelischen Soldaten er 
schossen. In Tulkarem im West 
jordanland erschossen Solda 
ten einen 15-jährigen Palästi 
nenser. In der Nacht hatte es 
nach Armeeangaben vier Feu- 
crgercchte mit Palästinensern 
und zwei Explosionen in der 
Nähe von Militärposten gege 
ben. 
Bei den blutigen Unruhen in 
den Palästinensergebieten wur 
den seit Ende September 156 
Palästinenser getötet und mehr 
als 7000 zum Teil schwer ver 
letzt. Diese Zahlen veröffent 
lichte am Montag der palästi 
nensische «Rote Halbmond». 
Wie die Organisation mittel- 
te, erlitten mehr als 3000 
Demonstranten Verletzungen 
durch Gummi-ummantelte 
Stahlgeschosse. Etwa 1200 
wurden von scharfer Muniton 
getroffen. Mehr als 2000 über 
wiegend jugendliche Palästi 
nenser erlitten Verätzungen der 
Augen und Atemwege durch 
Tränengas. 
Aus der Statistik geht unter 
anderem hervor, dass die Zahl 
der Toten und Verletzten bei 
den Unruhen seit der Verkün 
dung der jüngsten Waffenruhe 
am vergangenen Donnerstag 
deutlich abgenommen haben. 
Auf israelischer Seite steht die 
Zahl der Opfer bei insgesamt 
28, unter ihnen 15 Juden und 
13 israelische Araber. 
SVP verdrängen 
SP-Fraktion hält an ihrer Strategie fest 
BERN: Die SP hält an ihrer 
Strategie fest, die SVP aus 
dem Bundesrat zu werfen. Das 
ist das Fazit einer informellen 
Sitzung des erweiterten Frak 
tionsvorstands am Montag 
abend. Machen FDP und CVP 
nicht mit, schliesst die SP eine 
eigene Kandidatur nicht aus. 
Neben dem Vorstand hätten 
noch weitere Fraktionsmitglie 
der an der Sitzung teilgenom 
men, sagte SP-Sprecherin Ur 
sula Dubois auf Anfrage der 
Nachrichtenagentur sda. Die 
Diskussion sei kontrovers ge 
führt worden, doch das Ziel der 
SP sei klar: Der Bundesrat müs 
se so zusammengesetzt sein, 
dass er auch soziale Anliegen 
und eine Öffnung der Schweiz 
vertrete. Die SP wolle einen 
Bundesrat, der die Zukunft der 
Schweiz in die Hände nehme 
und sich für die Bedürfnisse ei 
ner breiten Bevölkerung einset 
ze. «Wir wollen einen Bundes 
rat, der nicht auf eine rein 
rechtsbürgerliche Art funktio 
niert», sagte Dubois. Das sei mit 
der Strategie «SVP raus» an 
gekündigt worden. Ob die Stra 
tegie erfolgreich sei, hänge von 
den Bürgerlichen ab. Sollten die 
se aber nicht mitziehen, sei auch 
eine SP-Kandidatur fiir die 
Nachfolge von Adolf Ogi denk 
bar. FDP und CVP sind nicht auf 
das SP- Angebot eingestiegen, 
eigene Kandidaten für die Nach 
folge Ogis zu stellen. 
Offenbar gibt es auch inner 
halb der SP kritische Stimmen 
zum Vorgehen der Fraktions 
spitze: In der Tagesschau von 
SF DRS bezeichnete der Berner 
Nationalrat Peter Vollmer das 
Vorgehen als «unüberlegt». Es 
zeuge nicht «von sehr grosser 
politischer Reife», jetzt Königs- 
niacher sein zu wollen. 
Stiftung einrichten 
100 Journalisten ermordet 
BERLIN: Der OSZE-Beauftrag 
te für Medienfreiheit, Freimut 
Duve, hat eine neu einzurich 
tende Stiftung für die Versor 
gung journalistischer Opfer 
von Gewalt gefordert. 
Auf diese Weise könne den 
Hinterbliebenen von getöteten 
Journalisten geholfen werden, 
die während der beruflichen 
Tätigkeit nicht ausreichend 
versichert seien. An der Veran 
staltung in Berlin nahmen Me 
dienfachleute sowie Vertreter 
der OSZE-Teilnehmerstaaten, 
der Vereinten Nationen und des 
Europarats teil. 
Unstimmigkeiten wegen Temelin 
Prag droht mit Absage des Treffens von Zeman und Schüssel 
PRAG: Die tschechische Regie 
rung hat Österreich gestern er 
neut mit der Absage des Tref 
fens zwischen Ministerpräsi 
dent Milos Zeman und Bun 
deskanzler Wolfgang Schüssel 
für den Fall gedroht, dass die 
Grenzblockaden österreichi 
scher Atomkraftgegner nicht 
aufgehoben würden. 
Der tschechische Regierungs 
sprecher Libor Roucek sagte am 
Montag in Prag, das für Ende 
des Monats geplante Treffen sei 
ernstlich in Gefahr. «Wir ver 
langen, dass alle Grenzüber 
gänge frei gemacht werden, um 
das Treffen zu ermöglichen.» 
Grenzblockade 
Aus Protest gegen die Inbe 
triebnahme des umstrittenen 
Atomkraftwerks im südböhmi 
schen Temelin haben Atom 
kraftgegner seit vergangenen 
Donnerstag drei grössere 
Grenzübergänge zwischen Nie 
derösterreich und der Tschechi 
schen Republik blockiert. Die 
Blockaden wurden seitdem 
ausgeweitet, und am Sonntag 
waren sämtliche 15 Übergänge 
in Niederösterreich blockiert. 
Am Montag wurden alle 
Übergänge bis auf drei wieder 
geöffnet. Diese sollen nach An 
gaben der Blockierer noch bis 
Donnerstag geschlossen blei 
ben. Am Donnerstag hatten 
sich Zeman und Schüssel zur 
Erörtening der Frage getroffen, 
Ein kleines Mädchen beobachtet die Grenzblockaden zwischen 
Österreich und Tschechien von einem Fenster aus. (Bild: Key.) 
jedoch keine nennenswerten 
Fortschritte gemacht. Sie einig 
ten sich lediglich auf eine Si 
cherheitsüberprüfung des Re 
aktors durch eine EU-Experten 
kommission, Zeman weigerte 
sich aber, das Kraftwerk solan 
ge abzuschalten. 
NACHRICHTEN 
Pinochetaus 
Spital entlassen 
SANTIAGO DE CHILE: Der 
chilenische Ex-Diktator 
Augusto Pinochet ist nach 
neun Tagen aus dem Spital 
' entlassen worden. Er sei 
wegen Lungenentzündung 
i behandelt worden, be 
stätigte ein Sprecher des 
Militärspitals in der chile 
nischen Hauptstadt Santia- 
; go am Montag. Ausserdem 
; seien bei dem fast 85- 
; Jährigen eine Verschlech- 
< terung seiner Diabetes und 
\ andere gesundheitliche 
•j Probleme festgestellt wor- 
1 den. Pinochets Sohn Marco 
; Antonio hatte vor einer 
; Woche gesagt, Pinochets 
medizinischer Zustand sei 
«sehr bedenklich». Die ar- 
^ gentinische Regierung be- 
: antragte unterdessen offi 
ziell die Auslieferung des 
! Ex-Diktators bei den chile 
nischen Behörden. Dies be 
stätigte die chilenische 
Aussenministerin Soledad 
Alvear. Der Auslieferungs 
antrag sei an den Obersten 
Gerichtshof weitergeleitet 
worden, sagte sie. 
EUvorKlima- 
schutzberatung 
BRÜSSEL: Die EU-Umwelt 
minister treffen sich heute 
Dienstag in Brüssel, um 
über Wege zur Reduzierung 
der Treibhausgase zu bera 
ten. Sie bereiten sich damit 
auf die sechste UN-Klima 
konferenz vor, die vom 13. 
bis 24. November in Den 
Haag stattfindet. Dort wird 
über die Umsetzung der 
Klima-Verpflichtung von 
Kyoto 1997 beraten, die 
eine weltweite Reduzierung 
der Treibhausgase um 5,2 
Prozent bis 2012 - gemes 
sen an den Werten von 
1990 - vorsieht. Die EU hat 
sich verpflichtet, ihren 
Ausstoss an Kohlendioxid 
und fünf weiteren Gasen 
um acht Prozent zu verrin 
gern. Bei den Beratungen 
in Brüssel und Den Haag 
geht es unter anderem dar 
um, inwieweit Länder, die 
ihre Vorgaben übererfüllen, 
ihre Emissionsrechte an an- 
: dere Länder verkaufen dür 
fen, die ihre Klimaziele 
nicht erreichen. Während 
die EU darauf dringt, dass 
jedes Land seine Vorgaben 
zur Hälfte zu Hause erfül 
len muss, wollen die USA, 
Japan, Australien und an 
dere Industrieländer 
j grundsätzlich freistellen, 
wie und wo sich ein Staat 
i für den Klimaschutz enga- 
1 giert.
	        

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