Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2000)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
Freitag,, 6. Oktober 2000 27 
«Ich glaube an das Helle 
im Menschen» 
Martin Negele zeigt Arbeiten zum Thema «Das Licht besiegt die Dunkelheit» 
Wie kann künstlerisch 
dargestellt werden, was 
das Gewissen beschäftigt, 
z. B. die Ereignisse in der 
Welt und hier besonders 
die Gewalt, mit der Men 
schen miteinander umge 
hen und die wir täglich 
frei Haus geliefert bekom 
men unter dem Motto 
«only bad news are good 
news»? 
Gerolf Hauser 
Und wie kann das, was morali 
sche Instanzen in uns empört, 
nicht nur künstlerisch nach 
aussen gesetzt, sondern den 
dunklen Gewalten im Men 
schen das ebenso in ihm vor 
handene Lichte entgegenge 
setzt werden? Martin Negele 
zeigt ab heute (Vernissage im 
Pfrundhaus Eschen, 20 Uhr) bis 
22. Oktober unter dem Titel 
«Das Licht besiegt die Dunkel 
heit» seine künstlerische Um 
setzung der Licht- und Schat 
tenseiten des Menschen. Es ist, 
nach 1994, seine zweite Aus 
stellung. 
«Spass an der Freude» 
Martin Negele ist, nach der 
Mechanikerausbildung und 
dem Maschinenbaustudium, 
heute tätig im Amt für Berufs 
bildung. Die künstlerische Ar 
beit macht er als eine «Art The 
rapie für die Seele». So will er 
sich ganz bewusst finanziell 
nicht abhängig machen von 
der künstlerischen Tätigkeit, 
sondern ohne jeden Zwang das 
tun, was ihm entspricht. Dazu 
baute er neben seinem Haus in 
Gamprin ein ehemaliges 
Der Künstler Martin Negele zu seiner Ausstellung im Pfrundhaus in Eschen: *Ich stelle meine licht 
vollen Objekte als Gegenpole in den gleichen Raum wie die Installation zum Thema Gewalt.» 
Waschhäuschen zu einem Ate 
lier aus. Martin Negele ist Au 
todidakt, abgesehen von eini 
gen Grundkursen in plasti 
schem Gestalten und Bildhaue 
rei. Seit etwa Mitte der Achtzi 
gerjahre betreibt er das Dreidi 
mensionale Gestalten («ich 
spreche ausdrücklich nicht nur 
von Bildhauerei»). Die Ideen 
dazu «steigen auf, aus dem 
Bauch vielleicht», sagt er. 
Manchmal inspiriere auch das 
Material, «wenn ich mich ange 
sprochen fühle von einem 
Steinbrocken. Da kann ich 
gleich sozusagen aufs Gerate 
wohl anfangen zu arbeiten.» 
Meist aber macht er sich Skiz 
zen, weniger auf Papier als eher 
kleine dreidimensionale Model 
le aus Ton, nicht ausgearbeitet, 
sondern «einfach um die Idee 
festzuhalten». 
Das Dunkle 
«Ich glaube an das Gute, das 
Helle im Menschen, und dass 
dieses Licht eines Tages die 
Dunkelheit besiegen wird», sagt 
Martin Negele. «In diesem Sin 
ne stehen meine lichtvollen 
Objekte als Gegenpole im glei 
chen Raum wie die Installation 
zum Thema Gewalt.» Martin 
Negele zeigt zum Thema «De 
klaration der Menschenrechte», 
die vor über 50 Jahren verab 
schiedet wurde, in einer mehr 
teiligen, aus verschiedenen 
Formen und aus unterschiedli 
chen Materialien bestehenden 
Installation, wie die Menschen 
rechte bis heute durch Gewalt 
überdeckt und missachtet wer 
den. Angesprochen wird allge 
mein die weltweite Gewalt, 
aber auch z. B. der Krieg auf 
dem Balkan, die Gewalt an der 
lylauer in Deutschland oder die 
Massaker der Hutus an den 
Tutsis in Ruanda. Damit macht 
er aufmerksam darauf, was 
heute «normal» zu sein scheint, 
z. B. die Perversität, wenn im 
Fernsehen Nachrichten über 
das Morden der Menschen ge- 
I 
Verregneter Sommernachtstraum 
Shakespeares «Ein Sommernachtstraum» im Innenhof des Theaters «Schiffbau» 
Dass der Sommernachtstraum 
in der Inszenierung von Ste 
fan Pucher zum bösen Alb 
traum mutiert sei, stimmt so 
nicht. 
Gerolf Hauser 
Und doch war es so etwas, zu 
mindest eine spannende Vermi 
schung von Traum und Wirk 
lichkeit, im Innenhof des 
«Schiffbau» in Zürich, in dem, 
bei zunehmend strömendem 
Regen, Shakespeares Sommer 
nachtstraum eine neue Inter 
pretation fand. Die Innenhofs- 
spielfläche des «Schiffbau» 
(beim Escher Wyss Platz) unter 
freiem Himmel befindet sich im 
1. Stock, umgeben von über 
drei Stockwerke verteilt begeh 
baren Galerien, die Raum für 
die Zuschauerinnen bieten (mit 
Tee-Thermoskannen und Be 
chern an jedem Sitzplatz für die 
Verfrorenen) und die, zum 
Glück, überdacht sind. 
Gespielt wurde auf der gros 
sen Fläche zuunterst und an 
den Kopfseiten aller Galerie- 
Etagen. Angekündigt war Sha 
kespeares Sommernachtstraum, 
der wurde auch gesprochen 
und gespielt, aber noch weit 
mehr darüber hinaus. 
Diese Komödie gehört mit 
ihrem virtuosen Dialogwitz 
gehört wohl zu den markantes 
ten, und den turbulenten Rei 
gen von Märchengeschöpfen 
und Elfen, die nicht minder tur 
bulent romantisch Liebenden 
oder den Wald mit seinen 
Schrecken in die Jetzt-Zeit zu 
transportieren mag reizvoll 
sein. Regisseur Stefan Pucher 
macht das konsequent und iro 
nisierend. Da gibt es Märchen 
kostüme, aber auch Beklei 
dung, die an Raumfahrt erin 
nert (Kostüme: Tabea Braun); 
da gibt es Textstellen in der 
Originalsprache, dann wieder 
Passagen, die an billige Reim- 
Gedichte erinnern (Übersetzung 
Frank Günther); da gibt es Mu 
sik (Justus Köhncke) zu denen 
die Schauspielerinnen die Texte 
in Rap verwandeln, den rhyth 
mischen Sprechgesang zu ei 
nem Hintergrundbeat - und das 
noch gut. Nicht umsonst heisst 
es vom Regisseur Stefan Pu 
cher: «Von Schönheit und Prä 
zision der Sprache, von Schön 
heit und Ausschweifung der 
Bilder ist er gleichermassen be 
sessen.» Und so bringt er die 
Zuschauerinnen in ein perma 
nentes Wechselbad von Lustig 
keit und Beklemmung - beilei 
be kein schöner oder erbauli 
cher, aber ein neuer, interes 
santer und auch sehenswerter 
Shakespeare. 
Schiffbau Zürich: Ein Som 
mernachtstraum, 7., 10., 12., 
13., 17., 19., 20., 22., 27. und 
28. Oktober, jeweils 20 Uhr. 
Open Air St. Gallen massiv überschuldet 
Stadt und Kanton St. Gallen stellen einmalige Finanzspritze in Aussicht 
ST. GALLEN: Mit einer einma 
ligen Finanzspritze wollen 
Stadt und Kanton St. Gallen 
das überschuldete Open Air 
im Sittertobel retten. Weil das 
Festival 2000 mit einem Defi 
zit schliesst, steht der Träger 
verein mit rund 1,1 Millionen 
Franken im Minus. 
Der St. Galler Stadtrat stellte 
dem Open Air am Donnerstag 
einen einmaligen Beitrag von 
850 000 Franken in Aussicht. 
Zudem will er Schulden von 
250 000 Franken in ein Darle 
hen umwandeln, wie es in der 
Vorlage ans Stadtparlament 
heisst. Mit 450 000 Franken 
soll sich auch der Kanton St. 
Gallen an der Sanierung betei 
ligen. 
500 000 Franken Verlust 
Stadtrat und Kantonsregie 
rung hätten entsprechende 
Massnahmen vereinbart, heisst 
es. Voraussetzung für die Open- 
Air-Sanierung ist, dass das 
Stadtparlament und der Grosse 
Rat den nötigen Krediten zu 
stimmen. Es handle sich um ei 
ne einmalige Finanzspritze, 
wird betont. Wiederkehrende 
Beiträge kämen nicht in Frage. 
Das diesjährige 24. Open Air 
schliesst voraussichtlich mit ei 
nem Verlust von 500 000 Fran 
ken ab. Als Gründe dafür wer 
den in der Vorlage ungenügen 
de Besucherzahlen, aber auch 
geringere Sponsoren- und an 
dere Erträge sowie die harte 
Konkurrenz auf dem Markt der 
Festivals und Popkonzerte ge 
nannt. Der Bilanzfehlbetrag des 
Vereins Open Air St. Gallen 
steigt damit auf 1,1 Millionen 
Franken. Hinzu kommen mas 
sive Liquiditätsprobleme: Die 
kurzfristigen Schulden über 
steigen die flüssigen Mittel um 
1,6 Millionen Franken. Zudem 
drängt sich beim Vereinsver- 
mög;en eine Wertberichtigung 
(Wert der Adresskartei) auf. 
Für das Jubiläums-Festival 
2001 will der Trägerverein die 
Ausgaben gegenüber dem 
Sparbudget 2000 nochmals um 
100 ÖOO Franken kürzen. Als 
weitere Massnahme wird das 
Open-Air-Führungsgremium 
verkleinert. 
«Gutes Stadtmarketing» 
Für ein finanziell ausgegli 
chenes Festival sind 24 000 Be 
sucherinnen und Besucher 
nötig, 2000 mehr als beim dies 
jährigen Open Air. Für St. Gal 
len sei das Open-Air-Festival 
gutes Stadtmarketing, schreibt 
der Stadtrat. Es sei eine «wert 
volle und populäre Ergänzung 
des Kulturangebots» in einem 
Bereich, der von anderen Kul 
turinstitutionen wenig abge 
deckt werde. Das Open Air habe 
vor allem für die jüngere Gene 
ration «grosse Identifikations- 
funktion». Das St. Galler Open 
Air hat Tradition. Es findet seit 
1977 jeweils an einem Wo 
chenende Ende Juni/Anfang 
Juli statt und lockt jährlich 
zwischen 20000 und 30000 
Musikfans aus der ganzen 
Schweiz und dem benachbar 
ten Ausland an. 
zeigt werden und gleichzeitig 
laufen in einem Band am Rand 
des Bildschirms die Börsen 
kurse. 
Das Lichte 
Als Gegenpole zeigt Martin 
Negele Arbeiten in leuchten 
dem und durchscheinenden 
Alabaster, die er z. B. «Lichtge- 
fäss» oder «Sonne» nennt und 
die ein eindrückliches Wechsel 
spiel von Innen und Aussen 
zeigen. «Ich möchte etwas von 
der Helligkeit, die in uns Men 
schen ebenso angelegt ist wie 
das Dunkle, einfangen und auf 
bewahren.» Sein Material, Ala 
baster, härter als Speckstein, 
aber weicher als Marmor, lässt 
das Lichte besonders zur Gel 
tung kommen. «Mit der Zeit 
entwickelte ich eigene Bearbei 
tungstechniken, die es mir er 
lauben, nahezu jede beliebige 
Form zu realisieren. Die Bear 
beitung ist eine wunderbare 
Tätigkeit. Ein sinnliches Ver 
gnügen ist es, der fertigen Form 
den letzten Schliff zu geben; 
indem ein immer feineres 
Schmirgelpapier verwendet 
wird. Nach diesem Vorgang 
wird das Objekt warm geduscht 
(wohlverdient nqch der grossen 
Anstrengung!). Nachdem es - 
wenn möglich im Sonnenlicht 
- gut getrocknet ist, massiere 
ich Vaseline in die Oberfläche 
ein. So entsteht der sanfte 
Schimmer.» 
Ausstellung «Das Licht be 
siegt die Dunkelheit» von Mar 
tin Negele, Pfrundhaus Eschen, 
Öffnungszeiten: Freitag 16.30 
bis 20 Uhr, Samstag und Sonn 
tag 14 bis 18 Uhr sowie nach 
Vereinbarung, Tel: G 236 72 15, 
P 373 31 Ol. 
NACHRICHTEN 
Das Kunstschaffen 
von Michelangelo 
SCHAAN: Die Erwachse 
nenbildung Stein-Egerta 
und die Liechtensteinische 
Waldorfschule, beide in 
Schaan, veranstalten am 
6./7. Oktober zwei Diavor 
träge von Heinz Georg 
Häussler über das Kunst 
schaffen von Michelangelo, 
dessen Urformen und deren 
Weiterentwicklung. Die bei 
den Vorträge finden jeweils 
in der Waldorfschule in 
Schaan (im Aescherle) statt. 
Keine Voranmeldung (Ein 
tritt je Fr. 15.—). 
Michelangelo hatte die 
Absicht, «ein Werk zu 
schreiben, das von allen Ar 
ten der menschlichen Bewe 
gungen und Stellungen 
handelte und von den Kno 
chen, nach einer sinnrei 
chen Theorie, die er durch 
lange Praxis gefunden hat 
te», so berichtet sein Bio 
graph Ascanlo Condivi. In 
Worten wurde diese Theorie 
niemals niedergeschrieben, 
aber als Gebärdensprache 
liegt sie seinen Skulpturen, 
Fresken und Zeichnungen 
zugrunde. 
Freitag, den 6. Oktober 
19.00 Uhr: Plastische 
Urformen im Schaffen 
Michelangelos, dargestellt 
anhand der Medici-Figuren 
in Florenz 
Der Vortragende, selbst 
Bildhauer, hat durch jahr 
zehntelange Forschungen 
diese Ideen Michelangelos 
in seinem Werk verfolgt 
und kann deutlich machen, 
dass Michelangelo aus ar 
chetypischen, plastischen 
Urbildern heraus gearbeitet 
hat. Diese entsprechen je 
nen Gesetzen, welche zur 
Bildung der menschlichen 
Gestalt geführt haben. Seine 
Studien liegen dem 
Buch «Das Formgeheimnis 
Michelangelos» zugrunde 
und seine Betrachtungen 
werden an diesem Abend 
ein Konzentrat dieser 
Studien darstellen. 
Samstag 7. Oktober 10.00 
Uhr: Vom Weiterwirken 
der Urformen in der mo 
dernen Plastik 
Im zweiten Vortrag soll 
anhand der Grundlagenstu 
dien von Michelangelos Ur 
bildern den Fragen nachge 
gangen werden, ob und in 
welcher Weise diese Urbil 
der in der «klassischen Mo 
derne» in verwandelter 
Form wieder auftauchen, 
Fritz Wotruba, Heniy Moore 
sowie eine überraschende 
Beziehung zu Rudolf Stei 
ners plastischer Metamor 
phose im ersten Goethea- 
num sollen zur Sprache 
kommen. Es soll auch der 
Frage nachgegangen wer 
den, ob nicht eine Orientie 
rung unserer Zeit an sol 
chen universellen Formge 
setzen neue Aspekte für die 
wesentliche Vertiefung einer 
kommenden Kunstauffas 
sung bietet. 
Heinz Georg Häussler 
(geb. 1939) studierte an der 
Kunstakademie Stuttgart 
Bildhauerei. Später Mitbe 
gründer der Alanus-Hoch- 
schule der musischen und 
bildenden Kunst in Alfter 
bei Bonn. 1982 Mitbegrün 
der der «Accademia di Santa 
Maria» in Diaccetto bei 
Florenz. Dort leitet er bild 
hauerische Kurse und 
macht kunstgeschichtliche 
Studien zum Thema 
Michelangelo.
	        

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