Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Freitag, 27. Oktober 2000 45
Keine greifbaren Ergebnisse
Erstes Treffen israelischer und palästinensischer Offiziere - Dschihad verübt Selbstmordanschlag
BEIRUT/GAZA-STADT: Bei
dem Gespräch unter Lei
tung von Mitarbeitern des
US- Geheimdienstes CIA
hätten sich die Offiziere
nicht darauf einigen kön
nen, von welcher Seite
der erste Schritt für ein
Ende der Gewalt ausgehen
müsse, hiess es in palästi
nensischen Kreisen.
Der für den Südabschnitt Isra
els zuständige General Jomtov
Samia äusserte sich nach dem
Treffen am Eres-Kontrolipunkt
zwischen Israel und dem Gaza-
Streifen jedoch zuversichtlich:
«Es herrschte ein optimistischer
Ton, ganz anders als in den
vergangenen vier Wochen.»
Einladung
nach Washington
US-Präsident Bill Clinton
forderte die Konfliktparteien im
Nahen Osten auf, die Gewalt
wie vereinbart zu beenden. Zu
dem versucht Clinton, Palästi
nenserpräsident Jassir Arafat
und den israelischen Minister
präsidenten Ehud Barak zu Ein
zelgesprächen nach Washing-
Israeliche Soldaten beobachten
schchnissc im Gaza-Streifen.
ton einzuladen, um das Blut-
vergiessen zu beenden.
Ein Gespräch mit Clinton sei
jederzeit willkommen, sagte
Arafats Berater Nabil Abu
Rdainah. Für ein Gespräch mit
Barak sei es jedoch noch zu
früh.
Bei den Verhandlungen des
israelischen Ministerpräsiden-
nach den dem gestrigen Bombenanschlag - aufmerksam die Ge-
(Bild: Keystone)
ten Ehud Barak über die Bil
dung einer «Regierung des na
tionalen Notstands» zeichneten
sich bisher keine Fortschritte
ab. Der Fraktionsvorsitzende
des oppositionellen Likud-
Blocks, Mcir Schitrit, warf der
Arbeitspartei von Barak vor, sie
verhandle nicht ernsthaft über
eine Grosse Koalition.
Selbstmordanschlag
Die radikal-islamische Grup
pe Dschihad bekannte sich zu
einem Sclbstmordanschlag auf
einen israelischen Armeestütz
punkt im Gaza- Streifen, bei
dem am Donnorstag der 24-
jährige palästinensische At
tentäter getötet und ein israeli
scher Soldat leicht verletzt
wurden. Die Dschihad-Gruppe
kündigte weitere Anschläge an,
was auch die israelische Armee
befürchtet.
Ein Berater Arafats sagte, Is
rael müsse die Konsequenzen
für seine Aggression gegen die
Palästinenser tragen. Russland
forderte beide Seiten zum Ende
der Gewalt auf. Ein israelischer
Armee-Sprecher sagte, Israel
habe seine Grenzen zum West
jordanland und zum Gaza-
Streifen abgeriegelt, um weite
re Selbstmord-Attentate zu
verhindern.
Das Attentat getsern war das
erste bei den seit vier Wochen
andauernden Unruhen in den
Palästinenser-Gebieten. Bei den
Zusammenstössen sind minde
stens 132 Menschen ums Leben
gekommen, bis auf acht han
delt es sich bei den Opfern um
Palästinenser.
Am Donnerstag kam es im
Westjordanland zu neuen Aus
einandersetzungen in den Or
ten Ramallah, Hebron, Kalkilja
und Tulkarm, wo israelische Si
cherheitskräfte Gummimantel
geschosse und Tränengas ge
gen Steine werfende Palästi
nenser einsetzten.
EU-Parlament
fordert 94,7
Milliarden Euro
Einigung weckt neue Hoffnungen in Peru
Hoffnung auf ein Ende der Innenpolitischen Krise - Fahndung nach Vladimiro Montesinos
LIMA: Perus Regierung und
Opposition haben sich auf
Parlaments- und Präsidenten
wahlen am 8. April kommen
den Jahres geeinigt. Dies teilte
der Generalsekretär der «Or
ganisation Amerikanischer
Staaten» (OAS), Cesar Gaviria,
am Mittwochabend in Lima
mit.
Die Oppositionsführung sprach
vom «Beginn der wahren natio
nalen Versöhnung». Bislang
waren sich beide Seiten nicht
über einen Wahltermin einig
geworden, da die Regierung die
Neuwahlen an eine Amnestie
für die Militärs knüpfen wollte.
Der OAS-Generalsekretär war
eigens nach Peru gereist, um in
der innenpolitischen Krise zu
vermitteln. Justizminister Al
berto Bustamente betonte je
doch, dass über einen Strafer-
lass weiter verhandelt werde.
Unter Druck
Der seit zehn Jahren auto
ritär regierende Präsident Al
berto Fujimori war im Mai
nach seiner eigenen Darstel
lung für eine dritte Amtszeit
wiedergewält worden. Wegen
offensichtlichen Wahlbetrugs
geriet er jedoch sowohl im ei-
Präsident Alberto Fujimori (Mitte) - beschützt von Soldaten -
regierte zehn Jahre, ehe er auf sein Amt verzichtete. (Bild: Key)
genen Land als auch interna
tional immer stärker unter
Druck.
Als im September dann die
Bestechung oppositioneller Ab
geordneter durch Montesinos
publik wurde, kündigte Fuji
mori schliesslich den Verzicht
auf sein Amt an.
Die Bekanntgabe des Termins
ging einher mit einer spekta
kulären Suchaktion nach Mon-
tensinos, der aus seinem
Fluchtland Panama in seine
Heimat zurückgekehrt war. Fu
jimori persönlich hatte sich in
mitten von Putschgerüchten
erfolglos an der Suche nach
ihm beteiligt. Kritiker warfen
ihm vor, nur eine «Show» ver
anstaltet und sich in die Arbeit
der Polizei eingemischt zu ha
ben.
Kein Haftbefehl
Montesinos müsse gefunden
werden, um der Gesellschaft die
Sorge zu nehmen, er würde sei
en Einfluss noch ausüben, be
tonte Fujimori. Ein Haftbefehl
gegen Montesinos liege jedoch
nicht vor, räumte der Staats
chef ein. Obwohl es zahlreiche
Indizien für eine Beteiligung
von Montesinos an Verbrechen
der vergangenen zehn Jahre
gibt, wird gegen ihn nicht er
mittelt. Generalstaatsanwältin
Bianca Nelida Colan gilt als ei
ne seiner engsten Vertrauten.
Montesinos hatte sich nach
Panama abgesetzt, wo ihm aber
politisches Asyl verwehrt wur
de. Mit der Begründung, er sei
von peruanischen Terroristen
mit dem Tode bedroht worden,
kehrte er am Montag überra
schend nach Peru zurück. Dort
hält er sich vermutlich im
Schutz ihm loyaler Militärs auf.
STRASSBURG: Das Europa
parlament hat für den EU-
Haushalt des kommenden
Jahres Ausgaben in Höhe
von etwa 94,7 Milliarden
Euro (etwa 152 Milliarden
Franken) gefordert. Das sind
gut zwei Milliarden Euro
mehr, als vom EU-Minister
rat vorgeschlagen.
Zusätzliche Mittel verlangten
die Parlamentarier am Don
nerstag bei der ersten Lesung
des EU-Haushalts 2001 vor
allem für Strukturhilfen zu
gunsten benachteiligter Re
gionen. Nachbesserungen
fordern sie ausserdem für die
EU-Aussenpolitik, vor allem
für humanitäre Aktionen,
Entwicklungspolitik und den
Wiederaufbau in den Balkan-
Ländern. Vorschläge des Mi
nisterrats, bei den Agrarhilfen
500 Millionen Euro einzuspa
ren, lehnte die Strassburger
Versammlung mit grosser
Mehrheit ab. Für den Wieder
aufbau der südserbischen Kri
senregion will das Europapar
lament im kommenden Jahr
175 Millionen Euro bereitstel
len. Bereits im kommenden
Jahr sollen für ein Soforthil
feprogramm für Serbien 200
Millionen Euro zur Verfügung
gestellt werden.
Robert Mugabe ruft zu erneuter Hetzjagd auf
Opposition wirft Mugabe Mordhetze und Gesetzesbrüche vor
HARARE: Simbabwes Präsi
dent Robert Mugabe ist von
der Opposition in einem An
trag auf Amtsenthebung der
Mordhetze, des Gesetzes
bruchs und des groben Macht
missbrauch beschuldigt wor
den.
Wie die unabhängige Zeitung
«Daily News» am Donnerstag in
Harare berichtete, wirft die
grösste Oppositionspartei MDC
in ihrem am Vortag dem Parla
ment vorgelegten Antrag dem
Präsidenten vor, seine Anhän
ger vor den Parlamentswahlen
im Juni ständig aufgefordert zu
haben, Weisse und Oppositi
onsanhänger zu attackieren. Er
sei er daher für den Tod von
mindestens 35 Menschen ver
antwortlich.
Mit der Entsendung von
Truppen in den Kongo habe
sich der Präsident ausserdem
des «groben Amtsmissbrau
ches» schuldig gemacht. Das
Gesetz habe Mugabe gebro
chen, weil er unter anderem der
Polizei befohlen habe, richterli
che Anordnungen zu missach
ten.
Mugabe: «Versöhnungs
politik beendet»
Nach dem Antrag auf Amt
senthebung hatte Mugabe am
Vortag seine «Politik der Ver
söhnung» gegenüber den Weis
sen des Landes für beendet er
klärt. Vor mehreren hundert
Anhängern seiner ZANU-PF-
Partei sagte Mugabe, dem
früheren Premierminister des
damaligen Rhodesien, lan
Smith, und anderen Weissen,
die gegen die Machtübernahme
der Schwarzen gekämpft hat
ten, werde wegen Völkermor
des der Prozess gemacht.
«In Europa werden Nazis ge
jagt, die an der Seite Hitlers
kämpften, und wir werden die
jenigen jagen, die an der Seite
von Smith kämpften, und sie
festnehmen», fügte der Präsi
dent hinzu.
Nach der Unabhängigkeit
Simbabwes 1980 waren die
Menschenrechtsverletzungen der
Konfliktparteien amnestiert
worden. Der Oppositionspoliti
ker David Coltart äusserte die
Ansicht, Mugabes Pläne sties-
sen deshalb auf rechtliche Hin
dernisse. Kurz vor Mugabes Er
klärung hatte der MDC-Antrag
auf ein Amtsenthebungs-Ver
fahren für Tumulte im Parla
ment gesorgt. Nach Ansicht
von Beobachtern fürchtet Mu
gabe, der Antrag könnte auch
bei Dissidenten seiner ZANU-
PF auf Zustimmung stossen.
NACHRICHTEN
Haotlan beendet
Besuch in Nord
korea
PJÖNGJANG: Der chinesi
sche Verteidigungsminister
Chi Haotian hat gestern sei
nen fünftägigen Besuch in
Nordkorea beendet. Er war
mit Machthaber Kim Jong II
und anderen Mitgliedern
der nordkoreanischen
Führung zusammengetrof
fen. Der Besuch erfolgte vor
dem Hintergrund der
Annäherung Nordkoreas an
Südkorea und der diploma
tischen Initiative des Wes
tens angesichts der erkenn
baren vorsichtigen Öffnung
des lange isolierten Landes.
Gefängnisrevolte
nach vier Tagen
beendet
ANKARA: Die Häftlingsre
volte in der südtürkischen
Stadt Adana ist nach vier
Tagen zu Ende gegangen.
Die Gefangenen Hessen die
verbliebenen 13 Geiseln am
späten Mittwochabend frei,
nachdem Sicherheitskräfte
. mit einer Erstürmung des
; Gefängnisses gedroht hat-
! ten, wie der Gefängnisdi-
; rektor am Donnerstag er
klärte. Die Revolte hatte am
Montag begonnen. Zeitwei
lig hielten die Häftlinge bis
zu 21 Geiseln in ihrer Ge
walt. Der Aufstand richtete
sich gegen die geplante Ge
fängnisreform. Die Häftlin-
' ge befürchten, isoliert zu
werden und damit Übergrif-
; fen von Wärtern ausgesetzt
; zu sein.
Streit zwischen
Schäuble und
Baumeister
BERLIN: Der Streit zwischen
dem ehemaligen CDU-Vor-
: sitzenden Wolfgang
Schäuble und der früheren
: Schatzmeisterin der Partei,
' Brigitte Baumeister, wird
i nun endgültig die Justiz be-
I schäftigen. Der Untersu-
; chungsausschuss des Bun
destages zur CDU-Spenden
affäre schloss gestern die
, Vernehmung der beiden Po
litiker endgültig ab. Die
' Vernehmungsprotokolle ge
hen nun an die Berliner
Staatsanwaltschaft, die den
Verdacht der uneidlichen
Falschaussage prüfen wird.
: Schäuble und Baumeister
haben widersprüchliche
i Aussagen zur Übergabe ei
ner Spende von 100 000
Mark des Waffenlobbyisten
Karlheinz Schreiber im Jahr
; 1994 gemacht.
Immigrantin
Container
| umgekommen
1 VIESTE: Eine Woche nach
; dem jüngsten Flüchtlings-
j drama ist erneut ein illegaler
! Einwanderer bei der Über-
j fahrt nach Italien ums Leben
1 gekommen. Der Kurde sei
j gestern tot in einem Schiffs-
\ Container gefunden worden.
Drei weitere Flüchtlinge in
dem Container seien schwer
j verletzt geborgen worden.
I Die drei Überlebenden der
i jüngsten Tragödie hätten
; heftig gegen die Container-
j wand gehämmert. Nur so
! seien sie, nahe der Adria
; Hafenstadt Vieste, dem si-
: cheren Tod entgangen. Am
; 18. Oktober waren sechs
• Kurden in einem Lastwagen
i erstickt.
i