Liechtensteiner VOLKSBLATT
AUSLAND
Mittwoch, 11. Oktober 2000 1 9
)
Mehr Zeit für Palästinenser
Israel hat den Bemühungen zur Beendigung der Gewalt in den Palästinensergebieten mehr Zeit eingeräumt
In Israel kam es gestern erneut zu gewalttätigen Zusammenstössen. Zum wiederholten Male waren
Kinder unter den Opfern, wie dieser 12-jährige Knabe, der gestern erschossen wurde. (Bild:Keystone)
JERUSALEM: Israel hat
den Bemühungen zur Be
endigung der Gewalt in
den Palästinensergebieten
mehr Zeit eingeräumt.
Nach Ablauf eines Ulti
matums forderte Regie
rungschef Barak die Paläs
tinenser auf, in wenigen
Tagen fiir ein Ende der
Gewalt zu sorgen.
Israel hatte ursprünglich mit ei
nem Abbruch der Friedensge
spräche gedroht, sollten die
Unruhen nicht bis Montag
abend unterbunden sein. Nach
einer Kabinettssitzung sagte
Premier Ehud Barak dann in
der Nacht auf Dienstag im Ar
meeradio, das Ultimatum an
die Palästinenser sei verlängert
worden. Damit solle den inter
nationalen Bemühungen zur
Beilegung des Konflikts mehr
Zeit eingeräumt werden. Zuvor
hatte es geheissen, nach Ablauf
des Ultimatums betrachte Israel
den Friedensprozess als ge
scheitert und werde auf die Ge
walt der Palästinenser mit allen
Mitteln reagieren.
Bereit zu Gipfel
Barak sagte, nach den mona
telangen Bemühungen könne
es nun nicht auf 72 oder 96
Stunden ankommen. Er erklärte
sich grundsätzlich zu einem
Nahost-Gipfeltreffen bereit, um
das sich US-Präsident Bill Clin
ton bemüht. Als Ort eines Nah
ost-Gipfels war das ägyptische
Scharm el Scheich im Gespräch
gewesen. Ägyptens Aussenmi-
nister Amr Mussa wies jedoch
am Dienstag nach Gesprächen
mit dem syrischen Präsidenten
Baschar el Assad in Damaskus
diese Überlegungen zurück.
Das nächste wichtige Treffen in
Ägypten werde ein arabischer
Gipfel am 21. Oktober in Kairo
sein, sagte Mussa. Palästinen
serpräsident Jassir Arafat kam
am Dienstag mit UNO-General-
sekretär Kofi Annan und dem
russischen Aussenminister Igor
Iwanow im Gaza-Streifen zu
sammen. Arafat sagte, Barak
gebe eine Warnung nach der
anderen heraus. Arafat warf
den israelischen' Sicherheits-
kräften vor, weiter gewaltsam
gegen die Palästinenser vorzu
gehen und dabei Raketen und
Kampfhelikopter einzusetzen.
Annan sagte nach dem Ge
spräch mit Arafat, die Situation
könne unter Kontrolle gebracht
werden. Man sei entschlossen,
alles Mögliche zur Beilegung
der Gewalt und einer Rückkehr
zu Verhandlungen zu unter
nehmen.
Weitere Zusammenstösse
Nach Berichten von Augen
zeugen kam es in der Stadt Ra-
fah im Gaza-Streifen zu neuen
Zusammenstössen zwischen
Palästinensern und israelischen
Sicherheitskräften. Dabei hät
ten israelische Soldaten einen
zwölfjährigen Palästinenser in
den Kopf geschossen und getö
tet. Seit Beginn der Unruhen
vor zwei Wochen sind mindes
tens 90 Menschen, vor allem
Palästinenser, getötet worden.
Der israelische Polizeikomman
dant Jehuda Wilk teilte mit,
dass im Zusammenhang mit
den Gewalttätigkeiten seit Ende
September etwa 600 Verdächti
ge festgenommen wurden. Da
bei handle es sich um 200 Ju
den und 400 Araber. Bei den
Auseinandersetzungen seien
200 Polizisten verletzt und
zwei getötet worden.
Kostunica stösst bei Regierungsbildung auf Hindernisse
Jugoslawien: Verhandlungen über Regierungsbildung in Serbien abgebrochen
BELGRAD: Der neue demokra
tisch gewählte Präsident Ju
goslawiens, Vojislav Kostuni
ca, ist bei seinen Bemühungen
um eine Konsolidierung seiner
Macht am Dienstag auf Hin
dernisse gestossen.
Die am Montag begonnenen
Verhandlungen der serbischen
Opposition mit den Regie
rungsparteien zur Bildung ei
ner Übergangsregierung für
Serbien wurden am Nachmittag
abgebrochen. Die Sozialistische
Partei (SPS) verlangte für die
Fortsetzung der Gespräche' ein
Ende der «Unruhe, Gewalt und
Gesetzlosigkeit.» Der französi
sche Aussenminister Hubert
Wdrine unterstützte Kostunica
bei einem Antrittsbesuch in
Belgrad im Namen der Europäi
schen Union mit seiner Zusage,
dass die EU Jugoslawien bei der
Demokratisierung und dem
Aufbau voll unterstützen wer
de. Einen Tag nach der Aufhe
bung der wichtigsten EU-Sank
tionen und der Aussicht auf
eine Milliarden-Unterstützung
des Balkan-Stabilitätspaktes
sagte Wdrine am Dienstag in
Belgrad: «Das, was gestern be
schlossen wurde, bedeutet eine
Annäherung zwischen Jugosla
wien und der EU.» Unterstüt
zung für eine Stabilisierung Ju
goslawiens sei die erste Prio
rität. Kostunica erklärte, die
Demokratisierung Serbiens be
deute die Rückkehr nach Euro
pa. Am Dienstag beschloss
auch die Schweiz, die Wirt
schaftssanktionen gegen Ju
goslawien ab sofort aufzuheben.
Der russische Aussenminis
ter Igor Iwanow kritisierte die
Haltung des Westens, bestimm
te gegen Milosevic gerichtete
Sanktionen bestehen zu lassen.
Zudem sprach er sich gegen
westliche Forderungen nach ei
ner Auslieferung von Milosevic
an das Kriegsverbrecher-Tribu
nal in Den Haag aus. Kostunica
und das Parlament in Belgrad
müssten allein über das Schick
sal von Milosevic entscheiden,
sagte Iwanow nach Angaben
der Agentur Interfax.
Ende der Unruhe verlangt
Die Sozialistische Partei (SPS)
beschuldigte am Dienstag die
Demokratische Opposition Ser-
. biens (SOS), für die «Unruhe, Ge
walt und Gesetzlosigkeit» ver
antwortlich zu sein und brach
die Verhandlungen zur Bildung
einer Übergangsregierung ab.
Dragoljub Micunovic, einer der
DOS-Führer, bezeichnete dies als
eine «SPS-Provokation». Serbien
benötige eine Regierung, da die
bestehende nicht funktionsfähig
sei. «Ein Land kann nicht ohne
Regierung sein, und wir haben
alle Parteien zur Beteiligung an
der Übergangsregierung einge
laden», sagte er. Auch die noch
immer mitregierende Radikale
Partei beschuldigte DOS, das
«grösste Chaos» in Serbiens mo
derner Geschichte angestiftet zu
haben, und zog sich aus den
Verhandlungen vollständig
zurück. Ziel der DOS ist, eine
Übergangsregierung zu bilden,
die bis zu den vorgezogenen
Wahlen zum serbischen Parla
ment am 17. Dezember amtiert.
Einer der Führer der DOS, Veli-
mir Ilic, warnte vor möglichen
Provokationen der noch immer
regierenden Sozialisten und Ra
dikalen.
NATO bleibt in Kosovo
und Bosnien
Auf der Konferenz der NA-
TO-Verteidigungsminister in
Birmingham erklärte am Diens
tag NATO-Generalsekretär Lord
Robertson, die KFOR und SFOR,
die NATO-gefüihrten Truppen
in Kosovo und Bosnien, wür
den auch weiterhin die Grund
lage von Sicherheit und Stabi
lität bilden. Über eine mögliche
Verringerung der Truppenstär
ke werde dann entschieden,
wenn eine neue Politik in Ju
goslawien erkennbar sei. Die
Allianz ist in den beiden Regio
nen des einstigen Jugoslawiens
mit insgesamt 60 000 Mann
vertreten.
Schweiz hebt
Sanktionen auf
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Wahlen von Gewalt überschattet
Parlaments wähl in Sri Lanka: Zahlreiche Fälle von Wahlbetrug
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat Sri Lanka am Diens
tag ein neues Parlament gewählt. (Bild: Keystone)
COLOMBO: Unter strengen
Sicherheitsvorkehrungen und
überschattet vom Tod der
langjährigen Premierministe
rin Sirima Bandaranaike hat
Sri Lanka am Dienstag ein
neues Parlament gewählt. Be
obachter meldeten zahlreiche
Fälle von Wahlbetrug und Ge
walt.
Nach Angaben der Wahlbehör-
den wurden landesweit mehr
als 300 Fälle von Gewaltakten
und Wahlfälschung gemeldet.
So hätten Anhänger der regie
renden Volksallianz Polizisten
in einem Wahllokal die Waffen
abgenommen und zwei Wahl
urnen mit Stimmzetteln ge
raubt. Andernorts wurden zehn
Männer festgenommen, als sie
mit falschen Papieren wählen
gehen wollten. Das unabhängi
ge Zentrum für die Beobach
tung von Wahl-Gewalt forderte
Neuwahlen in elf Wahlkreisen,
wo es zu schweren Unregel
mässigkeiten gekommen sei.
Bereits der Wahlkampf war von
Gewalt überschattet. Dabei
wurden Dutzende von Men
schen getötet, darunter auch
Kandidaten. Am Wahltag ka
men bei Zusammenstössen po
litisch verfeindeter Gruppen
mehrere Menschen ums Leben,
mehr als 100 wurden verletzt.
Polizei und Armee waren ange
wiesen, alles zu unternehmen,
um mögliche Selbstmord-At
tentate tamilischer Rebellen zu
verhindern, die für einen unab
hängigen Staat im Norden des
Landes kämpfen.
Betroffenheit löste der Tod
von Ex-Premierministerin Siri
ma Bandaranaike aus. Die 84-
Jährige erlag nach Angaben ih
res Sohnes am Morgen einem
Herzanfall, wenige Minuten,
nachdem sie bei der Parla
mentswahl ihre Stimme abge
geben hatte.
NACHRICHTEN
Aussenminister
von Iran Im Irak
i TEHERAN: Erstmals seit
zehn Jahren reist am Don
nerstag ein iranischer Aus-
i senminister in die irakische
: Hauptstadt Bagdad. Irans
Aussenminister Kamal Cha-
• rasi trete den zweitägigen
Besuch auf Einladung sei
nes iranischen Kollegen
{ Mohammed Said el Sahhaf
; an, teilte das Aussenminis-
\ terium am Dienstag mit.
Temelln: AKW In
Betrieb
genommen
PRAG: Nach der Inbetrieb
nahme des umstrittenen
tschechischen Atomkraft
werks Temelin haben Politi-
| ker in Deutschland und
Österreich der Regierung in
J Prag am Dienstag «unver
antwortliches Handeln» vor
geworfen. In dem süd-
. böhmischen Atommeiler lie
fen letzte Vorbereitungen
zum Auslösen der nuklea-
j ren Kettenreaktion. Die
; Kernspaltung im ersten Re-
! aktorblock werde vermut-
j lieh am Mittwochmorgen
erfolgen, berichtete das Ra-
• dio. Österreichische Um
weltschützer setzten ihren
Protest am Dienstag fort.
Proteste gegen
ETA in Spanien
MADRID: Einen Tag nach
der Ermordung des spani
schen Oberstaatsanwalts
Luis Portero durch mutmass
liche Mitglieder der baski
schen Separatistenorganisa-
: tion ETA haben am Diens-
i tag in Spanien erneut Tau
sende Menschen gegen den
Terror demonstriert. In allen
! Teilen Spaniens kamen
Menschen vor den Rathäu
sern zu Schweigekundge
bungen zusammen. Im
Madrider Parlament, in den
Regionalverwaltungen, Uni
versitäten und Gerichten im
ganzen Land legten die Be
amten und Angestellten aus
; Protest gegen den ETA-Ter-
ror für fünf Minuten die Ar-
: beit nieder.
! Rebellen stellen
sich dem Militär
JOLO: Mehr als drei Wo-
? chen nach Beginn der Mi-
' litäroffensive gegen die
moslemischen Geiselnehmer
: auf der philippinischen In-
> sei Jolo haben sich am
; Dienstag erneut mehrere der
? Entführer ergeben. 15 Abu-
; Sayyaf-Rebellen hätten sich
in der Nähe der Stadt Tali-
: pao mit ihren Waffen be
dingungslos den Behörden
gestellt, sagte ein Oberst der
; philippinischen Armee. Die
I Rebellen gehören demnach
zu einer Gruppe, die den
US-Bürger Jeffrey Schilling,
I einen Philippiner und drei
I Malaysier weiterhin in ihrer
I Gewalt halten.