Liechtensteiner VOLKSBLATT
LAND UND LEUTE
Freitag, 6. Oktober 2000 9
«Wir haben immer sparsam gelebt»
Völksblatt-Serie: «Alte Häuser und ihre Bewohner» - heute Franz und Lydia Schädler, Gufer 325, Triesenberg
Bei gut 850 Wohnhäusern
zählt das Daheim von
Franz und Lydia Schädler
mit der Nummer 325
nicht zu den ältesten Ge
bäuden in Triesenberg.
Die beiden haben ihr Haus
aber, soweit möglich,
selbst gebaut. Sparsam le
ben, das hart verdiente
Geld richtig investieren
und vor allem zufrieden
sein, dies hat das Ehepaar
während mehr als fünf
Jahrzehnten begleitet.
Adi Lippuner
Ein schmaler, steiler Weg führt
zum Haus von Franz und Lydia
Schädler. Die leuchtend roten
Geranien vor dem sonnenge
bräunten Holzhaus zeigen, dass
die Hausfrau mit dem «grünen
Daumen» ausgestattet ist. Ein
gepflegter Garten und vor dem
Kellergeschoss ein Traubenspa
lier weisen darauf hin, dass die
Bewohner die Natur zu schät
zen wissen.
Nachbarhund als Wache
Lautstark wird die Besuche
rin vom Hund aus der Nachbar
schaft angekündigt. Franz
Schädler arbeitet in seiner klei
nen Schnitzerwerkstatt im Un-
tcrgeschoss. Nach dem freund
lichen Empfang wird die
Wohnzimmertüre geöffnet und
dort, am gemütlichen Tisch fin
det ein interessantes Gespräch
statt. 1
1944, also vor bald 60 Jah
ren, haben die beiden geheira
tet. «Es war keine einfache Zeit,
Geld war Mangelware und Ar
beits- und Verdienstmöglich-
keiten gab es auch nicht in
grosser Zahl.»
Lydia Schädler arbeitete, wie
viele andere «Bärger-Frauen»
auch, in der Fabrik in Triesen.
Der Arbeitsweg musste zu Fuss
bewältigt werden, «abwärts,
wenn wir querfeldein gingen,
schafften wir es in einer guten
halben Stunde, bergauf
benötigten wir dann rund fünf
viertel Stunden, weil wir der
Strasse folgen mussten.» Etwas
leichter wurde es, als die junge
Frau dann eine Arbeit in der
nahegelegenen Produktion in
Triesenberg fand.
Immer mit dem Postauto
Franz Schädler fuhr 35 Jahre
mit dem Postauto von Triesen
berg nach Vaduz zur Arbeit.
Um 6.30 Uhr sei er von Daheim
weggegangen, zwölf Stunden
Das blumengcschmückte Holzhaus von Franz und Lydia Schädler in Triesenberg wurde 1948 erbaut.
später kehrte er zurück. «Vom
Spätherbst bis Frühjahr konnte
ich die- Aussicht nur an , den
Wochenenden geniessen. Wenn
Zwei Kinder, ein Sohn und
eine Tochter dilrften im gemüt
lichen Daheim im Gufer auf
wachsen. Platz war genügend
vorhanden, neben der gemütli
chen Stube sind im ersten
Wohngeschoss noch die Küche,
das Elternschlafzimmer, ein
Kinderzimmer und das Bad un
tergebracht.
Im oberen Stock stehen die
beiden Schlafzimmer heute
ich am Morgen ging war es
noch dunkel und am Abend}
beim Zurückkommen war es*»
dann auch schon wieder
Nacht».
Zufrieden sein
Doch trotz der harten Arbeit
wirken die beiden zufrieden.
«Wir haben immer versucht,
das beste aus der jeweiligen Si
tuation zu machen und zufrie
den zu sein», so di£ überejn->;:mebtens leer. Der als Abstell
stimmende Aussage.» ''J f räfrifi filr Vorfenster und zum
Überwintern der Blumen ge
nutzte Raum liegt bergseits. Im
oberen Stock haben auch ver
schiedene Uhren ihren Platz.
Die Pendeluhren sind noch
funktionsfähig. Wenn die
, Hausfrau im oberen Stock ar-
i setzt sie diese ab und zu
in <£%ng, um das beruhigende
Tick-Tack und die verschiede
nen Melodien der Stunden-
■ schlage zu hören. «Doch in der
Nacht, da wäre dies in unserem
Holzhaus einfach zu laut.»
' Enkel Mik als Skulptur
Im Wohnzimmer hat Franz
I Schädler die Skulptur eines
Sammelleidenschaß von Franz Schädler: Alle alten Uhren sind noch funktionstüchtig. (Bilder: adij Skirennfahrers aufgebaut. «Die
habe ich 1992 nach einem Foto
geschnitzt», war zu erfahren.
Sie zeigt den Enkel Mik bei ei
nem «Ovomaltine-Rennen». In
zwischen sei der junge Mann
auf stolze 206 Zentimeter Höhe
gewachsen. Im Wohnzimmer
ist, ganz knapp unter der
Decke, eine Markierung ange
bracht. «Das habe ich beim
letzten Besuch gemacht, Mik
kann in der Stube nicht mehr
richtig aufrecht stehen.»
(Bild: manu)
Auch heute, im fortgeschrit
tenen Alter, erledigen Franz
und Lydia die Arbeiten im und
um das Haus selbst. Auch Be
sorgungen ausser Haus werden
in eigener Regie erledigt. Was
ausserhalb des Dorfes einge
kauft werden muss, besorgt die
Hausfrau mit dem Postauto.
«Ich fahre nach Buchs, erledige
die Kommissionen und bin gut
zwei Stunden später wieder da
heim.» ,
Aushub von Hand gemacht
Das Ziel, ein ?igenes*Haus zu
.bauen, konnten -sich- Franz'
und Lydia Schädig nur durch
grossen Einsatz verwirklichen.
•, Der Vater; von; Frartz' stellte
" den jwgeiil£Utendamals den
Baugrund zür Verfügung. Der
?gMamtefi\Aushub^fwurde von
• den beideh .in Handarbeit ge-<
; macht. «Wir haben im Früh
jahr 1948*angefangen. Zuerst
musste der Fussweg zu einem
schmalen Weg verbreitert
werden, dann nahmen wir den
Aushub in Angrifft, erinnert
sich der Besitzer.
Statt Ferien oder andere
Freizeitvergnügen habe man
sich auf dem Bauplatz «amü
siert». Bereits, im September,
nachdem die-Maurer das Fun-f
dament erstellt hatten, waren '
die Zimmerieute am Zug. Das'
Holzhaus wurde im unteren
Bereich als Strickbau und im,
oberen als Riegeibau erstellt.
«Türen' und Fettster hat der
Schreiner gemacht; alles 'an
dere, das erledigte ich nach
Möglichkeit selbst! An Weih
nachten 1948 zog das junge
Ehepaar ins eigene Haus ein.
Die Holzskulptur von Enkel Mik hat Franz Schädler nach der Vorlage von einem Bild geschnitzt. Das Ehepaar Lydia und Franz Schädler geniessen das Leben im gemütlichen Daheim.