Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
EXTRA 
Montag, 30. Oktober 2000 23 
familie 
Familienstellen: Eine neue Methode 
Buch-Tipp: ORF-Ernährungsbuch 
Koch-Tipp: Allerheiligenbrot 
Neue Studie über die Alzheimer Erkrankung 
Kraftfeld «Familie» 
Neue psychotherapeutische Methode: «Bindungen» zwischen dem Einzelnen und seiner Familie 

Das Geniale von Sigmund 
Freud, dem Begründer der 
Psychoanalyse, war der 
Nachweis, wie sehr unbe- 
wusste Prozesse das Ver 
halten des Menschen be 
einflussen. Hundert Jahre 
nach ihm gibt es neue 
Ansätze, diese Prozesse 
besser zu verstehen und 
zu lösen. Seit einiger Zeit 
sorgt das «Familienstel- 
len» von Bert Hellinger 
unter Fachleuten wie Lai 
en für Aufsehen. 
Werner Hasler 
Psychotherapeut 
Freud entwickelte vor hundert 
Jahren ein Modell der stufen 
weisen seelischen Entwicklung 
des Menschen und wies nach, 
wie sehr frühe Prägungen aus 
der Kindheit den Menschen 
auch als Erwachsenen unbe- 
wusst formen und beeinflussen. 
Seine Therapie, die Psychoana 
lyse, hat versucht, diese frühen 
Muster dort, wo sie auf das Le 
ben des Menschen einschrän 
kend wirken, über die Bewusst- 
machung zu lösen. Freuds «Kö 
nigsweg zum Unbewussten» 
war der Traum. 
Kein Forscher hatte einen 
derartig nachhaltigen Einfluss 
auf die Human- und Sozialwis 
senschaften des vergangenen 
Jahrhunderts wie Freud. Viele 
seiner Begriffe und Erkenntnis 
se sind heute Allgemeingut. Et 
was schwieriger war sein klas 
sischer therapeutischer Ansatz, 
die Psychoanalyse. Sie,ist über 
aus aufwändig und konnte sich 
nicht als allgemeingültiges 
Standardverfahren durchset 
zen. In der Nachfolge von 
Freud wurden in den vergange 
nen hundert Jahren viele neue 
Ansätze entwickelt, aber keiner 
hat in den vergangenen Jahren 
soviel Furore gemacht wie das 
«Familienstellen» von Bert Hel 
linger. Hellinger fand in der 
Form des «Famiiiensteilen» ei 
nen neuen «Königsweg» zu un 
bewussten Mustern des Verhal 
tens, das in kurzer Zeit zu tie 
fen Ergebnissen führt. 
Zur Technik des 
Familienstellens 
Der Klient wählt in der Grup 
pe «Stellvertreter» seiner Fami- 
Mit der Methode des Familienstellens ist eine Möglichkeit vorhanden, das Familiensystem in seiner 
krankmachenden Wirkung auf die Leute anzuschauen und in ihnen neu zu strukturieren. 
lie, die für eine Aufstellung 
wichtig sind, nachdem er sein 
Anliegen geklärt hat. Er stellt 
sie, ganz nach seinem Gefühl, 
im Raum auf - und bringt da 
durch verborgene Kräfte, die in 
dieser Familie wirken, ans Ta 
geslicht. Die Stellvertreter ken 
nen seinen familiären Hinter 
grund nicht. Aber durch die 
Aufstellung treten sie in eine 
Art «Energiefeld» dieser Familie 
und nehmen zu ihrer Überra 
schung Gefühle desjenigen 
Mitglieds der Familie wahr, das 
sie in der Aufstellung vertreten. 
Der vermisste Vater 
Ein 45-jähriger Klient ist in 
seinem Beruf unzufrieden. Im 
mer wieder gibt es Spannungen 
zu seinem Vorgesetzten. Er hat 
das Gefühl, dass andere in der 
Gruppe ihm vorgezogen wer 
den, obwohl er den Eindruck 
hat, dass er eine gute Arbeit 
leistet. Er fühlt sich von seinem 
Chef ungerecht behandelt und 
denkt an Kündigung. Die 
Anamnese zeigt, dass sein leib 
licher Vater starb, als er fünf 
jährig war. Sein Stiefvater hatte 
mit seiner Mutter später noch 
zwei weitere Kinder. In der nun 
folgenden Familienaufstellung 
steht der Stellvertreter an einem 
Platz, wo er sich allein gelassen 
fühlt. Er vermisst den verstor 
benen Vater, findet keinen Platz 
beim Stiefvater und empfindet 
Neid zu den Halbgeschwistern, 
die bevorzugt werden. Schlag 
artig kommt dem Klienten - als 
Beobachter dieser Aufstellung - 
eine längst «vergessene» Situa 
tion wieder ins Bewusstsein, die 
ihn innerlich sehr bewegt. Es 
wird ihm die Ähnlichkeit zu sei 
nem heutigen Konflikt bewusst: 
Im Chef begegnen ihm Aspekte 
seines Stiefvaters, von dem er 
sich zuwenig beachtet gefühlt 
hat; in den Mitarbeitern begeg 
nen ihm Aspekte seiner Halbge 
schwister, auf die er mit Neid 
schaut. In den weiteren thera 
peutischen Schritten kann die 
ser Konflikt jetzt bearbeitet 
werden. 
Die Urkraft der Liebe 
Hellinger stiess in seiner Ar 
beit immer wieder auf die tief 
wirkende Kraft der ursprüngli 
chen Liebe des Kindes zu seinen 
Eltern. Daraus wirkt eine starke 
Kraft. Darin liegt aber gleichzei 
tig die Gefahr der Verstrickung 
mit dem Schicksal der Eltern 
oder von Verwandten. Dazu ein 
zweites Beispiel: Eine depressive 
Patientin, längere Zeit in psy 
chiatrischer Behandlung, hat 
immer wieder Spannungen mit 
ihrem Mann. Aus der Anamnese 
wissen wir, dass der Vater Alko 
holiker war und die Mutter in 
Anwesenheit des Kindes wieder 
holt geschlagen wurde. Später 
trennten sich die Eltern. Die Pa 
tientin brach als Kind die Bezie 
hung zum Vater ab. Die Famili 
enaufstellung zeigt eine doppel 
te seelische Dynamik: Die Toch 
ter hat Mitleid mit der Mutter 
und verbündet sich mit ihr ge 
gen den Vater. Aus ihrer Seele 
lebt sie eine Haltung zur Mutter, 
die besagt: «Ich trage dein Leid 
mit dir,» Dadurch ist sie mit dem 
Schicksal der Mutter verstrickt 
und trägt das Schwere und Bela 
stende ihres Schicksals unbe- 
wusst mit. Auch teilt sie mit der 
Mutter den Ärger auf den Vater. 
Die zweite Dynamik zeigt, dass 
sie diesen Ärger, der ursprüng 
lich dem Vater gilt, auf ihren jet 
zigen Mann verschiebt und des 
halb immer wieder in Spannun 
gen zu ihm kommen muss, 
Durch das Sichtbarmachen die 
ser unbewussten Dynamik wer 
den Wege frei für eine Verände 
rung. 
Zugang zu Ur-Mustern 
unseres Verhaltens 
Hellinger nennt seine Arbeit 
eine systemisch-phänomenolo- 
gische Therapie. «Systemisch» 
meint die Betrachtung der Fa- 
miiie als einem «System». Nach 
seinen Erkenntnissen ist ein Teil 
der Individual-Seele mit dieser 
grösseren «Familien-Seele» ver 
bunden, im Guten wie im 
Schlechtenl «Phänomenolo 
gisch» bezieht sich auf die Art 
der Wahrnehmung dieses Sy 
stems. Hellinger verpflichtet 
sich dabei der reinen Wahrneh 
mung dessen, wa6 er «sieht» und 
enthält sich einer vorgefassten 
Meinung oder Theorie. Die Ge 
nialität von Hellingers thera 
peutischem Ansatz ist die Ent 
deckung eines schlichten, einfa 
chen und sehr effizienten Weges 
zu verschütteten «Ur-Mustern» 
unseres Verhaltens. Aus seiner 
Arbeit fliessen seit einigen Jah 
ren wichtige neue Erkenntnisse 
über die «Ordnungen der Liebe», 
die Funktion des Gewissens und 
der Schuldgefühle, über Aspekte 
der Eltern- und Paarbeziehung 
sowie über psychosomatische 
Erkrankungen. Seine Ansatz ist 
von aussen gesehen unspekta 
kulär. Beteiligte aber, die durch 
diese Arbeit mit dem «Kraftfeld 
Familie» in Kontakt kommen, 
berichten oft von einem tiefen 
Berührtsein. 
Werner Hasler, 
Psychotherapeut 
Lic. phil. Werner Hasler ist 
Klinischer Psychologe und 
praktiziert seit 1985 in eigener 
psychotherapautischer Praxis in 
Mauren. Unter seiner Leitung 
findet vom 1. bis 3 Dezember in 
der TANGENTE in Eschen ein 
Seminar im «Familienstellen» 
statt. Ein Prospekt gibt darüber 
und über weitere Seminardaten 
Auskunft. (Telefon 370 10 Ol, 
Fax 370 10 03) 
Leben in Beziehungen 
Die Familie als Schicksalsge 
meinschaft, in die wir hinein 
geboren werden, ist gleichzei 
tig ein starkes energetisches 
Kraftfeld, das vom ersten Mo 
ment an auf uns wirkt. Diese 
Wirkung kann uns in unserer 
Entwicklung fördern und un 
terstützen, aber auch ein 
schränken. Schlimme Schick 
sale wie zum Beispiel früher 
oder gewaltsamer Tod, schwe 
re Krankheiten oder Unge 
rechtigkeiten, grosse Schulden 
oder Ausgrenzung von An 
gehörigen können oft auch 
scheinbar Unbeteiligte der 
späteren Generation belasten 
und an einer Entfaltung des 
eigenen Lebens behindern. Mit 
der Methode des Familienstel 
lens haben wir eine Möglich 
keit, das Familiensystem in 
seiner krankmachenden Wir 
kung auf uns anzuschauen 
und in uns neu zu strukturie 
ren. Gruppenmitglieder fun 
gieren dabei als Stellvertreter 
für die eigenen Familienmit 
glieder. Seminare zu diesem 
Thema finden am 1. Dezem 
ber, 16 Februar und 30 März 
bei Werner Hasler, Psychothe 
rapeut in Mauren statt. 
Überraschendes Ergebnis 
Geschlechtsunterschied beim Alzheimer-Risiko 
Überraschendes Ergebnis eu 
ropäischer Studien. Frauen 
mit besserer Schulbildung er 
kranken weniger an Alzhei 
mer. Bei den Männern ist kein 
Unterschied zu erkennen, was 
flir eine Ausbildung sie ge 
nossen haben. 
Frauen, die nur ein Minimum 
an Schulbildung genossen ha 
ben, erkranken viermal häufi 
ger an Alzheimer als Frauen 
mit einer höheren Schulbil 
dung. Bei Männern ist kein 
solcher Unterschied zu erken 
nen: ob mit Volks- oder Hoch 
schule - alle sind im gleichen 
Masse von der Alzheimer- 
Krankheit betroffen. Zu diesem 
überraschenden Ergebnis kom 
men gemeinsam ausgewertete 
Studien in Dänemark, Frank 
reich, den Niederlanden und 
Grossbritannien. Untersucht 
wurden insgesamt über 
zwölftausend Personen, davon 
gegen fünfhundert Alzheimer- 
Patienten. Bislang können die 
Forscher den überaus deutli 
chen Geschlechtsunterschied 
im Alzheimer-Risiko nicht er 
klären. Jedoch ist zu vermuten, 
dass Frauen für die Alzheimer 
krankheit grundsätzlich anfäl 
liger sind als Männer. Das 
kann hormonell, aber auch 
durch Unterschiede in den 
Hirnstrukturen bedingt sein. 
Gerade weil die europäische 
Studie momentan mehr Fragen 
aufwirft als Antworten liefert, 
gibt sie wertvolle Anstösse für 
die künftige Alzheimer-For 
schung. 
Tipps und News 
BÜCH-TIPP 
ORF-Ernährungs 
buch 
Das grosse österreichische 
Emähmngsbuch zeigt, wie 
Sie Ihr Leben verlängern 
und Krankheiten vorbeugen 
können, wie Sie Ihr Überge 
wicht ohne Anstrengung 
verlieren, welche Nahrungs 
bestandteile vor Krebs 
schützen u.v.m. Die interes 
sante Lektüre beschäftigt 
sich mit allen Aspekten der 
richtigen Ernährung. Ein 
faszinierender Leitfaden, der 
hilft, seinem Körper ohne 
Aufwand Energie zuzu 
führen, Ernährungsfehler zu 
vermeiden, neue Kraft zu 
tanken und so gegen Krank 
heiten gewappnet zu sein. 
m 
iWi Oa 
Meryn 
Das! 
Sroßel 
orf; 
Ernährungsbud 
«Das grosse ORF-Ernäh- 
rungsbuch - Gesund essen - 
Gesund trinken» - Gesund le 
ben (Bild) von Univ.-Prof. Dr. 
Siegfried Meryn ist im Ueber- 
reuter Verlag erschienen. 
KOCH-TIPP 
Allerheillgenbrot 
«Party» heisst das Betty 
Bossy Kochbuch aus dem das 
Rezept kommt. Mit dem 
«Allerheiligenbrot» haben die 
Volksblattleser auch am 
Feiertag ein frisches Brot auf 
dem Tisch. 
Zutaten: 600 g Zopfmehl in 
eine Schüssel geben, eine 
Mulde eindrücken. l/2Wüfel 
Hefe, 1 Esslöffel Malzextrakt, 
1 dl Wasser, alles in der Mul 
de zu einem dünnen Brei an 
rühren, mit wenig Mehl be 
streuen. Stehen lassen, bis 
der Brei schäumt. 1 1/2 
Teelöffel Salz, 80 g Zucker, 1 
unbehandelte Orange, wenig 
Muskat, 1 Teelöffel Orangen- 
blütenwasser, 1 Esslöffel Per- 
nod 100g Butter, 5 Eier, alles 
beigeben, mischen, zu einem 
weichen, glatten Teig kneten. 
Zugedeckt bei Raumtempera 
tur ca. 1 Std. ums Doppelte 
aufgehen lassen. Formen: 
4/5 des Teiges zu einer gros 
sen Kugel formen, auf ein 
Blech legen, 10 Min. aufge 
hen lassen. Restlichen Teig 
zu einer Kleinen Kugel for 
men, auf die Mitte des Brotes 
setzen, leicht andrücken, mit 
Ei bestreichen, mit Hagel 
zucker bestreuen. Backen: 
ca. 45 Min. in der unteren 
Hälfte auf 200 Grad. 
REKLAME 
TfUUen 
4*aüUt 
20 fafae* 
MARTIN 
OSPELTAG 
TW«fon:+423/232 64 70
	        

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