20 Dienstag, 10. Oktober 2000
AUSLAND
Liechtensteiner SVOLKSBLATT
NACHRICHTEN
NPD soll verboten
werden
BERLIN: Der deutsche Bun-
desinnenminister Otto Schi
ly will die rechtsextremisti
sche NPD verbieten lassen.
In der rot-grünen Koalition
wurde fest damit gerechnet,
dass Schily am Montag in
Berlin Bund und Ländern
einen Antrag auf Verbot der
NPD empfiehlt. Der SPD-
Politiker trifft am Nachmit
tag die Innenminister meh
rerer Länder, um das Vorge
hen zu beraten. Die Ergeb
nisse werden anschliessend
von Schily und seinen Kol
legen aus Bayern, Nieder
sachsen und Sachsen-An
halt auf einer Pressekonfe
renz bekannt gegeben.
Tumulte In Paris
PARIS: Begleitet von Tu
multen hat am Montag in
Paris der Prozess gegen drei
hochrangige Anführer der
baskischen Separatistenor
ganisation ETA begonnen.
Der militärische Chef Javier
Arizcuren-Ruiz alias «Kan-
tauri», Angel Picabea UI-
gade und der erst kürzlich
bei Bayonne festgenomme
ne Ignacio Gracia Arregui
müssen sich gemeinsam mit
sechs weiteren Angeklagten
wegen Mitgliedschaft in ei
ner terroristischen Vereini
gung vor einem Strafgericht
verantworten.
Keine Einreise für
Milosevics Sohn
PEKING: Dem Sohn des ge
stürzten jugoslawischen
Präsidenten Slobodan Milo
sevic ist am Montag die Ein
reise nach China verweigert
worden. Marko Milosevic,
der im Besitz eines Diplo
matenpasses ist, landete mit
einem Aeroflot-Flug auf
dem Flughafen von Peking,
wurde aber nach Angaben
russischer Journalisten
zurück nach Moskau ge
schickt. «Diese Person ist
nicht über Peking oder ei
nen anderen Ort in China
in das Land eingereist»,
liiess es in einer kurzen
Mitteilung.
Rücktritt von Bulatovic
Die jugoslawische Bundesregierung trat unter Ministerpräsident Momir Bulatovic zurück
BELGRAD: Nach dem
Machtwechsel in Jugosla
wien haben die EU-Staa
ten ihre Sanktionein gegen
Belgrad weitgehend auf
gehoben. In Belgrad trat
am Montag die jugoslawi
sche Bundesregierung un
ter Ministerpräsident Mo
mir Bulatovic zurück.
Auch der serbische Innen
minister Vlajko Stojiljkovic
reichte seinen Rücktritt ein. Bis
heute soll in der serbischen
Teilrepublik eine Übergangsre
gierung mit Vertretern der De
mokratischen Opposition Ser
biens gebildet werden. Mitte
Dezember finden vorgezogene
Neuwahlen statt.
Aufhebung
Die Aussenminister der 15
EU-Mitgliedsländer einigten
sich bei ihrem Treffen in Lu
xemburg auf eine weitgehende
Aufhebung der Sanktionen. So
fort aufgehoben wird das Ölem-
bargo. Auch das bisher befristet
bis 2001 ausgesetzte Flugverbot
von und nach Belgrad wird
nach dem Beschluss der Aus
senminister völlig abgeschafft.
Die Aufhebung des Öl- und
Flugembargos wurde von den
Gestern gab der jugoslawische Ministerpräsident Momir Bulatovic seinen Rücktritt bekannt.
Ministern nicht an Bedingun
gen geknüpft. Der UNO-Beauf-
tragte für das Kosovo Bernard
Kouchner hatte in Luxemburg
die Freilassung von rund 1000
Kosovo-Albanern aus serbi
scher Haft als Gegenleistung
verlangt.
Das Verbot von Öllieferungen
aus der EU an Serbien hatte nur
geringe Auswirkungen gehabt.
Serbien erhielt grössere Öl- und
Gaslieferungen aus Russland,
der Ukraine und Rumänien. Die
EU hatte als Ausnahme im
Frühjahr von der demokrati
schen Opposition regierte Städ
te mit Heizöl versorgt.
3,6 Milliarden Franken
Die Aussenminister wollen
Jugoslawien zudem im Rahmen
des Balkan- Stabilitätspaktes
unterstützen. Über die Geldmit
tel wurde noch nicht entschie
den. Im Gespräch waren aber
rund 2,3 Milliarden Euro (etwa
3,6 Milliarden Franken), die bis
2006 nach Belgrad fliessen sol
len. Aussenminister Fischer
drang darauf, die Hilfen für Ju
goslawien schnell anlaufen zu
lasse;!. Über die konkreten EU-
Gelder soll Ende Woche auf
dem EU-Gipfel in Biarritz ge
sprochen werden.
Dazu wurde der neue jugos
lawische Präsident Vojislav Ko
stunica bereits eingeladen.
Heute Dienstag will Hubert
Vedrine als Verteter der EU Ko
stunica besuchen und über die
Beschlüsse der EU informieren.
Wichtige Entscheide
Am Montag ergriff die politi
sche Grundwelle auch die Insti
tutionen der serbischen Teilre
publik: Das Oppositionsbünd
nis DOS konnte seine Macht
festigen und wichtige politi
sche Entscheide durchsetzen.
So musste der serbische In
nenminister Vlajko Stojiljkovic
seinen Hut nehmen. Er kam da
mit der Behandlung eines gegen
ihn eingebrachten Misstrauens-
antrages im serbischen Parla
ment zuvor. Er gilt als enger
Vertrauter von Milosevic.
Die bisherige Opposition, die
in diesen Gremien über keine
Macht verfugte, konnte vorge
zogene Neuwahlen des von Mi
losevic-Getreuen beherrschten
Parlamentes erzwingen. Der Ur
nengang solle im Dezember
stattfinden, erklärte der Vertreter
des Parteienbündnisses DOS,
Zoran Djindjic.
Weiterer Haftbefehl
Lethier kassierte fast 30 Millionen Mark
PARIS: In der Elf-Leuna-Affa-
re haben französische Ermitt
ler nach dem deutschen Lob
byisten Dieter Holzer auch
den zweiten Empfänger von
Millionenprovisionen, Pierre
Lethier, mit internationalem
Haftbefehl zur Fahndung aus
geschrieben.
Die Staatsanwaltschaft in Paris
bestätigte am Montag einen
entsprechenden Bericht der
Zeitung «Le Monde». Lethier
hat Anfang der 90er Jahre 96
Millionen Franc (28,6 Millio
nen Mark/ 14,6 Millionen Euro)
von dem damaligen Staatskon
zern Elf-Aquitaine erhalten,
Holzer kassierte bei der Privati
sierung der ostdeutschen Eeü-
na-Raffinerie etwa 160 Millio
nen Franc (etwa 48 Millionen
Mark/25 Millionen Euro).
)
Geld teilweise an «Dritte»
«Der Spiegel» zitiert in seiner
jüngsten Ausgabe aus einem
Schreiben des Genfer Ermitt
lungsrichters Paul Perraudin an
die Augsburger Staatsanwalt
schaft, wonach das Geld teil
weise «an Dritte, öffentliche
Bevollmächtigte, staatliche
Entscheidungsbefugte, gewähl
te Vertreter und andere Mittels
leute überwiesen worden» Sein
soll.
Streit über Sicherheitsmängel
Greenpeace hält Castor-Boxen für unsicher
BERLIN: Zweieinhalb Jahre
nach dem Skandal um über
höhte Strahlenwerte an Cas-
tor-Transportbehältern für
Atommüll hält Greenpeace
das Problem noch nicht für
entschärft. Die Ursachen für
die Verstrahlung der Behälter
seien bis heute nicht geklärt,
sagte die Umweltschutzorga
nisation gestern in Berlin.
Dagegen stuft das zuständige
Bundesamt für Strahlenschutz
die Transportboxen als sicher
ein und wies den Vorwurf
zurück. Laut Greenpeace wur
den wichtige Konstruktions
mängel der Stahlkisten nicht
behoben. Das sei das Ergebnis
einer Untersuchung, die Green
peace in Zusammenarbeit mit
Hannoveraner Wissenschaft
lern der Gruppe Ökologie er
stellt hat. «Seit dem Castor-
skandal vor zweieinhalb Jahren
sind die Atombehälter kein
bisschen sicherer geworden»,
sagte Veit Bürger, Energieex
perte bei Greenpeace. «Trans
porte mit diesen Behältern zu
genehmigen, ist verantwor
tungslos. Der Schutz der Bevöl
kerung und der Umwelt wird
auch bei den neuen Transpor
ten auf der Strecke bleiben.»
Das Bundesamt wies auf
geänderte Beladungstechniken
und geänderte Messprogramme
hin. Damit solle sichergestellt
werden, dass sich eine «Wieder
holung des Verschweigens von
Grenzwertüberschreitungen»
nicht ereigne.
Am 22. September genehmig
te das Bundesamt für Strahlen
schutz den Transport von acht
Atommüllbehältern aus den
Atomkraftwerken Philippsburg,
Stade und Biblis in die französi
sche Wiederaufarbeitungsanla-
ge La Hague. Für den Transport
sollen laut Greenpeace französi
sche Behälter eingesetzt werden.
Die französischen Behälter ha
ben nach Ansicht der Umwelt
schützer aber Schwachpunkte.