Liechtensteiner VOLKSBLATT
WIRTSCHAFT
Freitag, 29. September 2000 1 9
Schweizer Transporteure im Protest
Forderung der Frachter: LSVA erst ab April 2001
BERN: Der Schweizerische
Nutzfahrzeugverband (AS-
TAG) hat den Bundesrat
um eine Verschiebung der
LSVA-Einführung auf den
1. April gebeten. Er sehe
keinen Anlass dazu, sagte
Bundesrat Kaspar Villiger
nach einem Gespräch mit
der ASTAG. Er werde das
Anliegen aber prüfen.
Für eine Ölsteuer-Sen-
kung sieht er keinen
Spielraum.
Das Gespräch sei konstruktiv
und nützlich gewesen, erklärte
Villiger am Donnerstag vor der
Presse. Er habe erklärt, er sehe
keinen Spielraum für eine Sen
kung der Mineralölsteuer und
keinen Anlass, die Einführung
der LSVA zu verschieben. Laut
Pierre Triponez, der als Direktor
des Schweizerischen Gewerbe
verbandes am Gespräch teil
nahm, haben er und ASTAG-
Direktor Charles Friderici um
eine Verschiebung der LSVA-
Einführung auf den 1. April ge
beten. Er habe nicht viel Hoff
nung darauf, aber sei glücklich,
dass Villiger das Anliegen prü
fe, sagte Triponez. Er sehe kei
ne Möglichkeit und auch nicht
genügend Gründe, zu verschie
ben, erklärte Villiger dazu. Er
werde das Anliegen aber prü
fen, denn die Fairness gebiete,
diese Sorge ernst zu nehmen.
Der Finanzminister wies auf die
grossen Probleme hin, welche
die Verschiebung mit sich brin
gen würde. Die Vorbereitungen
seien voll im Gang. Zudem
würden die LSVA-Einnahmen
für die NEAT gebraucht. Er ver
stehe, dass sich die Branche
Sorgen mache, sagte Villiger
weiter. Der signifikante Kosten
schub, zu dem die LSVA führe,
sei aber vom Volk so gewollt.
gewesen. Es sei ein unglückli-
Der abtretende Astag-Zentralpräsident Charles Friderici, rechts, sprach am Donnerstag in Bern zusammen mit Bundesrat Kaspar Villi
ger, Mitte, und dem Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Pierre Triponez, links, zu Medienvertreterinnen. Villiger hat sich
mit einer Astag-Delegation getroffen, um über die steigenden Treibstoffpreise zu diskutieren.
eher Zufall, dass im gleichen
Zeitraum die Benzinpreise so
stark am Steigen seien.
500 Franken
Mehrkosten
ASTAG-Präsident Charles
Friderici, der am 1. Oktober
sein Amt Ständeratspräsident
Carlo Schmid übergibt, be
zeichnete das Gespräch als ex
trem befriedigend. Er sei sich
bewusst, dass der Bundesrat bei
den Mineralölsteuern keinen
grossen Handlungsspielraum
habe. Da sich die Transporte
durch die Ölpreiserhöhungen
um rund zwei, durch die LSVA
aber um 17 Prozent erhöhten,
seien die Benzinpreise nur ein'
sekundäres Problem. ^
Wer bezahlt? 1 '
Er glaube, dass im Zusam
menhang mit der LSVA noch
viele Gespräche mit dem Bun
desrat stattfinden sollten. Das
Volk habe die LSVA gewollt;
die Preiserhöhungen müssten
die Konsumenten zahlen, sa&te
Friderici weiter. Diese riskierten
höher zu sein als erwartet. Er
gehe von Mehrkosten pro Fa
milie von 500 Franken jährlich
aus.
Zu den Benzinpreisen sagte
Villfger weiter, eine Senkung
der Mineralölsteuer würde die
''Fertigstellung des National-
strassennetzes verzögern. Zu
dem wäre es ein falsches Sig
nal, mit Steuersenkungen Prei
se abzufedern, die aus dem
Spiel von Angebot und Nach
frage entstünden. Auf lange
Sicht müsse aber der Bundesrat
die Kompetenz erhalten, in Ex
tremlagen die Mineralölsteuer
zu verändern, sagte Villiger. Er
erinnerte daran, dass der Bun
desrat diesen Vorschlag bereits
gemacht habe, dieser aber vom
Parlament abgeschmettert wor
den sei. Dieselben Bürgerli
chen, die damals dagegen ge
wesen seien, kämen nun mit
demselben Anliegen. Villiger
betonte auch, er habe es ge
schätzt, dass die Transporteure
das Gespräch mit ihm gesucht
hätten. Es sei gut, dass man in
der Schweiz miteinander spre
che und nicht gleich auf die
Strasse gehe.
Weltgipfel nicht im Internet
Wolfensohn und Köhler nennen Tagung in Prag einen Erfolg
PRAG: «Sind solche Veranstal
tungen in Zeiten des Internets
Uberhaupt noch sinnvoll?»
werden IWF-Chef Horst
Köhler und Weltbankpräsi
dent James Wolfensohn zum
Abschluss des Weltfinanzgip
fels in Prag gefragt.
Überschattet von gewaltsamen
Protesten hatten sich rund
14 000 Experten aus 182 Län
dern in der tschechischen Haupt
stadt getroffen, um über Ar
mutsbekämpfung, die Stabilität
des internationalen Finanz
systems und Globalisierung zu
diskutieren. Zu ihrem Schutz
standen mehr als 12 000 Poli
zisten bereit. Angesichts der
Grösse des Treffens muten die
Ergebnisse auf den ersten Blick
eher bescheiden an.
Einsatz fiir Wachstum
Weltbank und IWF seien
durch das Treffen gestärkt wor
den, betonen Köhler und Wol
fensohn am Donnerstag zwar
übereinstimmend. Die Mitglie
der hätten die Organisationen
aufgefordert, weiter gegen die
Armut zu kämpfen und sich für
ein Wachstum einzusetzen, das
allen Ländern der Welt zu Gute
kommt. Doch wenn es um kon
krete Schritte zur Verwirkli
chung der Ziele geht, bleiben
die Ergebnisse der Tagung
vage.
Wolfensohn und Köhler be
kräftigen ihren Appell an die
Industrieländer, Handelsbarrie
ren gegenüber den Entwick
lungsländern abzubauen.
Köhler hofft dabei auf eine
wachsende Wahrnehmung des
Problems. Sein Traum sei, dass
sich die Parlamente in den rei
chen Ländern mit der Frage der
Öffnung ihrer Märkte stärker
befassten. «Damit die Globali
sierung allen zu Gute kommt,
müssen wir uns für gewisse
moralische Standards einset
zen, eine Weltethik,» sagt
Köhler. Viel mehr kann der
IWF-Chef aber auch nicht tun,
denn Entscheidungen treffen
die 182 Mitglieder des Fonds,
deren Stimmrechte sich nach
der jeweiligen Finanzkraft rich
ten.
Risikoreiche Engagements
Auch bei der Einbeziehung
des Privatsektor zur Bewälti
gung von Wirtschaftskrisen
bleibt es eher vage. In der Ver
gangenheit war kritisiert wer
den, internationale Investoren
seien im Vertrauen auf den IWF
oft risikoreiche Engagements
eingegangen. Bei einer stärke
ren Einbeziehung der Privat
wirtschaft wären sie dagegen
an dem Risiko beteiligt. Derzeit
werde an Rahmenbedingungen
für eine Beteiligung der Pri
vatwirtschaft gearbeitet, sagt
Köhler. Er sei optimistisch.
Initiativen wie das christliche
Projekt Erlassjahr 2000, die ein
Moratorium für alle nicht trag
baren Auslandsschulden für die
ärmsten Länder der Welt for
derten, sehen sich ebenfalls
enttäuscht. Eine Erweiterung
der Initiative zur Entschuldung
der ärmsten und hochverschul
deten Länder der Welt (HIPC)
steht nach Worten Wolfen
sohns nicht an. Immerhin sol
len bis Ende des Jahres 20
Staaten in die Entschuldungs
initiative einbezogen werden.
Derzeit sind es zehn.
Neue Atmosphäre der Zu
sammenarbeit
Dennoch bezeichnen Wol
fensohn und Köhler das Treffen
als grossen Erfolg. Die Unter
stützung der Mitglieder für ihre
Politik sei deutlich. Und auch
zwischen den beiden scheint
die Chemie zu stimmen. Von ei
ner neuen Atmosphäre der Zu
sammenarbeit zwischen Welt
bank und IWF spricht Köhler,
und Wolfensohn nickt bestäti
gend. Einig sind sich die bei
den, dass die Jahrestagungen
unverzichtbar sind, der persön
liche Kontakt lasse sich nicht
durch virtuelle Konferenzen im
Internet ersetzen. Allerdings
könne man über die Grösse der
Treffen nachdenken, räumt
Köhler ein.
• •
Uberschüsse...
EU hat schlechte Aussenhandelsbilanz
LUXEMBURG: Die höheren Öl-
preise schlagen auch auf die
Aussenhandelsbilanz der EU
durch: In der Euro-Zone wie
in der Gesamt-EU fiel die Bi
lanz auf Grund der Juli-Zah
len schlechter aus. Gewachsen
ist der Handelsüberschuss der
Euro-Zone mit der Schweiz.
Eurostat, das statistische Amt
der Europäischen Union (EU) in
Luxemburg, gab am Donners
tag aufgrund erster Schätzun
gen Zahlen für Juli bekannt.
Demnach verbuchten die elf
Länder der Euro-Zone im Han
del mit Drittländern im Juli ei
nen Überschuss von 4,9 Mrd.
Euro, dies gegenüber einem
Überschuss von 12,1 Mrd. Euro
im Juli 1999.
Höhere Rohölpreise
Für alle 15 EU-Staaten be
trägt das geschätzte Handelsde
fizit im Juli 4,2 Mrd. Euro
(1999: 5,2 Mrd.). Für die ersten
sieben Monate des Jahres fiel
so in der Euto-Zone der Über
schuss mit 5,8 Mrd. Euro gerin
ger aus als 1999 (35,6 Mrd.). In
der gesamten EU ergab sich mit
45,5 Mrd. Euro ein höheres De
fizit als im Vöijahr (5,8 Mrd.).
Detailzahlen liegen erst für
das erste Halbjahr vor. Bereits
bis Juni schlugen sich indes die
höheren Rohölpreise in einem
Anstieg des Wertes der Ener
gieeinfuhren in die EU um 108
Prozent nieder. Das Bilanzdefi
zit im Energiebereich stieg auf
53,7 Mrd. Euro und ist laut Eu
rostat zum grossen Teil Grund
der verschlechterten Gesamt
handelsbilanz.
Handel mit Schweiz
Der Handelsbilanzüberschuss
der Euro-Zone mit der Schweiz
betrug von Januar bis Juni 7,1
Mrd. Euro, dies gegenüber 6
Mrd. im Vergleichszeitraum
1999. Die Ausfuhren aus der
Euro-Zone in die Schweiz nah
men dabei um 13 Prozent auf
30,6 Euro zu. Die Einfuhren
stiegen um 12 Prozent auf 23,5
Mrd. Euro.
Unverändert gegenüber 1999
bei 4,3 Mrd. Euro blieb im ers
ten Semester 2000 der Handels
bilanzüberschuss der Gesamt-
EU mit der Schweiz. Die EU-
Ausfuhren in die Schweiz stie
gen in diesem Zeitraum um 13
Prozent auf 33,9 Mrd. Euro und
die Einfuhren um 15 Prozent
auf 29,6 Mrd. Euro.
Der Preis für öl der Organisa
tion Erdöl exportierender Län
der (OPEC) hat sich kaum ver
ändert. Ein Barrel (159 Liter)
OPEC-Öl habe am Mittwoch
29,18 Dollar nach 29,15 Dollar
am Dienstag gekostet, berichte
te das OPEC-Sekretariat am
Donnerstag in Wien. Die ent-
wicklung bleibt spannend
NACHRICHTEN
Koop Constantln
und USA Films
: MÜNCHEN: Die Münchener
Constantin Film AG hat die
Kino-, Fernseh-, Video- und
Internetrechte an künftigen
Produktionen des unabhän
gigen Hollywood-Studios
: USA Films gekauft. Wie
Constantin-Chef Bernd
Eichinger am Donnerstag
mitteilte, wird sein Unter
nehmen alle bis Ende 2003
; produzierten Streifen von
; USA Films in Deutschland,
Österreich und der Schweiz
; vermarkten. Zu den Projek
ten zählten «One Night at
; McCool's» mit Michael
\ Douglas und Matt Dillon
sowie «The Barber Movie»
von den Brüdern Coen.
GSM-UMTS-Chlp
| feiert Premlere
MÜNCHEN: Das Siemens-
Tocherunternehmen Infine-
. on hat am Donnerstag den
! weltweit ersten Basisband-
I Chip für GSM und UMTS
vorgestellt. Ein Handy mit
diesem Chip kann sowohl ,
< das herkömmliche Mobil-
1 funksystem GSM als auch
das künftige UMTS-System
i nutzen, wie das Unterneh
men in München mitteilte.
Der Mobilfunkstandard UM
TS ermöglicht die Übertra-
; gung von Sprache, Bildern
und Video und soll in Euro
pa ab 2002 schrittweise ein-
i geführt werden.
Jahrestagung IWF
BARCELONA: Aus Protest
i gegen die Festnahme von
( Demonstranten bei der Jah
restagung von IWF und
1 Weltbank in Prag haben
[ Globalisierungsgegner am
' Donnerstag das tschechi-
! sehe Konsulat in Barcelona
besetzt. Die Besetzer ver-
; langten die Freilassung der
Demonstranten, die bei dem
< vorzeitig beendeten Treffen
, in Prag gegen die Globali-
'■ sierung der Wirtschaft pro
testiert hatten. Wie der
tschechische Honorarkonsul
: Jose Maso in der katalani
schen Metropole mitteilte,
drang eine Gruppe von 15
; jungen Leuten gewaltsam in
• das Konsulat ein. 30 weitere
: Globalisierungsgegner un
terstützten die Aktion, blie
ben aber auf der Strasse.
Wechsel
ZÜRICH: Aldo Mastai wird
per 1. Oktober 2000 neuer
Präsident des Verwaltungs
rates der Philips AG in
Zürich. Der bisherige Vize
präsident löst Karl Börner
ab, der pensioniert wird.
Neuer Vizepräsident wird
Heinz Schärer. Paul Starren
berg stösst zudem als neues
Mitglied in den Verwal
tungsrat.
ABB In China
BADEN: ABB Hochspan
nungstechnik hat einen
Auftrag in der Höhe von
knapp 30 Mio. Franken für
Schaltsysteme und Ausrüs
tung für ein Atomkraftwerk
in China erhalten. Es handle
sich um einen der wichtigs
ten Aufträge in China, teilte
ABB am Donnerstag mit.
Auftraggeberin ist die
Jiangsu Nuclear Power
Corporation in China. Die
Lieferung erfolge in den
Jahren 2001 und 2002.
V