Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

4 Freitag, 4. Februar 2000 
Inland 
Liechtensteiner Volksblatt 
«Der Fürst hat Zweifel, das muss ich 
zur Kenntnis nehmen» 
Interview mit Regierungschef Mario Frick zu BND-Dossier, zum Verhältnis zum Fürsten,Telefonie und Gesundheitsreform 
Das politische Tagesgeschäft ist 
von Wirren gekennzeichnet. 
BND-Dossier, Telefonie, Gesund 
heitsreform und das Verhältnis 
der Regierung zum Landesfürsten 
beherrschten die politische Agen 
da der letzten Wochen. Das Völks 
blatt befragte Regierungschef 
Mario Frick zu diesen Themen. 
Hierbei kam eine überraschende 
Aussage. Der Regierungschef 
schliesst staatliche Subventionen 
zur Telefonie nicht aus. 
Mit Regierungschef Mario Frick 
sprach Alexander Batliner 
Volksblatt: Herr Regierungschef, 
gemäss Medienförderungsgesetz Arti 
kel 4 können diejenigen Medien für 
Beiträge ansuchen, «die sich vorwie 
gend und anhaltend mit Themen oder 
Ereignissen in Liechtenstein befassen.» 
Hat das Nachrichtenmagazin «Der 
Spiegel» schon ein Gesuch gestellt? 
Mario Frick: Nein. «Der Spiegel» 
würde die Voraussetzung nicht erfüllen. 
Es reicht nicht, wenn man hie und da 
über Liechtenstein berichtet. Die Idee 
ist, dass man sowohl in guten wie auch 
in schlcchten Zeiten über unser Land 
berichtet. «Der Spiegel» konzentriert 
sich nur auf negative Aspekte, das er 
laubt keine objektive Meinungsbil 
dung. Das ist nicht im Sinne des Me 
dienförderungsgesetzes. 
Es gibt 
Verdachtsmomente, 
dass jemand aus 
Liechtenstein die 
Papiere geschrieben 
hat 
Die Problematik um das BND-Dossier 
und die anonymen Papiere wird immer 
verwirrender. Sowohl der Landesfürst 
als auch Sie haben einen Verdacht 
geäussert, wer der Autor dieser Papiere 
sein könnte. Zeichnet es sich ab, dass 
jemand aus Liechtenstein diese Papie 
re schrieb und der BND eine Zusam 
menfassung aus diesen Papieren als 
BND-Dossier deklarierte? 
Regierungschef Mario Frick: «Ich kann bestätigen, dass es Verdachtsmomente gibt, die in die Richtung weisen, dass jemand aus 
Liechtenstein diese Papiere geschrieben haben könnte.» (Bilder: bak) 
Dass es in unserem 
Land kriminelle und 
charakterschwache 
Elemente gibt, liegt in 
der Natur der Sache 
Angenommen, der Verdacht sollte sich 
bestätigen, dass jemand aus Liechten 
stein diese Papiere schrieb. Wie beur 
teilen Sie generell dann diese Tatsache? 
Dies muss differenziert betrachtet 
werden. Dass es bei rund 33 000 Perso 
nen in unserem Land auch kriminelle 
und charakterschwache Elemente gibt, 
liegt in der Natur der Sache. Das ist so. 
Es ist tragisch, da wir, die in einem solch 
kleinen Land leben, auch eine Solidar 
gemeinschaft sein sollten. Wenn heraus 
kommen sollte, dass jemand aus Liech 
tenstein das Land so in Verruf brachte, 
dann begeht er Landesverrat. Man soll 
te dann aber nicht in eine Stimmung 
verfallen, dass alles schlecht ist. Man 
sollte einen positiven Aspekt hinter 
dieser Problematik auch erkennen: Wir 
Mario Frick: «Es ist bezeichnend, dass einige Personen nur zu gern auf die Vor 
würfe aufgesprungen sind, dass Behörden kriminell waren oder seien.» 
Im Sinne der laufenden Ermittlungen 
darf ich hierzu nicht allzu viel sagen. 
Der Landesfürst äusserte gegenüber 
dem Magazin «Der Spiegel» einen Ver 
dacht. Ich kann bestätigen, dass es Ver 
dachtsmomente gibt, die in die Rich 
tung weisen, dass jemand aus Liechten 
stein diese Papiere geschrieben haben 
könnte. Wir haben jedoch noch keine 
gesicherten Erkenntnisse. Sonder 
staatsanwalt Spitzer- ermittelt in ver 
schiedene Richtungen - auch in diese. 
sind jetzt zu einer öffentlichen und in 
tensiven Diskussion gezwungen. Wich 
tig ist, dass man bei dieser Diskussion 
zu einem Schluss kommt, wo man sagen 
kann: Ja, wir stehen zum Produkt, das 
wir anbieten, wir stehen zum System, 
wir stehen auch zum internationalen 
Steuerwettbewerb, aber wir bekämpfen 
Geldwäscherei und optimieren dazu 
unser Instrumentarium. Es ist bezeich 
nend, dass einige Personen nur zu gern 
auf die Vorwürfe aufgesprungen sind, 
dass Behörden kriminell waren oder 
seien. Das wäre eine Katastrophe. Mei 
ne Reaktion war, dass diese pauschalen 
Vorwürfe nicht stimmen können. Am 
Ende von diesem Weg, den wir zur Zeit 
gehen, müssen die gesetzlichen Rege 
lungen und die Vollzugsmassnahmen 
gegen kriminelle Machenschaften opti 
miert sein. In der Bevölkerung kann 
so wieder Vertrauen hergestellt wer 
den, indem wii^ zeigen, dass wir das 
Möglichste tun. ; ,, , 
Rund drei Jahre nach dem Erscheinen 
des anonymen Papiers. 1997: Beurtei 
len Sie Ihr Handeln, das Papier abzu 
legen, im Nachhinein als Fehler? 
Es wurde von mir niejit abgelegt, son 
dern ich habe es den Strafverfolgungs 
behörden weitergegeben. Aus dieser 
Sicht glaube ich.nich[t, dass es ein Fehler 
war. Was ich sagen muss: Ich war nicht 
informiert, was darfaeli unternommen 
wurde und wie man Vorgegangen ist. 
Dies ist auch heikel, da dies der Justiz 
bereich ist. Gemäss Gewaltenteilung 
dürfen wir uns dort 1 nicht einmischen. 
Auf der anderen Seite Jcommt nun die 
Frage, weshalb ich nicht nachgehakt ha 
be. Für mich war klar, dass die Judikati 
ve alles macht und ich ,mich nicht ein 
mischen darf. Wir wissen nun, dass sie 
gemäss «Standard betreffend anonyme 
Papiere» vorgegangen t ist. Sie hätten 
vielleicht ein wenig jnehr machen sol 
len. Man muss diesejs 1-Jandeln aber in 
der Zeit von damals pehen und die 
Behörden auch verstehen. 
Sie sprechen die Judikative an. Mich 
überrascht, dass Sie picht einmal Ihre 
Kollegen in der Regierung und speziell 
Ihren Justizminister informiert haben. 
Im März 1997 war noch die alte Ko 
alitionsregierung im Amt. Dort war ich 
Justizminister. Ich hätte mich also sel 
ber informieren müssen. Für mich war 
dieses Thema erledigt, nachdem ich das 
Papier der Polizei und, der Staatsan 
waltschaft übergeben habe. Ich habe es 
daher gegenüber niemandem erwäh 
nenswert gehalten. Es hat mich nie be 
schäftigt, da ich den Inhalt als falsch 
und hanebüchen erachtete. 
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Der Landesfürst sieht das nun ein we 
nig anders. Er hat im Magazin «Der 
Spiegel» nochmals Kritik am Verhal 
ten der Behörden also konkret an der 
Regierung geäussert. Er betont, dass 
die Behörden das Papier 97 bewusst 
dem Landesfürsten vorenthalten hät 
ten. Das sind meines Erachtens schwer 
wiegende Vorwürfe. Wie stellen Siesich 
dazu? 
Ich war der Meinung, er hat das 
Papier 1997, da es an die Pressestelle 
Schloss Vaduz adressiert war. Ich hatte 
überhaupt keine Zweifel, dass der Fürst 
dieses Papier hat. Ich habe am 16. De 
zember 1999 das Gegenteil erfahren. 
Am selben Tag hat er es dann erhalten. 
Das ist das, was ich sagen kann. Der 
Fürst hat Zweifel, das muss ich zur 
Kenntnis nehmen. Mich bekümmert 
dies und mich ärgert, dass es in dieser 
Art und Weise in der Öffentlichkeit be 
handelt wurde. Ich habe mir nichts vor 
zuwerfen. 
Ich habe mit dem 
Landesfürsten immer 
sehr offen diskutiert 
Es gab Meinungsverschiedenheiten 
zwischen Ihnen und dem Staatsober 
haupt. Der Landesfürst nannte das Ver 
hältnis zur Regierung als «nicht ganz 
entspannt». Ist eine Zusammenarbeit 
auf Vertrauensbasis zwischen Ihnen 
und dem Landesfürsten überhaupt 
noch möglich? 
Der Satz des Landesfürsten geht 
noch weiter. Der Landesfürst betonte 
gegenüber dem Magazin «Der Spie 
gel», dass das Verhältnis nicht ganz ent 
spannt sei wegen der Verfassungsdis 
kussion. Ich habe mit dem Landesfürs- 
stein erlaubt, als Regierungschef auch 
einmal eine andere Meinung als der 
Landesfürst zu vertreten. 
Wenn Sie nun aber mit dem Landesfürs 
ten zusammensitzen. Wie ist die Stim 
mung - angespannt, gut oder schlecht? 
Wie ich sie sehe ist sie nicht ange 
spannt. Klar treffen mich gewisse Aus 
sagen. Ich schaue jedoch nach vorne 
und konzentriere mich auf die wichti 
gen Aufgaben des Landes. 
Subventionen für die 
Telefonie kann ich 
nicht mit absoluter 
Sicherheit 
ausschliessen 
Themawechsel: Vor kurzem haben sich 
die Telecom FL und die LTN öffentlich 
die Schuld für die hohen Telefonge 
bühren zugeschoben. Sie haben den 
Druck auf die LTN erhöht und erwar 
ten eine Senkung der Interkonnektions- 
gebühren. Wie soll das gehen, wenn die 
LTN gemäss eigener Aussage schon 
zum Selbstkostenpreis die Netze anbie 
tet? 
Die LTN hat aufgrund des Zeitpunk 
tes der Autonomisierung, einen Start 
nachteil. Dieser Startnachteil wird uns 
das ganze Jahr 2000 begleiten: Bis zu 
Beginn des nächsten Jahres wird dieser 
Startnachteil aufgeholt sein. Die Inter- 
konnektionspreise der LTN müssen dif 
ferenziert betrachtet werden. Bezüglich 
nationaler Telefonie ist die LTN auf 
dem heute gebräuchlichen Preisniveau. 
Es ist nicht ganz richtig, wenn man die 
2,5 Rappen in der Schweiz mit den 5 
Rappen in Liechtenstein vergleicht. 
Dies deshalb, da man bei LTN 5 Rap 
pen für einen Anruf zu einer Person zu 
einer anderen bezahlt. Bei Sunrise bei 
spielsweise zahlt man 2,5 Rappen für ei 
nen Anruf vom Anrufer zu Sunrise. 
Dann gibt es aber noch keine Verbin 
dung zu jener Person, mit der man spre 
chen möchte. Das ist ein wichtiger Un 
terschied. Bei der internationalen Tele 
fonie gilt Ähnliches. Die 11 Rappen der 
LTN sind aber im internationalen Ver 
gleich zu hoch. Dieser Betrag muss re 
duziert werden. Dies ist kein Vorwurf 
an die LTN. Man muss bedenken, dass 
die LTN sehr grosse Ausgaben für die 
Infrastruktur hat. Ein grösseres Prob 
lem sehe ich bei den Anschlussge- 
bühren. Aber auch hier: Die LTN hat 
eine schwierige Aufgabe. 
Regierungschef Mario Frick: «Der Fürst hat Zweifel, das muss ich zur Kenntnis neh 
men. Mich bekümmert dies und mich ärgert, dass es in dieser Art und Weise in der 
Öffentlichkeit behandelt wurde.» 
ten immer sehr offen zu allen Fragen 
diskutiert. Das hat er begrüsst. Ich war 
zum Landesfürsten auch zum Thema 
Verfassung sehr offen. Ich muss als Re 
gierungschef natürlich zu meiner Mei 
nung stehen können. Es ist in Liechten- 
Schliessen Sie Subventionen generell 
aus? 
Subventionen, vielmehr staatliche 
Beiträge überhaupt, wären das letzte 
Mittel. Ich hoffe, dass es nicht nötig 
wird. Ich kann es aber nicht mit absolu- 
A
	        

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